Teil 5 ~~ Liam

"Du bleibst an meiner Seite!"

Meine Reaktion hatte mehrere Gründe. Einerseits ließ ich Neulinge nicht gerne allein im Wald umherlaufen, wenn wir solche Missionen haben. Andererseits lauerte da tief in mir so ein komisches Gefühl bei ihr. Sie war von Anfang an anders, aber doch gleich. Irgendwas verbarg sie. Ich konnte es förmlich spüren! Ich werde es auf jeden Fall herausfinden herausfinden!
Sie kämpfte gut, zu gut für die zwei Jahre Ausbildung hier. Außerdem konnte kaum einer im Camp mit dem Speer umgehen, dabei hatte ich selbst noch so meine Probleme, aber sie schaffte es alles so locker aussehen zu lassen. Es ist möglich, dass sie das vererbte Gen hat für die bessere Beherrschung eines Speers, aber konnte sie es wirklich alleine aktivieren?

Schweigend warteten wir im riesigen Wohnzimmer auf alle anderen. Sie stützte sich am Fensterbrett an und starrt gedankenverloren aus dem Fenster. Irgendwie tat sie mir schon leid, dass sie den Sonnenaufgang nicht so gut mitbekommen wird, vor allem da es ihr erster im Legionshaus ist. Ich öffnete den Mund, um ihr anzubieten, dass sie auch draußen auf uns warten kann, aber dann spürte ich, dass die andern schon die Stufen hinunterstürmen.
Bevor wir los gingen teilte ich die Gruppen ein und schickte jeden in einen anderen Winkel des Waldes.
"Let the show begin!", rief Kit euphorisch.

Morgan war vor einer Stunde von dem Alarm geweckt worden, der mit den Sensoren im Wald zusammenhing. Kurz darauf tauchte Merkur, der Götterbote bei ihm auf und warnte ihn vor einem auftauchenden Monster. Dann war er weg.

Wir wussten nicht was für ein Monster es war, diese Angabe wollte Merkur uns nicht geben. Das einzige, dass jetzt klar stand war, dass es nur ein Monster ist. Somit konnte ich eine Herde wild gewordener Zentauren oder Feenschwärme von der Liste wegstreichen.

Vorsichtig betrat ich mit Aura den Wald und hielt nach unserer Mission Ausschau. Schweigend ging Aura neben mir her und hatte schon ihre Waffe, in Form eines Dolches, in der Hand. So beiläufig wie möglich, wollte ich meine Waffe hervor und zauberte sie zu einem Kurzschwert. Wir mussten auf alles vorbereitet sein. Ein Gedanke flutschte mir über die Lippen, bevor ich ihn aufhalten konnte.
"Läuft da eigentlich etwas zwischen dir und Morgan?" Am Liebsten hätte ich mir jetzt den Kopf abgerissen und ihn auf die nächste Baumspitze geworfen.
"Du meinst außer unserer Freundschaft? Nichts", antwortete sie mit einer Spur Trotz in der Stimme.
"Was hat er dann genau vorhin gemeint?" Mein Kommentar beim Abendessen ist voller Eifersucht gewesen, was dankbarerweise keiner bemerkt hatte. Die Stimmung zwischen Morgan und Aura kam mir bei seiner Rede auf einmal mehr als nur freundschaftlich vor. Ich redet mir ein, dass ich es wissen wollte, weil sie in meiner Legion war und ich für alle sorgen musste, aber eigentlich wollte ich nur die Bedürfnisse meines Herzens stillen.
"Das war nett gemeint von ihm. Ich habe nicht so viele Geschwister wie du oder die anderen!", meinte sie säuerlich und sah mich wütend an.

Ich atmete einmal tief aus und griff nach ihrem Arm, als sie von mir weglaufen wollte. Obwohl sie sich noch immer wehrte, zog ich sie sanft an mich.
"Hey, das war doch nicht böse gemeint. Ich war nur neugierig", sprach ich beruhigend auf sie ein. Die Sänfte meines Blickes konnte ich förmlich spüren und sie ließ mich für einen Moment in der Bewegung verharren. Mit ihren großen hellbraunen Augen sah Aura mich geschockt an, doch dann verschwanden ihre Emotionen immer mehr, bis sie sich schließlich aus meinem Griff befreite und alleine weiterging. Ausatmend sah ich ihr hinterher und wollte gerade zu ihr aufschließen, als ich etwas spürte. Etwas großes und schnelles! Warum habe ich es nicht schon vorher gespürt?
"Aura, pass auf!", rief ich und rannte auf sie zu.

Ein nahestehender Baum wurde ausgerissen und wir bleiben beide erstarrt stehen und sahen zu der Kreatur auf. Locker streckte es eine Hand in Auras Richtung aus, die panisch noch immer das Gesicht des Monsters suchte. Ich war zu spät, um Aura aus der Schusslinie zu schieben, denn das Monster hatte sie mit dem Handrücken zur Seite geschoben, sodass sie an den Bäumen vorbei flog und nach mehreren Metern schmerzhaft aufschrie.
"Oh Nein! Das kann nicht wahr sein!", rief ich aufgebracht. Auf wen genau ich sauer war, wusste ich nicht.

Die Kreatur lachte dümmlich. Es war ein Minotaurus - halb Mensch, halb Stier - so groß wie ein Hochhaus und so breit wie ein Bus,  der nun vor mir stand. Seine roten Augen sahen mich bedrohend an, und er beugte sich runter und wollte auch nach mir greifen.
Aber in war schneller. Ich teilte mein Schwert in zwei Hälften und warf ihm eines entgegen. Die Schwerthälfte bohrte sich in seine Hand und verschaffte mir genug Zeit, um abzuhauen.
Bevor das Monster es überhaupt realisieren konnte, rannte ich schon los und suchte Aura. Schließlich fand ich sie an einem Baum angelehnt stehen. Sie atmete hektisch.

"Du kannst fliegen, Blitze abfeuern, die Luft manipulieren und kontrollieren, aber nicht eine einzige Selbstheilungs-Gabe könnte dein Vater rüber springen lassen!", meinte ich genervt und taste ihren Arm ab. Sie stöhnte schmerzerfüllt auf. Der Arm war gebrochen.
"Kannst du weitermachen?", fragte ich besorgt. Sie nickte und drückte sich den Arm an den Körper.
"Okay, komm wir müssen diese Jungs finden, bevor der Minotaurus es tun."

Wir rannten weiter und ich konnte schon von Weitem eine kleine Lichtung erkennen mit den vier Jugendlichen, die wir wahrscheinlich suchten.
Der Minotaurus schloss zu uns auf und ich überlegte schon, mich Aura aufzuteilen, damit wir den Minotaurus von den Jungs fernhielten, aber die Kreatur hatte andere Pläne. Er krallte sich wieder Aura schüttelte sie durch. Ihre Waffe fiel klirrend zu Boden. Okay, Plan B. Im Laufen hob ich die Waffe und verwandelte sie in einen Speer. Entschlossen rannte ich auf die Lichtung zu. Es war die Zeit gekommen alle fünf zu beschützen. Schnell sammelte ich mehr Kraft an und verbrauchte diese, um schneller bei den Jungs anzukommen. Da hielt ich dann die Speerspitze in das Feuer und hoffte, dass sie das Feuer aufnehmen würde. Fluchend behielt ich den Minotaurus im Auge und ignorierte die fragenden Blicke der Jungs. Verwirrt sah ich zu, wie Aura eine Hand ausstreckte und der Speer wirklich Feuer fing.

Voller Wucht warf ich den Speer in die Richtung des Minotaurus. Der Speer drang tief in das Monster ein und das Feuer ging auf das Fell über. Der Minotaurus schrie auf und warf kurzerhand Aura weg. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sie sich abfangen könnte oder fliegen wird, aber anscheinend kam das ganze zu plötzlich für sie. Sie schaffte es sich an einem großen Ast festzuhalten, aber dafür knallte ihr Bein mit voller Wucht gegen den Stamm des Baums. Langsam ließ sich sich auf den Boden fallen und sah zum Minotaurus, der mit dem Speer im Baum und feuerbedeckt, mich hasserfüllt ansah.
"Mist! Wirf mich hoch!", brüllte ich. Wenig später levitierte ich und schoss auf den Speer zu. 

Mit einer Hand hielt ich mich daran fest und mit der anderem an seinem Fell, das noch nicht brannte. Ich war in einer sehr komischen Position, da ich horizontal auf dem Minotaurus stand und dem Boden parallel war. Während ich den Speer herauszog, stieß ich den Minotaurus mit den Beinen von mir weg, sodass er nach hinten ausweichen musste. Mit einem Ruck, war der Speer aus ihm heraus und er wurde von meiner Stärke noch weiter nach hinten gedrückt. Schließlich lief er brüllend in den Wald, während ich auf den Boden zustürzte. Zwei Meter vor dem Boden wurde ich von einer Wolke abgefangen. Da Wolken aber größtenteils aus Wasser bestanden, kam ich klitschnass auf den Boden an. 

Schnell versicherte ich mich, dass der Minotaurus nicht zurückkam und es den Jungs, den Umständen entsprechend, gut ging. Danach rannte ich zu Aura.
"Geht's? Oder soll ich dich stützen?", fragte ich besorgt nach, da sie diesmal auf dem Boden saß, und ein Bein an sich gezogen hat.
"Hilf mir mal, bitte", brachte sie den Tränen nahe hervor.
Vorsichtig nahm ich ihre Hände und zog sie auf die Beine.
"Au! Nein! Hör auf!", schrie sie schmerzerfüllt, sodass ich sie wieder auf den Boden abließ.

"Der Minotaurus hatte es ja ganz schön auf dich abgesehen", meinte ich nachdenklich.
Im selben Moment als Aura etwas sagen wollte, stürzte ein dickerer Ast genau auf ihr Knie herab, noch bevor ich ihn abfangen konnte. Aura schrie und verfluchte den Ast indem sie ihn mittels Wind mehrere Meter wegschleuderte.
"Lass mich mal etwas versuchen!" Ich schleuste einen Arm unter ihre Knie ein und den anderen platzierte ich hinter ihrem Rücken und hob sie hoch.
"Passt es so?", fragte ich vorsichtig und ging auf die Jungs zu. Sie nickte nur und legte ihren Kopf auf meine Brust ab, inzwischen rannen ihr schon mehrere Tränen hinab.

"Zusammenpacken! Los!", rief ich ihnen zu. Ich hatte keine Lust mit einer verletzten Aura noch mehr Zeit hier zu verbringen.
"W-wir?", fragte der eine mit zitternder Stimme.
"Ist hier sonst noch wer? Los!"

Sie standen auf und stießen gegeneinander, auf den Weg zu ihren Zelten, wie tollpatschig sind die denn bitte. Während sie zusammenpackten, legte ich Aura vorsichtig auf den Boden ab und zog aus meiner Jacke eine kleine Ampulle.
"Keine Sorge. Das ist eine Mischung aus Schmerz- und Schlafmittel, das schnell wirkt. Habe ich von Daina." Ohne zu zögern nahm sie mir die Ampulle ab und leerte sie in einem Schluck. Noch während sie mir die Ampulle zurückgab, schlief sie ruckartig ein.
"Fertig!", rief mir einer der Jungs zu und ich hob vorsichtig wieder Aura hoch, nachdem ich sie mit meiner Jacke zugedeckt habe.
"Wolltet ihr hier herziehen oder warum habt ihr so viel mit?", fragte ich verwirrt und bestaunte die ganzen Taschen.
"Wir wollten hier nur campen. Und wir haben auch nichts gemacht. Bitte bringt uns nicht um!", bettelnd ging der eine mit einer Brille auf die Knie.
"Steh auf! Kommt mit mir!", seufzte ich genervt. Ich drehte mich Richtung Camp und ging los. Durch die Vibrationen am Boden, erkannte ich, dass sie mir auch wirklich folgten.
Kopfschüttelnd ging ich weiter. Ich konnte mir zu diesen Jungs noch keine Meinung bilden. Sie wirkten leichtgläubig, ängstlich, nett, tollpatschig, vor allem weil ich sie vielleicht auch etwas zu sehr eingeschüchtert habe. Naja, egal.

Ein Grinsen schlich sich in mein Gesicht aus mehreren Gründer. Einerseits bewunderte ich die Naivität mit der sie mir folgten und über mich redeten, im Glauben, dass ich sie nicht hören konnte. Andererseits hielt ich gerade Aura in meinen Armen, inzwischen ist sie schon eingeschlafen und ihre Kleidung ist an einigen Stellen zerrissen und genau dort sieht man schon blaue Flecken.

Dennoch wirkte Aura schön und überaus interessant. Mein Herz raste bei dem Gedanken, dass ich sie nun viel näher kennenlernen kann.
Aura war wunderschön. Ohne Zweifel. Trotzdem war sie nicht wirklich im Camp bekannt. Irgendwie hat sie es zwei Jahre geschafft unentdeckt zu bleiben und gleichzeitig so gut kämpfen zu lernen. Aus dem Zopf, den sie sich vor unserem Aufbruch hektisch gebunden hat, fielen nun mehrere rötliche Strähnen heraus und hoben sich von ihrer bleichen Gesichtsfarbe ab. Ich konnte den Gedanken nicht wegstoßen, dass sie mir von irgendwo bekannt vorkommt, zu mindestens vom Aussehen und den Gesichtszügen. 

Meine Gedanken wurden unterbrochen von den drei Jungs, die laut lachend einen vierten ansahen, der in eine Matschgrube gefallen war. Da wird aber einer dringend eine Dusche brauchen. Ein Kichern stieg mir den Hals hoch, doch es kam nur mit einem Grinsen auf meinem Gesicht zum Vorschein. 
"Ich würde dir raten, da schnell herauszukommen. Der Matsch in dieser Gegend hat ähnliche Effekte wie Treibsand. Du hast zwei Minuten, bevor du zu tief festsitzt." 
Energiegeladen stürmten die anderen drei auf ihn zu und blieben ungeschickt selbst im Matsch stecken. Ein lautes Stöhnen entwich mir, als ich Aura absetzte und den vier aus dem Matsch half.

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