Sanftheit oder Anmut?
Alexander
Ich werde durch gedämpfte Musik geweckt. Meine Hand fährt über die linke Seite meines Bettes. Die Matratze ist kühl. Der zerwühlte Stoff ist schon länger unberührt. Ich richte mich leicht auf und sehe, das Magnus wirklich nicht mehr neben mir liegt. So wie er gestern, vergrabe ich meinen Kopf in sein Kopfkissen und tatsächlich rieche ich einen leichten Hauch von Sandelholz zusammen mit einem gewissen Eigengeruch von ihm.
Er lässt mich fast wieder weg dösen. Aber die Erinnerungen an den gestrigen Abend plätschern auf mich ein. Ein Wasserfall aus Empfindungen prasselt auf mich ein. Ich bade in dieser Wonne aus purem Glück. Dabei fahre ich selbst über meine beschriebene Haut. Noch immer fühle ich seine Berührungen. Die Illusion das seine Lippen auf meinen liegen, ist so aufregend, das alles in mir kribbelt. Ich vergesse die Schmetterlinge, denn in mir tobt ein ganzer Zoo.
Aber das alles ist nicht genug. Das Wissen, das ich mich jetzt nur aus diesem Bett bewegen muss, um seine Lippen wirklich wieder zu spüren, ist Antrieb genug. Dabei gehe ich davon aus, das Magnus bereits wieder seine Maske trägt.
In Boxershorts öffne ich die Tür zum Schlafzimmer, nur um gleich darauf meinen Freund zu sehen. Mit geschlossenen Augen wiegt er seine Hüften hin und her. Der Plattenspieler, den ich einem Bücherregal mit deponiert hatte, spielte eines von meinen Lieblingslieder. "What a wonderful world" von Louis Armstrong. Schon in jüngeren Jahren habe ich dieses Lied für ein wahres Wunder gehalten. Es war so unverblümt ehrlich. Die Wörter waren ein reiner Zauber.
Ich beobachtete Magnus. Seine Wörter waren fließend. Voller Anmut berührten seine Fußspitzen den knarrenden Holzboden. Verträumt lehnte ich mich in den Türrahmen. Er trug ebenfalls nur eine Boxershorts sowie ein Shirt von mir. Es war eines der älteren, nur durch Magnus bekam es einen neuen Glanz.
Während er sich drehte und vor mir vollkommen frei tanzte, sah ich das sein Gesicht immer noch frei von Make up war. Es ließ mich aufsehen und nur noch mehr lächeln. Ich wusste was das für ein großer Schritt gestern für ihn war. Deswegen schätze ich es sehr wert, ihn so sehen zu dürfen. Er muss sich keines falls verstecken und erst recht nicht vor mir. Und gerade jetzt wünschte ich, das meine Augen Fotos machen könnten. Aber das geht nicht und so vertraue ich auf mein Gedächtnis, welches diesen Augenblick abspeichern wird. Für alle Zeit.
Das Leben ist wie zeichnen ohne Radiergummi und gerade ist es nicht gekritzelt oder verwackelt. Die Hand, die gerade mein Leben zeichnet ist ruhig, filtert alles kleine, Ungewisse. Ja, fast unscheinbare, das was mein Auge gar nicht erfassen kann. Einfach, weil die Eindrücke so vollkommen berauschend sind. In mir trage ich die Sicherheit, das mein Herz immer über ihn reden wird.
"Darf ich bitten?" Ich muss mehrmals blinzeln, um Magnus wieder klar sehen zu können. Er lächelt mich sanft an. Seine Augen, die jetzt allein durch ihre spezielle Farbe auffallen, funkeln mich an. Das Gesicht wirkt weicher und ich kann es kaum abwarten, es zu berühren. Noch nie war er so pur und er selbst wie jetzt.
Ich lege meine Hand in seine. Ich lasse es zu, das er mich auf unsere ganz eigene Tanzfläche geleitet. Unsere Körper schmiegen sich wie gestern aneinander, als wir eine lockere Tanzhaltung einnehmen. Seine Stirn ruht an meiner. Wir atmen die selbe Luft ein. Nur die Musik allein schafft es, unsere Körper im Einklang zu bewegen. Dabei flüstere ich leise den Text, des neuen Liedes mit.
"Somethings are meant to be. Take my hand, take my whole life too." Tief sehen wir uns in die Augen. Sehen all das was wir sonst keinem anderen zeigen. Die Vergangenheit, die Narben, die Sonnenstrahlen und die Schwächen. Wir sehen uns. Magnus und Alexander. Wie wir uns kennen gelernt haben, welche Hürden zwischen uns lagen und wie diese sich in Asche verwandelt haben. Denn unsere Liebe schien vollkommen. Gemeinsam hauchten wir "For I can't help falling in love with you."
Wir tanzen weiter, selbst als die Musik endete. Wir waren vertieft in uns und in dem was wir fühlten. "Du hast mich gestern wunderschön genannt.. so als wäre es mein Name." Leicht lächle ich. "Ich hätte da auch noch wundervoll, sanftmütig, stark, geduldig.." Auf seine Wangen legte sich die Wärmflasche. So glänzend, wie ein roter Apfel. Ich küsste sie. Etwas anderes blieb mir nicht übrig.
"Warum versteckst du dich hinter dem Make up?" Unsere Bewegungen verstummen, scheinen doch zu viel in diesem stillen, verletzlichen Moment. "Ich habe mich schon früh für das schminken interessiert. Am Anfang war es pures Interesse. Ich bekam immer mehr Komplimente für meinen Eyeliner oder das Glitzer." Magnus sieht an mir vorbei, fokussiert einen Punkt während sein Griff um mich etwas stärker wird. Er sucht Halt und dem gebe ich ihm gern.
"In der Annahme das mich jeder nur noch mit Make up schön findet, habe ich es einfach nicht mehr abgelegt. Es hat mich jünger gemacht und anders. Ich bin aufgefallen. Sobald ich mich abends abgeschminkt habe, war ich gefühlt so schutzlos. Nur meine Mum kennt mich ungeschminkt."
Ich lege eine Hand an seine Wange, male unsichtbare Kreise und fühle dabei die kleinen Bartstoppeln um seinen Mund herum. Die Haut ist weich und in jeder Pore steckt ein Funken Zauber. Ein Zauber der mich nicht mehr los lässt. Er fesselt mich und lässt mir trotzdem eine Freiheit, die ich bis jetzt noch nie so gespürt habe. Ich liebe mein Leben nur noch mehr.
"Der Punkt ist, das ich mich seit unserem ersten Gespräch anders gefühlt habe. Es war fast erschreckend, wie aufgehoben ich mich bei dir gefühlt habe. Du hast mir von mal zu mal mehr bedeutet. Ich möchte die ganze Zeit einfach nur neben dir sitzen und dir zuhören. Es ist egal was du erzählst. Es könnte alles sein. Denn ich liebe deine Stimme, dein Gesicht, deine Augen. Ich liebe deine bloße Existenz."
Ist es nicht erstaunlich, wie das faustgroße Herz, Gefühle ertragen kann, die eigentlich das Gewicht eines ganzen Berges haben? Ich öffne bereits meinen Mund, möchte irgendetwas erwidern, was dem ansatzweise gerecht wird. Aber die Klingel meiner Wohnungstür lässt uns beide inne halten.
"Könnten wir so tun, als seien wir nicht da?" fragt Magnus vorsichtig und ich kann nur schnell nicken. Der Plan scheint nur nicht mit der Person zu funktionieren, die davor steht. Immer wieder klingelt es. Leise seufze ich.
"In dem Schrank im Bad sind die Schminksachen von Izzy. Ich glaube sie müsste alles haben was du brauchst. Bedien dich ruhig." sage ich noch bevor ich ihn küsse. Ich weiß, das er sich jetzt wo Besuch vor der Tür steht, nur mit Make up wohler fühlt und das ist ok. Solange ich immer wieder die Ehre haben werde, ihn pur zu sehen, genügt mir das.
Dankend nickt er mir zu und ich kann ihm nur zu zwinkern. "Ziehst du dir bitte noch etwas über?" Ich sehe an mir herab und verschwinde gleich darauf in das Schlafzimmer. In Jeans und einem einfachen Shirt öffne ich meine Wohnungstür.
"Was haben Sie mit Etta gemacht?" werde ich fast schon angeschrien. Die Frau mit den schwarzen Haaren stürmt in meine Wohnung, ohne das ich sie aufhalten kann. Etwas verwirrt sehe ich ihr hinter her und schließe dann leise meine Tür. "Ihnen auch erstmal einen Guten Morgen" sage ich dann unverfroren.
Sie scheint wirklich wütend zu sein. Ihre Arme hatte sie in ihre Seiten gestemmt. "Seien sie nicht so freundlich." Unmerklich räuspere ich mich. "Dürfte ich erstmal erfahren mit wem ich hier spreche?" Die Frau, die mir ungefähr bis zu den Schultern reicht und damit etwas größer ist, hat nichts wirklich freundliches an sich. Dennoch kann ich nur erahnen, das auch sie eine sonnige Seite hat. "Das hat sie nichts anzugehen." Ihre Stimme ist laut und gern würde ich sie darauf hin weisen, das ich nicht schwerhörig bin. Aber Magnus kommt in den Raum.
"Ist alles ok, Alexander?" Ich lege meine Hand auf seinen unteren Rücken und schiebe mich etwas vor ihm. Ich möchte ihn aus irgendeinem Grund schützen.
"Jerome?" kommt plötzlich von der aufbrausenden Frau. Wir beide sehen sie an und sie sieht uns ungläubig an.
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