Neuanfang oder Weiter machen?

Alexander

"Ein Apfel und ein von Alec aufgeschnittener Apfel sind zwei komplett verschiedene Obstsorten" erklärt Izzy, zwei Wochen später, Magnus am frühen Morgen. Ich kann nur lächelnd meine Augen verdrehen. Aber natürlich begutachtet mein Freund das geschnittene Obst und stimmt ihr dann auch noch zu. "Du hast recht. Ich hätte ab jetzt auch gerne einen Apfel von dir. Jeden Morgen."

Ich küsse seine Lippen und schmecke so den süßlichen Geschmack von dem Apfel. Es macht süchtig. Das Klingeln an der Tür lässt uns alle drei aufsehen. Das Zusammen leben klappt wie erwartet sehr gut. Die Abende verrückt, jeder Morgen entspannt und jeder Augenblick ein vollmundiger Genuss. Wir machen die Welt unsicher und dabei schien ich mich so sicher zu fühlen. Es war verrückt.

Maryse und Marisa hatten uns ebenfalls besucht und wir konnten mit einem lächeln feststellen, das sich da zwei Freundinnen für das Leben gefunden hatten. Izzy war auch ganz überrascht. Die drei Frauen verbrachten seitdem einige Nachmittage miteinander, während Magnus und ich weiter durch die Zeit tanzten.

Mittlerweile wurde auch Mrs. Lovelace beerdigt. Auch wenn es mir schwer fiel, war ich auch dort mit anwesend.

Flashback

"Wie geht es euch zweien?" Das schwarze Kleid schmeichelte ihren kleinen Babybäuchlein perfekt. Allgemein sah sie sehr glücklich aus. "Es ist alles prima. Klar habe ich meine Beschwerden und Wehwehchen. Aber das wird mit den sanften, fast schon tollpatschigen Berührungen von da drin zu Nichte gemacht. Möchtest du mal fühlen?" Wir blieben stehen. Cat ergriff meine Hand und legte sie auf ihren gewölbten Bauch. Ich konzentrierte mich allein auf die Empfindungen und spürte tatsächliche ganz leichte Tritte.

Ich lächelte Cat an. "Du hattest übrigens recht. Ragnor ist sofort nach Hause gekommen. Er hat sich so gefreut. Er nimmt mir wirklich fast alles ab, da ist er beruhigter." Langsam laufen wir weiter. "Ich freue mich wirklich für euch. Und ich habe mich wirklich sehr geehrt gefühlt, das ich es als erstes erfahren durfte. Das war wirklich etwas besonderes."

Kurz sieht sie mich an. "Es hätte kein anderer sein sollen. Ich brauchte jemanden zum reden und jemand der mir zuhört. Nur du bist mir eingefallen. Du bist irgendwie wie so eine Seelsorge. Die erste Anlaufstelle für jeden. Ich bin dir sehr dankbar dafür." Ich schüttelte unmerklich den Kopf. "Das ist doch alles selbstverständlich." Wir erreichten den Friedhof.

Schon den ganzen Tag musste ich daran denken. Mrs. Lovelace würde man heute neben ihren Mann niederlegen. Die beiden tranken wahrscheinlich schon Bier dort oben und stießen auf das unheimlich schöne Leben an. Cat vertrat das Altersheim und bat mich ihre Begleitung zu sein. Ich trug einen Anzug und fühlte mich dabei so unendlich unwohl. Ich vermisste die alte Dame und gleichzeitig freute ich mich für ihren Mann. Der Himmel musste schön sein. Einfach, weil die beiden da oben waren.

Wir begrüßten die kleine Familie. "Sie sind der Buchhändler." Ich sah die Frau an. Sie hatte das Buch für ihren Sohn gekauft. Dieser stand mit Tränen in den Augen neben ihr und musterte mich verschüchtert. "Die Bewohner des Altersheim gedenken heute ebenfalls an diese wundervolle Frau" äußerte Cat. Doch mein Blick lag allein auf den Jungen. Mir fiel es schon schwer. Wie musste es dann ihm gehen?

"Wollen wir ein Stück gehen?" frage ich ihn, als sein Blick vollkommen verloren die Gegend begutachtet. Joshua, so heißt er, nickt mir nur entgegen und so lösen wir uns von der kleinen Traube ab.

"Wie hat dir das Buch gefallen?" frage ich ruhig. "Es war gut... eigentlich war es perfekt." Es freut mich wirklich diese Wörter zu hören. "Ging mir ähnlich. Gerade die letzten Seiten waren Spannung pur." Nur ein kurzer Hauch eines Lächelns fliegt über sein Gesicht. "Ja das stimmt." Joshua schaut mich unsicher an.

"Haben Sie schon mal jemanden verloren?" Ich muss sofort an meine eigene Oma denken, die ich im Alter von Sechszehn Jahren, Himmels Händen überlassen hatte. "Ja. Ich habe mich ziemlich erdrückt gefühlt, von diesem Schmerz." Izzy und ich hatten damals beieinander gesessen und einfach gemeinsam geweint. "Wie haben sie das ausgehalten?" In meinen Kopf fügen sich die Worte zusammen, die ich brauche. "Es war wie bei einer Sprudelflasche, die man heftig schüttelt. Ich habe ihn nach und nach heraus gelassen. So wie, wenn man den Deckel der Sprudelflasche sanft abdreht, damit der Druck langsam entweicht und nicht komplett überläuft. Dabei waren die Erinnerung erst so heiß wie ein Vulkan und dann so wärmend wie eine Heizkissen."

Kurz sehe ich zu Joshua, dem eine Träne über die Wange rollt. "Wenn du mal jemanden zum reden brauchst oder der dir hilft den Deckel nicht zu schnell von der Flasche zu lösen, dann kannst du jederzeit im Traumleser vorbeikommen."

Flashback

Es war nicht viel was ich machen konnte. Den Schmerz kann ich ihm leider nicht nehmen. Das erneute Türklingel bringt mich wieder in die Gegenwart. "Erwarten wir irgendjemanden?" Magnus schüttelt den Kopf und macht sich bereits auf den Weg zur Haustür. Dabei lasse ich es mir nicht nehmen, seine grazil schwingenden Hüften anzusehen und ihm unverhohlen hinter her zu sehen. "Ich werde das hier in Paris echt wieder vermissen." Izzy zieht einen Schmollmund. "Du besuchst uns einfach immer in den Semesterferien und wir kommen dich zwischen durch besuchen. Und wenn du dann fertig bist, kommst du wieder. Hier wird immer ein Platz für dich sein."

Ich lächle sie an. "Liebling, kommst du mal?" An der Tür steht ein Mann ungefähr meines Alters. Er trägt eine Brille und sein Superman Shirt sieht schon mehrmals gewaschen aus. Nervös lächelt der Braunhaarige mich an. "Sie sind sicherlich unser neuer Nachbar?" Durch die Nachbarin die, die Margeriten so liebt, haben wir schon letzte Woche erfahren das neben uns die Wohnung wieder vermietet wurde.

"Richtig.. ich.. also.. ich bin Lewis.. Simon Lewis." Er reicht mir seine Hand, die ich freundlich schüttle. "Alec, schön Sie kennen zu lernen. Haben Sie sich schon eingelebt?" Mit zitternden Händen fährt er sich durch seine Haare. "Nein, also ich meine ja schon. Ich kenn mich noch nicht so richtig hier aus. Der Wasserschaden in meiner alten Wohnung hat echt so eine Pechsträhne ausgelöst." Magnus sah mich kurz an. "Hast du eine Pechsträhne, dann färbe sie einfach pink. Zumindest sagen das meine Schwester und ich immer. Sie könnte dir zum Beispiel heute die Stadt etwas zeigen und wenn du in der Wohnung noch Hilfe brauchst, dann kannst du jederzeit klingeln."

Simon schien langsam seine Nervosität zu verlieren. "Das wäre mega.. danke. Wow wahrscheinlich habe ich zumindest mit meinen Nachbarn Glück." Magnus musste grinsen. "Ja ich glaube da brauchst du dir keine Sorgen machen. Wir nehmen auch gerne deine Post an. Das macht das ganze Haus hier so." Ich knuffte ihm liebevoll in die Seite. Dabei hatte er vollkommen recht.

Als unser neuer Nachbar wieder in seine Wohnung verschwand und auch wir die Tür wieder schlossen. "Er ist niedlich. So unbeholfen." Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Schläfe. "Er ist Izzy' Typ." Magnus zog seine Augenbraue nach oben. "Darauf würde ich sogar wetten."

Ich küsste seine Nase. "Ich begleite dich morgen übrigens zum Sonntagsfest im Altersheim." Mein Freund kräuselt seine Nase bevor er mich angrinst. "Ich liebe diese Selbsteinladungen immer noch." Leise lachend ziehe ich ihn an mich. "Das wird sich niemals ändern." Er umschlingt meinen Hals. "Genau so wenig wie die Gefühle zu dir. Die werden eher noch stärker. Von Tag zu Tag."

Im Laden war heute viel los. Neben Mrs. Williams und anderen Stammkunden, waren auch heute komplett neue Kunden da. Ich gab wieder mein bestes, damit das perfekte Buch in die richtigen Hände fand. "Sie müssen mir mein beim nächsten Mal erzählen wie ihre Frau das Buch fand. Richten Sie ihr schöne Grüße aus." Der Mann lächelte mich an. "Darüber wird sie sich freuen. Schönen Tag, Alec."

Ich wünschte ihm das selbe und wand mich dann einer weiteren Kundin zu. Als auch diese Frau ein eingepacktes Buch in Händen hielt, hörte ich eine bekannte Stimme "Hier läuft es ja auch gut ohne mich" sagen. Etta stand vor mir und lächelte mich zaghaft an. Ihren Arm hatte sie bei Mrs. Penhallow eingehakt. "Du fehlst trotzdem. Ich meine du hast diese Reich hier erschaffen."

Ich ging um den Tresen herum und umarmte sie. Ihrer besten Freundin reichte ich die Hand. Wieder wurde ich kritisch von ihr gemustert. Aber das lächelte ich weg. Wahrscheinlich war das einfach ihr freundliches Gesicht. "Und trotzdem scheinst du das Herzstück davon zu sein. Ohne dich, wäre der Traumleser gar nicht geöffnet." Ich zuckte nur mit den Schultern. "Damit wäre ich ja auch arbeitslos. Aber jetzt erzähl lieber was dir auf der Seele liegt."

Innerlich schmunzelte ich, denn Mrs. Penhallow' Augen wurden leicht groß. "Meine Therapie braucht noch eine kleine Weile. Ich werde momentan wieder an die Außenwelt gewöhnt wie du siehst. Der Arzt hat mir angeboten für ein paar Stunden wieder arbeiten zu gehen, um zu schauen wie ich damit zu recht komme. Ich dachte erstmal probeweise an nächster Woche und auch nur für höchstens drei Stunden." Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. "Das bekommen wir hin. Die Kunden und auch ich freuen uns. Ich bring Gelee Bananen mit und wenn es dir zu viel wird, dann sagst du einfach Bescheid. Vielleicht möchtest du dich auch erstmal in den Papierkram einarbeiten und ich kümmere mich um die Kunden."

Etta strahlt mich an. "Das klingt super." Mrs. Penhallow machte den Mund auf, schloss ihn dann aber nach einem Blick von mir wieder. Ich habe keine Lust, mich als Schleimer betiteln zu lassen. "Dann sehen wir uns Montag? Soll ich dich vielleicht abholen?" schlug ich noch vor. Die Begleitung von meiner Chefin platzte. "Ich rutsch auf ihrer Schleimspur gleich aus." Ich lächelte sie freundlich an. "Gut, das ich schnelle Reflexe habe. Da kann sich noch vor dem Boden auffangen." Kurz zwinkerte ich ihr zu und auch Etta musste lächeln. "Ich würde mich freuen, wenn du mich abholen könntest."

Die beiden verabschiedeten sich. Damit konnte ich mich wieder meinen Kunden zuwenden. Solange bis auch für mich der Feierabend kam. Ich räumte alles auf, schloss ab und machte mich auf zu meinen Honighasen. Beide müssten eigentlich schon zu Hause sein. Vielleicht schwärmte Izzy gerade von dem neuen Nachbarn.

Im Treppenhaus kam mir jemand sehr bekanntes entgegen. "Jonathan." Wir standen auf der selben Stufe und sahen uns in den Augen. "Al, schön das ich dich doch noch antreffe." Ich spielte mit dem Schlüssel in meinen Händen. "Ich möchte dich auch gar nicht lange aufhalten. Eigentlich wollte ich..." Er stockt als er mir genau in die Augen sieht. In die Augen, die er immer noch zu lieben scheint.

"Wollen wir uns kurz setzen?" Ich deute auf die Stufe, auf der wir gerade stehen und er nickt etwas erleichtert. Wir setzen uns mit einem gewissen Abstand nebeneinander. "Ich habe nach dem Gespräch im Café lange nachgedacht und ich mache jetzt eine Therapie. Mir wurde klar, das ich meine Kindheit nicht verarbeitet habe und ich auch mit dir nie abgeschlossen habe. Tatsächlich ist mir vieles klar geworden und das wollte ich dir eigentlich nur sagen. Ich möchte endlich mein Leben auf die reihe bekommen."

Lächelnd sah ich ihn an. "Jon, ich bin davon überzeugt, dass auch bei dir, eines Tages alles Sinn ergibt und auch du endlich deine Heimat findest. Und bis dahin gehst du diesen Weg, hör auf dein Herz, folge deiner Seele und glaube an Wunder. Ich will wissen was passiert, wenn du nicht aufgibst."

Jonathan nickt. "Ja, ich habe auch jemanden kennen gelernt. Er heißt Sebastian." Schief lächelt er und es ist irgendwie schön zu sehen. "Überstürz nichts. Was gut werden soll, braucht Zeit." Wieder nickt er und sieht dann zögernd zu mir. "Kann ich dich umarmen?" Ich öffne meine Arme und rieche dabei sein süßes Parfüm. Es wird nicht das letzte Mal sein, wo wir uns sehen aber es ist ein Abschluss von den ganzen vergangenen Wochen.

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