Freude oder Freundlichkeit?

Alexander

In meiner einen Hand hielt ich meinen schwarzen Regenschirm, mit der anderen hielt ich mein Handy, was ich ausschließlich für den Notfall besaß, an mein Ohr. "Wirklich, so wenig Bock wie heute, hatte ich zuletzt gestern." Ich muss über meine kleine Schwester schmunzeln. Wenn sie nicht ausgeschlafen ist, hilft bei ihr auch kein Schokoriegel, den man ihr reicht. Man sollte sie einfach wieder in ihr Bett zurück schicken. "Ich mag Menschen nicht, die einschlafen sobald sie ihre Augen zu machen. Ich brauche für diesen Mist zwei Stunden und gefühlte fünfhundert Positionswechsel und wenn es ganz schlimm kommt auch noch eine Opfergabe an Gott."

Ich lache los und denke sogleich das, das wahrscheinlich in der Familie liegen muss. Auch ich brauche immer Ewigkeiten. Und bei mir kommt noch das stundenlange lesen hinzu. Manchmal wollen meine Hände das Buch einfach nicht los lassen und auch meine Augen, sind süchtig nach gut geschriebenen Wörtern. Sie gehörten zusammen wie Ionen zur Chemie oder die Schwerkraft zur Erdkugel. Ich liebte die regnerischen Tage. Denn an diesen Tagen lese ich ausschließlich. Natürlich atme ich neben bei noch. Obwohl es Momente gibt, wo ich den Atem anhalte, wenn das Buch gut geschrieben ist.

Und dann gab es natürlich noch meine Gedanken. Die sich immer etwas griffen und das dann analysierten und philosophierten. Es mussten keine schwerwiegende Probleme sein. Manchmal reichte ein ganz banales Thema, welches ich dann mit meiner gewissen Tiefgründigkeit beschmückte.
Manchmal fragte ich mich wohin die Träume verschwinden, wenn wir aufwachen? Oder was mit den fiktiven Personen passiert, wenn wir das Buch endgültig zu klappen. Ja, manchmal stellte ich mir tatsächlich vor, das sie weiter lebten. Zwischen den Zeilen und in den Buchstaben.

"Iz, du hast echt nicht mehr alle Tassen im Schrank." Durch das Telefon höre ich ein kleines Rascheln. "Ich habe nachgeschaut. Es sind alle da. Was mir fehlt sind Socken, Alec, Socken." Ich liebte diese Gespräche mit ihr. "Ja irgendwo gibt es ein Paradies wo verlorengegangene Socken in glücklichen Beziehungen mit Tupperware-Deckeln leben, die nirgend wo mehr drauf passen."

Auch wenn sie nicht vor mir steht, höre ich deutlich das kleine Lachen von ihr. "Wenn selbst Socken und Tupperware ein besseres Liebesleben führen." Es war vielleicht unbeabsichtigt aber sogleich muss ich an Magnus denken. Der Nebel schien sich in mir wieder aufzuziehen und immer noch fragte ich mich, wie das möglich war. Ich hatte ihn nur zweimal gesehen und reagierte so. Diese Gefühle waren beängstigend. Ich hatte sie bis jetzt nur in Büchern gelesen und sie jetzt selbst in mir zu tragen, ist etwas vollkommen anderes.

"Vielleicht findest du ja einen netten Franzosen." Ich schloss den Traumleser auf und sog den Geruch von verbrannten Zucker sofort in mir auf. Ich schüttelte den Regenschirm aus und machte ihn dann zu. Hier war kein Platz um ihn offen zu lassen.

Hoffentlich kam Etta heute pünktlich. Ich musste noch einige Bücher an ihren Platz bringen. Außerdem musste sie auch wieder bald die Abrechnung machen, wobei ich ihr immer half.

"Erstmal kommt das Studium und dann die Liebe. Die Vorlesung beginnt gleich. Ich ruf dich später nochmal an. Hab dich lieb Brüderchen." Sanft lächelte ich. "Ich hab dich auch lieb, Schwesterherz."

Ich hatte gerade mein Rucksack in den kleinen Raum gestellt, wo auch die Kaffeemaschine stand als Etta freudestrahlend und fast schon verliebt grinsend vor mir stand. Sie trug nur eine Regenjacke, die sie ganz schnell auszog. "Na mein allerliebste Lieblingsmitarbeiter." Oh je, sie muss es wahrscheinlich ganz schön erwischt haben. "Ich bin dein einziger Mitarbeiter." erinnere ich sie. Sie macht nur eine abwinkende Bewegung mit ihrer Hand.

"Ich erschließe jetzt einfach mal, das es gestern sehr gut lief?" Leise zählte ich die Kaffeelöffel und versuchte mich somit auch von der Gesamtsituation abzulenken. Wie ein Mantra wiederholte ich in meinem Kopf, das ich mich für Etta freuen sollte.

"Oh Alec, du weißt gar nicht wie schön dieses Date war..." Ich schenke Menschen gerne meine vollkommene Aufmerksamkeit. Ich kann nicht weg hören, wenn mir jemand etwas erzählte. Auch wenn es sich vielleicht um ein Treffen ging, was auch ich gerne gehabt hätte. Aber ich gönne es meiner Chefin.

".. zu erst waren wir ganz klassisch Essen und dann sind wir noch in das Auto Kino gefahren. Wir waren bis mitten in der Nacht unterwegs. Eigentlich ist er perfekt. Ich meine, er sieht gut aus, ist nur drei Jahre älter als ich und äußerst charmant. Er hat Humor und hach.. ich habe den ganzen Morgen schon mit schwärmen verbracht. Morgen treffen wir uns wieder. Ich würde gern für ihn kochen."

Damit war Magnus Bane dreizehn Jahre älter als ich, vermutlich hetero obwohl noch die Hoffnung bestand das er bisexuell ist und einfach perfekt, wie sie es ausdrückte. Selten hat sich etwas so unerreichbar angefühlt. Dabei spielte der Altersunterschied für mich keine Rolle. Es war eher das ich mich keinem Glück in den Weg stellte. Bei den beiden schien es von Anfang an gefunkt zu haben und das ist doch alles was man sich für einen Menschen, der einem am Herzen lag, wünschte.

An diesem Tag konzentrierte ich mich wieder vollkommen auf die Kunden und ihre Bedürfnisse. Ich führte viele Gespräche, wobei ich der zuhörende Part war. Ich ging eine Stunde vor Ladenschluss, da es Etta so wollte. Anscheinend wollte sie morgen wieder eher gehen, weswegen ich nicht weiter diskutiert hatte.

Der Himmel weinte wieder, weswegen ich meinen Regenschirm aufspannte und erst dann in das freie trat. Wenn man den Himmel umarmen könnte, würde er dann aufhören zu weinen? Auch wenn ich den Regen mochte und ich der Meinung war, das weinen manchmal ganz gut tat, schienen die Wassertropfen so erschütternd herunter zu fallen, das etwas sentimentales hatte.

Leider roch man den Regen nicht wirklich. Dafür verfluchte ich New York ein bisschen. Die Straßen waren von hektischen Menschen gefüllt, die nur in das Trockene wollten. Die unterschiedlich farbigen Regenschirme ergaben ein buntes Spiel. Von oben mussten wir alle wie Schildkröten aussehen. Manche nutzten auch ihre Zeitung. Diese Leuten gingen allerdings auch einen Schritt schneller.

Ich lief den Weg zu meinem Wohnblock gemütlich. Ich mochte den Regen. Mitten in dem Trubel  blieb ich allerdings stehen. Unter einem kleinen Vorsprung welches das Gebäude bot, stand kein anderer Mann als Magnus Bane. Er sah auf die ganzen bunten Regenschirme und die Menschen die sich darunter versteckten. Ein kleines Lächeln zierte seine Lippen und unwillkürlich musste auch ich lächeln. Er wartete wahrscheinlich darauf, das der Regen aufhörte. Die grauen Wolken am Himmel sahen allerdings nicht danach aus.

Auch wenn ich später anders über de Situation denken würde, so hörte ich doch einfach auf mein Gefühl. Ich trat an den Mann heran. Er war einfach nur schön.

"Möchten Sie mit unter meinen Regenschirm?"

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