Bücherei oder Buchhandlung?

Alexander

Noch bis spät in die Nacht sitze ich, regungslos, in meinem mitternachtsblauen Ohrensessel. Nur meine Hände blättern von Seite zu Seite. Meine Fingerspitzen liebkosen die feinen Buchseiten, streicheln die Buchstaben und versuchen nach den Sätzen zu greifen. Meine Beine schlafen immer mal wieder ein und nur wegen diesem unangenehmen kribbeln, löse ich sie aus dem Schneidersitz um sie zu strecken. Ich wackle solang mit meinen Füßen bis sie wieder wach sind, damit ich nur kurz darauf sie wieder zu einem Schneidersitz falten kann.

So habe ich bereits als Kind immer dagesessen. Sei es beim Lesen, in der Schule oder beim essen. Es war einfach am bequemsten. Dabei sagt man das der Schneidersitz gut für die Körperhaltung sei. Allerdings ist es zu lange Wiederrum nicht mehr für den Rücken gesund. Das einschlafen konnte man allerdings nur durch ständige Positionswechsel verhindern. Wenn man zu lange im Schneidersitz saß, wurden Blutgefäße abgedrückt und dadurch entstand das einschlafen.Mediziner bezeichneten dieses Gefühl zum Beispiel als Obdormition.

Auch jetzt, wo ich in Ruhe meinen schwarzen Kaffee auf dem Balkon trank, saß ich mit überschlagenen Beinen da. Wieder betrachtete ich die Stadt die nicht schlafen wollte. In New York wohnte ich bereits seit meiner Geburt, die jetzt auch schon wieder einundzwanzig Jahre zurück lag.

Ich mochte sie. Ich fand es immer wieder aufs neue spannend wie sie lebte und wofür sie stand. Dabei tauchte ich oft viel zu tief ab. Tatsächlich fragte ich mich, ob sie gerne mal Ruhe hätte und ob New York nicht lieber für etwas anderes bekannt wäre.

Mein innere Uhr leuchtete wahrscheinlich gerade in einem feuerrot. Ich gehörte zu den Personen, die viel zu früh aufstanden, nur um ganz gemütlich in den Tag starten zu können. Ich plante sogar immer mehr Zeit für den Weg ein, den ich zu Fuß zurück legte, da man so viel schneller war als in einem Auto.

Leider konnte ich hierbei nicht von einer schönen, frischen und teils auch kühlen Morgenluft sprechen. Genau so wenig konnte ich davon berichten wie die Nachtluft noch über der Erde wachte. Hier gab es keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht. Es roch immer gleich. Meist waren es Abgase.

Ich versuchte mich immer auf die Parfüme, die mir in die Nase stiegen und von den Menschen die ebenfalls zu Fuß gingen, zu konzentrieren, heraus zu filtern und die einzelnen Bestandteile heraus zu finden. Allerdings gab es bis jetzt keins, welches ich täglich riechen wollte. Klar, gab es ganz angenehm. Aber angenehm ist nicht gleich schön.

Bevor ich weiter in meinen Gedanken baden konnte, wusch ich meine Tasse in der Küche ab und ging dann noch Zähne putzen. Dabei beugte ich mich gleich über das Waschbecken. Nicht das wieder Zahnpasta auf mein Shirt tropft, welches heute üblicherweise wieder schwarz war. Genau auf dieser Farbe sah man es deutlich. Oft hatte ich das Gefühl, das man es erst viel später sah, wenn man mit der Zahnpasta auf das Shirt gekleckert hatte.

Mit einer dunkelblauen Jacke und schwarzen Chucks gekleidet, nahm ich den Weg zur Arbeit auf. Ich arbeitete in der "Traumleser" Buchhandlung. Es war gleichzeitig auch meine zweite Heimat. Noch nach meinem Feierabend hielt ich mich dort auf und las mir unendlich viele Klappentexte sowie ersten Seite durch. Nicht das es entscheidend war, ob die erste Seite gut war oder nicht. Aber wenn man sich genau darauf konzentrierte, konnte man viel über den Schreibstil heraus finden.

Im Endeffekt las ich alles was meine Augen erblicken konnten. Dabei achtete ich gern auf die Wortwahl, die auch viel über den Autor sagen konnte. Früher bin ich auch gerne in die Bibliothek gegangen. Allerdings kaufte ich die Bücher viel lieber. Es waren verschiedene Gründe, wie zum Beispiel...

"Alec.. warte.." Die bekannte, weibliche Stimme unterbrach meine Gedanken. Ich drehte mich und sah Etta meine Chefin und sogleich auch eine sehr gute Freundin. Schon als Teenager bin ich am liebsten in ihre Buchhandlung gegangen. Nach der High School hat sie mir angeboten bei ihr anzufangen und ich hatte sofort zugestimmt.

"Guten Morgen, Chefin." Sie verdrehte nur die Augen und schloss gleichzeitig bei mir auf. "Soll ich dich ab sofort auch nur noch Mitarbeiter nennen?" Etta war ungefähr zehn Jahre älter als ich, was man ihr aber nicht an sah. Ihre dunklen Haare, die sie meistens zu einem unordentlichen Dutt gebunden hatte, war ein starker Kontrast zu ihren grünen Augen, die einen immer an Sommergras erinnerten. Sie war eine Frau die sehr einfühlend sein konnte, wenn sie wollte. Ich mochte die Stärke die sie ausstrahlte. Im Gegensatz zu mir war sie nicht träumerisch veranlagt. Besaß dafür aber eine Extraversion um die ich sie manchmal beneidete.

"Oh nein bitte nicht. Das passt so gar nicht zum 'Traumleser'." Wir hatten Stammkunden die uns bereits beim Vornamen nannten und auch so trugen wir nur Namensschilder mit unseren Vornamen. Dadurch konnte man sich viel besser mit den Kunden austauschen. Es war nicht so förmlich und hatte auch etwas entspannteres. Die erste Barriere und auch die gewisse Distanz, welche die Förmlichkeit immer mit sich brachte, entstand erst gar nicht.

"Du weißt welcher Tag heute ist?" Voller Vorfreude grinse ich sie an. "Samstag. Wie könnte ich diesen Tag nur jemals vergessen." Auch Etta grinst. "Der Grund, warum du diesen Wochentag vergisst, wurde noch nicht erschaffen."

Jeden Samstag um genau neun Uhr kam immer die Lieferung von neuen Büchern. Darum kümmerte ich mich. Etta hatte meist keine Geduld alle Bücher durch zuschauen und sie in die jeweiligen Kategorien wie Liebe, Thriller, Jugendbücher und so weiter zu sortieren. Ihr war das zu langweilig.

Ich mochte genau das. Etta und ich waren ein eingespieltes Team und ergänzten uns im Laden ohne wirkliche Absprache. "Müsste heute nicht auch Mrs. Williams wieder vorbeischauen?" nachdenklich sah mich Etta an und kräuselte dabei ihre Nase. Das tat sie immer wenn sie versucht krampfhaft sich an etwas zu erinnern. Sie hatte gefühlt ihren Kopf immer wo anders. Meistens musste sie sich wirklich wichtige Dinge aufschreiben, was sie nur noch sympathischer machte.

Ich konnte nur nicken, während ich die zwei Stufen zu der Ladentür hochging. Draußen fand man ein Schild mit dem Ladennamen, welches sich ganz altmodisch bei Wind hin und her bewegte. Neben der Tür hing noch eine Schiefertafel auf der wir wöchentlich unsere Buchempfehlung schrieben.

Als ich die Tür aufstieß und Etta den Vortritt ließ, schlug mir sofort der bekannte Büchergeruch sowie eine Brise von verbrannten Zucker entgegen. Dazu die bekannte angenehme Wärme, die man oft in Buchhandlungen findet. Diese wurde meist geschaffen durch die Menschen selbst. Denn die Leute hielten sich immer länger in einer Buchhandlung auf als in anderen Geschäften.

Ich drehte das Schild auf "Open" und betrachtete dann wie so oft den Laden. Links fand man die Kasse. Daneben gab es gleich ein Regal, wo es Zubehör zu kaufen gab, wie Lesezeichen oder Buchumschläge. Der restliche Raum wurde mit dunklen Holzbücherregalen gefüllt. Die Wiederrum die Gänge bildeten. Wenn man bis nach ganz hinten lief, fand man insgesamt vier Sessel, die man nutzen konnte um in ein Buch herein zu lesen.

Ordentlich räumte ich meinen Rucksack weg, als auch schon die Klingel über der Ladentür die ersten Kunden ankündigten.

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