Altmodisch oder Heutzutage?

Alexander

Ich beobachtete Etta wie sie sich gerade um einen Kunden kümmerte. Sie war, trotz ihres Berufes, nicht die geduldigste Person und gerade dieser Kunde schien das auszuspielen. Immer wieder sah ich wie sie ihren Kiefer anspannte, um nichts falsches zu sagen oder zu handeln. Ich würde sie ja gerne erlösen. Aber das machte keinen guten Eindruck auf den Kunden, wenn plötzlich jemand anderes da steht und er vielleicht nochmal alle Fragen beantworten oder stellen muss.

Aber eigentlich war es nicht das was mich so auf sie fokussieren ließ. Es waren eher die sichtbaren Flecken auf ihrem Hals, die ich trotz Halstuch sah. Sie leuchteten rot bis bläulich und jeder mit etwas Verstand wusste wie sie entstanden sind. Wahrscheinlich hatten Magnus und sie nichts gegessen sondern so sehr miteinander rum gemacht, das sie auch gar nicht zum reden kamen.

Ich wusste nicht was, aber irgendetwas störte mich an all dem. Damit meinte ich nicht, das ich eifersüchtig bin oder ähnliches, denn die Gespräche bedeuteten mir unheimlich viel. Ich würde es nicht anders wollen außerdem ging es bei mir um den Menschen Magnus und nicht um seinen Körper.

Es war eher der Fakt, das Magnus so unheimlich gern redete und er immer wieder eine Frage fand oder ein Thema womit er eine von unseren vielen Tauchgängen ankündigte. Es waren Tauchgänge, die für manche Menschen vielleicht zu tief gingen aber wir gerne darüber sprachen, zusammen.

Es erschien immer so, als ob er erstmal die Person vor ihm kennen lernen möchte und nicht sofort auf das sexuelle aus war. Oder sollten diese Knutschflecke vielleicht gar nicht von ihm stammen? Etta hatte noch nie viel über ihr Liebesleben geredet und so wusste ich auch nicht viel darüber. Im Grunde genommen wusste ich nichts. Nur das sie jetzt Magnus datet.

"Kannst du das bitte noch zu Ende machen?" Etta stand neben mir und deutete auf den Mann, den sie bis vor kurzem beraten hatte. Er hielt ein Buch über Modelleisenbahnen in der Hand. Vorsichtig reichte er es mir. Mit einem Lächeln nahm ich es entgegen. "Früher fand ich so etwas ganz beeindruckend. Mein Opa hatte eine ganze Landschaft errichtet." erzählte ich frei heraus.

Meine Kunden erfuhren genau so wenig über mein Privatleben wie ich über Etta' Liebesleben. Aber manchmal reichte ein kurzer Satz wie so etwas. Dabei war es egal, welche Person ich hätte nennen können, die Kunden sprangen darauf an. Aber tatsächlich hat mein Opa für Modelleisenbahnen gebrannt. Die Leidenschaft hat er wahrscheinlich mit in dem Himmel mitgenommen. Der Zug, der ihn dort hingebracht hatte, kam plötzlich und vollkommen unerwartet. Manchmal wünschte ich mir, das der Zug Verspätung gehabt hätte.

"Seine liebste war die Dampflok Roco. Kennen Sie die?" Und da war es was ich sehen wollte. Ein erfreutes Lächeln von dem Mann, der vorher eher unsicher vor mir stand. "Natürlich, die steht bei mir auch zu Hause. Sie ist mein zweiter Platz meiner wertvollsten Besitze, die ich habe." Ich packe das Buch ein. "Was ist auf Platz eins?"

Das Gesicht des Mannes veränderte sich schlagartig zu träumerisch. Vollkommen entspannt und mit einem lächeln, welches er allerdings in den Augen trug und nicht auf den Lippen. "Meine Frau." Das war eine sehr deutliche aber auch leise fast sanfte Liebeserklärung an die Frau, die wahrscheinlich gerade zu Hause auf ihn wartet. "Sie bastelt manchmal sogar mit."

Er nimmt das Buch in die Hand. Der Mann nickt erst mir und dann Etta zu. "Dankeschön und noch einen schönen Tag." Ich wünsche ihm das selbe und wende mich dann an meine Chefin, die mich einfach nur ansieht. "Manchmal wünschte ich, man könnte dir Schleimerei vorwerfen." Ich konnte nur die Augen verdrehen.

"Wie ich sehe habt ihr nicht viel miteinander geredet?" Ich deute auf ihren Hals. Die ganzen Flecken lächeln mir arrogant entgegen und wieder gibt es da etwas dumpfes in meinem Bauch, was mir das Gefühl gibt, das hier etwas nicht stimmt.

"Nein wir hatten bessere Sachen zu tun." Etta zwinkert mir zu. Ich hätte den Wink auch so verstanden aber sie musste ihn natürlich noch unterstreichen. "Warum lernt man sich heutzutage nicht erstmal kennen? Warum kommt erst das Bett und dann vielleicht wenn es gut kommt das Leben?" Wieder mache ich den Tresen und denke an die frühere Zeit wo die Leute schon mit achtzehn wussten, das sie ihr Leben miteinander verbringen wollen.

"Ach Alec , du bist echt altmodisch. So ist die heutige Zeit nunmal. Das wirst du auch noch lernen." Ich stoppe mein vorhaben, die Kassenzettel in die dafür vorgesehene Dose zu tun. "Und weswegen muss ich mich dieser Zeit beugen? Nur, weil etwas so gemacht wird, heißt es nicht das es so gemacht werden sollte. Außerdem muss ich nicht jeden Nachahmen. Dort draußen wird es Menschen geben, die es genau so sehen und, wie du es ausdrückst, ebenfalls altmodisch sind. Lieber altmodisch als hundert Matratzen unter mir gespürt zu haben."

Mein Tonfall ist ruhig und neutral. Ihre Worte haben mich zurück geschubst und kurz war ich wieder diese unsichere Person von früher, die sich vielleicht wirklich angepasst hätte. Nein, damals wollte ich mich anpassen. Ich wollte der sein, wie mich alle anderen haben wollten. Aber diese Zeit ist vorbei. Und ich bin froh, das es nie soweit gekommen ist.

Etta schien über ihr eigenes Verhalten nachzudenken. Lautlos seufzte ich. Gern hätte ich jetzt Magnus Ansicht gehört. "Hast du denn trotzdem für ihn gekocht?" frage ich dann sanft um sie aus diesem Gedankenkarussell zu holen. Kurz lächelt sie, wenn auch eher melancholisch als alles andere. Es passt nicht. "Ja es gab Spagetti mit Bolognese und Parmesan. Er mochte es sehr." Ich nicke und greife dann nach ihrer Hand.

"Etta ich meinte das nicht Böse. Aber ich muss nichts lernen, genau so wenig wie du. Ich meine, wenn es passt dann genieß es einfach. Nur sei bitte nicht nur auf das eine aus." Durchdringend sieht sie mich an. "Ihr habt euch wieder getroffen?" Meine Chefin zieht ihre Hand zurück. "Ja und es war wieder rein zufällig. Ich wusste nicht das er in diesem Café arbeitet. Wir haben uns ganz normal unterhalten. Du kannst mir nichts vorwerfen."

Trotz ihrem Verhaltens bleibe ich ruhig und sehe sie ganz neutral an. Ich hoffe, das sie heute einfach nur einen schlechten Tag hat. "Möchtest du nicht nach Hause gehen und dich etwas hinlegen? Ich mache den Rest hier allein." Erschöpft nickt Etta. Sie schnappt ihr Zeug. "Wenn du etwas brauchst. Du hast meine Nummer." Unergründlich sieht sie mich an. Selten habe ich sie so durcheinander gesehen und wechselhaft. "Auch wenn es diese ekeligen Gelee Bananen sind." Ich zwinkere ihr zu und mit einem Lächeln verlässt sie den Laden.

Nachdenklich sehe ich sie nach. Das war einfach nur merkwürdig.

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