Part 3: Besuch aus der Vergangenheit

Die nächsten Tagen wurden wunderschön, mit Vishaal und Sanju an meiner Seite war alles gut, auch das das College derzeit geschlossen war erleichterte mich sehr, da ich sonst viel zu tun hätte. Ich war eine sehr fleissige Studentin und hasste es wenn ich ein Assigment vermasselte. Aber das war selten der Fall. Ich war schon nach einer kurzen Zeit die Lieblingsstudentin von manchen Professoren geworden.

Im Fitnesscenter war ich schon seit eineinhalb Wochen nicht mehr gewesen, dann war es soweit und Vishaal begleitete mich dort hin. Als ich vor dem Center stand, mich von Vishaal verabschiedet hatte mit einer Umarmung und er gegangen war, stand ich eine Weile ratlos herum, bis ich plötzlich aufsah und Mightyy mit seinen Freunden auf mich zu kommen sah. Ich drehte mich schnell herum und verschwand im Gebäude um mich umzuziehen. Ich hoffte nur, dass sie mich nicht gesehen hatten. Doch als ich dann am Laufband stand und lief, sah ich Mightyy. Er sah genau in meine Richtung und kam auf mich zu. „ Hi Ishi!", so begrüsste er mich; dann fügte er hinzu; „ Wo warst du denn so lange? Ich kam jeden Tag ins Center!" Während er gesprochen hatte, hatte ich meinen Blick gesenkt, doch das letzte Wort liess mich hochblicken. Mightyy nickte und erwiderte: „ Du kannst sehr unvergesslich sein! Obwohl ich eine Freundin habe, dachte ich an dich. Aber glaube nicht, dass ich einer von denen bin, die ihre Freundin eiskalt betrügen, das würde ich nie!" Ich sah in seine Augen und fühlte eine Aufrichtigkeit, die mich erstaunte. Er sah so aus, als ob er betrügen würde, aber was er gesagt hatte, überzeugte mich vom Gegenteil. „ Ich glaube dir, Mightyy!", entgegnete ich ihm und lächelte ihn an. Er sah mich an und antwortete: „Danke, trainieren wir jetzt?"

Während Mightyy und ich trainierten ertappte ich die Freunde von ihm, dass sie uns zusahen und etwas ganz Traditionelles auf Punjabi riefen. Als ich Mightyy darauf ansprach, sagte er nur so:

„ Das machen sie immer. Sie sind Punjabi at Heart! Sie sind wie stolze Löwen und verehren unsere Kultur. Die meisten machen auch Gatka!" Dann verstand ich ihn und ging zu den anderen Punjabi rüber. Ich war noch nie eine von denen gewesen die in Gegenwart von Jungs schüchtern oder beschämt wurde. Nein, so war ich nicht. „ Sat-sri-akal!", so begrüsste ich die Jungs, die mich mit hocherhobenen Augenbrauen anblickten. „ Ich wollte euch nur sagen, dass euer Kumpel seine Freundin Karman niemals betrügen würde!", fügte ich hinzu, dann sagte ich noch: „ Ich kenne Karman, sie ist die beste Freundin von Sanju, die wiederum meine ist. Karman bat mich ihn zu testen!" „ Oh, Karman ist ja clever. Du siehst gar nicht so aus, aber viel Glück! Ich mein, wir haben es schon einmal erlebt und dann war dann so dass der Lockvogel in das Opfer verliebt hat! Aber das war nicht bei Mightyy sondern bei einem Kumpel, der jetzt im Ausland lebt. Und genau mit dem Lockvogel! Also hüte dich!", erwiderte der Hübscheste von ihnen. „ Kein Bedarf. Ich sagte dies schon zu meinen besten Freund, der auch dachte, dass ich mich in Mightyy verlieben könnte, aber da meine Schulliebe nach Delhi gezogen und am selben College wie ich!", entgegnete ich. Ich sah zu Mightyy, der immer noch trainierte und mir wurde schon bewusst, wie athletisch gebaut er war. Doch ich sagte gleich Stopp zu solchen Gedanken, wollte ja keine Probleme bekommen. Aber dennoch konnte ich nicht verhindern wie ein Lächeln über mein Gesicht glitt. Die Jungs stiessen sich an und ich stellte mir nur allzu gut vor, was sie dachten. Aber ich konnte ja nicht ahnen, in was für ein Gefühlschaos ich mich bald verstricken würde.

Nachdem wir uns wieder hübsch und frisch gemacht hatten, ging ich mit Mightyy und seinen Jungs noch was drinken. Im Cafe fiel mein Blick auf einen Jungen, der mir nur allzu bekannt vor kam. Auf den zweiten Blick erkannte ich ihn. Harkirat. Ich rief ohne zu beeinflussen zu können: „ Oh mein Gott! Was geht hier nur ab?" Alle im Cafe wandten sich mir um, auch Harkirat. Als er mich sah, konnte ich seine Augen nicht deuten. War es Freude? War es Erstaunen? War es Trauer? War es Bedauern? Ohne richtig zu merken, was ich tat, gingen Harkirat und ich auf einander zu. „ Ishika!", seufzte er und umarmte mich einfach. Ich wollte ihn anfangs wegstossen, aber das brachte ich nicht über mich. Dazu hatte ich Harkirat zu sehr vermisst. Ich roch seinen Geruch, ein Geruch nach seinem Lieblingsdeo und Schweiss. Ich hatte es schon immer gemocht und leider schmolz ich wie Eis in der Sonne immer wenn ich diesen Geruch in der Nase hatte. Langsam lösten uns einander und wir sahen uns verwirrt in die Augen. Die Stimme von Mightyy riss uns aus der Trance. „ Hey Ishi. Woher kennst du den Jungen da?", wollte er wissen. Ich zuckte zusammen und stellte natürlich alle vor. Wenig später sassen wir schon an einem Tisch und mein Blick fiel immer wieder auf Harkirat. Er war immer schon sehr fesch gewesen, hoch gewachsen. Römische Nase, schöne Augen und nicht zu verachten einen wunderschön gebundenen Turban. Er merkte meinen Augenkontakt und senkte schnell meine Augen. Wie von selbst schweiften meine Gedanken zurück zu Amritsar. Wie ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Es war heiss, Sommer und wir hatten gerade wieder Schulbeginn. Ich ging nachdem ich meine Kolleginnen begrüsst hatte, wie gewöhnlich in meine Klasse, wo ich ihn sofort sah. Er mich aber auch. Es war magisch. Es war seitdem immer so eine elektrische Spannung zwischen uns gewesen. Ein Stoss in meinen Arm holte mich in die Gegenwart zurück. Ich sah auf und blickte in die Gesichter der lachenden Jungs. Mightyy, der meine Verwirrung erkannte, erklärte nochmal:

„ Harkirat hat dich gefragt ob du mit ihm mal kurz hinaus gehen möchtest. Er will was mit dir besprechen!" Ich hob eine meiner Augenbrauen hoch und über Harkirats Lippen huschte ein so leises „ Bitte" so dass ich es kaum verstand, aber trotzdem kam ich seiner Bitte nach. Wir gingen hinaus und dort fragte ich ihn: „ Was gibt's denn?" „ Ishi!", begann er stockend und ich stockte ebenfalls. Ishi aus seinem Mund zu hören, machte mich ganz schwindlig, aber ich konnte mich zusammen reissen und klappte nicht zusammen. „ Ja?", antwortete ich ihm kalt. So leicht machte ich es ihm nicht. Er musste sich schon ein wenig anstrengen, wenn er meine Vergebung wollte. Er war zwar ein stolzer Punjabi aber ich würde mich nicht unter meiner Würde verkaufen. Auf das war er wohl nicht gefasst. Seine geschockte Stimme zeigte mir das:

„ Aber Ishika, ich hab doch nichts gemacht!" „ Ach ja?", erwiderte ich;

„ Harkirat, du hast mich so verletzt wie kein anderer. Ich war in dich verliebt. Aber jetzt hast du meine Gefühle verspielt. Du hast dich von mir abgewandt. Ich hab dir so getraut. Ich bin nach Delhi gezogen um dich nicht zu sehen zu müssen!" An die Erinnerung rann mir eine Träne über die Wange. Ich senkte meine Augen und plötzlich liess mich eine sanfte Berührung aufblicken. Ich dachte es war Harkirat, doch es war Mightyy. Er legte mir eine Hand auf meine Schulter und zog mich von Harkirat weg.

Mightyy brachte mich zu seinem Moped, mit dem wir dann wegfuhren. Nach einer Ewigkeit hielten wir dann. Ich wusste nicht wo wir waren, aber der Ort war wunderschön. Erst jetzt erkannte ich dass es ein Gurudwara war. Ich legte meine Dupatta über meinen Kopf und auch Mightyy deckte ebenfalls seinen Kopf ab. Dann erst wandte er sein Wort an mich: „ Ishika, ich komm hier immer her, wenn es mir nicht gut geht. Es geht dir auf keinen Fall gut!" Ich sah ihn erstaunt an und sein verschmitztes Lächeln liess mich schmunzeln. Mightyy nahm meine Hand und zog mich in das Gotteshaus. Bei seiner Berührung spürte ich eine Spannung, die ich sonst immer bei Harkirats Berührung empfand. Doch ich ignorierte dies. Wir setzten uns ans Ufer des Sees neben dem Gurudwara. Ich wusste nicht wie lange wir dort sassen aber wir redeten und redeten. Ich verstand Karman, ihr Freund war wirklich etwas ganz Besonderes. Ich wehrte mich gegen das Gefühl aber er gefiel mir sehr gut. Er hatte etwas an sich, was mich verzauberte. Was geschah nur mit mir? Ich empfand eine süsse Verwirrung, die mich zutiefst verunsicherte. Was war nur los mit mir? „ Hey Ishi, hörst du mir zu oder bewunderst du mich nur?", riss mich Mightyys Stimme aus meinen Gedanken. Ich sah ihn tadelnd an und konterte: „ Bist du immer so von dir selbst überzeugt? So toll bist du wieder auch nicht!" Ich wollte nicht allzu gemein sein, daher zwinkerte ich ihm zu. Mightyy sah mich prüfend an und erwiderte: „ Ishi, ich weiss doch was für eine Wirkung ich auf junge Frauen habe!" „ Du bist echt entsetzlich! Wieso denkst du dass du so toll bist?", tadelte ich Mightyy. Mightyy antwortete mir dann: „ Ishi, ich bin eine Zeitlang gar nicht selbstbewusst gewesen. Doch dann habe ich Karman kennen gelernt, wir trafen uns auf einer Hochzeit von Freunden. Karman sprach mich an und ich war total erstaunt, dass ich überhaupt bemerkt wurde. In der Schulzeit war ich gar nicht so wie jetzt. Ich war pummelig und unbeliebt. Ich kam nach Delhi um hier mein Leben zu verändern, was mir auch gelang. Ich begann ins Fitnessstudio zu gehen und nahm dadurch sehr ab. Dann ging ich vor einem Jahr zu dieser Hochzeit, wo sich mein Leben veränderte. Karman gefiel ich sofort und so begannen wir wenig später eine Beziehung. Seitdem bin ich so von mir überzeugt. Mädchen sahen mir nach und so entstand mein Selbstvertrauen!" Auf so was war ich nicht gefasst und senkte beschämt meinen Kopf. Wie konnte ich nur ahnen, was dieser junge Mann wohl durchgemacht hatte? „ Ishi, du brauchst dich nicht schlecht zu fühlen. Wirklich nicht!", riss mich Mightyys Stimme aus diesen schlechten Gedanken, als ob er spüren konnte, was ich dachte. Ich war zutiefst verwundert. Was hatte dieser junge Mann nur für eine feine Wahrnehmung! Ich lächelte erleichtert und mir wurde bewusst, dass dieser Mann mich irgendwie verzauberte. Aber war ich nicht in Harkirat verliebt gewesen? Ich verstand gar nichts mehr. „ Wieso schaust du so verwirrt?", fragte mich Mightyy. Ich lief sofort rot an, was ich an meinen heissen Wangen erkennen konnte. „ Es darf nicht passieren!", sagte ich zu mir. Ich wusste nicht, dass ich dies laut gesagt hatte. Nur Mightyys Frage „ Was darf nicht sein?", holte mich wieder aus meiner Gedankenwelt. Ich blickte auf und sah in Mightyys Augen. Dieser Blick zog mir den Boden unter den Füssen weg und wenn ich nicht gesessen wäre, wäre ich wahrscheinlich ohnmächtig geworden. Diese Intensität. Ich wagte kaum zu atmen. Ich hatte so was noch nie erlebt. Was war das? Der Anfang vom Ende? Ich durfte mich nicht in Mightyy verlieben. Ich würde dann doch alle meine Freundinnen verlieren und Karman als Freundin verlieren. Ich wäre der Verlierer. Jedoch konnte man doch nichts gegen Gefühle machen. Liebe passierte einfach. Man konnte nichts gegen solche Gefühle machen. Hatte mich Mightyy so einfach verzaubert? Oder war ich zu bereit gewesen mich zu verlieben? Ich wusste es nicht. „ Das alles, Mightyy. Du hast eine Freundin!", antwortete ich ihm nach einer Ewigkeit. Mightyy sah mich lange schweigend an. Ich ahnte was er dachte. Aber ich war mir nicht sicher.

„ Ishi, du weisst, dass da etwas ist, seitdem wir uns zum ersten Mal gesehen haben. Du hast doch von Karma gesprochen. Jetzt verstehe ich es! Es war Schicksal, dass ich dich kennen gelernt habe. Aber es wäre falsch irgendetwas zu tun um Karman zu verletzen! " Ich sah ihn an und jetzt verstand ich, Karman hatte sich nie Sorgen machen müssen, dass ihr Freund sie betrügt; denn das würde er nicht. Das wusste ich ebenso gut wie er.

„ Ishi, alles ok bei dir? Wieso bist so still jetzt?", wollte er von mir wissen. Ich nahm einen tiefen Atemzug und entschied mich alles ihm zu beichten:

„ Mightyy, es tut mir so leid. Ich muss dir was beichten. Ich kenne Karman sehr gut; sie ist eine Freundin von mir. Sie hat mich gebeten, zu schauen ob du sie betrügen würdest!" Mehr sagte ich nicht, aber ich musste auch nicht weiterreden, denn Mightyy hatte verstanden. Ein Blick in seine Augen genügte und ich verstand es. Er und ich ... das war schon was. Aber wir würden nie weiter gehen. Anstatt irgendetwas zu antworten, umarmte er mich einfach. Diese Umarmung war anders als alle Umarmungen davor. Ich konnte ja nicht ahnen, welche Bedeutung er für mich irgendwann für mich haben würde. „ Ich sollte heim jetzt!", sagte ich zu ihm, als wir uns voneinander gelöst hatten. Mightyy nickte und wir verliessen den Gurudwara. Bevor ich auf sein Moped stieg hinter ihm, begann Mightyy zu sagen: „ Ishi, ich bin dir nicht wütend. Ich habe selbst Fehler gemacht. Ich war so begeistert von mir, dass ich vergessen habe, dass ich jemanden habe, den ich liebe. Ich habe es herausgefordert. Aber Ishi, ich würde echt gerne weiterhin mit dir befreundet sein und ich würde auch immer für dich da sein. Ich meine, du brauchst jetzt jemanden sicher oder?" Ich nickte und dann auf einmal wurde mein Hals wieder eng. Ich dachte nur, wieso war Mightyy vergeben? Hatte ich mich in ihn verliebt? Ich wusste es jetzt noch nicht. Eine einsame Träne rann meiner Wange hinunter was er sofort merkte und sie wegstrich. Er stieg von Moped wieder ab und umarmte mich abermals. Mightyy Umarmungen fühlten sich immer so gut an.

Eineinhalb Stunden später war ich wieder bei Vishaal und Sanjana. Mightyy hatte mich ganz schnell heimgebracht und wir hatten uns mit einer Umarmung verabschiedet. Jetzt lag ich in meinem Bett und Vishaal sass neben mir. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich war irgendwie verwirrt.

„ Ishi, was ist denn los?", wollte er wissen. Doch dann korrigierte er sich:

„ Ishi, du bist in Mightyy verliebt oder?" Ich konnte nicht anders als nur zu nicken. Vishaal schaute mich seufzend an und nahm mich einfach in den Arm. Ich weinte wieder. Ich wusste nicht genau, warum ich weinte, aber ich fühlte mich so verlassen und doch glücklich zu wissen, dass Mightyy dachte, dass uns das Schicksal zusammen gebracht hat. Aber er wollte nicht mit mir zusammen sein. Dann auf einmal klingelte mein Handy. Ich zog es aus meiner Tasche und sagte leise mit aber gefasster Stimme: „ Ja, wer ist das?"

„ Ishi, ich bin es Harkirat. Es tut mir Leid, was ich getan habe in Amritsar und es tut mir auch leid, dass ich dich nicht im Cafe in irgendeiner Weise versucht habe aufzuheitern. Könnte ich das gut machen? Morgen im selben Cafe?" Seine Stimme klang so bittend, so dass ich einwilligte. Vishaal sah mich nur mit schüttelndem Kopf an. Ich wusste auch nicht, wieso ich eingewilligt hatte, aber ich wollte wissen, wie er es gut machen wollte.

„ Vishaal, ich will wissen, was er von mir will und das kann ich ja schlecht heraus finden, wenn ich Nein sage oder?" Vishaal nickte zustimmend.

Dann am nächsten Tag, als ich wieder beim Fitnessstudio gewesen war mit Rajeshwar verabschiedete ich mich von ihm und ging auf das Cafe zu. Dort wartete schon Harkirat. Ihn zu sehen, was schon irgendwie verstörend für mich. Harkirat sagte zu mir: „ Sat-Sri-Akal, Ishika! Es freut mich sehr, dass du ja gesagt hast. Das hätte ich nicht erwartet!" „ Harkirat, was willst du von mir? Willst du es gut machen? Wieso jetzt? Wieso hast du mich in Amritsar so im Stich gelassen. War ich dir auf einmal egal?", konterte ich. So leicht würde ich es ihm auch nicht machen. Es zählte für mich nicht, dass er auch schon gestern versucht hatte, sich zu entschuldigen. So leicht würde er meine Verzeihung nicht bekommen. Selbst wenn mein Herz es ihm schon geben wollte. Harkirat sah mich gefasst an und hob seine Hand um mir eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen, die durch den Wind dorthin geweht wurde. Seine Berührung liess mich innehalten. Ich wollte etwas sagen, aber konnte ich nicht. Ich sah Harkirat einfach in die Augen und er mir. Ich konnte in ihnen Bedauern und Bewunderung für mich lesen. Ich wusste nicht wie lange wir uns in die Augen starrten, die Bedienung riss uns dann aus diesen intensiven Moment. „ Was kann ich euch bringen?", wollte der Kellner wissen. Ich antwortete ihm: „ Eine Coke!" und auch Harkirat bestellte sich etwas. Dann nach einiger Weile kamen unsere Getränke und dann war auch langsam das Eis gebrochen. Verziehen hatte ich ihm zwar nicht, aber ich war schon irgendwie froh, dass ich mit ihm wieder reden konnte. Er war mir immer noch wichtig. Was passierte mit mir? Ich konnte doch nicht für zwei junge Männer schwärmen? Was ist nur los? Wieso passiert das genau mir?

Am Abend, als wir dann aus dem Cafe traten; fühlte ich mich versetzt in eine ähnliche Situation in Amritsar. Wir waren auch im Fitnessstudio gewesen und danach im Cafe. Danach hatte er mich heimgebracht, wo dann ein Moment zwischen uns entstand. Ich wusste nicht, was; aber im Nachhinein war das der Moment gewesen in dem ich ihn zur Gänze verfallen war. Wir waren in Schweigen versunken und wir schauten uns einfach nur in die Augen. Nicht mehr und nicht weniger. Im Nachhinein denke ich mir, dass ich bis zu diesem Moment nicht völlig in ihn verliebt gewesen war. Er hatte seine Hand gehoben und mir über die Wange gestrichen. Doch bevor es zu mehr kam, rief mich meine Mutter hinein und der Moment war gebrochen. Dann ab jenen Tag kam es nie mehr zu solchen Augenblicken, da von da an trat Sheila in sein Leben und zerstörte meine Bindung mit ihm. Ich hatte anfangs gekämpft, versucht ihn zu überzeugen, dass er mir vertrauen konnte, aber er war in dem Bann von Sheila gefangen gewesen und war nicht in der Lage sich daraus heraus zu befreien.

„ Ishi, an was denkst du?", riss mich Harkirat aus meinen Gedanken. Ich blickte erschrocken auf und sah die blitzenden Augen von meinem Gegenüber. Ich antwortete: „ An nichts!" Harkirat schmunzelte: „ Ishi, du kannst mich nicht anlügen. Du hast an Amritsar gedacht oder?" Ich nickte ertappt und da wurde mir bewusst, wie gut er mich eigentlich kannte. Trotzdem war ich traurig, dass er mir nicht vertraut hatte. „ Harkirat, wieso hast du Sheila mehr vertraut als mir? Ich war deine beste Freundin und vielleicht noch mehr, wenn du nicht Sheila zwischen uns kommen gelassen hättest!", erwiderte ich. „ Ishi, du hast auch nicht gekämpft um mich! Wie sollte ich es dann merken, dass du immer mehr für mich empfunden hast? Du hast es mir nie gezeigt. Sheila war direkt und eroberte mich!", entgegnete er. Ich konterte sogleich: „ Harkirat, wenn du mehr auf deine Gefühle für mich gehört hättest, hätte sie es nie geschafft. Du kennst mich, ich kämpfe nicht! Aber lass uns nicht mehr über Vergangenes streiten. Wir haben uns verändert!" „ Wieso bist du nach Delhi gekommen? Du hast doch gewusst, dass ich in Delhi bin oder?", rutschte es mir heraus, bevor ich mir darüber im Klaren war. Harkirat sah mich an und kratzte sich am Turban. Dann begann er zu sprechen: „ Ja, Ishi, ich wusste es!" Weiter kam er nicht, denn ich unterbrach ihn: „ Und??? Trotzdem kommst du nach Delhi? Oder dachtest du, dass Delhi gross genug ist, dass wir nicht uns über den Weg laufen. Dann wieso hast du dich dann doch auf dem College eingeschrieben wo ich bin? Wusstest du das etwa nicht?" Harkirat sah mich an und seufzte: „ Ishi, ich habe es gewusst, dass du dort bist. Ich habe deinen Bruder gefragt. Er ist ja ein guter Freund von mir. Er konnte es mir ja nicht verschweigen und ich wollte dich wieder sehen!" „ Und wieso?", zischte ich. Harkirat hatte wohl nicht gedacht, dass ich so hart zu ihm sein würde, denn er schien echt sehr erstaunt. Aber im Ernst, für wen hielt er sich? Fand er, dass er so toll ist? Ernsthaft, ich schüttelte nur den Kopf. Und mein Bruder, mit dem musste ich auch noch ein ernstes Wort reden. „ So so mein Bruder? Seit wann seid ihr so gut? Sarabjit hat dich doch nie gemocht oder?" Harkirat sah mich ungläubig an und erklärte: „ Sarabjit hat mich immer gemocht. Er hat sich nur für seine Lieblingsschwester zurück gehalten. Er hat doch gewusst, wie sehr ich dich verletzt habe. Er wollte nicht Salz in deine Wunde streuen. Und als ich ihm erzählt habe, dass es mit Sheila vorbei ist, hat er mir angeboten, mir deinen Collegenamen zu geben. Er wollte, dass wir uns aussprechen. Und ich dachte, ich bekomme vielleicht von dir eine zweite Chance. Aber Sarabjit hat mich auch vor deinem Stolz gewarnt. Als ob ich dich nicht kennen würde...Aber es war trotzdem sehr nett von ihm!" In Harkirats Augen blitzte etwas, was für mich den Anschein hatte, als ob er dachte ich würde ihm verzeihen. Da fragte ich mich, ob ich ihm denn nicht schon verziehen hatte. Ich war mir nicht sicher. Er hatte mich verletzt aber war nicht das, was mein Guru lehrte wichtiger als mein verletzter Stolz.

„ Hmm, und du denkst du schaffst es mich erneut in den Bann zu reissen? Denkst du ich bin so leicht wieder zu entflammen?", lenkte ich ab. Harkirat sah mir prüfend in die Augen und nickte lächelnd. Ich senkte meinen Blick. Gott sei Dank klingelte dann mein Handy. „ Hallo, hier spricht Ishika? Wer ist da?", sagte ich ins iPhone. „ Ich bin's Sarabjit! Ich wollte fragen wie es meiner Lieblingsschwester geht!", antwortete mir mein Bruder. „ Sarabjit, wie schön das es dich auch noch gibt! Was gibt's?", entgegnete ich. Ich schaute aus den Augenwinkeln Harkirat an, der mich anstarrte. „ Ishi, du weisst doch, dass ich jemanden kennen gelernt habe. Mama und Papa haben endlich eingewilligt. Du hast doch eh Ferien jetzt oder? Harkirat ist doch hier oder? Du fragst dich sicher, wieso er in New Delhi ist. Er ist da um dich zu meiner Hochzeit heimzuholen...!" Mein Bruder setzte noch an mehr zu sagen, aber ich unterbrach ihn mit ziemlich wütender Stimme: „ Bhaisabb, was hast du nur getan? Wieso schickst du ihn? Wieso kannst du nicht einen anderen meiner Freunde schicken?" Während ich redete, ging ich aus dem Cafe. „ Ishi, ich kann es nicht ertragen, dass du und Harkirat nicht redet. Ihr wäret so ein gutes Paar. Er ist doch, was du immer wolltest. Und ich habe gehofft, dass wenn ich ihn schicke, ihr euch ausredet!", erklärte er. „ Hmm, er ist da, wir treffen uns gerade. Ich werde zu deiner Hochzeit kommen, ich werde mit Harkirat nach Amritsar fahren. Aber das heisst noch lange nicht, dass ich ihm verzeihe!", zischte ich. Mein Bruder liess ein „ JAAA" ertönen und fügte noch hinzu: „ Meine liebe Ishi, du hast ihm doch schon verziehen? Oder habe ich da Unrecht?" Verdammt, mein Bruder kannte mich so gut. Ich konnte nichts vor ihm verbergen. Ich seufzte und flüsterte. „ Ja, Sarabjit, du kennst mich echt schon so gut! Na dann, ich werde so schnell wie möglich nach Amritsar aufbrechen. Sanjana kann auch dabei sein oder? Und Vishaal auch?" Mein Bruder schmunzelte und bejahte: „ Ja, klar! Bis bald!" Als ich auflegte und mich umdrehen wollte, stiess ich mit Harkirat zusammen. „ Du verzeihst mir also?", wollte er wissen. Ich funkelte ihn an und fauchte: „ Ja, aber glaube ja nicht, dass es je wieder so werden kann wie früher. Aber verziehen habe ich dir schon! Kannst du mich jetzt nach Hause bringen?" Harkirats Augen strahlten und er nickte. Ich folgte ihm zu seinem Moped, wo wir uns hinsetzten. Ich versuchte möglichst nicht ihn zu berühren. Harkirat merkte es, denn nach einigen Minuten Fahrzeit bremste er genau wie Mightyy haarscharf, so dass ich nicht anders konnte, als mich an ihm fest zu halten. Ich konnte Harkirat lächeln sehen. Ich schüttelte nur missbilligend meinen Kopf.

Eine Stunde später kamen wir bei Sanjanas Haus an. Sanju und Vishaal warteten schon vor dem Haus. Harkirat und ich begrüssten sie. Meine beiden besten Freunde schauten mich an, um heraus zu finden, wie sie Harkirat behandeln sollten. Ich lächelte und sie begrüssten ihn so lieb wie er die beiden. Es war wie immer. Harkirat wurde von uns ins Haus gebeten, wo wir die Neuigkeiten austauschten und uns freuten.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top