Kapitel 98.

Thanatos sammelt seine Opfer bei einer Polonaise

,,Du als Unsterblichen Gott müsstest doch am besten wissen, was mit den meisten Helden passiert? Sie sterben. Entweder auf dem Schlachtfeld wie Achilles, oder wie Theseus. Der war zum Schluss nur noch ein Haufen scheiße, wurde vor Gericht gebracht und dann von einer Klippe geworfen. Roll nicht mit den Augen, Ares! Ist doch wahr! Selbst Percy Jackson ist zu einem unglücklichen leben verdammt worden."

,,Ist gut, ist gut. Hör auf mich voll zu jammern und geh endlich mit der Durin Ausgabe Nummer zwei los. Eins und drei sollen sich dann unten umgucken, während ich nach anderen Feinden – wie Enyo oder Azog – Ausschau halte. Klar? Gut." Ich wartete nicht Mal eine Antwort von irgendwem ab, sondern stampfte gerade Wegs mit knirschenden Schritten auf die kläglichen überreste des Turmes zu, der wie ein dunkler Schatten den Nebel Durchschnitt. Die Umrisse eines gefallenen, gruseligen Schloss aus einem Horrorfilm.

In den Eingeweiden der Festung war es noch kälter als draußen und mit gespenstischem Geheul röhrte der Wind durch das von Zeit und Drachenfeuer zerfressene Gestein. Dunkel vom ruß und hell vom frisch gefallenen Schnee, zerschnitt der Farbunterschied die Schatten, scharf wie die Splitter eines zerschellten Spiegels. Klägliche Überreste einer früheren Zeit. Nur noch Erinnerungen, verbrannt zu Asche. Geblieben war Gestein.
Kalt und leblos und die Asche einstiger Zwerge ruhten hier.

Und der Wind sang ein grausiges Lied.

Vielleicht aus Trauer, vielleicht über das erneute Blutvergießen auf bereits einst blutigen Boden, vielleicht auch weil er klagte oder zürnte. Wer wusste das schon genau? Die Welt war schon immer ein seltsamer Ort.

Mittelerde reichte zwar nicht an meine – sowie eure – Welt heran, aber Orte wie diese, alt und verlassen, gab es immernoch bei uns. Ruinen einstiger Städte. Vernichter Imperien. Der Schatten der Vergangenheit, die wie eine Axt über einem hing. Die Asche einstiger Herrscher.

Viele fielen.
Neue kamen.

Die Geschichte war ein grausames Spiel, dass die Zwei-ziehen- und Wiederholungskarten gerne spielte, wenn sie alles wieder und wieder und wieder wiederholte. Doch biss man Begriff, dass es nur eine Wiederholung war, da lagen die meisten schon unter der kalten Erde. Niemand war der Zeit gewachsen. Oder eher kaum jemand.

Unsterbliche waren die Ausnahme. Wir blieben bis der glauben an uns starb und die Welt im tosenden Sturm der Vernichtung unter ging – welchen Ursprung das Ende auch haben mochte.

Die frostige Luft kroch wie Spitze Nadeln über meine Haut, brannte wie kaltes Feuer auf ihr, das den schützenden Panzer meiner goldenen Brustplatte durchdrang. Mein heißer Atem gefohr zu kleinen eiskristallen, als er in einem wölkchen davon stieg.

Grau und bedrohlich ragten das Gestein neben mir auf. Der Gang war eng – aber nicht zu eng. Er war gemacht für Zwerge, klein, aber breit gebaut, bewaffnet mit schweren Waffen.

Trotz allem weckten die schmalen, zerfallenen gänge der einstigen Festung ein unangenehmes Gefühl. Ein Kribbeln in meinen Fingern. Ein Knoten im Magen. Das Gefühl einer rauen Kehle, als wäre ich am verdursten. Und in meinem Herzen herrschte kälte, während das Ding in meiner Brust heftig pochte und Kochendes Ichor durch meine Venen trieb.

Bumbumbum
Bumbum
Bumbumbum
Bumbum
Bumbumbum
Bumbum

Unruhig schlossen sich meine Finger fester um Ringilsheft. Die Knöchel weiß.

Meine Schritte wurden langsamer, bis ich fast schon bedächtig als ich an eine Kreuzung kam. Es waren zwei. Einer von geröll bedeckt, unpassierbar. Der andere schmaler, sicherlich so eng, dass ich mit meiner breiten Statur nur gerade so Normal gehen konnte (ein Schleichweg, wo größere Gegner nur einzeln durch könnten, um auf der anderen Seite von ihren Feinden erschlagen zu werden).

Einen Moment zögerte ich. Wischte meine schweißnassen Hände an meiner Hose ab und verfluchte Gizem und ihre selten beschissenen Idee.

Dämliches Halbblut! Dämliche Idee! So ein scheiß! Sollen sie alle doch im Tartarus schmoren!

Paranoid zuckten meine Augen umher, suchten nach Bewegungen in Nischen und Schatten, lauschte auf Schritte, klappern von rüstungen und Waffen und lauten Atemzügen. Doch alles blieb kalt und tot und unangenehm unauffällig. Nicht einmal Ratten huschten hier mit leisem getrappel umher.

Zögerlich tat ich in den schmalen Gang. Zwang mich in einem normalen Tempo zu gehen, anstatt zu sprinten.

Schatten hafte Erinnerungen krochen aus meinen Erinnerungen die lieber dort bleiben sollten, wo sie waren; weg gesperrt in eine finstere Ecke, wo sie für immer bleiben sollten. Mit mühe schüttelte ich sie ab. Doch das nächste Problem ließ nicht lange auf sich warten. Grauenhaft schlich es sich an. Panik.

Ich bildete mir ein, dass sich die düsteren, nackten Steinwände bewegten. Sie schienen sich langsam auf mich zu zu schieben, während meine Schritte mich eilig voran trugen. Leise. Bedacht. Dann immer hektischer. Lauter.

Ein ungehörter Fluch blieb mir im Hals stecken.

Die Wände kamen näher. Näher. Näher. Näher. Näher. Näher näher näher näher näher nähernähernähernähernäher.

Mein Herz raste. Hämmerte. Panik kroch meine Kehle hinauf; kalt wie der Geschmack von Eisen. Sie griff mit scharfen Krallen nach meinem Herz, dessen heftige schläge meine Knochen erzittern ließen. Eisige Bronzewände schnürten mir die Luft ab, rauschte näher, drohten mich zu zerquetschen.

Dunkle Bilder ließen meine sicht verschwimmen.

,Dann bist du wohl nutzlos.', echote eine Stimme durch meinen Kopf. Wieder und wieder:
Dann bist du wohl nutzlos.
Dann bist du wohl nutzlos.
Dann bist du wohl nutzlos.
Dann bist du wohl nutzlos.

Ephialtes. Es war seine Stimme, und sie suchte mich Heim, schürte das grauen welches von mir Besitz ergriff.

Dunkle Flecken tanzten spöttisch in meinem Sichtfeld. Auf, ab, auf, ab. Adrenalin flutete durch mein Ichor, kalter schweiß sammelte sich in meinem Nacken.

Schwer atmete ich ein, doch der Sauerstoff erreichte nicht meine Lungen – etwas schnürrte meine Kehle zu. Um mich herum schwankte die Welt wie ein Schiff auf offener See. Getrieben von Panik holte ich wieder Luft.

Ich erstickte.
Ich erstickte!
Nein! Neinneinnein!

Verzweifelt versuchte ich zu Armen. Es ging nicht. Das goldene Ichor in meinen Adern gefror.

Strauchelnd stieß ich gegen das schratige Gestein. Noch halb bei Sinnen fing ich mich röchelnd ab.

Unter meinen Schweiß nassen Fingern bröckelten die alten Steine. Scharf schnitten sie in meine Fingerkuppen, ließen einen dumpfen Schmerz durch meine Nervenbahnen jagen.

Ich holte Luft – versuchte es zu mindestens. Die Sicht noch immer verschwommen taumelte ich halb blind weiter, die dunklen Punkte in meinem Sichtfeld tanzten.

Gejagt von grausigen Erinnerungen hetzte ich weiter. Sie legten sich wie das Gewicht des Himmels auf meine Schultern, drückten mich nieder, begruben mich in dem brennenden Haufen einstiger Folter.

Steinwände die näher, näher und näher kamen, das rattern von rädchen, Kiesel die auf dem Boden vibrierten, eine unnatürliche kälte, so kalt wie Chiones Herz, zwei Gesichter, beide grausam, eines mit wirren lilanen Haar, der andere mit grünen, während sie das geräusch von klimpernden Münzen begleitete. Der Geruch von Angst, Schweiß und Ichor schien in der Luft zu liegen.

Blinzelnd stolperte ich halb rennend aus dem Gang, nur um kopflos mit der Mauer vor mir zu kolidieren. Überrascht entwich mir ein japsen, während ich iritiert zurück stolperte. Einen Moment lang flutete mich irritation, dann verschwanden die Punkte aus meinem Sichtfeld, als ich bemerkte, dass plötzlich wieder genug Platz zwischen mir und der Mauer war, das ich wieder normal atmen konnte (wenn auch ein wenig abgehakt).

Die Welt drehte sich und der bittere Geschmack von Kotze kroch meine Kehle hinauf. Orientierungslos entkam mir ein würgen, ehe ich halt suchend meine Hand an das raue Gestein legte. Kratzend glitten meine Fingernägel über den grauen Stein. Er war kalt.

Und mit meinem ganzen Sein klammerte ich mich daran fest. Klammerte mich an die Realität.

Ich krümmte mich. Noch halb von meiner Panikattacke eingenommen, kniff ich verbittert die Augen zusammen, bevor ich meine Stirn an das alte Gemauer presste. Für einen viel zu langen Moment Atmete ich einfach nur heftig – dankbar das der Sauerstoff wieder meine Lungen erreichte und nicht wie ein Stein in meiner Kehle fest hing.

Meine Muskeln zitterten unkontrolliert. Adrenalin pumpte noch eine Weile durch meine Venen, bis meine Sinne sich klärten. Langsam versuchte ich mich auf zu richten. Erwartete fast schon die beiden Riesen vor mir aufragen zu sehen. Ephialtes grausiges grinsen brannte noch immer in meinem Gedächtnis, trotz der vielen Jahre, die bereits dazwischen lagen.

Bitter presste ich meine Lippen zusammen. Unbewusst ballten sich meine Hände zu fäusten.

Ich wollte etwas zerschlagen. Einfach zerstören, damit der Schmerz in meiner Brust nach ließ. Aber anstatt das ich es machte, konnte ich nur heftig weiter atmen, bis mein Herzschlag wieder halbwegs normal schlug (nicht wie der eines verschreckten Kaninchens auf der Flucht vor dem großen bösen Wolf).

Ich wartete bis meine Sinne mir keine streiche mehr spielten, nur um dann langsam die Augen zu öffnen, damit die Erinnerungen einmal mehr in den Tiefen meines Gedächtnisses verschwanden. Verdrängt wie viele Male zuvor. Weg gesperrt in der hinterste Ecke meines Kopfes in einer True mit sieben porösen Siegeln.

,,Der Vorhang fällt, und das was dahinter liegt wird dich zerbrechen lassen, wie ein Tonkrug, den man fallen lässt.", zitierte ich wispernd den lila haarigen der beiden Riesen. ,,Und die Realität wird die verschlingen, die es wagen an die Hoffnung von Rettung zu glauben.", murmelte ich die Worte atemlos in meinen nicht vorhandenen Bart, weshalb sich kurz danach eine bleierne Taubheit in meinem Inneren ausbreitete.

Dennoch hinterließen die Worte einen bitteren Beigeschmack. Aber ich war nicht zerbrochen, weder damals noch heute... nur... Nein... Zerbrochen war ich nicht. Nicht wirklich zu mindestens.

Plötzlich schwappte eine siedend heißer Ansturm von gefühlen über mich hinweg. Wut. Verbitterung. Scham.

Selbst jetzt stand ich noch, auch wenn meine Klaustrophobie, die schließlich zu einer Panikattacke führte, ein bitteres Gefühl in meinem Magen auslöste.

Ephialtes Worte kehrten wieder:
Dann bist du wohl nutzlos.

Ich bin vieles, aber nutzlos zu sein zähl nun wirklich nicht zu meinen Talenten.

Alles was ich tun musste war mich zusammen zu reißen, meine Klaustrophobie nicht in diesem Gerippe an schmalen Wegen zu sehr Triggern und immer ein Ziel vor Augen zu haben: Enyo und Azog auswindig machen und allem ein Ende bereiten, bevor die Zwerge sich noch tiefer in die Scheiße ritten. Thorin konnte ich zutrauen, dass der wahnsinnige sich auch allein gegen Azog stellte.

Und dann könnte wahrscheinlich die ganze Gruppe eine Polonaise machen, damit Thanatos sie einsammeln kann. Wäre schließlich nicht das erste Mal.

Einmal war ich dabei, als Thanatos bei einem Konzert von Black Sabbath auf diese Weise eine komplette Gruppe eingesammelt hat. ,,Menschen sind schon seltsam. In einem Moment leben sie, im nächsten sind sie verwirrt plötzlich vor Charon stehen zu müssen. Anstelle eines Konzertes zu besuchen, tun sie sich das Trauerspiel mit dem da unten an und schreiben Beschwerden wegen schlechtem Service. Als wenn Hades das interessieren würde." Er hatte mit den Schultern gezuckt und die Namen auf seinem Tablet abgeharkt, ohne noch etwas weiteres zu sagen, danach hatte er sich der nächsten Gruppe betrunkener angeschlossen und eine weitere Polonaise gemacht, was auf einem Rock-Konzert sicherlich merkwürdig kam.

Interessieren tat es ihn wenig.

Ruckartig schnellte mein Kopf hoch, rausgerissen aus einer halbwegs schönen Erinnerungen, als ich lauschte.
Leises Gemurmel wurden von den Mauern umher getragen. Die Worte waren unverständlich, aber die Stimmen waren mir nicht bekannt.

Mit einem letzten, tiefen Atemzug setzte ich mich in Bewegung um eben jenen genannten raunen zu folgen, das unverständlich durch die kalten, von Asche bedeckten Eingeweide, hallte.

~~~

Hey, ich hoffe ihr hattet ein schönes Halloween!

Was habt ihr so gemacht?

Ich war in einem echt cool gemachten Halloween-Haus.

→ Rechtschreibung wird noch überarbeitet

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