Kapitel 90.

Der vernebelte Berg (dessen Namen ich mir nicht merken kann) und meine Schwester

Blut ran über ihre Stirn. Der zweite Schlag war ein Faust-Hieb der sie Sternchen sehen ließ und es ein Wunder war, das ihr Wangenknochen nicht zersplitterte. Die Welt drehte sich. Alles war nur noch eine flirrende Masse aus Schatten. Dann krachte etwas gegen ihren Brustkorb. Es knackte. Rippen brachen. Gizem stürzte nach hinten.
Sie schlug auf den Boden auf, sah nur noch kurz vor der Ohnmacht die umher wirbelnde Silhouette einer Frau.
Aber bevor die Dunkelheit sie empfing, brannte ihre Haut wie Feuer und in ihren Adern brodelten das Blut wie überkochendes Wasser.

Kurz zuvor auf dem Rabenberg


Meine Schwester war sadistisch veranlagt. Und mit sadistisch meinte ich nicht nur grausam anderen gegenüber, sondern auch wirklich Ich-bezogen und selbstverliebt. Gut, möglicherweise war sie nicht die klügste, aber manchmal echt sadistisch, selbst für eine Kriegsgöttin – oder überhaupt für eine Gottheit.

Na ja, nicht umsonst hatte sie wohl genau diesen Ort ausgewählt, um sich den schwachmaten zu entledigen.
Es war gerade zu perfekt für einen Hinterhalt. Viele verschachtelte Winkel hinter denen sich Orks verstecken konnten um wie ein Schwarm Killerclowns hervor zu springen.

Die Luft war kalt und stach ungenehm auf meiner Haut, der Boden war bedeckt von Schnee, welcher es einen fast unmöglich machte sich heran zu schleichen.
Und dann war da der Nebel, der wie eine dichte Decke über dem Berg lag.
Eine Suppe aus weißen Wolken.

Hab ich irgendwann Mal erwähnt, dass ich Nebel hasse? Nein? Dann sag ich es euch jetzt. Ich hasse Nebel – ganz besonders, wenn es zu meinem Nachteil ist. Er ist dazu eklig und die kälte kriecht einem Gefühlt noch schneller in die Knochen als normal.

Unangenehm. Einfach... ew.

Angewiedert schüttelte ich mich und stampfte weiter auf die riesigen Schemen zu, die in den verschleierten Himmel emporragten.

Meine Schuhe sanken leise knirschend in der eisigen Masse ein. Stoppen tat es mich aber nicht. Anschleichen war zwar schlecht, gab aber sicherlich schlimmeres.

Das gedämpfte Licht glühte auf dem Kaiserlichen Gold meiner Rüstungen und ich verfluchte mich, nichts drüber gezogen zu haben. Man würde mich gut erkennen und das könnte sich vielleicht doch noch für einem Vorteil nutzen lassen, solange es auch so klappte, wie ich es wollte.

Die Nebelbank schien inzwischen so dicht geworden zu sein, dass sie so gut wie jedes Geräusch schluckte das ich verursachte, als ich mich den schehmenhaften Schatten der einsamen Ruine näherte. Durch die strahlende Sonne sah es so aus, wie als würde die Nebeldecke kurz davor sein in Flammen auf zu gehen.

Dazwischen erhoben sich die Umrisse einer Festung, dessen Schatten zwischen den

Es war bestimmt einst eine Verteidigungsanlagen, groß und möglicherweise beeindruckend, wahrscheinlich stammten diese Überreste noch aus der Zeit in der die Zwerge noch im Besitz des Erebors waren, bis Smaug sie schließlich Vertrieb.

Jetzt war es das Gerippe eine zerstörten Festung, die auf dem Fels des Berges ruhte. Der zerfallener Turm ragte in die Höhe empor und schien den Nebel wie ein Schwert zu zerschneiden.

Einsam und Gespenstisch schwebten seine Umrisse durch den Dunst und verwandelten sich in geisterhafte Kreaturen, die nur darauf warteten über eine Gruppe von idiotischen Idioten-Zwergen her zu fallen, und wer wusste schon, was noch da drinnen lauerte?

Orks?
Warge?
Gläser aus Bronze die einem die Luft abschnürten?

Alles war möglich.

Fragen über Fragen, doch letzten Endes würde ich dann doch noch herausfinden, wenn es schließlich eskalierte, schließlich lauerten die Geister der Vergangenheit an solchen Orten; alt und verlassen. Und der Schnee, der würde wieder in rot getaucht sein – oder in Gold, jenachdem wessen blut hier vergossen wurde. Aber ob hier wirklich Geister lebten, geschweige denn in dieser Welt exestierten, blieb ein Rätsel. Möglich wäre es aber.

Was mich aber skeptischer machte, als die Vermutung von Geistern, war, das alles still war. Viel zu still. Nicht Mal das schlagen von Flügeln war zu vernehmen. Keine Vögel.

Hier war... Nichts.

Wie ausgestorben lag es da.

Keine Fußspuren im Schnee.
Kein Lebenszeichen von irgendwem oder irgendwas. Als wäre hier oben nie etwas gewesen.

Klar und deutlich, eine Falle.
Ich konnte sie schon förmlich riechen; ähnelte schwefel und Dummheit die in der Luft lag.

Wachsam betrachtete ich die Umgebung, ging im Kopf die verschiedenen Möglichkeiten durch, wie er Ablaufen könnte und kam zu dem Schluss, das Enyo mich zu Hundertfünf Prozent bereits erwartete. Gizem hatte mich gewarnt, auch wenn ich mir sicher war, dass die Halbgöttin hier und da was ausgelassen hatte.

Jetzt war es egal, außerdem gab es sowieso kein zurück mehr. Begann man etwas, musste es auch zu Ende gebracht werden. Sowohl Enyo als auch ich waren uns dessen bewusst.

Hier ging nur einer von uns beiden als Sieger hervor und ich hatte nicht vor zuzulassen, das sie das war, denn sie würde nur in Ketten diese Welt verlassen, um Zeus zu berichten, was sie getan hatte.

Ich blieb vor einer weißen wehe stehen. Der Nebel war weiterhin so ungewöhnlich dicht. Nichts bewegte sich in der Suppe. Es waren nur die gewöhnlichen Hirngespinste.

Dennoch, Ringil befand sich bereits in meiner Hand, die Schneide zwischen den Nebelwölkchen glänzend wie Eiskristalle, bereit sich mit den Waffen meiner Schwester zu messen – wenn sie denn Mal auftauchen sollte. Wenigstens eine Sache, bei der ich mir sicher war. Meine Schwester würde kommen. Sie lauerte bestimmt schon irgendwo hier.

Ich hielt Abstand zu der Ruine, stattdessen zog ich einen Kreis, ohne die Umgebung aus den Augen zu lassen. Mein Atem schlug kleine wölkchen.

,,Kom raus, kom raus, Schwesterchen! Ich weiß, dass du hier bist!"

Es war noch immer still, doch in den Schatten der Ruine regte sich etwas. Angespannt schwang ich Ringil in meiner Hand umher, der Bewegung aufmerksam folgend.

Die Gestalt kamen direkt auf mich zu, wankte, zog Schlangenlinien und schon nach wenigen Metern ertönte das ächzen des Schnees und ein spöttisches schnauben. Der Schatten hob freudig die Arme, weshalb sich der Dunst schließlich um diese herum lichtete.

,,Ari!" Enyo rief es für meinen Geschmack etwas zu freudig in meine Richtung, bevor sie schließlich fünf Meter vor mir zum stehen kam. Auf ihren Lippen lag ein überlegenes lächeln. Zwischen ihren Fingern drehte sie die Spitze Bronze-Nadel, während ihre giftgrünen Augen mich aufmerksam fixierten. ,,Schön dich wieder zu sehen, auch wenn du allein zu sein scheinst."

Ihre Augen glitten suchend über die Umgebung, was dazu führte, dass sich ihre Mundwinkel leicht enttäuscht senkten. ,,Wo hast du deine...Freunde gelassen, Pfosten? Mussten sie zurück bleiben in ihrem Rattenloch? Oder haben sie sich vor Angst in die Hosen geschissen?", spottete sie. ,,Wäre verständlich. Ich mach ihnen keine Vorwürfe, sollte es so sein."

Mein griff festigte sich um Ringil. ,,Weshalb schickst du eine Halbgöttin um mich aus dem Weg zu haben? Sag schon.", erwiderte ich aber ohne auf ihre vorigen Worte ein zu gehen.

Gespielt verwirrt tippte sie sich mit dem spitzen Gegenstand ans Kinn, ihre Schlachtrüstung schien den Nebel um sich herum in Brandt zu setzten, ihr Lieblingsschwest hing bereits an ihrem Gürtel, bereit für den kommenden Kampf. Das Armband klimperte an ihrem Handgelenk.

,,Cause if it wasn't for all that you tried to do.
I wouldn't know just how capable I am to pull through.
So I wanna say thank you.
'Cause it makes me that much stronger.
Makes me work a little bit harder.
Makes me that much wiser.
So thanks for making me a fighter.
Made me learn a little bit faster.
Made my skin a little bit thicker.*", summte sie erheitert vor sich hin, ein unheilbringendes glühen in den Augen.

,,Keine Spielchen mehr, Yo.", wies ich sie harsch zurecht, was ihr ein Schallendes Lachen entlockte. Sie warf den Kopf zurück, wodurch ihr geflochtener Zopf hin und her schwankte.

,,Oh, Ares. Gizem Kahraman ist nur Mittel zum Zweck, nichts weiter. Sie hat ihre Aufgaben erfüllt und als Gegenleistung mache sie mit dieser Erfahrung nur stärker, klüger, zu einem besseren Halbblut. Sie sollte dankbar sein. Zwar kann und werde ich ihrem Vater nicht helfen, aber wenn sie das Überleben sollte, hat sie neue stärke gefunden. Ich meine, sie hat es geschafft die Jägerinnen von Artemis zu beklauen, was könnte sie noch schaffen? Dich töten womöglich nicht, aber ablenken schon – enttäuschend, dass sie wohl gescheitert ist."

Kam es mir nur so vor, oder war das eine merkwürdige Art sein Kind "stärker" machen zu wollen? Ich war vielleicht nicht der aller beste Vater im gesamten Universum, aber so etwas wäre mir tatsächlich nie in den Sinn gekommen.

Mir war es wichtig, das meine Kinder ihren eigenen Weg fanden, möglichst ohne das sie sich dabei verstellen mussten. Sie mussten nicht etwas sein, was sie nicht sein wollten. Sie waren trotz allem Krieger und Kriegerinnen, Kämpfer mit Leib und Seele durch das Blut in ihren Adern, und wenn sie um Hilfe baten, dann schickte ich sie ihnen auch. Das ich zu meinen Töchtern strenger war, lag nur daran, dass sie sich mehr behaupten mussten, um sich gegen andere durch setzten zu können.
Dieses Thema aber Mal bei Seite.

Sie drehte die Nadel weiterhin zwischen ihren Fingern, bis sie inne hielt.
Plötzlich huschte ein Schatten über Enyos Gesicht. Ihre roten Lippen waren eine schmale Linie.

,,Never saw it coming.
All of your backstabbing.
Just so you could cash in on a good thing.
Before I realized your game.
I heard you're goin' 'round playin' the victim now.
But don't even begin feeling I'm the one to blame-" Meine Schwester stoppte mit was auch immer sie tat, stattdessen Schnitt sie eine Grimasse.
,,Apropos die kleine Demigöttin und verrat... Sie hat mich wohl hintergangen, sonst wärst du wohl kaum hier. Bedauerlich, sie hätte vielleicht das erste meiner Kinder sein können, was mich tatsächlich Stolz machen kann. Offensichtlich ist die eine genauso große entäuschung wie der Rest.", seufzte sie mit einem entäuschten Kopfschütteln.

Genauso schnell erschien auch ein verärgerter Ausdruck auf ihrem Gesicht, dann stieß sie ein leises lachen aus, als würde sie es lustig finden. Ihre Stimmungsschwankungen sind schlimmer als Thorins.
,,Dieses kleine Biest, dafür werd' ich ihr die Milz rausschneiden."

Aha. Genau. Ja. Toller Einfall. Ist ja auch komplett normal so eine Drohung an seine Tochter zu richten.

,,Und dann werde ich die Winzlinge von Gnomen in der Luft zerreißen. Ja, das wird sicherlich toll!", sinnierte sie vor sich hin, weshalb ich mit den Augen rollte.

,,Um das zu machen, musst du allerdings erst an mir vorbei."

,,Tatsächlich?"

,,Ja."

,,Dann geh doch einfach zur Seite."

,,Nein."

,,Nein?"

,,Ja."

,,Hä?", kam es iritiert von meiner Schwester. Sie runzelte die Stirn, während sie sich dabei mit der Nadel an der Schläfe kratzte.

Ich seufzte leidend.

,,Wollen wir nicht einfach auf einander los gehen, anstatt zu reden? Reden verwirrt mich immer.", jammerte meine Schwester vor sich hin, deutete auf mich, wedelte mit den Armen und pustete sich eine hellrote Strähne aus der Stirn, die sich aus ihrem streng geflochtenen Zopf gelöst hatte.

Manchmal wünsch ich mir echt eine Familie zu haben, die weniger gestört ist als... Das.
Ohne scheiß, manchmal glaub ich, ich bin der einzige vernünftige unter den Irren – von Hestia Mal abgesehen.

,,Meinetwegen." Ich zuckte mit den Schultern und ließ Ringil in meiner Hand kreisen.

,,Gut.", zischte sie, als hätte ich ihr gerade gesagt, dass im Film Es alle abkrazten. Versteh einer Mal jüngere Geschwister.

Kurz verharrten wir einfach in unseren Positionen; nahmen uns gegenseitig in Augenschein, suchten nach Schwachstellen in den Rüstungen des jeweils anderen, bis Enyo schließlich nach ihrem Schwert griff.

Mit einem leisen, scharbenden Laut, befreite sich die Klinge aus ihrem Gefängnis.
Dann traten wir durch den Schnee auf einander zu, hinter ließen unsere Spuren in weiß, bevor wir uns umkreisten. Der Nebel schwebte zwischen uns wie eine Barriere.

Enyo zerschnitt sie mir einen Zornigen brüllen.

~~~

*Fighter von Christina Aguilera, eines von Enyos Lieblingsliedern.



→Rechtsschreib- und Grammatikfehler werden noch verbessert.

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