Kapitel 88.

Eskalation einer anderen Klasse

,,Was für eine Falle?", fuhr ihr Thorin wie aus dem nichts über den Mund, als er sich neben Dwalin stellte, hoch aufgerichtet, einen bedrohlichen Blick in dem klaren blau seiner Augen. Seine Miene drohend wie die seines Nachbars.
Überrascht hob Gizem die Augenbrauen. ,,Hmm, vielleicht sollte ich doch weniger reden", murmelte sie leise, sich nachdenklich gegen das Kinn tippend.

Scheiße gelaufen, beschwerte sich eine kleine, nervige Stimme in ihrem Kopf; spöttisch und voller Hohn, die sie zugleich aus zu lachen schien. Währenddessen rannten zwischen den verhallenden Worten ihrer inneren Stimme, hunderte kleine Gizems panisch umher, unfähig eine logische Erklärung dafür zu finden, die die Bärtigen Idioten ihr auch abnehmen würden.

Auf die Schnelle wollte ihr aber nichts plausibles einfallen. Sie wünschte sich fast ein Kind der Athene zu sein. Klug und immer mit zweihundert verschiedenen Plänen in petto. Leider war sie es nicht - hätte ihr Ärger erspart.

Gizem hatte sich selbst nie für besonders klug gehalten - ihre ganzen Lehrer hatten ihr zumindest immer gesagt, sie wäre dumm (vielleicht nicht unbedingt in diesem Wortlaut, aber es kam das selbe dabei raus). Wer von zehn verschiedenen Schulen flog, konnte nur als "Problemfall" gelten, egal wie sehr ihr Vater vom Gegenteil überzeugt war. Das einzige tröstliche war wohl, dass Halbgötter prinzipiell als "Problemfälle" galten, egal auf welcher Schule. Einzige Ausnahmen war das Griechische Camp Half-Blood und das Römische Gegenstück: Camp Jupiter in Neu Rom. Aber da dort sowieso die Mehrzahl hyperaktiv war und die Konzentration eines Kleinkindes besaß, störte es kaum jemanden.

Sie biss sich fest auf die Lippe, bis der pochende Schmerz ihr einen klaren Kopf verschaffte. Jetzt war keine Zeit an ihren kranken Vater oder ihre miserablen Noten zu denken.

Temiz kafa, temiz hedef.
Klarer Kopf, klares Ziel.

Nie wahren die Worte ihres Babas so wichtig wie jetzt für sie. Sie brauchte einen klaren Kopf und ein Ziel vor Augen, dann schaffte sie es schon dem ganzen etwas entgegenzusetzen. Also klammerte sie sich an seine Worte. Diese Worte, die er ihr vor vielen Jahren sagte - wieder und wieder, bis sie genervt davon gewesen war. Heute schämte sie sich für ihre trotzige Ignoranz. Denn die Zeit mit ihrem Baba war begrenzt, jetzt noch mehr als zuvor.

,,Was. Für. Eine. Falle?", grollte Thorin in einem tiefen Basston, der ihr ein Schauer über den Rücken jagte. Neben ihm griff Dwalin nach seiner Streitaxt - im Hintergrund taten es ihm die anderen gleich, trotz Oins lauter Frage, was denn jetzt los sei.

Fast entwich Gizem ein leises Lachen angesichts seiner verwirrten Frage. Wiederwillig krümmten sich ihre Mundwinkel zu einem spöttischen Grinsen. Vielleicht wurde das ganze doch besser als gedacht? Sie konnte die Truppe noch eine Weile hinhalten.

Und dann... Und dann... Und... dann...

Das blanke Metall war erschreckend scharf, glänzte wie eine frisch polierte Klinge aus reinem Stahl, was in Gizem eine irrationale Faszination hervor rief und sie ablenkte.

(Ihr war klar, dass es womöglich an Enyos Erbe lag, weshalb sie so fasziniert von gefährlichen Waffen war. Ob es den Kindern des Kriegsgottes auch so erging? Bei Gelegenheit musste sie Clarisse oder jemand anderen aus Hütte 3 fragen.)

Es juckte ihr in den Fingern die Axt an sich zu bringen, um diese wie eine verliebte Trulle genauer in Augenschein zu nehmen. Mühselig wandte sie den Blick von der Waffe ab. Stattdessen zuckten grün und blau zu dessen Besitzer; düsterer Groll und argwöhnische Furchen durchzogen sein Gesicht wie Schluchten.

Gruselig, ging es ihr durch den Kopf. Umzingelt von alten Säcken. Wenn das nicht ein Zeichen war, sich aus dem Staub zu machen, wusste sie auch nicht.

Gizem fragte sich insgeheim, ob ihre Verwandten aus Hütte 10 - die Kinder der Liebesgöttin - Recht hatten. Aber ob der Grund für falten wirklich ein zu oft es verziehen des Gesichts, oder runzeln der Stirn war, konnte sie nicht sagen. Im Ernst, es interessierte sie auch nicht wirklich.

Ganz plötzlich verharrte ihr Fuß auf der Stelle. Unbewusst hatte sie die ganze Zeit ruhelos mit ihm auf den Boden getippelt, ohne es richtig wahrgenommen zu haben. Jetzt aber hatte sich was verändert.

Gizem fühlte die stumme Gewissheit wie flüssiges Blei, das in Fäden von der Decke tropfte. Es kroch in feurigen Fontänen und summender Erwartung ihren Rücken hinauf. Heiß wie Lava. Kalt wie Cocktaileis. Gierig wie ein Ausgehungerter Straßen Hund.

Sie witterte das süßliche Aroma eines Kampfes. Es setzte sie unter Strom und jagte ihr ein Prickeln über's Rückgrat. Es ließ die Luft Summen als wären Tausende von Bienen unterwegs. Gizem war sich sicher, genau das Gefühl schon einmal gespürt zu haben, doch ihr Gedächtnis ließ sie im Stich.

Dennoch wusste sie, dass es sich so ähnlich angefüllt hatte, als sie in Ares Nähe gekommen war - nur viel aggressiver. Als reagierte ein Teil ihrer selbst auf Götter, wie ein Frühwarnsystem.

Allerdings kam das Gefühl nicht von draußen - vor dem Berg -, sondern von hier drinnen. Hier in dem Berg - dessen Namen sie andauernd vergaß. Alles was sie machen musste war es geschehen lassen. Das Schicksal würde seinen Lauf nehmen.

Irgendwie gefiel ihr das nicht.

Aber... Götter!

Götter, sie wollte mit ihnen Kämpfen! Wie eine Sucht juckte es ihr in den Fingern es zu tun. Ein Instinkt, der ihr Blut zum Kochen brachte.
Unkontrolliert zuckten ihre Finger, während es in ihren Fingerspitzen kribbelte. Drängten sie mit dem prickeln von Brause ihre Hände zu Fäusten zu ballen, um auf die Bedrohung vor ihr los zu gehen.

Doch Gizem besann sich aber wie so oft. Anstatt auf sie zu zuspringen, unterdrückte die Demigöttin dieses aggressive Gefühl in ihrer Magengrube, bevor sie noch ausversehen die Gefühle der umstehenden in ein zorniges Inferno verwandelte. Zwar war diese Fähigkeit der Gefühlsmanipulation nicht so ausgeprägt wie bei den Ares-Kindern, aber dennoch vorhanden.

Sie holte tief Luft. Ließ ihre Lungen sich damit füllen, atmete gleichmäßig wieder aus und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes.

Zögerlich glitt ihr Blick über die Gemeinschaft, analysierte so gut wie es ging wie ein Stratege die Situation.

Gizem war sich sicher, dass sie es sicherlich mit einem Großteil von ihnen aufnehmen konnte, jedoch zahlenmäßig weit unterlegen war um mit dem Sieg davon zu kommen. Und die beiden Neffen des ehemaligen wahnsinnigen Königs schienen ein kleines Problemchen zu sein, genau wie Dwalin eines war.

Fili war ein Problem, weil er zwei wirklich schöne, im Matten Licht glänzende Dolche in den Händen hielt, bereit sie in ihre Richtung zu schleudern.

Das Halbblut glaubte zwar nicht daran, dass er so gut wie die Kinder des Sonnengottes werfen konnte, hieß aber noch lange nicht, dass er weder zielen, noch treffen könnte. Sicherlich war er trotz allem gut genug um sie zu treffen, wenn er sie warf.

Problem Nummer zwei war sein dunkelhaariger Bruder. Der hatte nämlich seinen Bogen vom Rücken geholt und einen Pfeil angelegt, der mit der scharfen Spitze in ihre Richtung zeigte. Was hatte Gizem nur für ein Glück.

Und dann war da Dwalin, der hatte seine Zweiblättrige Streitaxt, die er im Notfall auch werfen konnte, wenn Gizem es doch noch aus seiner unmittelbaren Reichweite schaffte - Mal von Thorin abgesehen, der neben seinem Kollegen stand, den Schwertgriff fest mit den Fingern umschlossen, so das seine Knöchel weiß hervor traten.

Am liebsten wäre sie nach Hause gegangen. Aber da war die Furcht vor Enyos Rache, möglicherweise Ares Rache, die Strafe der anderen Götter für ihren Verrat und das schlimmste von allen, sie wusste nicht wie sie von hier aus nach Hause kommen sollte.

Sie fühlte sich als wäre sie ein Kind das man im Kinderland eines Ikea vergessen hatte. Hatte Ikea überhaupt ein Kinderland? Die Tochter der Kriegsgöttin wusste es nicht.

Noch ein weiteres Mal betrachtete die schwarzhaarige die Gruppe vor sich.

Eine wichtige Regel bei der Selbstverteidigung lautete (ihr Vater hatte sie ihr quasi auswendig lernen lassen); ausschalten und Beine in die Hand nehmen. In dem Fall wohl eher nur so viele wie möglich Kampfunfähig machen, so dass sie problemlos die Kurve kratzen konnte.

Schwierigkeit dabei; weder Judo noch Taekwondo waren wirklich für den Straßenkampf geeignet - zwar konnten ihr ein paar der Techniken weiter helfen, aber wirklich viel nützte es ihr nun auch wieder nicht. Da kam ihr das vielseitige Training als Demigott zugute (hieß von allem etwas), außerdem die vier Jahre die sie jetzt schon Krav Maga machte.

Dazu war sie nicht unbewaffnet. Gizem hatte ihre Armbrust - auch wenn sie jetzt nicht viel nützte -, die dazu gehörigen Bolzen, die in einem Lederköcher an ihrer Jeans befestigt waren, und die beiden Wurfmesser die in einem Gurt unter ihrem Camp Half-Blood T-Shirt steckten. Könnte ihr alles sicherlich weiter helfen.

Die Teenagerin schnalzte missbilligend, in dem Versuch ihre Unruhe zu überspielen.
Thorins Blick war daraufhin mörderisch. Sie wollte es nicht zugeben, aber langsam bekam sie Respekt vor dem Bärtigen Zwerg mit den schwarzen, von leichtem Grau durchzogenen, Haar und den hellblauen Augen.

,,Na, die Falle eben.", antwortete sie schließlich sehr langsam, dazu in einer Tonlage, als wäre die Gruppe vor ihr schwer von Begriff. Gizem blinzelte als sie den drohenden Zorn in seinem Blick sah, weshalb sie sich dazu anschickte genauer zu werden. ,,Die Falle, die für euch Idioten gedacht war.", kam es flapsig von ihr.

,,Hab ich Ares übrigens auch so gesagt. Oder, naja... so ähnlich zumindest. Vielleicht denkt er auch, er kann Mom mit seinem überraschenden auftauchen überrumpeln. Keine Ahnung, aber sie meinte, dass sie damit rechnen wird, das er euch zu Hilfe kommt -hat sie mir in einem sehr angepissten Tonfall zumindest so gesagt. Heißt wohl so viel wie, das sie zwar mit euch rechnet, aber nicht mit ihm allein. Dazu könnte es sein, ganz zufällig, das ich ihm verschwiegen hab, das Azog womöglich auch dort irgendwo lauert, um euch zu töten. Ihr erfreut euch wirklich großer Beliebtheit, echt. Der einzige der je so beliebt bei Monstern war, war Percy Jackson. Und der Kerl hat einiges Fabriziert. Gilt dazu noch als einer der größten Helden unserer Zeit." Kurz dachte sie über ihre Worte nach, bis sie leiser hinzufügte: ,,Ein Glück bin ich keine Heldin. Helden haben die Angewohnheit ein grausames Schicksal zu haben und noch grausamer zu sterben, weit weg von allem, was sie lieben..."

Kurz war es still, dann brach Gemurmel in den hintersten Reihen der Zwerge aus.

,,Mom?", echote Kili am lautesten im Hintergrund, verwirrt und offensichtlich verwundert, als hätte er mit etwas anderem gerechnet, weswegen Gizem die Stirn in Falten legte. Er wechselte mit seinem Bruder einen Stummen Blick. Fili gab eine Reihe von Handzeichen von sich, auf die der Braunhaarige mit einem nicken antwortete.

Verwirrt über diese stumme Unterhaltung, legte sie den Kopf schief. Ihre Nase kräuselte sich. Hatte sie ihnen nicht gerade eben erst gesagt, dass ihre verrückte Mutter sie umbringen wollte? Sie war sich sehr sicher, dass sie das getan hatte. Vielleicht hatten die Zwerge ihr auch nicht richtig zugehört? Gerade wollte sie noch etwas sagen, da viel ihr plötzlich etwas viel wichtigeres auf, weswegen sie inne hielt.

,,Hab ich echt Mom gesagt?" Das Stirnrunzeln vertiefte sich. ,,Ich meine damit Enyo.", fügte sie unbedacht hinzu ohne zu wissen, in was für eine Situation sie sich damit brachte.

Stille erfüllte die Eingangshalle.
Kein Ton entkam ihren Gegenübern.

Halbherzig zuckte sie mit den Schultern.
,,Seid ihr..." Fieberhaft suchte sie nach Worten, öffnete den Mund, schloss ihn wieder, kratzte sich am Nacken, bevor sie endlich die richtigen Worte fand, weshalb sie erneut den Mund auf machte. (Manchmal wünschte sie sich echt Jiminy Cricket zu sein. Die kleine Grille schien immer die passenden Worte zu finden.) ,,-kaputt? Ich mein, scheint euch ja zu schockieren, zu male ich doch sagte, dass Ares mein Blutrünstiger Onkel ist."

(Und das war schon untertrieben. Vielleicht kannte sie den Kriegsgott nicht, aber in den letzten, viel zu langen Wochen und Monaten hatte sie sich von Enyo ein gutes Bild machen können - wenn er nur ein bisschen so war wie sie, passte die Beschreibung gut. Außerdem gab es genug Geschichte von Ares, die bewiesen wie grausam er sein konnte.)

Wie zur Zustimmung schnaubte Mare im Hintergrund. Gespielt wissend nickte Gizem, auch wenn sie keine Ahnung von Pferden hatte, geschweige denn von anderen Kreaturen die so aussahen wie Pferde - Mal von den Pegasi im Camp abgesehen. Die waren aber eine andere Nummer.

,,Geeennnaauuuu.", sagte sie langezogen und versuchte nicht ganz so irritiert zu klingen. Konnten Pferde eigentlich Menschen verstehen? Bevor sie genauer über diese Frage nachdenken konnte, lenkte sie etwas gänzlich anderes ab.

Thorins Lippen bewegten sich, seine Augenbrauen waren zusammengezogen und er schien mit ihr zu reden, doch die Teenagerin mit den schwarzen Locken hörte überhaupt nicht zu. Ihre unterschiedlich farbigen Augen glitten voller Unruhe in der Eingangshalle umher. Suchten etwas, was nicht her zu gehören schien.

Sie atmete ein: verbrannter Kunststoff. Der Geruch hing kaum merklich in der Luft.
Sie atmete zittrig aus...
Sie kannte den Geruch.

Jener hing wie eine Axt über ihren Kopf, bereit seinen Dienst zu erfüllen, denn die Halbgöttin spürte, das sich etwas verändert hatte.

Unruhig nestelte sie mit ihren Fingern am Saum des orangenen Camp Shirts herum, wollte aus Reflex eines ihrer Messer greifen, hielt inne, zupfte weiter am T-Shirt.

Der Luftdruck hatte sich verändert. Er presste sich gegen ihr Trommelfell.
Ein Windstoß fegte ihr einen Merkwürdig metallisch, Ledernen Geruch entgegen, während es sich mit frischen Blut und dicken Rauch zu vermischen schien.
Es brannte in ihrer Nase wie Säure.

Zweifelnd biss sie sich auf die Unterlippe.
War Ares schon zurück?
Die Demigöttin zögerte.
Nein, Ares fühlte sich anders an - in ihren Ohren klang das höchst seltsam und zweideutig.

Gizems Haare stellten sich auf, als eine aggressive Böe sie streifte - dieses Mal so heftig, dass sie überrascht einen Ausfallschritt machen musste.
Ein schlechtes Gefühl überfiel sie wie eine Python, die ihre Beute gerade erwürgte. Und wenn ein Halbblut ein schlechtes Gefühl hatte, dann war es nie grundlos. Manche betrachteten es als schlechtes Omen.

Gizem hasste schlechte Omen, ein Grund mehr Prophezeiungen nicht zu mögen. Alles reimte sich, sie gaben in ihren Augen keinen bis kaum Sinn. Es gab zu viele Möglichkeiten zur Interpretation solcher Vorhersagen. Außerdem bewahrheiteten sich Prophezeiungen immer. Immer hieß somit auch immer (zum Leidwesen der Halbblute).

Das Herz in ihrer Brust donnerte gegen ihre Rippen wie Zeus Blitze auf die auf Erde krachten.

Erkenntnis war ein Mieser Verräter.

,,Buenos días, montón de pendejos. Estás buscando la biblioteca?"

Vor Schreck riss Gizem die Augen auf - eines Blau, wie der Himmel bei Tag, das andere ein helles grün, wie eine Flasche mit grün verdünnten Gift.
Dann war sie irgendwie verwirrt, weil sie keine Ahnung von Italienisch* hatte. Enyo anscheinend aber ein wenig. Und dann wiederum fragte sie sich, weshalb ihre Mutter Italienisch mit ihr sprach.

Wusste Gizem etwa etwas nicht? Sie konnte sich nicht erinnern jemals in Italien gewesen zu sein. Es sei denn sie war ohne ihres Wissens plötzlich aufgebrochen und nach Italien geflogen - was sehr unwahrscheinlich war, selbst wenn eine ihre schlimmen "Fasen" sie zu so etwas getrieben hätte, würde sie sich erinnern. Darüber hinaus hätte ihr Baba sie sicherlich aufgehalten.

Zugegeben, es verwirrte Gizem mehr als ein wenig. (Außerdem, was wollte Enyo mit Jalapenos?)
Die dunkelhaarige wurde daraus nicht schlau. Also konzentrierte sie sich wieder auf ihr panischen Herzschlag.

Ihr heftig pochendes Herz schien nämlich an Ort und Stelle zu verstummen, als hätte es seinen Dienst quittiert oder wäre zu Eis erstarrt, sobald ihre Ohren Enyos Stimme wahrnahmen. Ein kalter Schauer kroch über ihre Wirbelsäule. Ihre Muskeln verspannten sich, krampften sich zusammen, während ihr Magen einen Flick Flack schlug und absackte. Unwohl zog sie den Kopf ein.

Inzwischen war Thorin verstummt. Er und seine Gefährten sahen mit einer Mischung aus Überraschung und grimmiger Entschlossenheit an Gizem vorbei, hoch zu der Frau, die mit einem abschätzigen lächeln auf dem Wall Stellung nahm.

Der Tod war gekommen.

Das Gefühl von verderben schien die große Frau zu umhüllen wie ein Fellmantel - gefährlich wie ein Wolf auf der Jagd und schön wie ein Dolch aus Kaiserlichen Gold.

Sie war aus dem nichts aufgetaucht. Einfach da. Plötzlich. Ohne Vorwarnung. Ein Omen der Zerstörung. Ein Tier das seine Beute auserkoren hatte und sich jetzt auf die Lauer legte. Man könnte meinen, das sie das alle waren: die Beute einer Göttin, verkleidet als der Tod selbst.

Und in ihren giftgrünen Augen, zornig und Boshaft, da war nichts als ein Abgrund tiefer Hass, so uralt wie die Götter selbst. Es nahm ihre Seele ein, ein Waldbrand, lichterlohe Flammen, die glühend in ihr Funken schlugen.
Wie grünes Feuer loderte es in ihren Iriden. Grell. Wütend. Verhängnisvoll.

Brennendes Gift.

Gizems Knie zitterten, fühlten sich wie Wackelpudding auf See an. Dabei liebte Gizem Wackelpudding. Kirsch ganz besonders.

Wackel, wackel, wackel,
zitter, zitter, zitter,
schwank, schwank, schwank.

Ihre Beine führten für ihren Geschmack zu sehr etwas wie ein Eigenleben.

Doch am liebsten wäre sie fluchtartig mit ihnen davon gerannt, auch wenn sie mehr wie Wackelpudding waren.

Tief holte Gizem Luft.
Es war nicht ihre erste Schlacht - schließlich war sie bei dem Finalen Kampf gegen Gaia dabei gewesen -, aber ihr erster wirklicher Kampf mit einer echten Göttin, ohne ihre Halbgeschwister und Freunde als Unterstützung.

(Ares zählte sie jetzt nicht mit, schließlich hatte er sie nur gegen eine Wand gedonnert und nicht versucht sie auf der Stelle zu töten, dazu war der kleine Konflikt mit ihm sehr schnell vorbei, als er erst einmal seine Finger an ihrem T-Shirt Saum hatte und seine Drohungen Aussprach, um sie zu zwingen, ihm alles über Enyos Pläne zu sagen - was sie natürlich mit der Hälfte der Wahrheit getan hatte...)

Sehr Zögerlich drehte sie sich um.
Die Demigöttin schluckte schwer.
Ein dicker Kloß schnürte ihr die Luft ab.
Dann erblickte sie Enyo, die Göttin des Krieges, des blutigen Nahkampfs, der Zerstörung, des Gemetzels, der Blutlust und irgendwelcher weiteren, recht uninteressanten Titel, die denen von Ares ähnelten.

Aber Enyo ähnelte Ares überhaupt nicht.
Zu mindestens vom Aussehen her.

Sie waren beide zwar groß - Ares überragte seinen Zwilling um knapp zwei Zentimeter -, dazu Muskulöser als der Durchschnitt.

Jedoch unter schieden sich die Muskeln der beiden Zwillinge.
Ares hatte die Muskulatur eines Kriegers, breit und Sehnig. Seine Schwester hingegen war nicht ganz so... Muskelbepackt. Schlanker, weniger stark ausgeprägt, mit einer Muskulatur die eher zu einer Hochleistungssportlerin gehörte.

(Gizem fragte sich wirklich, warum sie auf so etwas achtete.)
Damit trennten sich die meisten Ähnlichkeiten.

Das Halbblut sah ihr Göttliches-Elternteil an.

Die Göttin hatte dunkle Haare die vom Farbton her möglicherweise schwarz oder braun sein könnten - je nachdem wie das Licht viel. Um diese kleinen Farbunterschiede aus zu gleichen, hatte Enyo verschiedenfarbige Haarsträhnen in rote und violette. (Womöglich eine ihrer spontanen Entscheidungen. Kam häufiger dazu.)

Ihr Erscheinungsbild war eine sportliche, junge Erwachsenen zwischen neunzehn und einundzwanzig Jahren, von der man als Sterblicher nicht gleich ausging, dass sie eine Göttin war.

Enyos Gesichtszüge waren genau wie Gizems ein wenig kantig und eckig, dennoch für eine Kriegsgöttin recht feminin. Sogar Recht hübsch, wenn man zum Vergleich ihre beiden Neffen nahm, die wie überfahrene Krieger aus dem Trojanischen Krieg aussahen.

(Gizem hoffte, dass die beiden nicht lesen konnten, ansonsten könnte es Probleme geben.)

Was Gizem aber mit unter anderem gleich ins Auge viel, war, dass sie ihre Haare anders trug. Vorhin noch bei ihrer Ansprache, da war die Demigöttin sich sicher, hatte sie ihre Haare in einem strengen Flechtzopf.

Jetzt aber waren die Strähnen zu lauter kleinen Fischgräten in braunen, schwarzen, roten und violetten, Zöpfen geflochten, die dann zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden wurden.

Ein klein wenig seltsam kam es ihr schon vor, denn irgendwie wirkte sie damit anders auf Gizem.
Gut möglich das es auch nur daran lag, dass sie sie bisher nur mit offenen, oder streng geflochtenen Haar gesehen hatte.

Die hämisch verzogenen Lippen der Unsterblichen glichen zu ihrem Leid der Farbe von rotem Wackelpudding.
(Jetzt konnte sie nie wieder Wackelpudding auf die gleiche Art und Weise essen, wie zuvor.)
Ihre Augen jedoch waren Giftgrün - ausgerechnet diese Fixierten sie mit einem Blick, der ihr gut möglich die Haut abziehen könnte.

Der Halbgöttin gefiel das nicht.

,,Mein Kind.", schnurrte die Kriegsgöttin in ihrer Glutroten Rüstung. ,,Ich gebe dir noch diese Chance, es nicht zu versauen. Ansonsten werde ich dir dein Leben zum Tartarus machen."

,,Wie jetzt... muss ich etwa nach Kanada?"

Schon bei den ersten beiden Silben waren Gizems Gedanken schon wieder abgedriftet.
Stattdessen rauschte es in ihren Ohren, während sie verzweifelt überlegte, wie man so dumm sein konnte, so etwas zu Enyo zu sagen!

Schlimmer noch! Was wenn sie jetzt wirklich von ihrer Verrückten Mutter nach Kanada verfrachtet wurde!?

Kurze Panik.

Sie biss sich auf die Lippe.

Der Geschmack ihres Blutes erinnerte sie daran noch am Leben zu sein.

Danach beruhigte sie sich wieder ein wenig.

Gut, gut, immerhin vielen ihr jetzt ein paar Ideen ein, um das ganze vielleicht doch noch zu überleben!

Idee eins war; ihre Messer zu werfen, die Zwerge zurück zu lassen und über die Mauer des Walls springen (in der Hoffnung sich bei der Flucht nicht die Beine zu brechen).

Idee Zwei war deutlich einfacher; zum Kreuze kriechen und sich bei ihrer Mutter entschuldigen. Das natürlich in der Hoffnung, dass sie Gnade walten ließ. (Eher unwahrscheinlich.)

Idee drei; Heldin spielen und grausam sterben...

Ihre letzte und vierte Idee beinhaltete; Improvisation.
Mit Abstand Gizems liebste Idee. Sie Improvisierte gerne.

Zornig zogen sich Enyos Augenbrauen zusammen. ,,Ich schick dich gleich mit einem Arschtritt nach Kanada! Dann folgen dir diese klein geistigen Idioten aber!"

Geschmeidige wie ein Gepard lief sie die ersten Steinstufen des Walls hinab.

Gizem schluckte.
Ihr war schlecht.

Sie wollte gerne den nächststehenden ankotzen.

~~~
Buenos días, montón de pendejos - Guten Morgen, Haufen Arschlöcher

Estás buscando la biblioteca? - Sucht Ihr die Bibliothek?

(Enyo, eine wahre Meisterin in Spanisch.)

*Nein, das mit dem Italienisch ist kein Fehler, sondern einfach nur Gizem, die Spanisch mit Italienisch verwechselt, weil sie Französisch, Spanisch und Italienisch nicht voneinander unterscheiden kann.

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