Kapitel 77.
Mission "Mare in den Berg bringen", wird ausgeführt
Während der Stein nun auf der einen Seite hing, hing an der anderen eine Vielzahl alter Bettlaken fest zusammen geknotet mit dem Seil, sodass es eine Schlaufe bildete, die wie eine Trage benutzt werden konnte. Als letztes musste dann nur noch der Fels runter geschubst werden, und schwups die wups, würde Mare hoch gezogen werden, insofern alles hielt und nicht mitten drinnen irgendwas riss, während Mare an dem Teil hing.
Leichter gesagt als getan.
Allen im allen war es nämlich ein katastrophal und vielleicht auch unorganisiert. Der Plan war einfach; das Kelpie mittels des Flaschenzugs über den Wall rein in den Erebor holen. Simpel.
Aber da begannen die ersten Schwierigkeiten.
Zu dritt versuchten die drei Zwerge die Alten, zusammen geknoteten Laken dem Hengst so um zu legen, das er ohne Probleme hoch gezogen werden konnte. Sie wollten vermeiden das er auf halber Höhe abstürzte... oder anderweitig zu Schaden kam, da Ares das sicherlich nicht toll finden würde.
Ohne dieses Kelpie – ohne Mare – wäre der Gott aufgeschmissen.
Schnaufend zog Nori die letzte Schlaufe des nach Schimmel, Moder und Motten riechenden Lakens zu. Seine Nase kräuselte sich angewidert.
Probehalber hing er sich mit einem Gewicht an den ehemals weißen Stoff, der von der langen Zeit in dem Berg die Farbe von Staub und Zeit angenommen hatte. Übrig blieb eine bräunlich-günes-grau an Farbe.
Der Knoten hielt. Auf seinen Lippen erschien ein verschlagenes lächeln das Ares Bruder Hermes sicherlich Konkurrenz machte. Nori war seinem Bruder in vielen Dingen ähnlich; beide diebisch wie eine Elster, einen verschlagenen, fast schon schalkhaften Gesichtsausdruck und die nötige Intelligenz, um sich aus schwierigen Situationen wieder raus zu schlängeln wie eine Schlange zwischen zwei Felsen hindurch.
Dumm war er sicherlich nicht, schließlich war diese Reise sozusagen sein Alibi für einen seiner Diebstähle in den Ered Luin. Aber der Braunhaarige konnte ja nichts dafür, wenn irgendwer von den Schmuck-Schmieden eine Silberne Kette mit Smaragden auf seiner Werkbank herum liegen ließ. Noch schlimmer war aber, dass diese Kette wohl Dis gehörte, Thorins Schwester. Hätte Nori das gewusst, dann hätte er nicht einmal im Traum daran gedacht den Schmuck mitgehen zu lassen.
Da war ihm diese Reise wirklich gelegen gekommen um den ganzen Wachsamen blicken der Wachen zu entgehen. Und vielleicht konnte er so den kleinen Diebstahl wieder gut machen...
Unruhig scharrte das Kelpie mit den Hufen, während die dunklen Augen aus einer Mischung von tiefsten schwarz des Meeres, und einem feinen Hauch von unsicheren Aqua blau in einem nervösen zucken an der Mauer herauf, ebenso wie herab, glitt.
Aufmunternd Klopfte der Zwerg dem Wesen auf die Muskulöse Schulter, dessen Muskelstränge unter der Berührung leicht zuckten, als Versuche es eine lästige fliege zu vertreiben. Unter Noris flinken Fingern war das seidige Fell mit dem bläulichen Schimmer sowohl weich, wie als auch so kühl wie eine Meeresbrise Anfang April.
,,Also gut Mare. Auf geht's." Noch ein weiteres mal klopfte er die Schulter des Hengstes, der fest verpackt in den alten Laken war. ,,Hoffen wir Mal, das alles funktioniert.", murmelte er leise, doch die feinen Pferdeohren hörten es ohne Probleme.
Eines der Lackschwarzen Ohren drehte sich zuckend in seine Richtung, bis ein missmutiges Schnauben folgte, was die Mundwinkel des Diebes leicht in Schieflage gerieten ließ. Etwas planlos kratzte er sich am Kopf.
Er war sich ziemlich sicher, dass Ares einmal erwähnte, dass Mare durchaus in der Lage war sie zu verstehen. Jetzt fragte er sich, ob dieser irgendetwas auf seine Worte erwiderte... Und wenn das Kelpie es tat, dann wollte er schon gerne wissen was?
Er verengte die braunen Augen zu schmalen schlitzen, dabei bildete sich ein tiefes Runzeln auf seiner Stirn.
,,Soll das bedeuten "Schon verstanden" oder "Lass das funktionieren"? Weil ich mir diesbezüglich wirklich nicht sicher bin.", stellte er ein wenig ernüchternd fest, ohne seine Augen von den nervös zuckenden Ohren des Tieres zu nehmen.
Angesprochenes drehte seinen Feinen Kopf in die Richtung des kleinen braunhaarigen Bart-Trägers, um diesen Aufmerksam zu betrachten. Nori plusterte sich auf, nahm die Schultern zurück und hob das Kinn an. ,,Meine Pläne funktionieren sehr gut!"
Er war sich fast zu hundert Prozent sicher, dass das Kelpie gerade kaum merklich den Schädel zur Seite neigte, fast schon zu einer fragenden, ja fast schon skeptischen Geste.
Eingeschnappt verschränkte er die Arme vor der Brust. Ein wenig aus dem Konzept gebracht wippte er allerdings auf seinem Fußballen herum. Das war aber auch merkwürdig mit einem Tier auf diese Art und Weise zu reden. Ungewöhnlich und ungewohnt.
,,Oder wohl eher die meiste Zeit.", grummelte er leise in seinen Bart, schielte dann aber an dem Edlen Pferd vorbei, um seinen Glaubscher auf das geschehene in der Ferne zu richten.
Massen an Kämpfenden hatten sich gebildet, überwiegend Zwerge die gegen Orks behaupteten. Die Menschen hatten sich, ebenso wie ein Großteil der Elben, zurück nach Thal gezogen. Somit standen ihre Verbündeten so gut wie allein vor ihren Toren, ohne ihre Unterstützung. Dabei wäre das doch eigentlich ihre Pflicht? Ihren Verwandten, Freunden und Verbündeten in einer Schlacht um ihr Königreich, und Zuhause, zu unterstützen.
Stattdessen versteckten sie sich auf Thorins Befehl im Erebor.
Nori wandte die Augen ab, warf hingegen Mare einen langen Blick zu, die der Hengst mit erstaunlicher Klugheit erwiderte – nichts Bösartiges lag im dunklen Farbton mit dem blauen Stich.
Er räusperte sich unbehaglich und straffrei sich wieder. ,,Gib dein bestes, Freund, denn unser König wird nicht so leicht nachgeben."
Damit kontrollierte er den letzten Knoten, bevor er sich an dem zweiten Seil, was vom Wall herunter hing, hoch hangelte. Es war genau das gleiche was zuvor schon Bilbo benutzt hatte um Thorins versuchten Mord zu entfliehen, denn er aus Zorn auf seinen kleinen Hobbit-Freund verübt hatte.
Oben angekommen gab er den anderen Beiden das Zeichen, weshalb diese die Knoten noch einmal nach zogen, bevor sich die beiden braunhaarigen und der Rothaarige, wohl genährte Zwerg, sich Schlussendlich gegen den Steinbrocken stemmten. Zu dritt warfen sie sich gegen das Raue Gestein. Der Fels knirschte als er sich Richtung Kante bewegte.
Mare legte die Ohren an.
Die Zwerge atmeten laut aus. Bombur gab ein angestrengtes Brummen von sich....
...Dann viel der Stein über die Kante.
Das Seil strafte sich abrupt. Die Halterung in der Wand ächzte und kleine Steine bröckelten rund herum ab.
Das dunkle Kelpie mit den Schaum weißen Beinen, die mit Dreck und Blut gesprenkelt waren wie ein Dalmatien mit Flecken, wurde ruckartig in die Luft beförderte.
Unter seinen Hufen verschwand der Boden.
Immer höher beförderte ihn der Flaschenzug, weswegen der Kelpie unruhig mit seinen langen Beinen Zuckte, die schwerelos umher baumelten. Seine Ohren lagen noch immer flach an seinem Kopf. Ihm gefiel das überhaupt nicht.
Er konnte sich wirklich besseres vorstellen als das hier. Fester Boden unter den Füßen war ihm lieber. Noch lieber wäre ihm aber ein See oder ein breiter Fluss, in dem er sich verstecken konnte. Jetzt aber begab er sich in unbekannte Gefilde.
Mare war ein Wasserdämon, weder ein Pegasi, noch irgendein anderes Monster was in den Höhlen auf ahnungslose Halbblute lauerte. Für ihn war weder Höhe was, noch die tiefen einer Höhle – oder in dem Fall die verzweigten Gänge des Erebor.
Das Wesen mied sowas für gewöhnlich wie die Pest die Apollo einst über die Menschen brachte. Ja, selbst den Düsterwald hatte er größtenteils gemieden, da er die Abgrundtiefe Dunkelheit gespürt hatte, welche sich still schweigend wie ein Tumor in dessen Wald ausbreitete.
Aber was tat man nicht alles für einen Freund...
Laut knallend schlug der rundliche Fels auf den Boden. Kaum merklich zuckten die drei, überrascht von dem viel zu lauten Ton.
Bofur rieb sich den Nacken. Seine Augen zuckten von Bombur zu Nori, von Nori dann wieder zu seinem Bruder und von da aus zurück zu dem Dieb.
,,Meint Ihr, die anderen haben das Gehört?", fragte er langsam seine anderen beiden mit Verschwörer mit den roten und braunen Haaren, die ihn nun überrascht an starrten. Der runde Zwerg zuckte mit den Schultern, dabei gab er einen eher fragenden Laut von sich.
Unterdessen hallte das Echo des Aufpralls von den hohen Wänden der Eingangshalle wieder und verschwand schließlich mit einem leisen Nachhall in einem der Gänge, bis es ganz verstummte.
,,Das dürften wir gleich heraus finden. Also sollten wir uns beeilen, bevor uns Dwalin mit seiner Axt zu Mahal schickt.", antwortete Nori ihm, bevor er sich auf dem Absatz herum drehte, damit sie Mare auf den Wall holen konnten. Doch kaum stand er wieder, stellte er fest, das gut ein Meter fehlte um das Kelpie irgendwie auf die Mauer zu bekommen.
Er schluckte, die Schultern angespannt gehoben. Throin würde sie allesamt Köpfen – vorausgesetzt wie überlebten den Krieg vor den Toren des Einsamen Berges.
Ein fragendes, viel zu unruhig Klingendes brummeln ertönte von Mare, weshalb Nori sich denken konnte was es wohl zu bedeuten hatte. ,,Wir beeilen uns. Bombur, das Seil. Häng dich dran, vielleicht kommt Mare noch weiter hoch", zischte er über seine Schulter hinweg und fixierte dabei einen der Hauptgänge, aus dem jeden Moment eine bewaffnete Horde Zwerge ihrer Gemeinschaft auftauchen konnten.
Zustimmend nickte der dickste der Runde, sprang ohne zu zögern von dem Wall und Packte das raue Seil. Es gab einen kleinen Ruck, das Metall des Flaschenzugs quietschte Ungesund, doch schließlich hing Mare knapp über dem Wall durch das zusätzliche Gewicht am Seil, sodass die anderen beiden ihn ein wenig zu sich zogen und Bombur schließlich los ließ.
Mit einem Ruck und einem empörten Schnauben landete das Kelpie auf allen Vieren. Die geschwungenen, schwarzen Ohren wippten wieder nach vorne, dabei wölbte der Hengst leicht seinen Hals und drehte seinen Kopf zur Seite, um die beiden Zwerge zu beobachten, wie diese geschwind die alten Laken lösten.
,,Dwalin wird uns umbringen. Das wird er ganz sicherlich."
,,Pschhht! Keiner muss hiervon was erfahren. Ich hab schon genug Dinge vertuscht um zu wissen wie so was funktioniert. Fragt jemand, haben wir den Felsen nur versucht zur Seite zu Räumen und dabei ist er vom Wall gefallen."
,,Was macht ihr da?" Ertappt zuckten die Beiden – der Zwerg mit dem Hut und der Flinke Dieb mit den Messern in seinem Gürtel – zusammen und rissen die Augen auf, als sie die Köpfe hoch rissen um Ori zu sehen, der aus dem Schatten eines Ganges getrottet kam. Das lebensfrohe funkeln seiner Augen wanderte fragend von allen drei zu Mare, bevor er fragend zu seinem älteren Bruder hoch sah.
Bofur schielte zu Bombur runter, dann warf er einen fragenden Blick zu Nori, der gleichgültig mit den Schultern zuckte. ,,Aufräumen? Weshalb fragst du?", sagte der rothaarige schließlich mit einem angedeuteten, unschuldig wirkenden lächeln. Neben ihm setzte Bofur auch eines auf, das jedoch war deutlich verkrampfter. Bombur, unten bei dem Steinbrocken stehend, murmelte irgendwas vor sich.
Ori blinzelte. In einer fast schon kindlichen Geste legte er den Kopf schief. ,,Bei Mahal, was macht dann Mare bei euch, wenn ihr hier... Aufräumt?", hakte er neugierig nach, weshalb Nori eine weg werfende Geste machte.
,,Frag Dori." Er nickte sich selber zu und Schnitt einfach den letzten Knoten mit einem seiner Messer durch, der sich zu sehr fest gezogen hatte. ,,Wir sind sehr beschäftigte Zwerge, die hier aufräumen, damit es unseren König gut geht und er sich nicht beklagen muss. Sonst noch Fragen? Nein? Dann solltest du dringen Dori zu Hand gehen, Brüderchen. Sicherlich braucht er Hilfe."
,,Das brauch' ich mit Sicherheit.", ertönte auch schon die Stimme des genannten grauhaarigen Zwerges, der nun hinter seinen kleinen, Braunhaarigen Bruder erschien und sich wie eine Wand neben ihm auf baute, die Arme vor der Brust verschränkt.
,,So sollte es nicht gemacht werden, oder?", wisperte Bofur leise in Noris Richtung, der ihm daraufhin nur ein Kopfschütteln zukommen ließ.
„Denkst du das, ja, Bofur?"
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top