Kapitel 67.

Geschwisterchaos

Erstarrt ahmte die Göttin einen Moment lang eine Statue nach, bevor der Kopf der grünäugigen ruckartig in meine Richtung schnappte. Ihre Gesichtszüge entgleisten. Ungläubig starrte sie mich an als wäre ich nur eine Fata Morgana -was ich natürlich nicht bin.

Meiner Schwester stand förmlich der Mund offen. Und das im wahrsten Sinne, denn ihre sonst so vorlaute Klappe schien bis auf dem Boden aufgeschlagen zu sein. Enyo blinzelte langsam. Blinzelte ein zweites Mal. Ein drittes Mal. Ein viertes. Fünftes. Sechstes..., bis sie langsam den Kopf schüttelte.

Ungläubig taumelte sie zurück als hätte die Luft sie geschlagen -weg von Dain und seinem Borstentier aka dem Schwein-, währendessen huschten über die Gesichtszüge meiner Schwester viele unterschiedliche Emotionen, das ich kaum Zeit hatte sie alle zu erkennen geschweige denn vernünftig zuzuordnen. Es waren einfach zu viele. Viel zu viele.
Von Wut bis Trauer schien alles dabei.

Ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich. Normalerweise ist Enyo nicht so... naja, ihr wisst schon.

,,Du... Aber... Ich...", stotterte sie zusammenhangs los diese drei Worte, die genauso sinnbefreit wie dämmlich klangen. ,,Tot.", hauchte sie plötzlich mit einem zaudern, bevor ein überaus verwirrter Ausdruck ihr sonst so vor Höhn verzogened Gesicht in Beschlag nahm, weshalb sie auch den Arm mit der scharfen Klinge sinken ließ. Erst zögerte Enyo, aber dann schob sie diese zurück in die Scheide an ihrem Gürtel. Unerschrocken erwiederte ich ihren Blick, trotz des Kloß in meiner Kehle. ,,Du bist... tot. Tot. Tot. Sehr tot. I-ich hab dich umgebracht... Das Gift und der Dolch und...und..."

Sie konnte nicht weiterer reden, weil ihre Stimme letztendlich den Dienst versagte, ganz brüchig und zittrig, bis sie offensichtlich zögernd von der schmale Erhöhung runter hüpfte, gerade als ich die letzte Reihe Menschen passierte und somit raus aus der Menge trat. Unauffällig guckte ich in Gandalfs Richtung, um ihm zu signalisieren das alles unter Kontrolle war -zumindestens mehr oder weniger unter Kontrolle. Gut, eigentlich ist nichts unter Kontrolle.

Mit festen schritten lief ich ihr entgegen, die Finger fest um den Schwertgriff geschlungen, doch Enyo rührte sich nicht.

Wachsam glitt das giftgrün ihrer Iris über meine Erscheinung.
Suchend. Skeptisch. Hoffend.

Ein ungebendingter Konflikt brannte in ihren Augen, schwankte zwischen Trauer und Zorn und Erleichterung umher, aber ich sah deutlich wie sie daran zweifelt, ob das es echt war, das ich noch lebe -ja, live und in Farbe in einigen Meter Entfernung, Leute. Ohne scheiß, irgendwann werd' ich hier echt noch durchdrehen. Das ist kaum auszuhalten in diesem Irrenhaus.

Das alt bekannte funkeln von Paranoia glänzte in dem grün ihrer Iriden auf, das genauso offensichtlich herausstach wie ein Sturmgeist unter einen Haufen Hühnern, glühte hell auf gleich der Glut eines sterbenden Feuers in mitten eines verbrannten Waldes, bestehend aus Kohle und Asche. Grau und erkaltet, ein Bild der Zerstörung.

Vorsichtig kam die dunkelhaarige näher. Ihre Stimme trug nun einen Tonfall, den man als lauernd beschreiben konnte.
,,Du bist nicht echt! Einbildung bist du! Genau, ein fauler Zauber von einem alten Mann der denkt, das würde irgendwas ändern!", zischte sie abfällig, das Gesicht zu Gandalf gedreht der daraufhin nur ruhig mit dem Kopf schüttelte.

,,Nein, kein Zauber. Ares ist wahrhaftig hier. Du kannst deinen Fehler wieder gut machen, es muss keinen Krieg geben. Dein Bruder lebt." Mit einem sachten Lächeln bedachte der grauhaarige meine Schwester. Doch sie verzog ihre Mundwinkel zu einem harten strich.

,,Lügner!", brüllte sie in seine Richtung, während sich ihre Gesichtsfarbe in ein sattes Tomaten rot färbte, wie es auch immer bei Zeus der Fall war wenn man ihn provozierte. Man muss kein Experte im Thema Götter, geschweige denn Enyo, sein, um zu begreifen, dass man ihre Wut nicht auf sich ziehen sollte. Naja, viele haben es zu spät bemerkt und mit dem Leben bezahlt.

Genervt seufzte ich auf.
Wenn das so weiter geht stehn wir noch bis morgen hier.
Etwas unwohl packte ich das Heft von Ringil fester, bereit einen möglichen Angriff zu parieren.

Schwer atmete sie ein. ,,Ich lass mich hier doch nicht für dumm verkaufen! Ich tötete Ares! Meinen Bruder, weil... weil... Es ist deren Schuld!" Anklagend deutete sie Richtung Berg. ,,Sie haben ihn gegen mich aufgehetzt! Wegen diesen Mistdingern weigerte er sich sich mir anzuschließen um Krieg zu führen, einen Krieg, der Zeus genug Schwierigkeiten einbringt, das er seinen Platz als Götterkönig verliert! Wenn die Valar hiervon erfahren, erklären sie uns den Krieg. Einen Krieg der besser nicht sein könnte!"

,,Was ein unsinniges gewäsch.", platzte es aus Dain. ,,Ihr seid doch wahnsinnig! Redet von Dingen, die ihr Menschen nicht versteht und benutzt das Wort so, als würden die Valar sich dazu herablassen sich mit Hirngespinstern zu bekriegen!"

Ruckartig fuhr sie herum, dabei begann ihre komplette Erscheinung zu glühen. Verwandt sie sich hier in ihre richtige Gestalt, wird diese Supernova alle anwesenden -mit Ausnahme von mir- in ein häufchen Asche Verwandeln. Scheiße, scheiße, scheiße! Ver-dammt! Bei der Sense meines Großvaters, wieso muss immer ich allen ihre dämlichen Ärsche retten!?

Ein Raunen ging durch die Menge an Soldaten. Die Menschen schriehen erschrocken auf, die Zwerge brüllten irgendwas auf Zwergisch und machten sich bereit zum Angriff, und die Elben hielten ihre Position, traten aber unruhig von einem Bein aufs andere.

,,Enyo, nicht! Warte!" Tatsächlich wandte sie mir ihre Aufmerksamkeit zu. ,,Warte.", wiederholte ich noch einmal, dabei senkte ich leicht das Schwert, bis ich es mit viel Überwindung komplett weg packte. Ohne Angst lief ich weiter auf sie zu, den Blick auf sie gerichtet, trotz des leuchtens. Zum Glück bin ich noch göttlich, sonst hätte ich sie nicht direkt ansehen können. Für die anderen muss es wahrscheinlich so sein als sähen sie in die Sonne. ,,Ich bin Real. Wirklich.", hängte ich dran.

,,Ach ja?" Das glühen ließ nach und stattdessen fletschte sie die Zähne. ,,Du bist nicht echt, oder?", hackte mein Zwilling trotzig nach, aber nicht ohne einen festen stand ein zu nehmen, sobald wir uns auch nur eine Armlänge entfernt gegenüber standen.

Meine Brauen rutschte hoch zu meinem Haaransatz. Was ist das denn für ein scheiß? ,,Natürlich nicht, ich existiere schließlich nur in den Köpfen aller anwesenden zu Unterhaltungszwecken, so als Kinder-Clown. Wie wär's, soll ich vielleicht einen Zaubertrick zeigen? Es gibt hier irgendwo sicherlich eine Kiste mit genug Löchern, sodass man locker ein Schwert hindurch rammen kann... Natürlich für den Zaubertrick. Und wenn etwas schief läuft, ist es halt so, Kollateralschäden sind schließlich normal. Also was zum Tartarus willst du hören? Soll ich etwa meine Lieblingsfolgen von 'How I met your Mother' aufzählen?", antwortete ich sarkastisch die Augen verdrehend, während Gandalf doch tatsächlich seine Hand an die Stirn packte um den Kopf zu Schütteln.

Was? Was will es denn jetzt damit sagen?

Erstaunt sah sie mich an, als könnte sie nicht fassen was ich von mir gab.
,,Du bist echt?"
Fassungslos schüttelte sie ihren Kopf, weshalb der Zopf hin und her wippte.

,,Ne, ein Papaufsteller."

,,Sehr lustig."

,,Ich bin halt ein Witzbold."

,,Eher eine Witzfigur im Sandkasten, Pfosten. Wie auch immer du es geschafft hast zu überleben, ich bin-" Mitten im Satz brach sie abrupt ab, denn anstatt weiter zu sprechen tat sie etwas, mit dem ich so nicht gerechnet hatte. Fast schon überstürzt überwand die kurze Distanz zwischen uns mit einem Satz.

Unkontrolliert warf sie sich gegen mich, knallte gegen meinen Oberkörper, weshalb ich die Wucht mit einem Schritt nach hinten abfederte, jedoch reflexartig nach ihren Armen Griff, um mich wenn nötig zu verteidigen. Doch anstatt einen neuen Mordversuch zu starten, legte sie ihre Arme haltsuchend um mich.

Meine Muskeln verkrampften sich bei der ungewohnten Berührung, weswegen ich zischend die Luft ein sog.

Verzweifelt, wie ein ertrinkendes Kind auf einem Boot, das Poseidon gerade wie die Titanic absaufen lässt, klammerte - nein, krallte- sie sich mit bebenden Fingern in den Stoff meiner Klamotten als wäre es das einzigste was ihr meine Echtheit bewies. Mein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Meine Mundwinkel zuckten irritiert Richtung Boden.

Der Hemdstoff an meiner Halsbäuge saugte sich mit salzigen Tränen voll, die sich funkelnd aus ihren grünen Augen lösten und die blassen Wangen hinab flossen. In Sekunden schnelle sickerte die Flüssigkeit durch und traf auf meine Haut, die daraufhin eine unangenehme Gänsehaut bekam. Kalt lief es mir den Rücken runter, während mein mein Herz überrascht in meinem Brustkorb umher stolperte.

Überfordert mit dem ungewohnten verhalten meiner Schwester verharrte ich steif in meiner Position. Alles in mir krampfte, wodurch sich meine Kehle anfühlte als hätte einer der Ägyptischen Götter Wüstensand mit einem Bagger abgeladen.

Wirklich hilfreich war ihre Körperwärme dabei auch nicht, denn es gab mir noch mehr den Eindruck in einer Wüste zu sein. Ich die unglaubliche Hitze von dem Körper meiner Zwillingsschwester, der von der fast durchgeführten Verwandlung in ihre wahre göttliche Gestalt herrührte.

Räuspernd klopfte ich ihr Ungeschickt auf den Rücken. Mir war das ganze höchst unangenehm. Außerdem sahen gleich drei Armeen dem ganzen zu, was mich noch mehr verunsicherte.
Was solln die denn denken? Was auch immer in meine Schwester gefahren ist, sie kann jetzt aufhören, das ganze ist schon seltsam genug. Gut, es ist eher Peinlich, aber interessiert es sie? Nö, natürlich nicht, ist schließlich dann einfach Mal mein Problem, nicht ihres, ne? Nene Freunde, das kann sie schon vergessen.

Um ihre Aufmerksamkeit zu wecken räusperte ich mich, aber es folgte keine nennenswerte Reaktion, außer das sie tief durchatmete.
Aha, alles klar.

Die ehrliche Erleichterung von Enyo trafen mich genauso unvorbereitet wie sie mich verwunderte. Allein bei dieser Erkenntnis zog sich mein Herz zusammen. Ein schlechtes Gewissen breitete sich Augenblicklich in mir aus, um mir dann die Kehle zu zuschnüren.

Umarmungen waren eine Seltenheit -bei uns beiden erstrecht und bei Göttern überhaupt. Aphrodite zu umarmen war etwas anderes wie bei meine Zwillingsschwester. Für erstere hegte ich schließlich Gefühle -wisst schon, Liebe oder so-, für sie hingegen, Mal von unserer eher schwierig komplexen Beziehung abgesehen, rein geschwisterliche -zu mindestens mehr oder weniger. Dazu kommt noch die schwierige Beziehung zu den anderen Unsterblichen, wie unseren Eltern, Geschwistern, halbgeschwistern und so weiter und so fort. Das ganze halt.

Also war das hier ein sehr seltener Moment, der mich mal wieder erinnerte wie Kaputt unsere Familie eigentlich war. Unweigerlich weckte das Erinnerungen an so viele Momente, an denen ich mir am liebsten die Augen zugehalten hätte um vor Verzweiflung schreiend im Kreis zu rennen, einfach damit ich diese Katastrophe von "Familie" nicht mehr ertragen musste.

Ist dir eigentlich bewusst, wie die uns behandeln, unsere so tolle "Familie", die Hera so gut es geht am Laufen hält, als wären wir nur ein dummes Projekt, das jederzeit wie Eiskrem im Sommer auf Asphalt schmelzen könnte? Mal ganz ehrlich, das sind wir doch noch nie gewesen, eine richtige Familie, wir tun nur immer auf heile Welt und alles ist perfekt. Das nervt. Es nervt wirklich. Sie sind doch im Grunde Schuld wegen allem.

Das waren Enyos Worte. Die Worte von jemanden, der einen Schlussstrich ziehen wollte. Jemand, der dem ganzen ein Ende setzte, mit jedem mittel das ihr in den Kram passte und effektiv funktionierte, dabei auch noch eine Schneise der Zerstörung hinterließ. Tote waren egal, Kollateralschäden konnte man immer beseitigen.

,,Weißt du noch was ich gesagt habe, Ares?", murmelte sie leise an meinem Ohr, weshalb ihr warmer Atem unweigerlich leicht kitzelnd auf meine Haut prallte. ,,Ich hab' dir gesagt, das wir zusammen halten müssen. Das meinte ich auch so. Wir müssen, sonst sind wir in den Augen von Sauerlauch schwach. Wenn das hier vorbei ist, will ich ihn und seine kleinen, unützen Krüppel-Sklaven loswerden. Denn wir, wir beide, sollten einzig und allein diese Welt in Flammen aufgehen lassen. Und die Zwerge, die dich gegen mich aufgehetzt haben, werden mit ihr brennen -tot oder lebendig. Ich vordere Gerechtigkeit. Und ich werde sie auch bekommen.", raunte sie fest, überzeugt davon, dass es mich überzeugen würde ihr zu helfen.

Im Gegensatz zu den meisten liegt mir leider etwas an dir, Pfosten. Traurig aber wahr, wir müssen zusammenhalten, so als Kriegsgötter.

Auf der einen Seite hat sie ja Recht, aber auf der anderen auch wieder nicht. Wir sollten zusammenhalten, aber nicht in dem wir vorhaben unsere verwandelt in den Last Minute Urlaub in Tartarus schicken zu wollen.

Ich presste meinen Kiefer zusammen. Unbewusst verspannten sich meine Schultern, was natürlich nicht unbemerkt bei ihr blieb.

Im Hintergrund hört man Dains nervige Stimme die mich beschuldigt auf der Seite der Verrückten -meiner Schwester und nicht Thorin dem Wahnsinnigen- zu stehen, jedoch von Gandalf, dem es wohl langsam reicht, angefahren wurde, er soll es lieber lassen uns leise sein. Ich war ehrlich überrascht. Hätte ich dem alten Kauz gar nicht zugetraut.

,,Du weißt, dass das keine Gerechtigkeit ist, Yo. Das ist Massenmord, und auch wenn ich gerne an einem Krieg beteiligt bin, gibt es unausgesprochene Grenzen, die nicht überschritten werden sollten. Das hier ist eine. Halt dich raus, die Konsequenzen können verheerend sein, wenn du es nicht tust und Zeus Wind bekommt.", erwiderte ich ohne zu zögern sowohl in der gleichen Lautstärke, wie auch in der selben Tonlage wie sie.

Naja, Zeus wird sicherlich schon Wind bekommen haben. Wenn Hermes und Hades es wissen, weiß er es vielleicht auch. Und er wird nicht erfreut sein.

Als hätte meine Schwester meine Gedanken gelesen, verkrampfte sich nun auch ihr Körper.

,,Ich hab keine Angst vor ihm!" Fauchend gruben sich ihre Fingernägel in den Stoff meines Hemds.

Leise seufzte ich, wissend das sie es dennoch hörte. ,,Solltest du aber. Er hat Mutter über dem Chaos hängen lassen -über dem nichts. Was denkst du, wird er mit dir tun, wenn er von deinen Handlungen erfährt? Wenn er davon erfährt das du mit diesem Sauron gemeinsame Sache machst?"

,,Soll er es doch versuchen." Stur lehnte sie sich zurück, um mir ins Gesicht zu sehen.
,,Ich töte jeden der sich mir in den Weg stellt, auch dich wenn nötig. Einmal bin ich gescheitert, ein zweites Mal wird es nicht geben, es sei den du entscheidest dich um!"

Ruckartig löst sie sich von mir, in ihrer Hand das im Licht Glühende Bronze der Tödlichen Nadel, die sie mir ohne umschweife versucht in den Hals zu Jagen. In ihren Augen funkelte der pure Trotz eines beleidigten Kindes.

~~~

Hehe,... ich weiß ich weiß, ich hab es schon wieder nicht geschafft drüber zu lesen, das heißt also ich muss das in den nächsten Tagen Mal machen. 😅

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