Kapitel 35
Der Seltsame Typ dahinten hat ein Geheimnis
,,Ich hab euch gesagt was ich weiß." Lüge. Aber sowas von.
,,Ja, das hast du wohl. Und deshalb kannst du für die nächsten Jahrhunderte im Bronzegefäß bleiben, denn du bist nutzlos! Das alles war reine Zeitverschwendung!"
Zornig starrte er mich an, doch irgendwas war anders an Ephialtes.
Seit wann hatte der Riese bitteschön blaue Augen?
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Genau, eigentlich überhaupt nicht. Auch nicht in meinen Erinnerungen, das heißt, das sind nicht meine –also ich denke es sind schon meine, aber nicht meine meine, versteht ihr wie ich es meine? Mit Sicherheit schon. Was könnte man daran denn nicht verstehen? Ist alles sehr einleuchtend.
Also... Meine Erinnerung würde normalerweise damit weitergehen, dass die beiden mich wieder zurück ins Bronzekrug zerrten und ich da dann solange fest saß, bis Hermes mich fand. Ja, und dieser Blödmann erzählte mir dann auch erst, das ich dreizehn Monate weg war –während ich unterbrochen am Zittern war, um eine neue Panikattacke zu unterdrücken. War genauso nutzlos wie Aphrodite Lockenwickler –kein Wort zu ihr, das ich das gesagt habe! Ja, äh, zurück zum eigentlichen Thema.
Der Steinboden unter mir war eiskalt, und die Fackeln an den Wänden hatten aufgehört ihren Schein an die Unebenen Felsen zu Malen. Es war gespenstisch still. Nichts regte sich. Nichts, bis auf mir.
Denn, war ich vorher nur unbeteiligter Zuschauer, so änderte sich das jetzt mit einem Mal. Das Gefühl kam zurück in meine Glieder. Erst langsam, dann immer schneller. Unaufhaltsam brannte es durch meine Venen, durchdrang jede Ader, jede Faser, die ich besaß. Ein Stromschlag wäre nicht weniger schmerzhaft gewesen.
Probehalber bewegte ich meine Finger. Hey, es funktioniert alles! Schon traurig, dass ich mich über so einen Blödsinn freue.
Ich bewegte meinen Arm langsam, bevor ich meine Hand zurück auf den glatten Boden drückte. Er war nicht mehr kalt, aber auch nicht wirklich Warm, eher etwas dazwischen. Der Untergrund strahlte eher eine beruhigende Wärme aus, die jede Zelle meines Körpers zu durchdringen schien. Leicht schwebte der Geruch von frisch gemachten Kamillentee in der Luft herum. Kitzelte meine Nase, weshalb ich aus einem Reflex heraus diese kraus zog.
Vorsichtig stand ich vom Boden auf, welcher nicht länger rau und uneben war, sondern glatt, sehr glatt, als wäre es Polierter Marmor. Hier, in diesem "Raum", hatte man das Gefühl nichts zu wiegen. Ich fühlte mich unheimlich leicht, leicht wie eine Feder. So hatte ich mich noch nie Gefühlt. Hier schien keine Schwerkraft zu herrschen, die einen auf den Festen Untergrund zwang. Es schien alles so...unbeschwert.
Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Man weiß ja nie.
Die Halle war genauso plötzlich nicht mehr da, wie der Feuerschein der Fackeln es nichtmehr war, stattdessen befand ich mich in einem grell weißen Raum, der unendlich zu sein schien. Kein Anfang und kein Ende, alles schien ins nichts zugehen. Aber ich wusste wo ich war; in einer Ebene zwischen Wachsein und Schlafen. Das Traum Reich. War noch nie hier, weil wir für gewöhnlich eigentlich nicht wirklich träumten, und wenn wir das doch taten, waren es meistens eher Visionen der Zukunft.
Zeit spielte hier in dieser Welt keine Rolle, sie war hier unbedeutend, etwas, was hier und jetzt unwichtig war, denn das hier sammelte alle Eindrücke und Erinnerungen. Ein Lexikon seiner Vergangenheit, oder gewisser Eindrücke. Fast wie Erinnerungen, nur abgewandelt.
Schweigend sah ich mich um –dabei sollte ich erwähnen, dass ein Otis Pappaufsteller in Lebensgröße hinter mir stand... Echt Gruselig. Will den einer von euch haben? Ach quatsch, natürlich will einer einen Riesen in Lebensgröße mit grünen Dreadlocks und Schlangenbeinen in seinem Zimmer haben. Ist doch ein Highlight.
Ephialtes, oder was –wer– auch immer das war, musterte mich kritisch, die Muskeln zuckten angespannt unter der Toga. ,,Es ist zu spät um sich aus der Sache raus zu reden, nicht wahr?", murmelte er –es, oder was auch immer– leise vor sich hin. Seine Stimme klang seltsam verzerrt dabei, wie als wenn er mehrere stimmen hätte.
,,Willst du es trotzdem versuchen? Oder mir lieber erklären was das soll?", erwiderte ich desinteressiert, und schaute mich weiter um. Der weiße Marmorboden glühte in einem Grellen weiß, während es eine Decke erst überhaupt nicht gab. Dort wo sie nämlich eigentlich sein sollte, gab es einen pechschwarzen Nebel der sich langsam zu bewegen schien. Es glich einem nichts. Ist ja interessant.
Schwungvoll drehte ich mich auf der Stelle um, nur um den Pappaufsteller von Otis an zu tippe, damit dieser um viel. Das Papp teil landete auf dem hellen Boden mit einem leisen, holen laut. Huch, das war aber jetzt ein Versehen. Tut mir aber wirklich leid. Nicht.
,,Falls es dich irgendwie beruhigt, es war nicht meine Idee, sondern ein Gefallen der eingefordert wurde, mehr nicht. Nichts Persönliches. Es gibt also keinen Grund, dass das hier ausartet. OK? Ich will keinen Ärger, wirklich nicht. Das ist das letzte was ich will, klar?"
Ach, ist das so? Klar, ist auch ganz normal, das man offensichtlich in den Ängsten anderen rum wühlt. Machen ja alle so hobbymäßig. Man hat ja nichts Besseres zu tun, gibt ja nicht genug Gegner dort draußen, die versuchen den Olymp zu stürzen. Ich mein Kronos, Gaia, Python und was weiß ich noch wer alles versucht hat uns loszuwerden. Boah, sind wir beliebt.
Mit verbissen Gesichtsausdruck, als hätte Apollo angefangen ein Duett mit Dionysos zu Singen, drehte ich mich zurück zu ihm, weshalb ich sehen konnte, wie Ephialtes Gestalt zu Flackern begann –als hätte er einen Wackelkontakt. An der Stelle wo der Schein Riese vorher stand, erschien jetzt ein junger Mann in Pyjama.
Auf dem dunkelblauen Oberteil stand in fetten Buchstaben "I catch you in your dreams", während auf der gleichfarbigen, lockeren Stoffhose kleine, rote Schlafmasken verteilt waren. Seine kurzen, blonden Haare standen Wild in alle Richtungen ab, als wäre er gerade erst aufgestanden.
Langsam hob er seine Hände abwehrend auf Brusthöhe. Ich presste meinen Kiefer fest aufeinander und betrachtete den Oneiros, einen Bruder von Morpheus, scharf. ,,Phantasos.", stellte ich knurrend fest.
Der Sohn des Hypnos legte den Kopf schief, zog einen seiner Mundwinkel dabei hoch. Eine Geste, die mir seine Gelassenheit demonstrieren sollte, doch mir entging das unruhiges funkeln seine strahlend, hellblauen Augen keinesfalls, während er mich abwartend betrachtete. Er verlagerte sein Gewicht unruhig auf den linken Fuß.
,,Willkommen im Reich der Träume, Ares, Gott des Krieges." Er breitete demonstrativ die Arme aus, bevor er sie unsicher wieder senkte, als er meinen angefressenen Blick bemerkte. ,,Selten besucht uns ein Gott, der keiner von Hypnos Kindern –einer meiner Geschwister– ist. Es ist mir eine Freude dich persönlich kennen zu lernen, Kriegsgott, Olympioniken und Sohn des Zeus. Ich bin Phantasos, a-aber natürlich weißt du das bereits, schließlich bin ich Morpheus Bruder und einer der Oneiroi*. Äh, Hi? Willst du dich setzten, was essen? Trinken? Musst es nur sagen, wirklich. Wir haben auch-", sprach er hastig ohne überhaupt irgendeine Antwort ab zu warten.
Das ist doch wohl ein Scherz?!
Meine Geduld war nun offiziell, Inoffiziell, am Ende. Da hinten ist sie bei der Titanic mit über Bord gegangen...was ein Jammer. Nicht. Ich bin nur froh, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, noch weitere Filme darüber zu machen, sonst wäre Dite nur noch dauerhaft am Heulen. Das wäre schlecht, sehr schlecht, glaubt mir.
,,Sei still! Was bei Zeus pinken Herrscherblitz soll das ganze eigentlich!? Warum bin ich wirklich hier!? Und wer ist dafür verantwortlich!? Sag schon, bevor meine Geduld vollkommen abgesoffen ist!" Mit bebender Stimme und angespannter Haltung sah ich Phantasos scharf an. Der blonde Gott zog vorsichtig den Kopf ein. Seine Kiefermuskulatur zuckte unruhig, bis er einen Tiefen Atemzug nahm.
Er war definitiv niemand, der was mit direkter Konfrontation anfangen konnte. Wahrscheinlich machte er sich auch, wie ein Feigling aus dem Staub, wenn es sehr ernst wurde, und er zwischen einer Konfrontation und Diskussion entscheiden müsste.
,,Ich hab das nicht freiwillig gemacht... Wirklich, du musst mir glauben. Das alles war nicht meine Idee, sondern ein Gefallen, den ich ihr geschuldet habe, mehr war es auch nicht! Ich schwöre beim Styx!" Das helle blau war auf den glatten Boden gerichtet, weshalb er kurz mit den Regenbogenpantoffeln auf dem Boden scharrte, die mir jetzt erst auffielen. Meinem Erachtens nach war er echt ein komischer Typ.
,,Wem hast du einen Gefallen geschuldet? Hat SIE auch einen Namen, Phantasos?" Die Frage schien einen offenen liegenden Nerv getroffen zu haben. Ich konnte förmlich beobachteten, wie der Oneiros blasser um die Nase wurde, bis sogar Schweiß auf seine Stirn trat.
,,I-ich will kei-nen ärger...", stotterte er ungeschickt herum und schüttelte wild den Kopf, sodass seine blonden Haare noch wilder in alle Richtungen abstanden.
Genervt entwich mir ein stöhnen. Es kann aber auch nicht leicht sein!
,,Du hast schon eine Menge Ärger am Hals, allein das ICH hier bin, gibt mir das Recht, dich auf der Stelle Windel weich zu prügeln, weißt du? Du bist ungefragt in meinen Kopf reingeplatzt, und als das, das letzte Mal passiert ist, hat Kronos mich kontrolliert. Verstanden? Also sag schon, sonst kannst du die nächste Zeit im Tartarus verbringen, aber es soll ja zum Glück bei dieser Jahreszeit ganz schön da unten sein –hab ich Gehört, aber ob es stimmt kann ich dir nicht sagen. Willst du es vielleicht für uns beide rausfinden?", sprach ich die Drohung so aus, als würden wir uns einfach über –so wie Menschen es sagten– Gott und die Welt unterhalten.
Heftig schüttelte Phantasos den Kopf. ,,N-nein, aber was ich dir sagen kann ist, das sie wollte, dass ich dich beschäftige. Du sollst dich nämlich nicht ihn ihre Pläne einmischen, und sie durcheinander bringen. Allerdings weiß ich nicht was sie vorhat. Dennoch, sein vorsichtig, sie ist wirklich zu allem fähig.", murmelte er beunruhigt, dabei begann er von einem Bein aufs andere zu Wippen. Wenn ich es nicht besser wüsste, wirkte er wie ein verschrecktes Tier.
,,Zu mehr als ich, der Kriegsgott?"
Herausfordernd sah ich ihn an.
Der blonde Gott stoppte. Unruhig zuckten seine Augen umher, während sich seine Hände in sein blaues Pyjama Oberteil Krallten. Langsam nickte er, schüttelte dann den Kopf, bevor er wieder anfing zu nicken. ,,Ich trau ihr alles zu.", kam es knapp von ihm. ,,Wirklich alles." Er kratzte sich am Kopf, bis er abrupt inne hielt. ,,Ich hab schon zu viel gesagt. Du sollst gehen, sofort."
Ich öffnete den Mund um zu wiedersprechen, doch da bewegte der Oneiros der Phantasie auch schon seine Hände in einer wegwischenden Bewegung, weshalb sich die Atmosphäre plötzlich änderte. Der Geruch von Kamillentee verschwand genauso schnell, wie der Boden anfing zu vibrieren. ,,Wa-?", bevor ich überhaupt richtig anfangen konnte, löste sich der blauäugige Gott zu goldenen Sand auf, der von einem unsichtbaren Wind davon getragen wurde. Na klasse.
Die Schwarzen Nebelschlieren über meinem Kopf begannen sich zu bewegen, erst ganz langsam, dann immer schneller und schneller. Wie ein Strudel wirbelten die dunklen Fäden über meinem Kopf herum, bevor sie ruckartig absackten und die Welt in einen nachtschwarzen Farbton tauchten.
*****
Mit einem Ruck fuhr ich hoch. Tageslicht umfing mich, was durch das große Tor gegenüber von mir herein viel. Links von mir brannte schwach ein Feuer vor sich hin, welches dennoch gierig die kleinen Zweige verschlang, dazu Stand ein älter aussehenden Messing Topf daneben.
Irgendjemand neben mir stieß daraufhin –wegen meiner abrupten Bewegung– einen erschrockenen laut aus, der mich verwirrt blinzeln ließ. Tartarus, wo bin ich bitte schön? Mal im Ernst, kann ich nicht irgendwo aufwachen, wo ich wenigstens weiß wo ich bin? Geht das nicht?
Anscheinend ja nicht, denn irgendwo anders aufzuwachen, das ist so richtig Kacke und unangenehm. Man weiß nicht wo man ist, nicht was passiert ist, aber das schlimmste ist, wenn einem niemand sagt, weshalb man dort ist. Das einzig positive ist, dass ich ja irgendwo im Erebor sein muss.
Etwas desorientiert drehte ich meinen Kopf in die Richtung des lautes, nur um Bilbo zu sehen, der mich mit einer Mischung aus völligen Schock und Tiefer Erleichterung ansah. Seine Augen waren gefühlt so groß die Bienen bei Beorn.
,,Du bist wach! Mahal sei Dank,-" –Das hat er sich definitiv bei den Zwergen abgeguckt– ,,wir dachten schon du würdest nicht mehr auf Wachen! Das Wesen hat dich ziemlich heftig erwischt."
,,Wo bin ich? Und warum zum Tartarus sind meine Sachen nass?!", brachte ich heraus. Angewidert zupfte ich an dem feuchten Oberteil, welches unangenehm an mir klebte. Irg.
Der Hobbit verzog das Gesicht so, wie als hätte er Zahnschmerzen.
,,Als du nicht wieder aufgewacht bist, haben wir dich zur Lagerstätte gebracht, doch dich scheint das Wesen schwer erwischt zu haben, du warst ziemlich lange ohne Bewusstsein, und leider ist Oin mit den anderen noch nicht wieder zurück gekehrt. Wir haben versucht dich zu wecken... Es war...–nennen wir es einfach– erfolglos. Also hat Dwalin es anders versucht."
,,Mit einem Eimer Wasser, oder wie?", knurrte ich. Das ist wirklich toll, fantastisch. Hat Dwalin etwa nichts Besseres zu tun? Er kann doch Bäume Füttern, im Gold rum wühlen oder Thorin hinterher dackeln? Aber nein, er kippt einen Eimer Wasser über mich.
Genervt stieß ich die Luft aus, während Bilbo sich leise räusperte.
,,Ja-"
Ein lauter, hallender Ruf unterbrach den Halbling, dessen Gesicht sich Augenblicklich verdüsterte. Was bitte hatte ich verpasst, während ich in meinen Träumen –"Albträumen"– gefangen war?
~~~
* Oneiroi sind in der griechischen Mythologie die Verkörperung der Träume bzw. des Träumens.
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