Kapitel 33.
Schnaufend atmete ich durch, stützte mich schwer nach Sauerstoff ringend auf den Oberschenkeln ab, ließ wieder genug Luft in meine Lungen kommen, damit mir nicht gleich einfach so schwarz vor Augen wurde. Das Gefühl von Machtlosigkeit war Widerlich. Genauso, wie das Gefühl, wenn etwas seine Kräfte blockierte. Es fühlte sich an, als würde jemand einem Honig über den Kopf gießen, nur um dann Bienen los zu lassen, welche sich auf die zähe Masse setzten und dann versuchten weg zu kommen. Ekliges Gefühl.
,,Du hast es also doch noch geschafft. Da bin ich aber froh."
Mein Atem blieb mir im Hals stecken, während mein Kopf mit einem Ruck hoch schoss.
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Die Halle war im rot flackernden Licht der Brennenden Fackeln getränkt, doch trotz der recht schlechten Lichtverhältnisse, entdeckte ich Ephialtes mit seinen lilahaaren in einer Ecke auf einem Stuhl sitzend. ,,Ich dachte schon, Otis hätte versagt, dich hier her zu locken. Aber offensichtlich ist er doch zu was zu gebrauchen. Hab schon befürchtet du würdest den rechten Weg nehmen, aber offensichtlich hast du das nicht gemacht. Wäre sonst peinlich geworden. Ich hätte dann den ganzen Weg dahin laufen müssen, der Auftritt wäre deswegen ziemlich unspektakulär geworden -wär blöd gewesen-, glaub mir.", säuselte er mit gebleckten Zähnen.
,,Das war ein Trick, warum? Was hat euch das bitte gebracht?" Angespannt richtete ich mich zu meiner vollen Körpergröße auf, betrachtete den Riesen mit einem Wachsamen Blick, denn im Gegensatz zu Otis, hatte der lilahaarige was in der Birne, wenn auch vieles sich aus sein Ego beschränkte. Das hier trug eindeutig seine Handschrift. Die Handschrift eines Riesen, der unbedingt Aufmerksamkeit wollte.
Er lehnte sich langsam in seinem Stuhl vor, der dabei leise knarzte, und betrachtete mich aufmerksam, bevor der lilahaarige die Mundwinkel nach oben zog.
,,Drei Wochen.", begann er und stieß einen lauten Pfiff aus, bis er mit dem Kopf schüttelte, weshalb die Münzen in seinen Haaren klimperten. ,,Und du hast noch keinen nützlichen Ton von dir gegeben. Weißt du, ich und Otis waren –aus reiner Gastfreundschaft– nett zu dir, ist das etwa dein Dank?" Ephialtes schnaubte verächtlich. ,,Ich denke, wir beide sollten andere Seiten auf ziehen. Deine undankbare Art sollte sich schnell in ein Betteln verwandeln, sonst..."
Das Ende des Satzes hing leer in der Luft wie ein fauler Venti, der gerne Urlaub zwischendurch machte, doch die Drohung dürfte jedem bewusst sein, die hinter diesen Worten lauerte. Es verpasste mir ein mulmiges Gefühl. Es kroch förmlich durch meine Haut und ließ meine Knochen vibrieren. Bisher hatte ich mich nicht unterkriegen lassen, aber, so wie er das sagte, wollte er das schnell ändern.
Das war überhaupt nicht gut.
,,Und was willst du machen? Mich weiter Foltern, bis ich mit der Sprache raus rücke? Ich bin Ares, Gott des Krieges! Eher Kämpfe ich bis zum Schluss, als mich weiter erniedrigen zu lassen! Und wenn ich im Tartarus lande, dann reiß ich dich und deinen idiotischen Bruder mit!" Mein Körper glitt wie von selbst in eine Angriffs Haltung –dabei ließ ich die Ketten los, weshalb sie laut auf den Boden Krachten–, es war purer Instinkt. ,,Oh, es war ein Fehler, mich da raus zu lassen.", knurrte ich ihm entgegen, dabei bewegte ich mich mit Wachsamen Blick auf ihn zu.
Ein zucken ging durch ihn. Ob es gut oder schlecht war, war mir schleierhaft. Spöttisch schnaubte Ephialtes.
,,Und selbst wenn. Du kannst mich und Otis nicht töten. Dafür brauchst du eines dieser nervigen Halbblute, doch -überraschung!- DU bist allein! Es interessiert die anderen einen Dreck, wo du bist!", zum Schluss wurde seine Stimme lauter, drohender und gefährlicher, bis er sich schließlich von seinem Stuhl erhob. ,,Der Vorhang fällt, und das was dahinter liegt wird dich zerbrechen lassen, wie ein Tonkrug, den man fallen lässt. DU wirst lernen was Schmerz ist, denn offensichtlich, bist DU unbrauchbar, solange DU noch nicht zersplittert bist."
Das mit dem Vorhang war keine Metapher. Schön wär's. Links hing wirklich ein langer, dunkler Vorhang, der wohl die Halle von einem anderen Teil abtrennte. Ich wollte nicht herausfinden, was dahinter lag.
Mit einem Satz sprang der Riese auf mich zu, doch ich blieb einfach stehen. Mit oder ohne meine Göttlichen Kräften, ihn mit dem Boden Bekanntschaft zu machen konnte ich auch so. Kaum hatte er mich auch schon erreicht, schnellte seine Faust auch schon auf mich zu -den Speer hatte er wohl zur Sicherheit nicht mit hierher genommen. Ein Dummer Fehler. Gegen ihn und Otis hätte ich gemeinsam in bewaffneten Kampf –ohne Halbgott um sie zu töten–schlechte Karten, doch unbewaffnet, war ich besser als sie dran.
Einem Impulse folgend machte ich einen Schritt zur Seite, dabei schloss sich meine linke Hand um sein Handgelenk, während die rechte seinen Oberarm zu fassen bekam. Dann drehte ich mich. Ohne groß nachzudenken was ich überhaupt tat, nutzte ich den Schwung den Ephialtes mitgenommen hatte.
Silber- und Goldmünzen klimperten in seinen Haaren, als er über meine Schulter flog und hart auf dem Boden aufprallte. ,,Du hättest den Speer und deinen Bruder mit nehmen sollen.", knurrte ich ihn entgegen, dabei versuchte ich so schnell wie möglich die Ketten um meine Unterarme zu wickeln und irgendwie zu fixieren, damit er sie im weiteren Verlauf des Kampfes nicht packen könnte, um sie gegen mich zu verwenden.
Fauchend richtete er sich auf, dabei strich er sich grob die verfilzten Haare aus dem Gesicht. ,,Oh, das wirst du bereuen!"
,,Leere Worte, aber werden auch Taten folgen? Du hast mich losmachen lassen! Jetzt spürst du die Konsequenzen!" Mit einem abrupten Satz nach vorne, riss ich mein Bein hoch. Krachend traf mein Knie auf seinen Solarplexus, was dafür sorgte, dass er sich vor Schmerz krümmte und zurück taumelte. Ohne zu zögern schnellte auch schon meine Faust auf ihn zu.
Ich rammte sie ihm unbarmherzig in die Seite. Wut, Frustration, Hass und Enttäuschung trieben mich voran. Es entlud sich förmlich, wie eine explosive Mischung, die unkontrolliert in mir brodelte. Keine Kontrolle. Es schien mich blind zu machen, denn ich schlug einfach weiter, ohne zu denken, nur begleitet von den Gefühlen, die wie Gift durch mein Ichor brannten.
Wut, für die Demütigung und mein Versagen, Frustration, da ich es langsam satt hatte hier zu sein, hass, auf die beiden Riesen und Enttäuschung, da wirklich niemand nach mir suchte. Vermissten die mich überhaupt? Anscheinend ja nicht. Ihn ihren Augen brachte ich nur tot und verderben. Blut durchtränkte die Schlachtfelder, Leute weinten um verstorbene, geliebte Personen, und wofür alles; anscheinend nur zu meinem Vergnügen, wie die anderen dachten. Gut ein Teil ist zu meinem vergnügen.
Aber...ist es etwa meine Schuld? Ist es wirklich meine Schuld, für das leid, was die Menschen verursachten? Da ich einfach nur das Bild der Griechen von Krieg wiederspiegelte, dass sie mich fürchteten, nicht leiden konnten? Ist es meine Schuld, dass die Menschen ohne Brutalität nicht klar kamen?
Ich drängte den Riesen zurück.
Dachten sie überhaupt daran, was passieren würde, wenn es keinen Krieg gab? Diese kleinen Menschen würden sich doch glatt alle auf der Straße zerfetzten! Sie würden nicht gegen Könige kämpfen, die grausamer waren als Krieg, eher würden sie sich selber abschlachten! Es gab keinen Frieden ohne Krieg, und keinen Krieg ohne Frieden! Zwei Dinge, die ohne einander nicht existieren könnten, wie Licht und Schatten.
Der lilahaarige machte einen Ausfallschritt, um Abstand zwischen uns zu bringen, doch ich setzte ihm nach, übersah dabei seine Faust, die knapp an meinem Oberarm vorbei schrammte. Aus einem Reflex heraus, trat ich ihm härter als nötig gegen das Knie. Es knickte unter ihm weg. Ich packte ihm an seiner Toga, breit ihm wenigstens in meinem Zorn, die gleichen Schmerzen zubereiten, die in meinem inneren tobten, wie ein ausbrechender Vulkan.
Dann wendete sich plötzlich das Blatt. Im nächsten Moment warf sich Ephialtes nach vorne, einfach so, ganz unerwartet. Seine Stirn knallte gegen meine Nase, weshalb ein ungesundes knirschen zu hören war, dann prallte mein Rücken auch schon auf das unebene Gestein.
Ein wütender schrei verließ meine Kehle, als ich schützend meine Hände vor mein Gesicht hielt. Ich lag unter ihm begraben. Und Ephialtes hatte den gemeinen Vorteil, das seine Schläge mit der Schwerkraft Zusammenarbeiteten, ich hatte keine Chance, einfach so unter ihm weg zu kommen. Er war größer und schwerer, aber unter normalen Umständen, hätte ich ihn ohne weiteres von mir runterbekommen, jetzt war das ganze komplizierter. Ohne meine göttliche stärke musste ich es anders versuchen.
Allein das meine Heilkräfte noch funktionierten, war wirklich hilfreich –das war das einzige. Jetzt musste ich improvisieren. Zwei Tiefe Atemzüge nehmend schnellte ich mit meinem Oberkörper hoch, umgriff seinen dabei, bevor ich mein Becken hoch drückte. Er kam aus dem Gleichgewicht, weshalb ich mich wieder nach hinten fallen ließ. Der Riese kippte nach vorne, fing sich gerade noch so mit den Armen ab, aber da hatte ich auch schon seinen linken Arm und das linke Bein von ihm fixiert und warf mich herum.
Ein überraschter laut war zu hören, als wir die Positionen Wechselten.
Ohne lange zu fackeln wehrte er sich mit seiner übermenschlichen Stärke. Fluchend knallte ich neben ihn auf den harten Boden.
Wie zwei kleine Kinder –die sich um ein Spielzeug prügelten– begannen wir uns auf dem kantigen Felsboden rum zu werfen, versucht den jeweils anderen zu besiegen. War nicht so einfach wie man dachte.
Nachdem wir beide mehrmals Schläge des anderen einstecken mussten, schaffte ich es meinen Arm um seinen Hals zu schlingen, um ihm die Luft ab zu schnüren. Ich konnte ihn nicht töten, aber ihn bewusstlos machen.
Hände kratzten grob über meine Arme, gruben sich in meine Haut, an manchen Stellen quoll goldenes Ichor hervor. Mein gräuliches Oberteil war übersät mit goldenen Flecken und rissen –man könnte meinen, ich hätte die drei Wochen auf der Straße verbracht wie ein Landstreicher. Ziemlich bitter.
Noch immer tropfte aus meiner Nase das göttliche Blut, welches auch seinen Platz auf meinem Oberteil fand.
,,Was ist denn bei euch dahinten los?" Verwirrt Blinzelte ich, dabei drehte ich minimal meinen Kopf in die Richtung, wo Otis Stimmer her kam. Es raschelte. Ein Stück des Vorhangs wurde zur Seite geschoben, weshalb nun sein grüner Schopf zu sehen war.
Für einen Moment musterte er uns schweigend. ,,Ich hab dir doch gesagt, dass das eine blöde Idee ist, ihn los zumachen. Du wolltest nicht auf mich hören. Jetzt siehst du ja die Konsequenzen, vor denen ich dich gewarnt hab. Und die Tanznummer konnte ich immer noch nicht machen, das ist traurig, sehr traurig.", nuschelte er den letzten Satz traurig und schüttelte dabei leicht den Kopf.
,,Otis!", krächzte der lilahaarige. ,,Hilf mir gefälligst! Los! Mach schon!" Windend versuchte er sich aus meinen Griff zu befreien.
,,Ja, ist ja gut.", nuschelte der Riese beleidigt und kam schlürfend hervor, um in unsere Richtung zu laufen. Raschelnd schwang der dunkle Vorhang zurück an seinen ursprünglichen Platz, wie der Schatten, der sich nach dem Sonnenuntergang um die Welt legte.
Angespannt atmete ich aus. Mein Körper verkrampfte sich. Es würde nicht kampflos Enden, selbst wenn ich vielleicht für die nächsten Jahre –oder Jahrhunderte– im Tartarus landen würde, hätte ich wenigstens alles in meiner Macht stehende getan. Aber der Sand rieselte unaufhörlich durchs Stundenglas und die Welt drehte sich weiter, das würde sie selbst ohne mich.
Problem Nummer eins; wenn ich Ephialtes los ließ, dann hatte er gleich Angriffs Fläche, die er definitiv nutzen wird. Das zweite Problem ist, das Otis jetzt ebenfalls hier ist, und ich kann ihn nicht angreifen, weil ich seinem Zwilling gerade die Luft abschnüre. Ich musste es wohl darauf ankommen lassen. Aber, vielleicht wäre es erstmal besser auf zu stehen –ist ein guter Anfang.
Otis hatte uns fast erreicht. Ich hatte nur eine Chance, eine Möglichkeit, keine andere Alternative. Es hieß alles oder nichts.
Ich stieß Ephialtes von mir weg, weshalb er nun keuchend und rasselnd auf dem Boden Luft holte, während ich auf die Beine kam, nur um dem ersten Angriff seines grünhaarigen Zwillings aus zu weichen. Seine Faust schnellte knapp an mir vorbei.
Konzentriert blockierte ich seine Attacke, setzte stattdessen zum Gegenangriff an, jedoch ließ mich eine Bewegung aus dem Augenwinkel stoppen. Das reiste Chaos brach aus, denn mehrere unvorhersehbare Dinge passierten gleichzeitig. Meine geballte Faust krachte gegen das Kin des lilahaarigen. Dafür packte der andere mich von hinten.
Zischend wandte ich mich, trat ihm auf den Fuß, versuchte ihn einfach irgendwie los zu werden. Einfacher gesagt als getan. Ich spannte mich an und warf mich gegen ihn, doch das einzige was es bewirkte war, das er zurück taumelte. Dann stand auch schon Ephialtes vor mir.
Ichor klebte ihm im Gesicht, seine Augen sprühten nur so vor Zorn, Hass und Mordlust. ,,Jetzt wanderst du in den Tartarus!", knurrte er wütend.
,,Wir brauchen ihn noch. Das ist keine Lösung, außerdem hätten wir das andere sonst völlig umsonst hergebracht. Denk bitte daran, und an den Tanz, den wir mit einbauen müssen."
Widerwillig fauchte er seinen Bruder an. ,,Dann also in den Bronzekrug mit ihm. Da wird es dir sicherlich Gefallen."
,,Wird es nicht!" Ich zappelte, strampelte, trat nach ihnen. Nichts nützte. Es bewirkte nur, dass er fester zudrückte. Meine Rippen protestierten deswegen schmerzhaft.
Langsam entfernte sich der lilahaarige in die Richtung des langen, dunklen Vorhangs, welchen er schwungvoll Runterriss, um es einfach dramatischer zu machen. Er konnte einfach nicht anders.
Hinter dem Staubfänger lag Tatsächlich ein Bronzegefäß, das um einiges größer als ich selbst war.
Für einen Moment hielt ich inne und starrte es nur stumm an, bis ich nur noch heftiger anfing mich zu Wehren. Otis fluchte unterdrückt auf.
,,Hör auf so zu zappeln. Das ist nicht nett."
,,Jetzt wirf ihn doch einfach darein, dann kann er sich da austoben! Mach schon, Otis! Los!", fauchte sein Bruder ihn an, der unser rum Gezappel kritisch beäugte.
Mit stolpernden Schritten näherte er sich dem "Ding" –viel fast über dem am Boden liegenden Vorhang–, was mich veranlasste, noch unkontrollierter um mich zu treten –eigentlich total unnütz, denn es brachte nichts außer, dass er noch stärker zu drückte.
Und dann landete ich auch schon in dem Bronzeglas.
Was ist das für eine scheiße!? Das hier ist doch nicht real! Überhaupt nicht! Es soll jetzt aufhören, sonst...sonst...ach Kacke!
Ich schnitt mir am scharfen Felsboden die Hände auf, goldenes Ichor beschmierte den Untergrund, während die aufgerissene Haut schmerzhaft pochte. Doch dann machte sich das eigentliche Problem bemerkbar; die Luft wurde dünner.
Der Schock fuhr in meine Glieder, als ich nach kurzer Zeit kaum noch Luft bekam; Panik war eines der ersten Symptome, die sich bemerkbar machten. Ein unsichtbares Seil schien mir förmlich die Luft ab zu schnüren –oder zu mindestens fühlte es sich so an. Mein hektisches atmen ging in ein nach Sauerstoff Ringendes röcheln über.
Das schlimme war aber, dass ich nicht sterben konnte. Zu ersticken war unmöglich, denn ich würde einfach weiter leben, immer, immer und immer weiter leben, bis ich vielleicht irgendwann mal verblasste, weil die Menschen den Glauben an mich verloren hatten. Nein, ich würde nicht verblassen. Menschen würden nie den Glauben an Krieg verlieren. Niemals.
Ich war gefangen, gefangen in einem ewigen "Käfig" ohne Luft. Es gab kein Entkommen.
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