Kapitel 32.
Mein schlimmster Albtraum in lila und grün
,,Also, kleiner Kriegsgott, wo fangen wir nur an?" Grob packte er meine Haare und drehte meinen Kopf rabiat in seine Richtung, weshalb ich unwillig mit den Zähnen knirschte, als ich spürte, wie er meine Halsmuskulatur schmerzhaft überdehnte.
Es ist der Anfang. Vielleicht ist das wirklich eine Strafe, aber von wem? Nein. Es ist zu real. Zu...grausam, um mir das Ganze noch einmal zumuten zu wollen. Nicht einmal Zeus würde das tun, nur um mich eins auszuwischen zu können. Er kannte aber nicht mal das Ausmaß, was das Erlebnis ausgelöst hatte, was sie alles getan haben...
Doch,...das ist nicht real; Einbildung, mehr nicht. Ein Albtraum, und gleich würde ich aufwachen, um von Thorin an geschissen zu werden, warum ich pennte, anstatt seinen geliebten Stein zu suchen, dem er mit Sicherheit einen Heiratsantrag machen würde. Genauso ist es... So muss es sein... Oder?
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,,Wenn wir den Olymp erobern, dann werden wir in die Geschichte eingehen! Otis, wie werden zu Legenden! Das hat was. Diesen Flair, der uns berühmt machen wird. Wir brauchen noch gute Klamotten, wir müssen Auffallen und fantastisch aussehen, ja? Für dich heißt das, das du nicht die ganze Zeit dasselbe wie ich tragen sollst, wann verstehst du das eigentlich? Ist aber jetzt auch egal. Wir brauchen noch Gladiatoren im Hintergrund! Die sollen dann Kämpften und mit Fackeln aus griechischen Feuer jonglieren! Oh, das ist unsere große Chance, Bruderherz! Die wird so gut, dass es niemand jemals vergessen wird!"
,,Ich weiß nicht... Wir beide könnten die ganzen Götter niemals überwältigen, außerdem haben die uns doch auch ignoriert, als wir versucht haben die Berge zu stapeln.", gab Otis zu bedenken, während er mit den Schultern zuckte.
,,Ach, Unsinn. Mit der passenden Show läuft das schon. Also, sag uns, wo sind die Schwachstellen in eurer Verteidigung? Wie können wir den am besten Olymp erobern, dass wir richtig heldenhaft rüberkommen, damit uns niemand jemals vergisst? Apropos heldenhaft, das Licht sollte dann am besten stehen. Sonnenuntergang, oder eher Mittagssonne? Sonnenuntergang, oder doch eher Sonnenaufgang. Eins von beiden, vergess am besten die Mittagssonne."
Verkrampft und verwirrt starrte ich trotzig an ihm vorbei. ,,Ich hoffe, Gaia wird euch für euer Versagen Häuten lassen.", spuckt ich ihm entgegen, weshalb sein griff fester wurde. ,,Wenn die anderen kommen, dann werden sie euch beide in den Tartarus werfen, und ich werde ganz vorne dabei sein, um euch fallen zu sehen."
Schnaubend warf der Riese den grünhaarigen einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte.
,,Denkst du, sie werden nach dir suchen? Das sie, dich vermissen würden?
Törichter Gott, sie sind doch froh, dass du weg bist. Du bist für sie nur eine stetige Bedrohung, weil du Freude an Krieg und leid hast, denn sie schätzen dich nicht, Trotz deiner Loyalität. Aber einen scheiß interessiert es sie, was mit dir passieren wird." Er nickte Otis zu, der zügig mit der Wanne auf mich zukam.
Sein Zwilling ließ meine Haare los, und bevor ich noch etwas Zynisches erwidern konnte, kippte eiskaltes Wasser über meinen Kopf. Und wenn ich eiskalt sagte, dann meinte ich arschkalt, denn es brannte so unbarmherzig wie Feuer –sicherlich würde ich einige gefrierbrände bekommen, wie auch immer die es geschafft hatten, dass das Wasser halb angefroren so kalt wurde.
Erschrocken verkrampfte sich alles in mir, als das halbgefrorene Wasser auf meine Haut traf, in Sturzbächen an mir runter lief, doch das schlimmste war, das sich meine Sachen damit voll sogen. Ein Zittern lief durch meinen Körper.
Keuchend schüttelte ich den Kopf, damit mir das Wasser von den Haaren nicht übers Gesicht lief. Wieso war es hier überhaupt so kalt? Wir hatten doch eigentlich Sommer?
,,Bist du jetzt gesprächiger?", fragte Ephialtes, dabei lief er um mich herum, um sich –außerhalb meiner Reichweite– vor mich zu stellen, begleitet mit einem ungeduldigen Funkeln seiner Augen. Fragend legte er seinen Kopf schließlich schief, weshalb seine verfilzte Haare ihm leicht ins Gesicht vielen. Anstatt ihm eine Antwort zu geben versuchte ich zitternd nach ihm zu treten. Die Ketten raschelten, als ich mich dagegen warf, weshalb meine Handgelenke wieder Aufrissen.
,,Ares, Ares, Ares...tztztz. Du musst wirklich eine Lektion lernen." Er seufzte gekünstelt.
,,Heißt das, das ich ihm den Tanz zeigen kann?"
,,Nein, Otis! Du zeigst ihm jetzt nicht den Tanz!"
,,Aber später? Bitte?"
,,Schön, dann zeig ihm den später.", zischte der lilahaarige und fuhr sich mit den Händen frustriert übers Gesicht. ,,Wieso hab ich ihm zum Bruder?"
,,Ihr passt doch gut zusammen, zwei Idioten die nichts auf die Reihe bekommen."
Mit einem Satz sprang er nach vorne und packte meine Kehle, während ich anfing zu zappeln, damit er mich los ließ, aber natürlich tat er das nicht, sondern drückte mehr zu, so dass er mir die Luft abschnürte.
,,Sei lieber vorsichtig, schließlich bist du derjenige, der angekettet wie ein Köter vor uns steht. Und anscheinend beginnt das Wasser schon zu gefrieren, das gibt ein paar schöne Gefrierbrände. Überleg dir besser gut, was für antworten du uns geben solltest." Grob ließ er mich los und lief mit einem grimmigen grinsen an mir vorbei. Er nickte Otis zu, der sofort wie ein braver Welpe folgte, und so verließ Ephialtes mein "Gefängnis" gemeinsam mit seinem Bruder.
Und wieder war ich allein, diesmal aber heftig zitternd, den das Wasser hatte wirklich schon angefangen zu gefrieren. Was eine scheiße.
~
,,Juhuuu, Ares, wie geht's dir denn heute? Gut, nicht wahr? Aber natürlich geht es dir gut, was frag ich denn, schließlich wir einfach fantastische Gastgeber." Ephialtes stieß die Tür hinter seinem grünhaarigen Bruder zu, die lautstark ins schloss viel. ,,Zwei Wochen, und noch niemand ist auf die Suche nach dir gegangen. Wow, die haben dich wirklich gerne. "
Ich schwieg, starrte unbewegt die Kantige Wand vor mir an, die aus unebenem Gestein war. Wie viele scharfe Kanten der Fels wohl hatte? Aber was noch wichtiger war, wie lange müsste ich wohl die Köpfe der beiden da gegenschlagen, damit sie zu ihrem Daddy Tartarus kamen?
,,Hat er seine Zunge verschluckt?", fragte Otis leise seinen Zwilling, welcher um mich herum lief -der sich natürlich unter meinen Ketten weg duckte-, damit er mit einem Prüfenden Blick vor mir zum Stehen kam.
,,Gute Frage. Also, wo liegen die Schwachpunkte beim Olymp? Komm schon, nach zwei Wochen solltest du doch wenigstens eingesehen haben, dass du denen egal bist. Etwas Kooperation wäre hilfreich. Und du könntest beliebt werden, na? Mit uns zusammen."
,,Nah. Ich will deine Idee nicht kritisieren, aber ich dachte wir würden dann im Mittelpunkt stehen."
Ruckartig drehte sich sein Zwilling zu ihm. ,,Otis, über was hatten wir gesprochen?!", fauchte der lilahaarige ihn an.
,,Zieh keine Klamotten an die dir zu klein sind, oder für Frauen gemacht sind? Ich schwöre beim Styx, das war ein Versehen, aber du musst zugeben, meine Talje sah darin fantastisch aus." Das Klatschen von Ephialtes Hand konnte man sicherlich bis nach Rom hören. Langsam nahm er sie von seiner Stirn, die nun einen schönen, roten Abdruck in Form einer Hand zierte.
,,Das andere andere."
Der grünhaarige runzelte die Stirn.
,,Fass nichts an, was kaputt gehen könnte?"
,,Nein, das andere andere andere!"
,,Öhmm... Otis, hör auf meine Pläne zu kritisieren. War es das?"
,,Ja, das war es." Münzen klimperten, als Ephialtes sich zu mir drehte. Die schrill grüne Toga wirkte irgendwie fehl am Platz und schrie förmlich nach jemanden, der Aufmerksamkeit suchte –außerdem passte sie nicht zu seinen lilahaaren. ,,Könntest du das Gespräch bitte vergessen?"
Ich nickte kurz angebunden, vielleicht auch ein klein wenig verstört von ihrem Gespräch. ,,Jaaa, aber wenn ihr das gerne aus diskutieren möchtet, kann ich gerne draußen warten. Ist kein Problem. Macht mir rein gar nichts aus.", erwiderte ich Schulterzuckend.
,,Das ist aber nett. Vielleicht können wir dir einen Auftritt in einer Aufführung geben, aber nur als Statist. Oder als Tänzer im Hintergrund."
Mein verstörter Blick war wohl Antwort genug.
Frustriert scharrte der lilahaarige mit seinen Schuhen über den unebenen Boden. ,,Können wir zurück zum wesentlichen kommen? Es gibt wichtigeres, zum Beispiel die Planung unseres absolut phänomenalen Auftrittes, der uns berühmt machen wird!"
Otis kratzte sich am Hinterkopf, sodass die Münzen klapperten. ,,Ich bin dafür, dass wir eine Tanznummer einbauen."
,,Otis! Nein!", blaffte er ihn an, bevor er sich ruckartig wieder zu mir um wandte.
,,Also... Wo. Sind. Die. Schwachpunkte?"
Meine Kiefermuskulatur spannte sich an, als ich meinen Blick auf Ephialtes fallen ließ. ,,Ich hoffe ihr beide werdet von Dutzend Bergen zertrümmert!"
Schlagartig kippte die Stimmung, die bis gerade eben ziemlich seltsam war.
So schnell konnte ich gar nicht gucken, da landete seine Faust auch schon in meinem Magen, weshalb ich Rasselnd luftholte.
Würgend krümmte ich mich. Wäre in meinem Magen etwas zum Erbrechen, hätte ich es sicherlich getan, jedoch war da nun Mal nichts, was ich Ephialtes auf die Hose Kotzen könnte. Schade eigentlich. Meine Kniee gaben nach, doch die Ketten hielten mich an Ort und Stelle fest.
,,Falsche Antwort, müsstest du es nicht längst kapiert haben?" Er stieß ein seufzen aus und warf seinem Bruder einen auffordernden Blick zu, der ihm daraufhin einen scharfen Dolch aus stygischem Eisen hinhielt. Seine Münzen, in den Lianen Haaren, klimperten leicht, als er das Messer Entgegennahm. ,,Versuchen wir es nochmal. Sieh mich an! Wo ist der beste Punkt zum Angreifen? Antworte!"
,,Sagt der lila haarige Riese, der überhaupt keine Ahnung von irgendwas hat, dass es einem schon fast leidtun könnte, aber ich hoffe, ihr werdet jämmerlich an euren Zungen ersticken!", zischte ich ihm krächzend entgegen, was ihn aber wenig beeindruckte.
,,Dann sei es so. Otis, ich hab eine gute Idee –für ihn–, aber erst widmen wir uns ganz dem vorlauten Kriegsgott, bevor wir uns an die Idee machen."
Ephialtes Geduld war am Ende.
,,Ouh ja! Darf ich ihm jetzt den Tanz zeigen?", fragte Otis mit vor Freude glänzenden Augen, weshalb sein Zwilling ein lautloses stöhnen aus stieß, aber zustimmend nickte.
,,Wenn wir mit der Folter fertig sind, meinet Wegen. Aber jetzt, Konzentration, Bruderherz, wir wollen doch, das der gute anfängt zu plaudern. Und glaub mir, das wirst du. Die letzten Wochen war nur ein Vorgeschmack darauf, was dich noch erwarten wird."
,,Ich fürchte weder euch, noch sonst etwas, das ihr mir antun wollt."
Ich hätte einfach die Klappe halten sollen...
Er setzte das Messer etwas über meinem Schlüsselbein an, bevor er anfing Druck darauf aus zu üben. Es Schnitt ohne Umschweife in meine Haut. Die goldene Flüssigkeit quoll hervor, saugte sich in mein Oberteil und zeigte nun auf dem grau einen dunklen, leicht goldenen Fleck. Wütend knirschte ich mit den Zähnen, gewillt den Schmerz zu ignorieren, was schwerer wurde, als er anfing den Dolch tiefer in mein Fleisch zu drücken, nur um ihn dann langsam nach links, über meinen Oberkörper zu ziehen.
Unbewusst biss ich mir fest auf die Innenseite meiner Wange. Kontrollierter Schmerz, dessen Kontrolle bei mir lag war in meinen Augen immer noch besser, als unkontrollierter Schmerz ohne eigene Kontrolle, oder in der Kontrolle eines Feindes –es lenkte mich von dem anderen ab. Der Geschmack von Ichor sammelt sich in meinem Mund.
,,Wollen wir Mal sehen, wie viel du aushältst."
~
Schweiß klebte an mir, durchtränkte meine Sachen, während mich die unnatürliche Kälte zittern ließ. Langsam hatte ich eine Ahnung, wer für das verantwortlich war. Sicherlich hatte Khione ihre Finger im Spiel, denn bei unserem letzten Treffen –da war ich mir ziemlich sicher– hatte ich sie verärgert. Ich würde Mal sagen, das war ihre Rache.
Eisiger Frost hatte sich auf dem, rauen, felsigen Boden gebildet und fraß sich nun durch meine Knochen, gefror meine Haut und die scharfen Ketten. Und die Ketten waren scheiße kalt!
Das bekannte scharfe quietschen der Tür prallte von den unebenen Wänden wieder, informierte mich über den ungewollten besuch, den ich nicht so schnell loswerden würde, egal wie standhaft ich war. Am liebsten hätte ich den beiden Riesen die Köpfe eingeschlagen. Ging jedoch gefesselt schlecht. Blöd.
Trotzig ignorierte ich die schlürfenden schritte, stattdessen starrte ich weiter an die kalte Wand gegenüber, zu mindestens solange, bis die Ketten plötzlich nach gaben und ich überrascht auf den Boden landete. Unerwartet verließ die Luft meine Lungen. Ohne mich zu bewegen blieb ich blinzelnd liegen. Angespannt hielt ich die Luft an, als ich die Schritte näherkommen hörte.
,,Lebst du noch? Wenn nicht, wäre es schlecht." Der Riese klang verwundert, wenn nicht sogar völlig verwirrt. Es war nicht Ephialtes, dafür war die Stimme eine Spur zu hell, dagegen sprach außerdem das schlürfen beim Gehen. Also konnte es nur der andere Depp, Otis, sein.
Auf seine Frage reagierte ich aber nicht, rührte stattdessen keinen einzigen Muskel, bis ich seine Anwesenheit neben mir praktisch spüren konnte. Dass er allein war, wunderte mich zwar etwas, aber Beschweren konnte ich mich nicht, machte es nur einfacher für mich.
Ohne noch weiter zu zögern, rollte ich mich auf den Rücken, um meine Beine mit seinen zu verhaken, weshalb die gelbäugigen Schlangen wütend auf zischten, doch da war es schon zu spät. Mit einem brutalen Ruck an seinen Beinen, warf ich mich erneut auf die Seite. Ich brachte ihn somit unerwartet aus dem Gleichgewicht. Überrumpelt schrei er auf, bevor er krachend Bekanntschaft mit dem Erdboden machte. Ein Beben vibrierte durch den Raum. Kleine Steinchen hüpften auf den kalten Grund umher.
Doch kaum traf er auf den Felsigen Untergrund, war ich auch schon wieder auf den Beinen, raffte die Ketten vom Boden und sprang auf die nur angelehnte Tür zu.
,,Nein! Du musst noch meinen Tanz sehen! Bleib hier!", heulte der Riese in einer –zugegeben sehr schrillen– gelben Toga hinter mir auf, aber da schlug ich auch schon die schwere Tür zu. Keine Sekunde zu spät. Dumpf prallte etwas dagegen, begleitet von einem schmerzhaften stöhnen. Arme gelbe Toga, bei den letzten besuchen –also gestern und vorgestern– hatten die beiden Mal eine in dunkelgrün an, davor war es eine blaue gewesen. Vielleicht wollten sie es mit einer Typ Veränderung schaffen, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Mein Kopf dotzte gegen die Schwere Tür in meinem Rücken.
Tief sog ich die kühle Luft ein. Die erste Hürde war geschafft, jetzt kamen die anderen. Keinesfalls würde es einfacher werden, ganz im Gegenteil, denn hier irgendwo könnte ich Ephialtes über den Weg laufen. Das wäre dann aber sehr ungünstig.
Hinter mir hämmerte der grünhaarige gegen die Tür, während sich vor mir ein langer, unebener Tunnel erstreckte, wo alle zweihundert Meter eine einsame Fackel an der Wand hing, die ihr flackerndes, warmes Licht an die Kantigen Wände warf. Sehr einladend. So könnte man sich auch Lucifers Zuhause vorstellen; dunkel, einsam und eine wirklich freundliche Stimmung. Wer würde hier nicht gerne wohnen?
Mit schnellen Schritten hetzte ich los. Immer gerade aus. Keine Abzweigung in Sicht. Meine nackten Füßen trafen immer wieder auf das unebene, sehr kalte Gestein, während die Ketten in meinen Armen leise Rasselnden, bei jeden Schritt den ich machte. Die Handgelenke von mir steckten ja immer noch in den Schellen.
Der Gang zog sich, sodass ich fast das Gefühl hatte, immer wieder im Kreis zu rennen. Ich schien einfach nicht voran zu kommen, und das reizte meine Nerven ziemlich, denn jeden Moment könnte mir der andere Riesen Idiot entgegen kommen. Verstecken war dann so gut wie unmöglich.
Ein Wütendes schnaufen löste sich von meinen Lippen, weswegen ich noch einmal mein Tempo anzog. Die Fackeln flogen förmlich an mir vorbei. Hier irgendwo müsste doch eine Abzweigung kommen? Irgendwo. Die können doch nicht die ganze Zeit gerade aus gelaufen sein?
Mein Herz begann schneller zu pumpen, als ein lautes Krachen durch den Gang echote, gefolgt von einem Wütenden Schrei. Otis hatte wohl die Tür aufbekommen. Nicht gut.
Ich legte noch einen Zahn zu, nur um dann heftig abzubremsen, da plötzlich eine Kreuzung vor mir auftauchte. Links oder rechts? Scheiße!
Nimm rechts! Nimm rechts! RECHTS!! Reeechts!
Ohne groß zu überlegen sprang ich in den linken Weg hinein, hetzte ohne groß zu zögern weiter, weshalb die Ketten fröhlich weiter in meinen Armen rasselten, in meine Füße bohrten sich kleine spitze Steine, während weitere Fackeln -jetzt in viel größeren Abständen- an mir vorbei flogen. War nur die Frage, ob das mit den Fackeln ein besseres, oder schlechteres Zeichen war?
Zögerlich verlangsamte ich mein Tempo erneut. Der genaue Grund war mir schleierhaft, doch hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Es war zu einfach. Viel zu einfach. Außerdem, wieso hatte Otis mich los gemacht? Er war zwar nicht der klügste, aber so etwas Dummes könnte nicht Mal er machen.
Meine Schritte stoppten. Prüfend warf ich einen Blick über die Schulter, nach hinten, von wo ich gekommen war, doch mehr als der Schein von Fackeln war nicht zu erkennen, ebenso, wie ich keine Schritte hörte. Ich war also allein. Niemand war hinter mir. Das war unsinnig. Otis hätte meine Ketten hören müssen, er wäre mir doch sicherlich gefolgt, schließlich hatte er -höchstwahrscheinlich- keine Lust Ephialtes Zorn auf sich zu lenken.
Vielleicht war das ein Trick? Waren die beiden überhaupt schlau genug, für so etwas, wie eine listige Falle, die ich nicht kommen sehen würde? Gute frage, denn die Antwort überraschte mich auch, ebenso das Ergebnis davon.
Irgendwas klickte plötzlich leise, doch in meinen Ohren hörte es sich viel zu laut an. Es schien als würde ein scharfes Messer, aus Kaiserlichem Gold, grob die Stille durchschneiden. Das Geräusch wirkte in meinen Ohren einfach so unheimlich laut, denn es passte ebenso wenig hierher, wie ein Hypokamp es tun würde. Ein rattern erklang, bevor Stein auf Stein schabte, und sich die Wände plötzlich in Bewegung setzten.
In meinem Kopf drehten sich die Rädchen –die sich aber offensichtlich gerade nicht in meinem Kopf, sondern hinter den Wände in Bewegung setzten–, bis ich die Situation Begriff. Mit einem Satz schoss ich los. Die Steinwände kamen näher, näher und näher. Sie quietschten. Ratterten laut. Kleine Kiesel vibriert auf dem Boden. Die Welt schien sich zu drehen, immer schneller, ohne Pause, ohne Rücksicht. Grausam. Kalt.
Gaia war herzlos. Im wahrsten Sinne. Dort wo das pumpende Teil sein müsste, befand sich mit Sicherheit ein kalter Erdklumpen aus Schlamm.
Im Affenzahn bewegte ich mich weiter, hoffend, das Ende des Tunnels noch rechtzeitig zu erreichen. Entweder würden die Felsen mich zerquetschen, und mir jeden Knochen brechen, den ich hatte, oder ich schaffte es noch rechtzeitig hier raus, was im Angesicht der Situation eher schlecht aussah. Hatte der Weg überhaupt ein Ende? War es vielleicht eine Sackgasse? Deswegen die wenigen Lichter?
Es stand fünfzig zu fünfzig. Doch jetzt gerade sah es eher schlecht für mich aus. Die einen fünfzig Prozent waren wohl eher zwanzig halbe. So wollte ich aber sicherlich nicht enden, von kantigen Felswänden zu Apfelmus verarbeitet zu werden stellte ich mir als sehr, sehr unangenehm vor, denn mit Sicherheit war das auch so, schließlich würden die grauen Teile meine Knochen zermalmen, bis ich wie eine Scheibe Brot auf dem Boden lag und in einer Pfütze aus goldenen Ichor darauf wartete, das ich anfing mich zu regenerieren.
Adrenalin durchflutete meinen Körper, setzte ihn förmlich in Brand –so musste sich wohl mein Krüppelbruder (Hephaistos) jeden Tag fühlen–, als ich hektisch durch den immer enger werdenden Gang rannte. Stetig kamen die Wände näher.
Mein Herz pumpte in einem seltsam, ungleichen Rhythmus. Das letzte Mal hatte es so heftig geschlagen, als wir gegen Typhon kämpfen sollten –was zugegebenermaßen, nicht wie gedacht Verlaufen war.
Ich spürte schon die Kanten der grauen Mauern an meinen Schultern, weshalb ich mich irgendwie eindrehen musste, um seitlich voran zu kommen. Nur noch Sekunden und ich würde zerquetscht werden.
Plötzlich endete der Gang. Stolpernd schaffte ich es gerade noch so raus. Hinter mir Krachten die Wände auf einander, weshalb der Boden unter meinen Füßen erzitterte, was in mir eine unangenehme Gefühl zurück ließ, während mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Ich hätte dort zwischen den Wänden stecken können, sie hätten mich ohne Zweifel zertrümmert.
Wie lang mein Körper wohl gebraucht hätte, bis er wieder richtig verheilt wäre? Ein paar Stunden? Tage, Wochen? Ob meine Göttliche Kraft was genutzt hätte? Sicherlich nicht. Denn die Ketten blockierten meine Kräfte. Es wäre unmöglich gewesen, die Wände ohne göttliche Kräfte aufzuhalten.
Schnaufend atmete ich durch, stützte mich schwer nach Sauerstoff ringend auf den Oberschenkeln ab, ließ wieder genug Luft in meine Lungen kommen, damit mir nicht gleich einfach so schwarz vor Augen wurde. Das Gefühl von Machtlosigkeit war Widerlich. Genauso, wie das Gefühl, wenn etwas seine Kräfte blockierte. Es fühlte sich an, als würde jemand einem Honig über den Kopf gießen, nur um dann Bienen los zu lassen, welche sich auf die zähe Masse setzten und dann versuchten weg zu kommen. Ekliges Gefühl.
,,Du hast es also doch noch geschafft. Da bin ich aber froh."
Mein Atem blieb mir im Hals stecken, während mein Kopf mit einem Ruck hoch schoss.
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