Kapitel 109.
Kein Weg zurück, immer nur nach vorne
Ich wich dem stumpfen Schwert aus, dabei trieb ich meinen Speer (oder eher Enyos) in seinen schwabbeligen Unterleib. Dann kam auch schon der nächste. Und der nächste. Und der nächste. Und aus drei wurde ein ganzer Haufen.
Um mich herum schien die Welt im Chaos zu versinken. In meinen Ohren verstummten die Geräusche, taub für den Trubel um mich herum, denn allein meine Sinne waren voll konzentriert auf etwas anderes. Abwesend hörte ich das Rauschen meines Ichors in den Ohren. Spürte das freudige Adrenalin durch meinen Kreislauf tanzen.
Alles um mich herum war aber still.
Dann... Eine Gänsehaut kroch meine Arme empor.
Eisige kälte zuckte durch mein brennendes Ichor.
Mein achter Sinn (ja richtig gelesen) meldete mit einem schrillen Klingeln, das an Weihnachtsglöckchen erinnerte, Alarm. Auf der ganzen Reise die ich mit den Zwergen bewältigt hatte, hatte sich dieser hilfreiche Sinn irgendwann entwickelt. Ich nenn' ihn gelegentlich auch den: 'Thorin-hat-mal-wieder-Scheiße-gebaut'-Sinn, weshalb ich als Folge dessen, ihnen dann aus der Scheide helfen muss. Klingt gut, oder?
Ja, ich weiß, fantastischer Name. Braucht mir nicht zu danken. Ich weiß der ist toll. Stellt euch vor, dass ich mir gerade selbst auf die Schulter klopfe.
Der Wind pfiff scharf über die eisige Ebene. Dunkle Risse klafften in blass blauen Eis, dessen Stabilität immer mehr ins wanken geriet. Rot lackierte Fingernägel kratzten über die gefrorene Oberfläche, während das Gewicht ihrer Rüstung sie immer wieder versuchte hinab in die frostige schnellen des Flusses zu ziehen. Fauchend kämpfte mein Zwilling sich weiter hoch, dabei hinterließ sie tiefe Kerben in der hellen Scholle.
Mit einem Ausfallschritt trat ich zur Seite. Surrend schnellte die Schwertklinge an mir vorbei, bevor sie knirschend aufs Eis traf. Unter meinen Füßen grollte die Fläche. Ich biss die Zähne zusammen, als unter meinen füßen die Masse erzitterte. Nicht brechen, nicht brechen, nicht brechen.
Es hielt. Gut, gut. Immerhin etwas.
Enyos glühende Augen durchbohrten meine Seite. In ihrem Gesicht hingen halb gefrorene Strähnen; dunkel braun, helle wie dunkle Rot- und Violetttöne. Es bildete ein starres Chaos das strähnig an ihren Wangen haftete. Ihre Gesichtsfarbe war genauso rot wie manch ihrer Haarsträhnen.
Das Eis ächzte gefährlich unter ihrem Gewicht.
Wie auch immer. Aber um wieder aufs Thema zurück zu kommen... Sinn Nummer acht schlägt Alarm. Heißt: Thorin baut gerade scheiße — oder es wird gerade von jemanden um die Ecke gebracht, aber beides gibt sich nicht viel.
Tatsächlich glaub ich weniger, dass er gerade scheiße macht, heißt wiederum, dass er wahrscheinlich keine Intension hat scheiße zu bauen. Oder aber es ist gerade noch dabei es zu versuchen. Meine schlimmste Befürchtung — und ich hab sicher Recht — ist, das der Vollidiot sich von Azog killen lässt — was zu 258,99 Prozent der Fall ist. Meine göttliche Wenigkeit kennt die Prinzessin vom Erebor doch.
Kann man die Zwerge eigentlich noch auf eBay verticken? Geht das? Die könnten doch bestimmt als Gartenzwerg durchgehen, weil wer weiß wie lang ich das Verhalten dieser Wahnsinnigen noch ertrage.
Aber Mal im Ernst, ich weiß wirklich nicht warum er so lebensmüde ist und sich so unbedingt von Azog umbringen lassen will, wenn meine Schwester ihn doch genauso gerne umlegen will. Vielleicht hat Thorin ja einen Fetisch und deshalb lässt er sich so gerne von Azog verprügeln. Ob das stimmt... keine Ahnung. Das letzte Mal musste er von mir, Bilbo und einen Adler gerettet werden. Jetzt können weder ich, noch Bilbo, noch die Adler, für die Prinzessin auf der Erbse Probleme lösen.
Der hellhäutige Ork holte erneut aus, dann knallte die dunkle, fast schon Asche farbene Klinge mit einem lauten klirren auf meinen "geliehenen" (nicht gestohlenen) Speer, dessen heller, silber Glanz im dämmrigen Licht, was sich durch die dichten Nebelwölckchen kämpfte, aufglühte. Über dem Nebel war der Himmel grau und trist, die goldene Sonne verborgen hinter der Wolkenwand.
Ich stemmte mich gegen das Eisen und drückte die Schneide hoch. Quitchend scharbten die Klinge über den Schaft, ließ kleine goldene Funken über das silber tanzen, ehe ich einen Ausfallschritt machte und – begleitet von einem ungesund klingenden Knacken (Aua. Das tat bestimmt weh)–, dem Ork mit ledrig weißen Haut (nein, das ist nicht Azog oder sein Sprössling) die stumpfe Seite ins Gesicht rammte. Das Vieh klappte in sich zusammen, dann lag es auch schon wie ein Nassersack Abfall auf den Boden.
Das war der letzte.
Genervt schnaubte ich. Blöde Viecher. Ich hob meinen Blick von dem verschmierten Eis, welches an manchen Stellen überzogen von dunklen Blut schlieren der Orks war, um Richtung Wasserfall zu glotzen. Düstere Silhouetten bewegten sich im Dunst. Skeptisch verengte ich die Augen. Tatsächlich erhaschte ich einen Blick auf dunkles Haar.
Also... Thorin springt da herum... Und irgendwo treibt sich auch Azog herum...
Ein tiefes seufzen entwich mir. Manchmal hasse ich mein Leben. Aber positiv ist, dass ich den Waschmittel-Ork jetzt umlegen kann, eh? Hört sich doch gut an.
Ohne noch einmal einen Blick auf meine Schwester zu werfen setzte ich mich in Bewegung, wodurch das gefrorene Wasser bei jedem Schritt kaum hörbar knackte.
,,Du dämlicher Pfosten!", grollte sie und schaffte es sich ein stück weiter hoch zu hieven. Wütend malmte sie mit dem Kiefer. ,,Bleib gefälligst hier! Wir sind noch nicht fertig! Ich werde sie alle abschlachten! Ich tränke diese scheiß Erde mit dem Blut der Gnome! Und sie werden schreien! Und um Gnade betteln die ich ihnen nicht gewähre! Hörst du! Ich werde-!"
,,Was auch immer."
Zornig brüllte sie mir einen griechischen Fluch hinterher der alles andere als freundlich war – und den ich euch lieber nicht übersetzte, weil sonst ne Menge Leute sehr verstört wären. Heiße grüne Flammen glühten in ihren Giftgrünen Augen, grell wie ein Waldbrand um Mitternacht.
,,Du Feiger kleiner-"
,,Weißt du was dein Problem ist!?", schnautzte ich, dabei machte meine Wenigkeit auf dem Absatz kehrt und deutete anklagend auf ihre kümmerliche Gestalt.
Die eisige Strömung zerrte gierig an ihr, versuchte sie gewaltsam unter Wasser zu zerren, doch ihre Gesichtsfarbe wurde tatsächlich noch eine Spur röter.
,,Dein Problem ist", fuhr ich Fort, ,,Das du jetzt schon das zweite Mal versagt hast mich zu "töt" – oder was auch immer das sollte. Und es ist nicht Mal meine Schuld! Nein, sondern deine eigene! Mach dir Mal Gedanken darüber, was du wirklich willst! Wir beide Wissen, das wenn du mich wirklich töten wölltest, besser kämpfen würdest! Wir beide haben Jahrtausende lang gemeinsam trainiert, also verkauf mich net für blöd!", zischte ich in ihre Richtung, bevor ich begann rückwärts weg zu laufen. ,,Aber vielleicht ist das auch nur ein Spiel für dich? Erst verlieren und dann mit neuem Zorn an die Sache rangehen? Ist es das?"
Ich warf ihr einen letzten analysierenden Blick zu, der durchtränkt von produzierenden Hohn war, ehe ich mich wieder herum drehte und mit eiligen Schritten auf die Schatten Gestalten im dichten Nebel zusteuerte.
Ein schrilles Lachen peitschte über die Eisfläche; schwankend zwischen manischer Hysterie und giftigen Spott.
,,Hahaha, glaubst du wirklich die anderen Götter würden uns jemals als gleichgestellt ansehen?!" Sie ließ eine kurze Pause entstehen, fuhr aber fort ohne eine Antwort ab zu warten. ,,Nein! Eben nicht! Ich tu das doch, damit sie UNS endlich sehen, du Idiot! Hörst du?! Diesen Planeten in Schutt und Asche zu legen, ist nur ein Bonus, über den du dich eigentlich freuen solltest!"
Ich knirschte angepisst mit den Zähnen. Jetzt fängt das schon wieder an.
,,DU! DU bist ein absoluter, bis in die hohlen Knochen dämlicher Vollpfosten! Du weißt, das alles was die Pisser denken, deren beschissenen Blick nur aus Ekel und Respektlosigkeit uns gegen über bestehen? Guck doch, wie die uns behandeln! Unsere ach so tolle "Familie", die Hera versucht am Laufen zu halten, es aber kaum hin bekommt, weil wir allesamt dysfunktional sind!" Mein Zwilling schnaubte angewidert und stemmte sich am Eis hoch. Die Scholle brach weck. Sie sackte platschend wieder zurück. ,,Als wären wir nur ein scheiß Projekt für sie, was sie am laufen halten muss. Oha! Wir wissen doch alle, dass das nur Theater ist! Denn Mal ganz ehrlich, eine "Familie" sind wir doch noch nie gewesen! Nur ein Haufen von Göttern, die sich den selben Vater Teilen! Und es nervt. Es nervt wirklich so sehr, das ich jedem einzelnen den Kopf einschlagen könnte! Hörst du!"
Sie begann wieder hysterisch zu Lachen. ,,Aber wenn die Valar hierfür Krieg wollen, dann sind sie bald auch nicht mehr mein Problem! Sollen sie sich doch alle bekriegen, am Ende werde ich so oder so als Siegerin dastehen! Hoffentlich erstickt Zeus dann an seiner Krone! Und Hera! Die sollte lieber ganz weit Weg sein, sonst durchbohr ich sie mit meiner Bronzenadel!"
Ihr manisches gelächter begleitete mich noch mehrere Meter, bis endlich die Silhouetten von Thorin uns seinem Leuchteschwert (seit wann hat der Orcrist wieder?) und somit auch Azog in Sicht kamen, während der Wind endlich den unnatürlichen Nebel davon wehte der schon viel zu lange über dem Fluss lungerte.
Für einen Moment wäre ich fast perplext stehn geblieben, da sich Thorin und Azog nur aus einiger Entfernung böse anstarrten. Ah, ist ja auch ganz normal. Ja. Komplett normal hier, wirklich.
Naja, zu mindesten starrten sie sich nur solange an, bis ein Horn schließlich die Stille der Ebene zerrisch wie die tötlichen Krallen eines Tigers die empfindliche Haut seiner Beute.
Dann stürmten sie auf einander zu.
Und der Kampf zwischen zwei Mächten, die vor langer Zeit vom Schicksal zusammengeführt wurden, um das erste Mal in einer Schlacht aufeinander zu trafen, begegneten sich erneut. Denn die drei alten Weiber verwebten die Schicksalsfäden oftmals so geschickt, dass eine Begegnung nie die letzten sein könnte. Und diese Schlacht würde den Verlauf der zukünftigen Geschichte in Mittelerde Entscheiden...
~~~
Damm damm damm!
Enyo hält weiterhin an ihrem Plan fest, auch wenn es fraglich ist, ob sie wirklich in der Lage ist ihren eigenen Zwilling zu töten (in Kapitel 58 hat man ja ihren Zwiespalt ein wenig gesehen, wer gerne nachlesen will).
Azog und Thorin beginnen sich episch zu Prügeln, und Ares wäre am liebsten irgendwo ganz anders, nur nicht bei denen.
Ares: Urlaub hört sich gut an.
Ich bezahl ihn dir nicht.
Ares: Gemeine alte Kuh.
...Wie auch immer. Noch nh schönen Tag und bis nächstes mal! ☺️
Tschüssi! 👋
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