Kapitel 107.
Der Countdown läuft heiß (genau wie Enyo, oh oh)
Konzentriert führte ich einen Vertikalen Streich aus. Quitchend scharbten die Klingen übereinander.
Unmerklich weiteten sich meine Augen. Natürlich! Enyos Waffen! Die hat – wie eben erwähnt – lauter Waffen bei sich! Ihr Armband ist voll mit silbernen Anhängern, außerdem befindet sich noch immer ihre Bronze Nadel an ihrem Gürtel, ganz zu schweigen vom Speer, welcher gut aufgehoben einen auf Excalibur machte und im Eis steckte. Der Speer wartete ja gerade zu darauf befreit zu werden.
Mein neuer Plan war wahrscheinlich genauso chaotisch wie mein letzter, aber es war mir so piepschnurz egal, da er (so wie ich mich kenne) sowieso nicht so aufging wie ich wollte.
Der Himmel war in einem stählernen Grau getaucht. Kalt und unnachgiebig. Dicke Nebelwände hingen über dem Berg, bildeten ein dichtes Labyrinth aus weißen Schwaden.
Wasser rauschte unter der rissigen Oberfläche des Flusses. Knackend bahnte sich der düstere riss seinen Weg weiter durch das bläuliche Eis. Mit blitzartigen Zacken spaltete er die kalte Schicht unter unseren Füßen. Der Untergrund vibrierte, als sich die Luft um uns herum mit Macht füllte. In den Giftgrün ihrer Iriden zündelte ein unnatürliches Feuer, grüne Flammen wie Griechisches Feuer – unlöschbar. Das magische Gemisch brannte Zornig vor sich hin.
Den feurigen Blick bohrend auf mich gerichtet stieß sie mit ihrer Klinge vor, wirbelte umher wie ein Sturmgeist in mitten eines Hurricanes, schwang, Hieb und Stich mit dem Schwert in meine Richtung und ließ mir kaum Zeit mich von ihren wilden Attacken zu erholen. Allein meine schnellen Reflexe bewahrten mich vor einem unangenehmen Ende.
Flüchtig warf ich einen Blick über Enyos Schulter hinweg, dabei erblickte ich den Speer. Ein fast schon geisterhafter Glanz schien ihn zu umhüllen und tauchte das silber in ein Knochen ähnliches weiß.
Kreischend glitt Ringils kalte Klinge von Enyos Schwert ab, sprühte goldene Funken – wie der Sternenstaub eines vom Himmel stürzenden Sternes – in alle Richtungen, bevor wir uns voneinander lösten. Das Eis ächzte. Knirschte. Knarrte.
Ich spannte mich an. Mein Brustkorb hob und senkte sich in einem leicht beschleunigten Tempo. In meiner Seite stach es unangenehm – nicht weil es begann anstrengend für meinen geheilten Körper zu werden, sondern an der Stelle, an der sie mir das Messer in die Seite gerammt hatte. Kurz über der Stelle, auf höhe meiner Rippen, zeichnete sich ein langer Kratzer auf meiner Rüstung ab.
Ist das zu fassen? Das Miststück von Schwester hat versucht die gleiche Stelle noch einmal zu treffen, in dem Wissen, das die geheilte Haut wahrscheinlich empfindlicher war, als der Rest. Zum Glück trug ich meine Schlachtrüstung. Sie hielt einiges ab. Vielleicht nicht soviel wie die glutrote – jetzt wohl eher schmutzig braune – Rüstung meines Zwillings. Aber sie erfüllte ihren Zweck – das hat sie schon immer getan, wann immer ich das Schlachtfeld betrat, diese Rüstung begleitete mich bereits viele Jahrhunderte.
Mein Kiefer malmte unruhig, dann wich ich ein paar rutschige Schritte von dem instabilen Eis zurück, brachte Abstand zwischen mich und den dunklen Rissen, die das weiß-blau wie eine wuchernde Krankheit durchzogen.
Enyo war weniger vorsichtig. Mit glühenden Augen stampfte sie übers Eis, zog einen Mantel aus dunklen Adern hinter sich her, die das erstarrte Wasser durchwoben wie das Netzt einer Spinne, stetig weiter wuchernd. Doch ihr war es egal. Das einzige was sie sah, war mit meinem Kopf in naher zukunft Bowlen zu gehen. Und dabei war sie nicht Mal ein Fan von Bowling.
Ich wich weiter zurück. Sie folgte.
Der Speer entfernte sich.
Irgendwo hinter mir erklang ein Knall. Etwas knirschte. Steine schlugen aufeinander. Ein Grunzen erklang.
Im Augenwinkel nahm ich eine Bewegung war. Weiß.
Das Eis erbebte, knirschte. Scharf atmete ich ein.
Enyo schwang Crocea Mors in einem scharfen Bogen Richtung Kehle. Meine Muskeln verspannten sich, doch ich blickte nicht noch einmal zu Azog herüber – brachte Ringil stattdessen gerade noch so in die richtige Position, da krachten auch schon die beiden Klingen aufeinander. Funken stoben um uns herum.
Ich stemmte die Beine gegen die rutschige Eisfläche, katapultierte mich mit einer unkontrollierten Bewegung nach hinten, ehe ich rückwärts – mit den Armen mein Gleichgewicht suchend – von ihr weg schlitterte. Uähhh! Jetzt bloß nicht auf die Fresse legen!
,,Ari! Jetzt Lauf nicht weg! Wir haben doch noch so viel zu klä-", bevor sie den Satz beenden konnte, wurde sie aufgehalten. Ihr Blick landete kurz auf Azog. Die Stirn legte sich missbiligend in Falten. Sie rümpfte die Nase, dann brach auch schon das Eis unter ihren linken Fuß weg als sie einen Schritt zur Seite auf die dunklen Adern machte. (Nicht gerade klug auf einer Eisfläche direkt auf die Risse im EIS zu treten.)
,,Sieht so aus als wenn das Eis die kälte deines Herzens spürt." Ich zauberte mir ein unschuldiges lächeln ins Gesicht und zuckte mit den Schultern – immernoch langsam rutschend. ,,Aber leider besitzt du ja kein Herz... Es muss sich geirrt haben."
Schlagartig zog sich der Dichte Nebel um uns zurück, stattdessen durchtränkte ihre Göttliche Macht die Luft wie ein schmieriger Ölfilm. Brennend heiße, Zornes Wellen pulsierten um sie herum.
Ihre Augen brannten zwei Löcher in meinen Schädel, ehe sie gewaltsam ihren Fuß zurück aufs Eis zog. Wasser tropfte von ihrem Stiefel. Ein goldenes Glühen umschmiegte ihren Körper. Kleine Dampfwölkchen lösten sich von ihr.
,,Warum nur machst du es so schwer?! Siehst du nicht, weshalb ich das ganze mache?" Ihr Gesicht war wutverzerrt. Unter ihren Füßen ächzte die rissige Eisschicht. Knackend zackte sich ein neuer Riss durch das blau-weiß, größer als der davor. Meine Schwerter machte einen Schritt auf mich zu, brachte den gefrorenen Untergrund zum zittern.
,,Ich werde ihnen zeigen, das sie uns zu respektieren haben! Vater und Mutter sollten sie glücklich schätzen, dass ich nicht gleich in unserer Welt angefangen habe! In dieser Krieg zu führen, ist doch viel besser! Es bringt noch mehr Krieg! Mehr schlachten! Alles wie in den alten Zeiten! Die Schlacht ruft uns! Hörst du es etwa nicht?!"
Und wie ich den Ruf des Krieges in meinem Ichor hörte, wie der Gesang einer Sirene vibrierte er durch meine Knochen, klar und deutlich... Aber ich war der Gott des Krieges, es herrschte erst Krieg, wenn ich es wollte.
,,Doch. Ich höre es."
Sie schwang ihr Schwert in meine Richtung, deutete mit der glänzenden spitze auf mich.
,,Warum verweigerst du dich dann? Bist du wirklich so weich geworden?" Boshaft verzerrte sie ihre Lippen zu einem herablassenden Grinsen.
Ich blitzte sie herausfordernd an. ,,Ich bin der Gott des Krieges, Yo. Wo und wann Krieg herrscht, ist meine Entscheidung, weder deine, noch die eines anderen kleinen Kriegsgottes, der denkt er könnte sich meinen Anweisungen widersetzen. Ich entscheide. Noch kannst du aufhören."
Kurz flackerte etwas in ihren Augen auf, ehe es genauso schnell wieder verschwand. Mein Zwilling überspielte ihr kurzes Zögern, stattdessen rollte sie missbiligend mit den Augen, der Dampft um sie herum wurde stärker. Unter ihren Füßen begann das Eis von der Hitze ihres glühenden Körpers zu schmelzen. Mehr dunkle Spalten zogen sich durch die erstarrte Wasserschicht wie ein Netz aus geschwärzten Adern.
Sie pustete sich eine dunkle Strähne aus dem Gesicht. Grinsend reckte sie das Kinn in die höhe. ,,Keine Sorge. Ich tu es zwar nicht gerne, aber wenn du stirbst werde ich deine Aufgabe machen, solange mir deine Quälgeister nicht in die quere kommen – egal ob unsterblich oder nicht. Dann kann endlich nie endener Krieg Herrschen! Etwas, was du nie erlaubt hast!" Zum Schluss schrie sie mir die Worte in einem schrillen, vorwurfsvollen Ton entgegen, die Augen weit aufgerissen.
Ja, klaaarr, aber nein. Nie endener Krieg hört sich ganz gut an, doch was bleibt denn dann von der Welt übrig? Wenn die Erde verwüstet ist und sich die Menschen gegenseitig abgeschlachtete haben, wer ist dann noch da um weiterhin zu Kämpfen? Nie endener Krieg ist Schwachsinn. Totaler Blödsinn. Eine Schnapsidee.
Unruhig zuckte mein Blick zu dem Speer.
Wenn ich nur an ihr vorbei könnt-
Am liebsten hätte ich mir selbst eine reingehauen. Ares, du Idiot! Die steht glühend wie eine Böller kurz vorm explodieren auf einer Eisfläche! Nutz das doch, du fantastischer Gott!
,,Weist du was, du hast Recht." Ohne zu zögern stieß ich Ringil zurück in seine Scheide, weshalb die dunkelhaarige überrascht ihren Mund öffnete, bis sie ihn wortlos wieder schloss und noch einmal ansetzen musste.
,,Hä?", kam es sehr schlau von Enyo. Mein Zwilling hörte auf mit der Schwertspitze auf mich zu deuten und ließ sogar perplext den Arm sinken. In Zeitlupe blinzelte sie.
,,Ich hab gesagt, dass du Recht hast. Muss ich es buchstabieren? DU. H. A. S. S. T.
R. E. S. C. H. T. Nein, warte, ich hab mich irgendwo verbuchstarbiert... D. U. HA... ẞ? T. RSECHD." Langsam nickend legte ich die Stirn in Falten. Hört sich immer noch nicht richtig an. (Hab ich das gerade noch schlimmer gemacht? Bin nicht sicher.) Blöde Legasthenie und noch blöderes ADHS. Als wenn eins von beiden nicht reicht. Wie wird eigentlich Eloquent geschrieben?
E. L. O. G. W. E. N. D?
Haha, hört sich wie eine extrem komplizierte Geheimorganisation an. ('Elite Loser ohne gemein Wissen enden nicht dahinten' – ergibt keinen Sinn, aber egal.) Fast so schlimm wie S.H.I.E.L.D. Die sind auch mit ihrem Namen gestraft. Wer nennt eine geheime Organisation auch 'Strategische Heimat-Interventions-, Einsatz- und Logistik-Division'? War derjenige etwa stoned? Auf so was muss man erst Mal kommen. Sagt das Mal schnell hintereinander, gibt vielleicht einen echten Zungenbrecher.
Äh, ich schweif' vom Thema ab. (Haha, die heißen Strategische Heimat-Interdingsdabums. So ein bescheuert er Name.)
Ich schüttelte den Kopf und zwang mich wieder aus meinen verworrenen Gedanken.
,,Egal jetzt. Wo war ich? Ach ja! Du hast Recht!" Bedächtig überwand ich die entstandene Distanz zwischen uns, das laute krachen im Hintergrund ausblendend (was zur Hölle geht da hinten vor sich? Reißen die etwa gerade einen Stein-Turm ein?), stattdessen schielte ich aufmerksam zu Boden auf das knackende und knirschende Eis unter meinen Füßen. Es wurde schlimmer, je näher ich der Kriegsgöttin kam. Inzwischen strahlte sie eine solche Hitze aus, das es ein Wunder war, dass das Eis noch nicht unter ihr nachgegeben hat.
Die dunklen Risse verbanden sich inzwischen zu spalten in die man locker seinen kleinen Finger stecken konnte (nicht zu empfehlen das ganze zu testen, Freunde).
,,Die anderen Götter behandeln uns wie Dreck. Sie wissen nicht zu schätzen was wir machen." Ich starrte ihr fest in die Augen, sie blickte misstrauisch zurück, die Iriden noch immer so Grün glühend wie Griechisches Feuer bei Nacht.
,,Wir bringen Krieg, damit die Welt nicht vergisst, das es schlimmeres gibt als nervige Nachbarn."
Unter meinen Sohlen knackte es laut.
Ich hielt inne, beobachtete wie verschiedene Emotionen über ihr Gesicht huschten, bis ich sie nicht mehr voneinander unterscheiden konnte.
Unauffällig tastete ich nach dem Messer.
Meine Fingerspitzen stießen gegen das feste Heft des Jagd-Messers, fuhren die kleinen Kerben nach, die es am Klingenrücken besaß, ehe ich die Finger um den Griff legte. Ein dunkler Schatten huschte über mein Gesicht und ich presste meine Zähne zusammen.
,,Aber die komplette Zerstörung – nicht nur – in unserer Welt, geht etwas zu weit, Schwesterchen."
Bevor sie reagieren konnte, warf ich mich auch schon nach vorne, ließ mich schwungvoll mit den Rücken auf den kalten Untergrund fallen und schlitterte an ihr vorbei, das Messer auf höhe ihres Beines in den Boden rammend.
Ich ließ die Klinge los – rutschte weiter. Ließ sie einfach stecken, während ich flink wieder auf die Beine kam.
Enyo fuhr überrumpelt herum. Das dunkle Haar in ihrem Zopf peitschte herum, bevor das Eis mit einem langezogenen knarzen unter ihrem Gewicht nach gab.
Laut platschend landete sie halb im eisig kalten Wasser, den Oberkörper an den unebenen, Rissigen Rand des Lochs geklammert. Die roten Fingernägel meiner Schwester krazten über das Eis, das sich gefährlich unter ihrem kompletten Gewicht in Kampfrüstung bog.
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