Kapitel 22
Ciel
Mein Schwindel war mittlerweile komplett vergangen und, Himmel, war ich froh darüber.
Wir hatten uns wieder auf den Weg nach Minuit gemacht. Vivi lief jetzt allerdings direkt an meiner Seite. Sie klebte förmlich an mir – nicht, dass ich es ihr verübeln konnte. Unsere Handrücken streiften sich mit jedem Schritt, bis ich letztendlich meine Hand ausstreckte und sie in ihre legte. Es war beruhigend sie in Reichweite zu haben.
Ich konnte nicht anders, als meine Gedanken wieder zu der Vision kreisen zu lassen. Sie war völlig anders gewesen als die Letzte. Körperlich anstrengend, zum Einen. Und zum Anderen hatte ich keine richtigen Personen gesehen.
Um mich herum war alles pechschwarz gewesen. Der Seher, dessen Vergangenheit ich gesehen hatte, musste seine Augen geschlossen gehalten haben. Auf jeden Fall hatte eine Stimme immer wieder auf mich eingesprochen. Eine Stimme, die sich stark so anhörte wie die von Eanelle, der Fee des Lichts.
Hatte sie damals vielleicht den Sehern geholfen, die Prophezeiung auf die Beine zu stellen? Aber wenn ja, warum hat sie uns das nicht gesagt, als wir bei ihr im Veersheilwald gewesen waren?
„Es wird langsam dunkel“, stellte Vivi fest, „sollen wir uns ein Plätzchen für die Nacht suchen?“
„Gute Idee“, antwortete ich und hoffte, dass es nicht zu eifrig rüberkam.
Wir schlugen ein kleines Lager am Wegesrand auf. Zu unserem Glück hatte uns der Kommandeur erlaubt ein paar Decken aus dem großen Anwesen mitzunehmen, so mussten wir wenigstens nicht wieder auf dem kalten Waldboden schlafen.
Wir lagen nebeneinander und sahen zu den Baumkronen hoch. Um uns herum war alles zum Stillstand gekommen. Wir sahen keine Tiere mehr, nur ab und zu hörte man die ein oder andere Eule rufen. Es war dann, dass Vivi endlich das Thema anspach, welchem ich den ganzen Tag lang ausgewichen war.
„Morgen erreichen wir endlich dein Dorf.“
Ich seufzte. Nun brachte es wirklich nichts mehr, mich vor dem Gespräch zu drücken. „Ja.“
Daraufhin drehte sich Vivi zu mir auf die Seite. „Du bist schon seit Stunden so schweigsam. Was ist los?“
„Ich… ich habe einfach ein schlechtes Gefühl dabei“, antwortete ich, ohne meinen Blick von den Baumkronen abzuwenden.
„Du meinst, du glaubst nicht, dass deine Familie dich so akzeptiert. Als Seher?“
„Ich müsste erstmal dazu kommen, es ihnen zu erklären, bevor sie mich als Monster abstempeln. Außerdem… Es ist eine Sache, verängstigte Blicke von fremden Personen zu bekommen, aber von meiner eigenen Familie… Ich weiß nicht, ob ich das aushalte.“
„Weißt du, du hast mir noch nie richtig von ihnen erzählt“, begann sie nach einer Weile.
Das brachte dann doch ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Wie konnte es das auch nicht – all die schönen Erinnerungen, die ich mit ihnen verband. Ich begann zu erzählen, wie meine Mutter und ich damals nach Minuit gezogen waren.
„Sophie und Adrien waren die einzigen Kinder in meinem Alter. Damals war ich etwas schüchtern gewesen, weil ich in unserem alten Zuhause keine richtigen Freunde gehabt hatte. Das war jedoch schnell vorbei, als Sophie mich an die Hand genommen und mich förmlich gezwungen hatte mit ihr zu spielen. Ab diesem Zeitpunkt waren wir unzertrennlich. Sie und Adrien sind wie Geschwister für mich.“
Vivi blieb die ganze Zeit still. Vielleicht war sie irgendwann eingeschlafen… oder sie hörte mir nur aufmerksam zu.
„Aber die zwei sind nicht die Einzigen, die mich sofort akzeptiert haben. Trace, der Schmied unseres Dorfes hat mich ziemlich früh unter seine Fittiche genommen. Vielleicht hatte er gemerkt, dass ich ein männliches Vorbild brauchte… Jedenfalls hat er sich mir angenommen und wurde zu der Vaterfigur, die mir bis dahin gefehlt hatte.“
Vivi hob ihre Hand und streifte ihre Finger durch meine Locken.
„Sie haben dich alle gleich ins Herz geschlossen. Und nach all den Jahren… glaubst du wirklich, dass sie dich nicht akzeptieren würden? Würden sie sich nicht freuen, dass du noch am Leben bist?“
„Mittlerweile kann ich wirklich nur hoffen.“
Vivi drehte sich auf den Bauch und stützte sich auf den Unterarmen ab.
„Hier ist ein Vorschlag. Wie wäre es, wenn ich erst allein ins Dorf gehe. Ich kann mich mit allen unterhalten und sie auf dich vorbereiten.“
Es war schwer zu beschreiben, wie sehr mich ihre Worte überraschten, denn eigentlich hatte sie ja nichts von alle dem und es war allein meine eigene Feigheit, die mich zurückhielt. Ich drehte meinen Kopf zu ihr auf die Seite.
„Du… würdest du das wirklich für mich machen?“
Es war mittlerweile völlig dunkel geworden. Das silberne Mondlicht fiel durch die dichten Blätter und beleuchtete ihr Gesicht nur minimal, weshalb ich nur die Umrisse ihres vernarrten Lächelns sehen konnte.
„Was würde ich nicht für dich tun?“
——————————
Heey! 👋
Ich kann mit Freude, Stolz und Trauer verkünden, dass sich auch dieser Teil der Trilogie dem Ende zuneigt. Kaum zu glauben, ich weiß!
Trotzdem wird bis dahin noch so einiges passieren. Seid ihr aufgeregt, neugierig oder vielleicht nervös? Bei mir trifft alles davon zu.
Bisous ❤️
MarSuu
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top