Kapitel 1

Sesto

Ich konnte nicht glauben, dass ich echt so bescheuert gewesen war. Wie, um alles in der Welt, hatte ich es geschafft, mich von Menschen gefangen nehmen zu lassen? Von Menschen!

Verdammter Mist, jetzt war ich hier... Eingesperrt in so einer scheiß Zelle, in so einem scheiß Kerker, unter so einem scheiß Anwesen.

Ich rüttelte immer mal wieder an den schweren Stahlketten über meinem Kopf, an denen meine Handgelenke angekettet waren. Da war jedoch nichts zu machen. So scheuerte ich mir nur meine Haut auf.
Ich war schließlich weder ein Gargoyle, der die Ketten einfach von der Steinwand gerissen hätte, noch war ich ein Drakonier, der das Metall irgendwann zum Schmelzen hätte bringen können.

Nein, ich brachte meine Feinde mit einem einfachen Lächeln zum Laufen. Das störte mich normalerweise nicht im geringsten, aber in dieser Situation brachte mir das einfach nichts. Rein. Gar. Nichts.

Es gab mehrere kleine Zellen hier unten. Die meisten waren allerdings noch leer. Außer mir, waren bisher nur zwei andere hier eingesperrt.

Sie saßen in Nachbarzellen, mir schräg gegenüber und waren genauso angekettet wie ich. Richtig sehen, konnte ich sie allerdings nicht; Nur die Umrisse ihrer Körper und krauselige, dunkle Haare.
Unsere einzige Lichtquelle bestand nämlich nur aus zwei dünnen, waagerechten Schlitzen in der Wand mir gegenüber. Die zwei Strix hatten hier den klaren Vorteil, weil sie, mithilfe ihrer orange glühenden Augen, im Dunkeln sehen konnten.

Ich fragte mich, ob die Menschen von unseren Fähigkeiten wussten, oder, ob sie einfach alle magischen Wesen einfingen, die ihnen über den Weg liefen.
Eher Letzteres, würde ich behaupten, denn sie hatten mich weder geknebelt, noch hatten sie mir eine Art Maulkorb angelegt.
Bei dem Gedanken musste ich grinsen. Diese Menschen wussten echt nicht, was sie taten.

Doch mein Grinsen verschwand schnell wieder. Schließlich musste ich ja erstmal die Gelegenheit dazu kriegen, etwas gegen meine Situation zu unternehmen. Erst musste sich einer der Menschen näher an mich heran trauen.

Man, wenn mich Altair jetzt so sehen würde... Er meckerte sowieso immer mit mir, dass ich aufmerksamer auf meine Umgebung achten sollte. Der würde mir das hier für den Rest meines Lebens nachtragen. Und, da ich erst zwanzig war, wäre das eine lange, lange Zeit. Aber an seine nervige Art war ich ja gewöhnt. Schließlich war das nicht das einzige, was ihm an mir nicht passte.

"Sesto, sei nich' immer so aggressiv."

"Sesto, komm endlich ma' runter."

"Sesto, wie oft muss ich's dir noch sag'n, bist du's endlich schnallst?"

"Sesto, hör auf and're Leute so anzugrins'n, als würdest du sie beiß'n woll'n!"

Ich seufzte. Egal wie er auf meine Dummheit reagieren würde, ich könnte meinen großen Bruder gerade ganz gut gebrauchen, oder noch besser, seinen besten Freund. Der Gargoyle hätte mich nicht nur mit einem Schlag befreien können, sondern die ganzen Menschen nebenbei auch noch schnell platt gemacht.

Leider hatte niemand auch nur einen blassen Schimmer, wo ich war, oder wo ich hin wollte. Das hatte ich selbst ja nichtmal gewusst. Ich war also, voll und ganz, auf mich allein gestellt.

Im Gang öffnete sich die schwere Stahltür und hindurch kam ein stämmiger Mann mit Bart. Er öffnete meine Zelltür, trat hinein und schloss sie wieder hinter sich. Dann hockte er sich vor mir hin und musterte mich eigenartig.

"Na, was für ein Monster magst du wohl sein?" fragte er in einer tiefen, rauen Stimme.

Monster? Will der mich verarschen?!

Ich starrte ihm stur in die Augen und biss meine Zähne zusammen.
Der Mann fuhr sich stirnrunzelnd mit einer Hand durch seinen rötlich braunen Vollbart. Plötzlich griff er in meine Wangen und zwang meinen Kiefer auseinander, was meine Giftzähne für ihn sichtbar machte.

Der Mensch schnaubte nur. Scheinbar war er nicht dumm genug, um sie zu berühren. Schade.

"Schlange," murmelte er und zog seine Hände zurück, außer Reichweite.

Seine kalten, dunklen Augen starrten mir fast ein Loch in den Kopf.

"Wo ist euer Versteck?" fragte er mich.

Ich hob nur eine blonde Augenbraue. Ernsthaft? Als würde ich ihm sowas einfach so erzählen. Und was sollte das überhaupt heißen, Versteck? Als ob wir uns jemals vor Menschen verstecken würden.

"Du siehst ziemlich verzweifelt aus," knurrte ich. "Bisher wohl kein Glück gehabt, was?"

Sein Mund verzog sich zu einem sadistischen Lächeln. Er schien das hier sehr zu genießen. "Das wird sich noch zeigen."

Prompt stand er wieder auf und verließ die Zelle. Mein Blick verfolgte ihn unnachgiebig, bis er wieder durch die knarrende Kerkertür gegangen war und diese sich hinter ihm schloss.

Der Kerl schien echt davon überzeugt zu sein, dass er weiterhin die Oberhand behalten würde, dabei wäre es so einfach ihn umzulegen. Ich musste nur auf eine günstige Gelegenheit warten. Oder bis er einen von der aggressiven Sorte fangen würde. Was auch immer davon zuerst eintraf.

Für eine Weile starrte ich einfach die Decke des Kerkers an. Aber irgendwann schloss ich dann doch meine Augen. Ich hatte ja nichts besseres zu tun, da konnte ich auch gleich mal etwas Schlaf aufholen. Vielleicht würde das den Schmerz in meinen Handgelenken etwas verdrängen. Und wenn ich wieder aufwachte, würde ich einen Weg hier raus suchen.


...

...

...

Sesto...

...

... Haha, den Schritt haste echt perfektioniert.

Klar, komm' ja sonst gar nich' mit dir mit...

...

...Hey, Sesto...

Du bist spät dran.

...

...Sesto?

Sesto...

... Wo warst du?

...

Sesto...

...Es is' deine Schuld.

...

... Sesto

...Deine Schuld... Deine Schuld... Deine Schuld

Meine Schuld... Meine Schuld...

...

Wie konntest du...?

Wie konntest du nur?

...

... Sesto, du...

...Du hast mich sterben lassen...

...

...

Ich bin tot.

Und es is' deine Schuld.



--------------------

Hey 👋
So, das war das erste Kapitel des zweiten Teils. YAY! 😁
Hat es euch gefallen? Was ist euer erster Eindruck von Sesto, dem neuen Protagonisten?

Teaser für Kapitel 2:
Freut euch auf zwei Personen, von denen ihr lange nichts mehr gehört habt. 😉

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top