Kapitel 25

Lorelei

Ich konnte die strahlende Sonne deutlich auf meinem Gesicht spüren. Es war angenehm warm. Ich fühlte mich so wohl, dass ich überhaupt nicht aufwachen wollte. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich genau das tun sollte. Aber warum? Gab es etwas, das ich tun musste? Oder vielleicht jemanden, den ich sehen musste? Ich erinnerte mich vage an verschneite Berge, an ganz viel Eis und... Dorean.

Als ich endlich meine Augen öffnete, fiel mir erstmal auf, dass die Wärme nicht von der Sonne kam, sondern von einem Lagerfeuer, neben dem ich lag. Ich war gut in meinen Schlafsack eingewickelt. Langsam rieb ich mir den Schlaf aus den Augen und sah mich in der Höhle um.

„Prinzessin, Ihr seid wach!" rief Lucas glücklich vom Höhleneingang. Verwirrt setzte ich mich aufrecht hin.

„Was ist denn geschehen?" fragte ich. Daraufhin kam Tressa und setzte sich neben mich, auf den Boden.

„Nachdem wir voneinander getrennt wurden, haben wir einen anderen Eingang gesucht, um euch zu finden", antwortete sie mit einem kleinen Lächeln. Ich nickte ihr dankbar zu, aber dann fiel es mir wieder ein.

„Und Dorean?"

Tressas Lächeln verschwand und sie sah über meine Schulter hinweg. Ich folgte ihrem Blick und drehte mich um.

Dorean lag wie ich, in einem Schlafsack, in der Nähe des Feuers. Er schlief, aber zitterte am ganzen Körper. Das sah überhaupt nicht gut aus. Sein Gesicht war ganz rot und er atmete schwer. Er schien große Schmerzen zu haben. Ohne die Wärme meines Schlafsacks zu verlassen, rückte ich näher an ihn heran.

„Als wir euch zwei fanden, wart Ihr schon ohnmächtig, Prinzessin", erzählte Tressa, „er hatte Euch auf seinem Rücken, aber schien wie in einer Trance zu sein. Er reagierte kaum auf unsere Worte und als er endlich begriff, dass wir da waren, fiel auch er in Ohnmacht."

Irgendwie war es immer Dorean, der mich rettete. Ich legte sanft meine Hand auf seine Stirn. Er hatte definitiv ein hohes Fieber.

Als ich von Dorean wieder aufsah, fiel mir auf, dass nur Lucas und Tressa hier waren.

„Wo ist denn der Rest?" fragte ich besorgt.

„Ich habe sie auf Patrouille geschickt. Wir haben zwar bisher niemanden getroffen, aber, mit euch beiden außer Gefecht, wollte ich auf Nummer sicher gehen."

„Nun habe ich dir doch Schwierigkeiten bereitet. Ich konnte mein Versprechen nicht einhalten. Entschuldigung." Ich ließ meinen Kopf hängen, aber Tressa zog mich am Kinn wieder hoch.

„Diese Geschehnisse waren außer Eurer Kontrolle, Prinzessin. Das hätte jedem von uns passieren können. Ich bin nur froh, dass Ihr wohlauf seid."

Ich sah zurück zu Dorean. „Er braucht dringend einen Arzt", sagte ich, obwohl ich mir sicher war, dass Tressa darüber schon nachgedacht hatte.

Sie nickte zustimmend. „Allerdings. Doch wir sind mitten im Nirgendwo. Die Chancen rechtzeitig einen Arzt zu finden sind sehr gering."

Aber es musste doch etwas geben, dass wir tun konnten. Wir konnten ihn doch nicht hier leiden und sterben lassen. „Wie kommt es, dass es ihm so schlecht geht und mir nicht?" murmelte ich vor mich hin.

„Nun", antwortete Tressa überraschenderweise, „als wir euch fanden, trugt Ihr seinen Mantel. Da Ihr das nicht wusstet, nehme ich an, dass er ihn Euch umgelegt hat, als ihr ohnmächtig geworden seid."

Das hatte er tatsächlich getan? Wir kannten uns doch nur für so eine kurze Zeit und, dass er sowas riskantes tat, nur um meine Überlebenschancen zu steigern... Ich wusste nicht, wie ich mich fühlen sollte. Natürlich war ich ihm äußerst dankbar, aber ich war frustriert und traurig, dass es ihm scheinbar egal war, was mit ihm passieren würde. Wenn ich an den Kampf in Aphillia zurückdachte, war es doch ähnlich gewesen wie hier.

Während ich mit meinen Gefühlen beschäftigt war, kam Mark plötzlich ins Lager gestürmt und unterbrach meine Gedanken.

„Kommandeur, wir haben eine Dämonin in der Nähe entdeckt und sie erfolgreich erfasst."

Mein Kopf schoss augenblicklich zu ihm hoch. „Ein Drakonier?" fragte ich, während Tressa und ich aufstanden.

„Nein, Prinzessin."

Seine knappe Anwort brachte mich zum Grübeln. Schnell zog ich mich aus meinem Schafsack heraus, wickelte mich gut in meinem Mantel ein und folgte den beiden den Berg hinunter.

Als wir bei ihnen ankamen, machte sich Mark direkt wieder auf den Weg zurück zu Lucas und Dorean. Milo und Cait hielten die Dämonin an den Armen fest. Sie sah gereizt aus, machte jedoch keine Anstalten zur Flucht. Die Soldaten strahlten mich an, als sie mich erblickten.

„Schön Euch wohlauf zu sehen", begrüßte mich Cait. Milo sprach direkt nach ihr.

„Fühlt Ihr Euch denn gut genug, um schon auf den Beinen zu sein?"

Ich lachte leise auf. „Mir geht es soweit gut. Kein Grund zur Sorge", antwortete ich, bevor ich meinen Blick auf die Dämonin setzte.

Sie war eine junge Frau, ungefähr in meiner Größe, mit glattem, schwarzem Haar, dass in verschiedenen Längen, kreuz und quer, geschnitten war. Die längsten Strähnen waren an den Seiten ihres Kopfes und berührten gerade so ihre Schultern. Sie hatte strahlende violette Augen. Ich hatte schon davon gehört, aber noch nie selbst gesehen. Violette Augen waren eine echte Seltenheit. Im Großen und Ganzen war ihr Aussehen fremd und eigenartig, aber auch wunderschön. Ich war von ihr völlig hingerissen... Bis sie anfing zu sprechen.

„Ugh, das is' lächerlich", fauchte sie in einer rauen Stimme.

Ich blinzelte ein paar Male. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, was ich für eine Stimme erwartet hatte, vielleicht eine zarte, oder liebliche Stimme, aber definitiv nicht diese.

Tressa nahm einen Schritt vorwärts und begann sie auszufragen. „Was tust du hier? Bist du allein?" Sie kam gleich zum Punkt.

Die Dämonin betrachtete Tressa verdächtig. „Ich hab' Kräuter gesammelt. Da", sagte sie schlussendlich und zeigte uns den Inhalt ihrer kleinen Umhängetasche. Tatsächlich waren dort nichts als Kräuter drin. „Und ja, bin allein' hier."

Bildete ich mir das nur ein, oder sprach sie wirklich wie...

„Was für eine Art Dämon bist du?" fragte Tressa als nächstes.

Nun sah die Dämonin wirklich genervt aus. „Ich geb' euch für's nächste Mal 'nen kleinen Tipp. Wir hassen es Dämonen genannt zu werden. Das is' einfach unverschämt, beleidigend. Entweder lernt ihr gefälligst die Unterschiede zwischen uns, oder sprecht uns einfach nich' darauf an."

Nun war ich mir sicher. Sie sprach wie Dorean. Aber warum?

„Oh, und", fuhr sie fort, während sie ihre Hände hob und uns ihre Schwimmhäute zeigte, „ich bin 'ne Nixe."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top