Kapitel 7 - SIE

Am nächsten Abend ließ ich mir mit Absicht viel Zeit, es wäre immerhin keinerlei Verlust, wenn ich das Essen mit unseren Gästen verpassen würde. Sie waren gerade einmal einen Tage auf unseren Inseln und ich konnte sie nicht leiden. Einen der beiden zumindest. Ich hatte gestern Abend noch lange nachgedacht und aus irgendeinem Grund traute ich Viggo nicht über den Weg.

In der Bibliothek sowie beim gestrigen Essen hatte er sich freundlich und interessiert verhalten, doch davor... Es war mir, als wären es drei Grimbornbrüder, von denen zwei sich einen Spaß daraus machten, sich als der andere auszugeben. Vielleicht war ich aber auch einfach frustriert und konnte mich nicht entscheiden, was ich von ihm halten sollte...

Ich seufzte tief, bei dem Gedanken, dass sie volle zwei Wochen hier bleiben wollten. Ich würde es wohl wie heute machen, da ich direkt am Morgen zu Lydia geflohen war und mit ihr den Tag verbracht hatte. Ich hatte ihrer Familie geholfen die ersten erntereifen Pflanzen einzutragen, die Aufgrund des vermehrten Regens, im starken Gegensatz zu der sommerlichen Hitze, nicht besonders reich ausgefallen waren. Es würde wohl ein harter Winter für die Familien in der Siedlung werden, wenn die spätsommerliche Ernte nicht besser ausfallen würde. Vielleicht hatte ich auch deswegen so schlechte Laune.

"Miss Laila, geht es ihnen nicht gut?" fragte Lena in diesem Moment und riss mich damit aus meinen Gedanken. Besorgt musterte sie mich aus ihren goldenen Augen. "Oh nein, alles okay", versicherte ich ihr, sie sollte sich nicht um mich sorgen, ich schien einfach einen schlechten Tag zu haben.

"Nun, Ihr seid blass und nehmt euch ungewöhnlich viel Zeit, um -" "Ehrlich gesagt", unterbrach ich sie schwach lächelnd, "Habe ich einfach keine Lust auf das Essen mit unseren Gästen. Aber das ist okay. Ich habe schon schlimmeres durchgemacht. Danke für deine Sorge" Sie musterte mich skeptisch durch die Spiegelung, während sie mein Kleid noch einmal glatt strich. Doch dann lächelte sie und trat einen Schritt zurück, um ihre Arbeit als vollendet zu erklären.

"Ich könnte ihrem Vater sagen, dass ihr euch nicht gut fühlt..." - "Wa- Oh nein, das ist lieb, aber wie gesagt, da muss ich wohl einfach durch..." Ich lächelte noch einmal dankbar, bevor ich mich auf dem Weg zum Essen begab.

~*~

"Sir?" Meine Gedanken wurden von einer der Wachen der Brüder unterbrochen, die soeben den Raum betreten hatte und nun zu ihrem Herr sah. Das ganze Essen über hatte ich geschwiegen und übellaunig auf mein Essen hinab geblickt, doch nun war meine Neugier geweckt worden.

Auf ein Winken von Ryker hin begann sie zu sprechen, während ich zwischen ihm und seinem Bruder hin und her sah. Er musste wohl der ältere der beiden sein. "Man erwartet euch bei den Ställen, es geht um den grünen Albtraum", erklärte der Mann und Viggo nickte, woraufhin die Wache respektvoll den Kopf senkte und schnellen Schrittes das Zimmer verließ.

"Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?" fragte nun mein Vater, woraufhin Viggo seinen Becher auf dem Tisch abstellte und leise seufzte. "Mein Vater bevorzugt es, die temperamentvollen Drachen zu verschenken, weil, nun, -" es eindrucksvoller ist? dachte ich und biss mir auf die Unterlippe. Wie stolz konnte eine Familie eigentlich sein?! "-er ist der Meinung, dass sie ein ansehnlicheres Geschenk sind, sie sind vielfältiger einsetzbar, wenn ihr versteht."

Er nickte meinem Vater zu, der das Funkeln in seinem Blick natürlich nicht bemerkte. Ich schien die einzige zu sein, die es sah und verengte meine Augen, während ich in düster beobachtete. Diese Naivität war die Schwäche vieler Kaufmänner, sie achteten nicht auf die unwichtige Tochter, die so viel mehr als die anderen in der Person sah.

Ich spürte wie der, noch sehr wackelig stehende, Ansatz des Vertrauens in mir bröckelte, als ich sah wie er die Wahrheit herumdrehte. Theoretisch log er nicht - ich würde dieses Zug vielleicht sogar bewundern, wenn er nicht gegen meine Familie gerichtet wäre.

"In diesem Fall sollte sich einer unserer Männer auf den Weg zu den Stallungen begeben, bevor einer dieser Bestien meinen schönen Stall abbrennt", sagte nun mein Vater, "außerdem wollen wir ja nicht, dass unseren Geschenken etwas passiert." Viggo wollte gerade etwas erwidern, als er von dem älteren Bruder unterbrochen wurde.

"Ich denke nicht, dass eure Männer das Fachwissen besitzen, wenn unsere eigenen Leute Probleme haben", warf nun Ryker in den Raum, der bisher kaum gesprochen hatte. Ich beobachtete interessiert wie Viggos Kiefer sich anspannte und seine Wangenkochen sich nun deutlicher abzeichneten. Es schien sich wohl nicht um ein inniges Geschwisterverhältnis zu handeln.

"Was mein Bruder damit sagen wollte," fing er an und warf dem Angesprochenen einen finsteren Blick zu, "Es tut uns wirklich leid, dass wir so plötzlich das, wirklich köstliche, Essen unterbrechen müssen, doch liegt ihr in eurer Annahme ganz richtig, dass einer von uns nach dem rechten sehen sollte, bevor etwas oder jemand zu Schaden kommen kann."

Er nickte meinem Vater erneut zu, der ein leichtes Lächeln andeutete, während ich innerlich den Kopf schüttelte. Wie konnte man sich nur so gut herausreden und dabei noch die Gunst des Gastgebers gewinnen?! Auch meine Mutter hatte das bemerkt, zumindest musterte sie den jungen Drachenjäger aufmerksam. Allerdings lächelte sie bewundernd und ich hätte aufschreien können.

"Adelaila könntest du unserem Gast den Weg zu den zu Drachenställen zeigen?" fragte sie nun, wand ihren Blick aber erst zu Ende des Satzes von Viggo ab. Ich öffnete schon den Mund um zu protestieren, doch brachte ihr Blick mich zum schweigen. "Natürlich Mutter", murmelte ich geschlagen und schob meinen Stuhl nach hinten.

Ryker und Viggo tauschten schnell einen, für mich nicht zu deutenden, Blick aus, bevor der jüngere Bruder sich ebenfalls erhob. Er bedankte sich noch für das Essen und entschuldigte sich erneut, während ich ein Seufzten unterdrücken musste. Schon jetzt ging es mir auf die Nerven, dass niemand diesen Schauspieler enttarnte.

~*~

Schweigend folgte ich der blonden Prinzessin durch den kurzen Gang, der das Speisezimmer und den Festsaal miteinander verband.

An den Wänden flackerten mehrere Feuerschalen, die an kunstvollen Halterungen aufgehängt worden waren, da die gläserne Decke zu so später Stunde nicht mehr genug Licht hereinwarf. Die schwere Tür, zum eben verlassenen Raum hin, dämpfte die Gespräche der anderen, sodass das einzige Geräusch von meinen schweren Stiefeln ausging. Laila hingegen bewegte sich wie ein kleiner Drache, flink und lautlos, sodass ich sie nicht bemerkt hätte, würde sie nicht vor mir laufen.

Für einen Moment hingen meine Augen an ihrer schlanken Gestalt und ihren wehenden Haaren, wie sie zielstrebig durch den Gang lief, bevor wir erneut eine Tür passieren mussten.

Der große Festsaal, welcher anscheinend auch als öffentlicher Treffpunkt genutzt wurde, war überwiegend leer, auch wenn hin und wieder noch kleine Gesprächsgruppen an den großen Tischen saßen, die ich im gestrigen Trubel nicht einmal bemerkt hatte. Laila senkte den Kopf ein wenig und beschleunigte ihre Schritte, während ich sie aufmerksam beobachtete.

Natürlich bemerkten die Menschen uns, unter anderem, weil meine Wachen sich von der Tür lösten und uns nun mit wallenden Umhängen und lauten Schritten folgten, doch vor allem wegen der Tatsache, dass gerade die beiden Erben, der einflussreichsten Familien des Inselreiches durch die Halle liefen.

Das einzig seltsame an der Sache war, dass das einem von uns wohl gar nicht zu passen schien. Die Frage war nur, warum? Laila war immerhin, genau wie ich, damit aufgewachsen, dass man sie als Tochter der Riggoths in den Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit stellte. Ich hatte, wie auch Ryker und alle anderen der Familie, gelernt das zu genießen, warum also sie nicht?

Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als wir auch die Eingangshalle durchquerten und an der Bibliothek vorbei durch eine Seitentür das Gebäude verließen. Die Luft war noch feucht vom gestrigen Regen und die letzten Sonnenstrahlen verschwanden gerade hinter den Bäumen, die etwas hinter den Gartenanlagen in die Höhe ragten.

Damit neigte der zweite Tag auf den Handelsinseln sich dem Ende. Ich hätte erwartet, dass es langweiliger werden würde, in Gesellschaft meines stumpfsinnigen Bruders, doch mit dem blonden Wirbelsturm an meiner Seite verging die Zeit erstaunlich schnell. Auch wenn ich sie über den heutigen Tag hinweg kaum gesehen hatte, meines Wissens nach war sie unten im Dorf gewesen.

Gerade nickte sie den beiden Wachen zu und sie wechselten einige Worte, woraufhin sie ihr freundlich zulächelten und die Flügeltüren hinter uns schlossen. Verwirrt lief ich etwas schneller und holte sie nach wenigen Schritten ein, gerade als der Kiesweg sich zu den großen Gartenanlagen wand. "Laila!" Sie sah zu mir hinüber, eine fragende, doch neutrale Mine aufgelegt.

"Ist es bei euch üblich - ich bin mir nicht sicher, wie ich es nennen soll - seine Wachen zu... kennen? Ich meine- " "Weil ich sie begrüßt habe?" fragte sie, ohne mich ausreden zu lassen und zog ihre Augenbrauen zusammen, als wunderte sie sich wirklich, ob das mein Ernst wäre. Allerdings hatte ich eher auf die Vertrautheit zwischen ihnen angespielt und lachte. "Wenn du es so sagt, dann hört es sich auch lächerlich an."

Durch die plötzlichen Schatten, die die Bäume auf uns warfen, zwischen die der Weg uns führte, sah ich sie nicht mehr genau, auch erwiderte sie nichts auf meine Aussage. Der Weg fiel etwas ab, knollige Wurzeln schlängelten sich über den matschigen Boden und ich richtete meine Aufmerksamkeit nach unten, sodass auch ich ihren fragenden Blick nicht bemerkte, der auf eine Erklärung wartete.

"Ich meine nur, die bei -" Wir wurden von einem plötzlichen Knirschen hinter uns unterbrochen, woraufhin ich reflexartig zurücksprang und somit meiner Wache auswich, die wohl auf dem nassen Wurzeln den Halt verloren hatte und nun unsanft den Weg hinunter stürzte. Ruhig sah ich ihm nach, bis er zum Stillstand kam, während Laila geschockt keuchte und sich eine Hand auf den Mund schlug. Ich signalisierte der anderen Wache seelenruhig, sie solle nach ihm sehen, woraufhin der Angesprochene schnell nickte und an uns vorbei den Weg hinunter lief.

"Was soll das, du hättest ihn auffangen können!" fuhr Laila mich nun an, während ich immer noch die beiden Männer etwas unter uns beobachtete. Sie sah mich völlig entgeistert an, als wäre ich derjenige gewesen, der ihn geschubst hatte.

"Hättest - Können... Konjunktiv", verdeutlichte ich, drehte mich zu ihr und zog fragend eine Augenbraue hoch. Warum hätte ich ihn denn auch fangen sollen? Im Vergleich zu ihr kannte ich meine Wachen nicht besonders gut, weil es mir schlicht und einfach nicht wichtig war. Abgesehen davon, ich hätte gar nicht so schnell reagieren können, wie sie es von mir erwartete.

"Was!? Stell die mal vor das wäre ein - ein - Vulkan oder ähnliches gewesen! Ist es dir eigentlich komplett egal, wenn andere dich für ein asozialen... kaltherzigen", sie schüttelte, bebend vor Wut, den Kopf und ihr Blick wanderte an mir herab, als würde sie so die richtigen Worte finden, bevor sie mich wieder ansah.

Unsere Nähe aus der Bibliothek war wie vergessen, so voller Abneigung funkelten ihre blauen Augen, "... arroganten und verzogenen Schnösel halten?! Was glaubst du warum ich meine Wachen anlächle, das ist für normale Menschen selbstverständlich! Du könntest ja auch mal von deinem hohen Ross steigen und nett sein!" zischte sie und lief dann in schnellen Schritten den Weg hinunter. Da hatte wohl jemand wirklich schlechte Laune.

Kopfschüttelnd sah ich ihr hinterher, während die Wachen eben diesen Weg wieder zu uns herauf kam. Dieser plötzliche Stimmungwechsel hatte mich zugegeben unvorbereitet getroffen. Gestern in Bibliothek noch hatten wir uns gut verstanden, das meinten andere Händler also, wenn sie sagten, Frauen wären nicht zu verstehen. Rein rational gesehen war ich aus Reflex ausgewichen, wo war da der Grund sauer zu sein?

"Entschuldigt, Sir. Es wird nicht - " "Keine Sorge, alles in Ordnung", unterbrach ich die gestürzte Wache und lächelte nachdenklich. Überraschen flackerte im gesenkten Blick des, noch sehr jungen, Mannes auf. "Vielen Dank, Viggo." Ich nickte nur passiv, während die Wache sich wieder in der Formation einreihte. War ich wirklich so - kaltherzig, wie Laila das sah? Für einen kurzen Moment zögerte ich tatsächlich, bevor ich den Gedanken verdrängte und mir wieder bewusst machte, dass mein Verhalten vor niemandem gerechtfertigt werden musste. Nicht mal vor dieser Prinzessin.

Wieder schüttelte ich den Kopf und sprang dann in großen Schritten den Weg hinunter, tiefer in den Wald hinein, Laila hinterher.

So Leute, der erste Ehekrieg xD

Spaaaaaß :D

Der Arme Viggo bekommt aber auch gar keine Chance, Laila ist ziemlich davon überzeugt ihn nicht zu mögen haha. Obwohl er eigentlich gar nicht so schlimm ist, oder?! xD

Einen wunderschönen Tag euch noch, meine Kalenderbande<3

LG Honigmuesli

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