Kapitel 12 - SIE

Heute geht es (später) um einen Neuling, was die Erzählperspektive angeht, da () aber keine Hauptperson ist, wird () nicht aus dem "Ich" sprechen, bloß, dass ihr euch nicht wundert!

~+*+~

Einen Tag, nachdem Ruben in unsere Planung geplatzt war, liefen wir gemeinsam durch die Gartenanlagen hinter dem Anwesen und redeten über allerlei Belangloses. Seit ich die Planungsgespräche mit Viggo übernommen hatte, hatten wir nicht so viel Zeit miteinander verbracht, was sich nach den nunmehr vier Tagen auch bemerkbar machte. Nicht einmal mit Lydia hätte ich mich treffen können, wäre sie noch auf der Insel...

Für eine Weile verfielen wir in Schweigen, während der Kies unter unseren Füßen knirschte und der Wind mit unseren blonden Haaren spielte. Es war wieder wärmer geworden und der Regen hatte nachgelassen, der Sommer machte sich wieder bemerkbar. Auch Ruben hatte die, wieder zunehmenden, Sonnenstunden genutzt, um zu trainieren, nachdem er sich vor einigen Monden eine Verletzung am Arm zugezogen hatte.

"Hat Großvater eigentlich bemerkt, dass du dein altes Schwert wieder benutzt?" fragte ich lächelnd, angesichts des Gedanken. Auch mein Cousin begann zu grinsen, bevor er lachend den Kopf schüttelte. "Nein, du weißt doch, er interessiert sich nicht sonderlich für unsere Waffenwahl." Ich nickte in Gedanken an den Anführer unserer Wachengarde, der schon die besten Kämpfer ohne eine Waffe besiegt hatte.

Er selbst war bereits in die Jahre gekommen und trainierte seine Gruppen nicht mehr selbst, stattdessen ließ er sie gegeneinander antreten. Er war ein strenger Meister und doch waren seine Männer die besten des Inselreichs. Großvater Roald war seiner Tochter, meiner Mutter, auf diese Insel gefolgt und hatte schnell den Befehl über die Wachen übernommen, angesichts seiner jahrelangen Erfahrung im Umgang mit Waffen. Zu uns, Ruben, Vira und mir, sowie seinen beiden Töchtern war er allerdings ähnlich herzlich und liebevoll, wie meine Mutter selbst es war.

"Gestern hat einer der Neulinge sein Schwert nicht geschliffen", begann Ruben zu erzählen und ich zog bereits scharf die Luft ein, das hatte bestimmt kein gutes Ende genommen. "Er musste zur Strafe mit einem einfachen Stock kämpfen, welcher bereits beim ersten kräftigen Schlag zerbrochen war. Und rate was?" - "Er musste trotzdem weitermachen?" riet ich, bevor er selbst antworten konnte.

"Mit zwei ellenlangen Stöcken musste er dann noch knapp eine Stunde weitermachen, bis Roald ihn nach hause schickte, um sein Schwert zu schleifen!" Ruben lief inzwischen rückwärts vor mir, um mich im Gehen ansehen zu können. Er grinste schadenfroh und ich wurde unwillkürlich davon angesteckt. "Ich schätze er hat daraus gelernt", erwiderte ich, als wir gerade den kleinen Teich in der Mitte des Gartens erreichten.

Das Wasser plätscherte ruhig über die angelegten Stufen, hinab in das niedrigste Becken, indem einige Wasserpflanzen trieben. Die Sonne spiegelte sich im trüben Wasser. Ruben und ich waren vor vielen Jahren einmal hinabgetaucht, um zu sehen, wie das Wasser wieder nach oben gezogen wurde, bis uns ein Angestellter herausgezogen und erklärt hatte, wie es funktionierte, doch erinnerte ich mich nicht. Damals hatte ich es auch nicht verstanden.

"Heute hatte er das schärfste Schwert von allen", kehrte Ruben zu unserem Gespräch zurück, nachdem wir uns auf den warmen Steinrand des Teiches gesetzt hatten. "Viggo hat mir erzählt, dass sie bei ihnen zuerst lernen mit Stöcken zu kämpfen, das hat er wohl auch letztes Jahr seinem Cousin Lars beigebracht", erinnerte ich mich an eines unserer Gespräche, die wir im Frust über die gescheiterte Planung geführt hatten.

"Moment, der Lars, der sich um unsere Drachen kümmert?" - "Wa - oh nein", ich begann zu lachen, als er genau die Frage stellte, die ich Viggo gestellt hatte, "Also, der blonde Lars, der sich in den Stallungen aufhält, das ist lediglich der Verlobte einer Cousine. Und den Lars, den ich gerade meinte, Lars2, sozusagen, der ist gerade einmal vier Jahre alt", erklärte ich knapp die Familienverhältnisse der Grimborns, was den doppelten Namen betraf. "Und woher weißt du das?" hackte er nun nach und musterte mich skeptisch.

"Echt jetzt, Ruben? Wir haben vier Tage lang im Verhandlungszimmer gesessen." Vater und Viggo waren immer noch dort und arbeiteten den Rest des Vertrages aus "Da redet man einfach über dies und das."

"Aha", erwiderte mein Cousin misstrauisch und ich zog eine Augenbraue hoch. "Was denn, er kann echt nett sein." - "Jetzt schlägst du dich also auf seine Seite? Vor ein paar Tagen -" "Was hast du den jetzt?" unterbrach ich ihn verwirrt, während er die Arme vor der Brust verschränkte. "Er kann echt lieb sein, ich habe mich vor ein paar Tagen noch getäuscht, außerdem weißt du ja, wie ich manchmal sein kann. Und in einer Woche ist er schon wieder weg, du glaubst doch nicht echt, dass ich dich hinten anstelle oder?" redete ich auf ihn ein und legte eine Hand auf sein Knie, um ihn zu besänftigen. Doch er lächelte bereits wieder, was ich erleichtert erwiderte.

Ich wusste zwar, dass er Viggo einfach nicht traute und Angst um mich hatte, das hatte er immer. Aber genauso wusste er, dass ich es nicht leiden konnte, wenn er immer versuchte mich zu beschützen. Doch jetzt wo ich gesagt hatte, dass sich in diesen zwei Wochen nichts weiter zwischen mir und Viggo entwickeln würde, als eine einfache Zuneigung, da schien er sich tatsächlich etwas entspannt zu haben.

~*~

Geehrter Vater,

wir befinden uns seit nunmehr einer Woche auf dieser Insel, Viggo und Oswald kümmern sich wie erwünscht um denn Vertrag. Die Drachen wurden artgerecht verstaut und es wurde dafür gesorgt, dass Oswald gefallen an ihnen findet. Lars kümmert sich um die Wesen, auch wenn es temporäre Schwierigkeiten mit dem grünen Albtraum gab, denen Viggo sich allerdings persönlich angenommen hat. Auch plant er mit der Tochter der Riggoths, Laila, auf den Wunsch ihres Vaters, die Strategie gegen den dritten Händlerstand, den sie in den Vertrag mit aufzunehmen wünschen. Alle beide scheinen sich gut mit dem jeweils anderen zu verstehen, sie sprechen und lachen viel miteinander, selbst während des gemeinsamen Essens können sie kaum die Augen voneinander lassen. Auch sind sie nach nun fast vier Tagen zu keinem Ergebnis bezüglich der Vorfälle gekommen, obwohl sie jede frei Minute im Verhandlungszimmer verbringen. Ich schätze du erahnst bereits, auf was ich hinaus möchte, Viggo kommt üblicherweise doch eher zügig zu einer Erkenntnis. Nun warte ich auf deine Meinung zu dem Ganzen, um dementsprechend zu handeln.

Gezeichnet,
Ryker Grimborn

~

Grinsend faltete er das Papier zusammen und legte es beiseite. Ryker war schon immer leicht zu überzeugen, angesichts seiner Vorliebe für das Scheitern anderer. Außerdem hatte er ihm noch nie einen Wunsch abschlagen können, seit er ihm einmal sein Schwert geliehen hatte. So einfach war es, dass er nun dieses Papier in Händen hielt und seinen Plan ausführen konnte. Dass sein Cousin von der Zuneigung zwischen Laila und Viggo berichtet hatte, spielte ihm nur weiter in die Hände.

Gereizt fuhr er sich durch die blonden Haare, die so untypisch für einen Grimborn waren. Doch er verachtete diese Familie, genau wie das Wort "Cousin". Jeder einzelne von ihnen war arrogant und handelte aus reinem Eigennutzen. Nicht einmal seine Thea konnte er aufrichtig lieben, so naiv hatte sie sich auf ihn eingelassen, nachdem ihre Mutter auf mysteriöse Weise verschwunden war. Schnaubend schüttelte er den Kopf, bei dem Gedanken, dass sie ihn nicht eines Blickes gewürdigt hatte, sich einige Monate später allerdings, verzweifelt nach Liebe sehend, regelrecht auf ihn gestürzt hatte.

Seufzend sah er aus dem Fenster, wo ihm augenblicklich der salzige Meereswind entgegenkam. Sein Blick fiel auf die anderen Schiffe an der Anlegestelle, wie sie, genau wie sein eigens, sanft auf den Wellen schaukelten. Niemand war je auf die Idee gekommen, dass all die Pläne hier, direkt in Greifweite, in seinem Zimmer lagerten. Niemand in der Familie Grimborn würde jemals von diesem Stolz abkommen, um den Gegner in den eigenen Reihen zu vermuten.

Nicht einmal Viggo, der schlauste Kopf und zugleich der einzige unter ihnen, dem er es zugetraut hätte, scheiterte an dem Muster seiner Angriffe, die er seit Jahren mit den Dorfbewohnern geplant hatte. Sie alle werden unter dem neuen System, welches er anstrebte, ein besseres Leben haben.

Es hatte nicht viel gebraucht, um diese Menschen davon zu überzeugen, dass man die beiden großen Familien stürzten sollte. Und da würde es nur von Nachteil sein, wenn die beiden Erben dieser Familien sich gut miteinander verstanden, wenn es nicht sogar mehr werden könnte. Da war es ihm natürlich gelegen gekommen, dass Ryker sich ständig über seinen Bruder aufregte.

Sobald Arian von der ganzen Sache erfuhr würde er in seinem Zorn die Insel ungeschützt lassen, was seinen Plan in die Endphase bringen würde. Und jeder würde sein Namen kennen, als der Mann, der die Freiheit für die einfachen Familien gebracht hatte.

Lächelnd wand Lars sich ab und schob die Unterlagen in eine Schublade, bevor er sich daran machte, den Brief zu versenden.


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