Kapitel 10 - SIE
Was würde ich nur ohne sie machen...
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"WAS?" - "Laila, es tut mir echt leid. Wirklich, ich -", versuchte Lydia zu Wort zu kommen, schaffte es jedoch nicht meine Flut aus Worten zu durchbrechen.
"Bei allen Göttern, das kannst du mir doch echt nicht antun!" jammerte ich weiter. "Wie soll ich eine ganze Woche ohne dich überleben?" ich wurde immer lauter, bevor ich aufhörte im Raum herum zu laufen und ihr einfach kraftlos umarmte. "Ich hab auch echt keine Lust auf diese Versammlung, glaub mir." Vorsichtig löste Lydia sich von mir und zog uns beide auf ihr Bett, wo ich mich frustriert nach hinten fallen ließ und an die hölzerne Decke starrte.
Ihr Zimmer war um einiges kleiner, als das meine, doch dafür umso persönlicher. Das Haus der Rojans' war ein einfaches Haus, eines wie ich es auch manchmal gerne hätte. Es war gemütlich, auch wenn es unordentlich und meinst voller Leben war. Ihre beiden kleinen Brüder polterten laut schreiend die Treppe herunter, ihre Mutter verteilte die Wäsche im ganzen Haus, damit sie trocknen konnte oder ihr Vater trug mit seinen schlammigen Stiefeln verschiedenste Dinge vom Feld in den Vorratsraum. Hier war immer etwas los, doch war ich seit ich Lydia kannte immer willkommen gewesen.
Wenn Lydia wirklich eine Woche weg sein würde hieße das auch, dass ich eine Woche lang in diesem goldenen Käfig gefangen wäre. Ich ließ meinen Kopf zur Seite fallen und sah meine beste Freundin hoffnungsvoll an. "Was macht ihr da überhaupt?" ich wusste nur, dass sie auf eine Nachbarinsel reisen würden. Neben der großen Hauptinsel befanden sich viele kleinere, welche hauptsächlich als Lager genutzt wurden, auch wenn vereinzelt Menschen angesiedelt waren. "Das ist so'ne Art Familientreffen, um die Wintervorräte zu teilen", erklärte sie etwas nervös und ich zog die Augenbrauen hoch. Das konnte noch nicht alles sein, das merkte ich ihr an. "Es ist noch nicht mal Herbst und außerdem wisst ihr doch, dass ich -"
"Nein, Laila, wir -" Sie seufzte und sah auf den Boden. Sofort richtete ich mich auf und beobachtete sie auffordernd, weiter zu sprechen. Wenn Lydia nicht einmal darüber witzelte, dass ich jedes Jahr mit meinem Vater diskutierte um am Ende wieder Sachen aus der Küche zu stehlen, dann musste irgendetwas nicht stimmen. "Ich - wir sind dir wirklich dankbar, dass du das jedes Jahr machst, aber das kann auch nicht so weiter gehen...", versuchte sie zu erklären, doch ich schüttelte vehement den Kopf. "Oh doch, das kann so weiter gehen! Lydia ihr nehmt mich jetzt seit neuen - neun Jahren bei euch auf, wenn ich es nicht aushalte da oben zu sein. Da kann ich auch etwas für euch tun."
Lydia lächelte schwach, doch wusste ich, dass sie stur bleiben würde. Dass ihre Eltern stur bleiben würden. Die beiden waren die freundlichsten, selbstlosesten Personen in der Siedlung, sie hatten die Vorstellung noch nie gemocht, doch ich hatte ihnen immer wieder das selbe gesagt wie Lydia.
"Johannes wir auch dort sein...", murmelte sie leise und ich hob ruckartig den Kopf. Johannes Rojan war der älteste Bruder der Familie und er hatte die Siedlung vor etwa drei Jahren verlassen, um sich sein eigenes Leben zu suchen. So weit ich wusste hatte keiner der Rojans' ihn seither gesehen, ein Grund allein um zu diesem Treffen zu gehen.
"Nun gut, das verstehe ich... also nicht, das ich das andere nicht verstehen würde...", flüsterte ich geschlagen und Lydia sah auf. Das Grinsen kehrt auf ihr Gesicht zurück und ich musste ebenfalls lächeln. "Seit wann gibst du dich so schnell geschlagen?" fragte sie und ich wusste, dass sie zu einem Witz ansetzten wollte, doch unterbrach uns ihre Mutter Maj, die von unten zum Essen rief. Es war der Mittag des nächsten Tages und Maj hatte schon in der Küche gestanden, als ich gekommen war. Immerhin begann die Früchtesaison, auch das erste Gemüse war erntebereit und die Frauen der Siedlung kochten einen Korb nach dem anderen ein, backten und trockneten, um sie noch vor der Haupternte einzulagern.
Lydia erhob sich und sah mich abwartend an. Sie schien meine Gedanken wohl zu erraten, da sie mitleidig lächelte. "Es tut mir wirklich leid, ich bin ja auch schon bald wieder da. Wir sehen uns öfter ein paar Tage nicht, wenn du nicht nach draußen darfst, das wird schon nicht so schlimm, wirklich."
Ich nickte langsam und lächelte traurig, bevor ich sie erneut in den Arme schloss und einmal tief durchatmete. "Danke, Laila", flüsterte sie leise und ich schnaubte amüsiert. "Nein, das ist doch klar. Und auch nichts besonderes, immerhin sind wir Freunde. Ich habe kein Recht, dich zum Bleiben zu zwingen."
Nun war es Lydia die schnaubte und mich anklagend ansah. "Finde mal deine gute Laune wieder, bis ich wieder da bin." Ich lächelte und stieß ihr beleidigt in die Seite. "Ich werde deine blöden Witze vermissen." - "Und ich deine gute Laune." - "Ha-ha." Lydia fing an zu kichern und lief vor mir die Treppe nach unten, bevor ihre Mutter erneut rief. Ich eilte ihr hinterher und musste den beiden Zwillingen ausweichen, die vor ihrem jeweiligen Bruder beim Essen erscheinen wollten. Als sie mich erkannten riefen sie ein schnelles "Hallo", bevor sie schon verschwunden waren.
Deren große Schwester vor mir schüttelte nur amüsiert den Kopf, während ich traurig lächelte. Ich würde das wirklich vermissen.
~*~
Immer noch übel gelaunt durchquerte ich die Bibliothek, nahm mir ein wahlloses Buch aus dem Regal und eilte dann die Wendeltreppe neben der Tür nach oben. Ich wusste nicht woher meine schlechte Laune kam und ich wusste auch nicht warum ich in den letzten Tag so leicht zu reizen war. Es gab einfach keinen rationalen Grund! Zwar erschien es mir leichtfertig, alles auf die beiden Grimborn Brüder zu beziehen, doch seit sie hier waren hing ein Schatten über meiner Laune.
Es hatte nicht einmal etwas mit ihnen zu tun, zwar verwirrte Viggo mich und ich traute seinem wechselhaftem Gemüt nicht, doch würde ich unter normalen Umständen darüber hinweg sehen und mich einfach nicht mit ihm abgeben.
Vielleicht hing es auch mit der erneuten Gefangenschaft in diesen Mauern, die mein Ausflug zum Markt vor gut sechs Tagen zur Folge hatten, zusammen. Danach neigte ich öfter dazu besonders launisch zu sein. Dazu kam dieser förmliche Aufzug, der mir noch nie gefallen hatte und meine Sorge um die Siedlung.
Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass meine Füße mich von ganze allein durch weitere Gänge und Treppen vor die schwere Tür des Verhandlungszimmers geführt hatten. Mein Vater verbrachte oft Stunden dort, um sich um verspätete Lieferungen zu kümmern, Handelsrouten auszuarbeiten oder einen Vertrag auszuarbeiten. Meine Mutter hatte mich nur unter der Bedingung das Anwesen verlassen dürfen, wenn ich zur Mittagszeit wieder in besagtem Zimmer erscheinen würde.
Eine weitere Sache, die ich nicht verstand. Meist durfte ich nicht dabei sein, genauso wenig wie meine Mutter. Und dann gab es diese Tage, an denen ich anwesend sein musste, auch wenn ich nur auf dem angrenzenden Balkon saß, halbherzig zuhörte und auf die Vorgärten und die Siedlung hinunter sah.
Das Verhandlungszimmer befand sich direkt über der Eingangshalle und es handelte sich dementsprechend ebenfalls um einen halbrunden Raum, in der symmetrischen Mitte der Frontwand. Es war nach meinem eigenen Zimmer der höchstgelegene Punkt des Anwesend und besaß ein trübes farbloses Dach, welches aus geschmolzenem Sand, Kalk und anderen Gesteinen bestand - Glas. Es war zwar nicht vollkommen durchsichtig, doch konnte man schemenhafte Umrisse erkennen und alle Räume in denen dieses Material angewendet wurde, waren tagsüber lichtgeflutet und in der Nacht hielt sich die Wärme.
Ich versuchte meine wirren Gedanken abzuschütteln, bevor ich unsanft an die Tür klopfte und daraufhin den Raum betrat. Alle Augen lagen auf mir, während ich wortlos auf den Balkon hinauslief und mich auf meinen gewohnten Platz setzte. Hätte ich meinen Kopf ein Stück gedreht hätte ich gerade noch Ryker gesehen, wie er mindestens genauso schlecht gelaunt wie ich mit einem kleinen Dolch seine Finger reinigte.
Gerade außerhalb meines Sichtfeldes, im abgerundeten Teil des Zimmers, befand sich ein großer Schreibtisch, an dem mein Vater sich soeben hörbar räusperte und mit seiner Erzählung fortfuhr. Ihm gegenüber saß Viggo, der seinen Worten aufmerksam folgte und sich nachdenklich über das Kinn fuhr.
Mit halbem Ohr hörte ich ihm zu, während mein Blick, sowie meine Gedanken hinab zu der Siedlung und damit zu Lydia wanderten, welche ich schmerzlich vermissen würde. Es war egoistisch, sie nur meinetwegen hierbehalten zu wollen, doch blieb mir somit nichts anderes als diese Woche in meinem Zimmer abzusitzen und zu hoffen, dass der Alltag meiner Familie mich in Frieden lassen würde. Sobald ich mich innerhalb des Hauses aufhielt, fanden meine Eltern etwas, wie sich beschäftigen konnten, so wie in diesem Moment.
Leise seufzend sah ich mir das Buch an, welches ich beiläufig aus dem Regal gezogen hatte.
Der Stern des Nordens.
Ich hätte vielleicht ein zweites mal hinsehen sollen, da ich diese Buch bereits etliche Male gelesen hatte. In diesem Moment erinnerte ich mich auch an die Szene in der Bibliothek, daran, dass Viggo dieses Buch ebenfalls gelesen hatte. Sofort waren meine Gedanken wieder bei ihm und ich biss mir genervt auf die Unterlippe. Diese aufgewühlten Gedanken mussten ein Ende haben!
"... wie auch auf den Karten, die dort neben Adelaila..." Alarmiert zuckte ich zusammen, als eben diese Person meinen vollen Namen aussprach.
Mein Vater sah auf die Wand knapp hinter mir, während Viggos amüsierter Blick auf mir lag. "Erkennt ihr irgendetwas, dass mit den Vorfällen zusammenhängen könnte?" fragte mein Vater, woraufhin sein Blick ebenfalls zu der Karte wanderte und seine Stirn sich in Falten legte. Er wollte wohl gerade zu einer Antwort ansetzen, als ich ihn unterbrach. Das Wort "Vorfälle" hatte meine Aufmerksamkeit erregt.
"Geht es um die Aufstände?" hackte ich nach, woraufhin mich mein Vater mit unergründlicher Mine musterte, doch es war Viggo der antwortete. "Es geht um den Friedensvertrag zwischen unseren Familien", erklärte er, doch bevor er fortfuhr sah er zu meinem Vater, der nickte. Immerhin oblag es seiner Entscheidung, ob ich mit einbezogen werden durfte.
"Allerdings haben wir uns dazu entschlossen die Vereinigung gegen den dritten Händlerstand mit in den Vertrag aufzunehmen, da es sich dieses mal um etwas langwieriges zu handeln scheint", erklärte Viggo wahrheitsgemäß.
Heyho!
Das ist diesmal ein relativ abruptes Ende, weil Kapitel 10 und 11 theoretisch in einem hätten sein können, das aber zu lange gewesen wäre ^^'
Euch einen schönen Tag!
LG Honigmuesli
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