54.

Mit einem schwer schlagendem Herzschlag, ging ich in die kleine Bar. Meine schwarze Tasche krallte ich mit meiner rechten Hand fest während meine andere Hand meine kurzen Strähnen hinter das Ohr strich. Von weiten sah ich Ethan mit einem gesenktem Kopf an der Bar sitzen - sonst war er immer von dieser positiven Aura umgeben, die ich so bei keinem Anderen kannte. Doch diese Aura war verschwunden. Ich kannte ihn so nicht.

"Hey", sagte ich sanft als ich neben ihm stand. Sofort hob er seinen Kopf und sah mich mit den zwei eisblauen Augen an. Ich wusste nicht wieso, doch meine Panik von vorhin verschwand und die Schmetterlinge in mir erwachten. "Möchtest du hier sitzenbleiben?", stellte ich die erste unnötige Frage.

"Hey." Ethan stand von seinem Platz auf und gab mir plötzlich eine Umarmung. Zuerst war ich überfordert und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte - doch eine Seite in mir wollte genau das. Etwas in mir wollte Alles vorherige vergessen und ihn einfach nur in meinen Armen halten und nie wieder los lassen, für ihn da sein, wenn er mich brauchte. "Danke, dass du gekommen bist", flüsterte er mir in mein Ohr und ließ dann schlussendlich los. Für wenige Momente starrten wir uns an und waren beide in Gedanken versunken.

Aus irgendeinem Grund fingen wir Beide in der nächsten Sekunde an zu lachen - er schob mir meinen Stuhl zurecht. "Du siehst echt gut aus, Katelyn. Die kurzen Haare stehen dir sehr", lächelte er und sah dann schnell zu seinem Getränk vor ihm.

"Ob du es glaubst oder nicht, ich habe sie mir selber geschnitten", scherzte ich und griff mir durch meine Haare. "Witzige Geschichte - ich war auf diesem Event und habe diese Frau mit diesen wundervollen, kurzen Haaren gesehen und ich habe mir nur gedacht: Wow, ich möchte auch so toll aussehen!", lachte ich und erzählte die Geschichte um die Stimmung zu lockern. "Einige Stunden später bei mir zuhause und mit zwei ... drei Gläser Wein zu viel, habe ich mir meine Haare geschnitten. Am nächsten Morgen bin ich aufgestanden und habe die Haare in meinem Waschbecken gesehen und erst dann realisiert, was ich getan habe." Der Barkeeper stoppte bei mir, worauf ich mir schnell einen Drink bestellte und dann wieder Ethan meine Aufmerksamkeit schenkte. "Meine Haare sahen bei Weitem nicht so gut aus wie ihre - sie hat wahrscheinlich für den Haarschnitt hunderte von Dollar ausgegeben und da war wahrscheinlich eine bessere Entscheidung", grinste ich vor mich hin.

Meine Geschichte lockerte tatsächlich die Stimmung auf - die nächste Stunde verbrachten wir damit uns von den letzten fünf Jahren zu erzählen. So, wie wir es auch damals machten, als wir uns das erste Mal nach acht Jahren wieder sahen. In diesem Moment waren wir nicht zwei Personen, die vergeblich ineinander verliebt waren. Wir waren die besten Freunde, die seit unserer ersten Begegnung waren.

"Du tanzend auf einem Tisch?", schüttelte ich meinen Kopf und lachte. "Ich hoffe davon gibt es ein Video", griff ich nach meinem Glas und nahm den letzten Schluck.

"Gott sei Dank kein Video, aber das ist die Geschichte hinter dieser Narbe", lachte er und deutete auf die kleine Narbe neben seiner Augenbraue. "Die Westküste ist einfach der Wahnsinn, Katelyn! Schade, dass du nicht länger in San Francisco geblieben bi-", stoppte er. Kein einiges Mal erwähnte er Tienna und die Hochzeit - ich erwähnte Nate ebenfalls nicht. Ethan Lewis schluckte star und strich sich dann durch seine Haare. "Möchtest du vielleicht noch ein Wenig am Pier spazieren gehen? Du kannst mir dann mehr von deiner Arbeit erzählen und dem Restaurant deiner Mom", fragte er mich und schenkte mir diesen einen Blick.

Ich spürte, wie sich Alles in mir zusammenzog. Natürlich wusste ich, dass ein Spaziergang mit Ethan und ein wenig Alkohol im Intus keine gute Idee war - doch mein Herz wollte es. "Ja, gerne", lächelte ich ihn an.

Ethan zahlte unsere Rechnung - während ich vor ihm aus der Bar ging, spürte ich seinen Blick auf mir ruhen. Aus irgendeinem Grund fühlte sich der heutige Abend wie ein Traum an. Ich konnte nicht fassen, dass ich tatsächlich hier war ... mit ihm. "Erzähl mir von deiner neuen Arbeit, wie bist du dazu gekommen?", fragte Ethan interessiert.

Langsam gingen wir nebeneinander den Pier entlang. Ich versicherte mich, dass genügend Abstand zwischen uns war. "Ich kann dir dazu keine Antwort geben - ich war schon immer an den Geschichten meines Vaters interessiert und habe über die Jahre Dank ihm sehr viel Wissen aufgesammelt. Irgendwann habe ich diese tolle Immobilie außerhalb von Boston gesehen. Mit Dad bin ich dann über ein Wochenende nach Boston gefahren und wir haben uns zusammen die Immobilie angesehen. Dad jedoch sah kein großes Potential - ich aus irgendeinem Grund konnte mir einfach Alles bildlich vorstellen. Ich wagte damals das Risiko und es hat sich definitiv ausgezahlt", lächelte ich vor mich hin. Ich erinnerte mich daran, als ich meinem Vater von meinem erstem Verkauf erzählte. Er war stolz wie noch nie zuvor. "Und seitdem handle ich auch mit Immobilien - es macht irgendwie Spaß."

Als sich Ethans und meine Augen trafen, bemerkte ich, dass er mich in den letzten Sekunden mit einem Lächeln beobachtete. Seine Wangen waren leicht vom Alkohol gerötet, weswegen seine eisblauen Augen noch mehr hervorstachen. "Und du bist glücklich, so wie dein Leben derzeit ist?"

Tief atmete ich aus und versuchte meine eigentliche Antwort mir nicht anmerken zu lassen. War ich denn glücklich? Ich wusste, dass ich während bestimmten Momenten mit Nate überglücklich war. Doch, wenn Nate nicht bei mir war, fühlte ich mich einsam und definitiv nicht glücklich. "Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe enorm Lust auf Eis", deutete ich auf die Eisdiele meiner Mutter, die bloß nur wenige Meter von uns entfernt war. Ich wechselte das Thema, da ich wusste, Ethan würde eine Lüge erkennen. Die Wahrheit wollte ich ihm jedoch nicht geben.

Ethan sah zwischen meinen Augen hin und her - er wird dieses Thema noch einmal aufgreifen wollen. "Gerne", antwortete er schließlich stattdessen und folgte mir zur Eisdiele. Sofort sperrte ich die Tür auf und machte einige Lichter an, danach ging ich um die Theke und holte Löffel und zwei Schüsseln aus der kleinen Küche.

"Bedien dich", deutete ich auf die zig verschiedene Eissorten vor uns. "Leider haben wir keine Früchte mehr. Mein Lieferant hat ohne mir zu sagen, sich dafür entschieden uns diese Woche nicht mehr zu beliefern", rollte ich meine Augen. "Erzähl mir von deinem Job und San Francisco. Du hast mir zwar sehr viel vom Nachtleben und dem Strand erzählt, aber kaum Etwas über deine Freunde und deiner Arbeit."

"Meine Arbeit ist ziemlich langweilig - ich führe weder zwei sehr gut laufende Restaurants und eine Eisdiele noch handle ich mit Immobilien", lachte er und griff nach seinem Lieblingseis. "Ich werde demnächst in einem neuem Unternehmen in der Finanzabteilung anfangen. Es macht mir sehr großen Spaß und dennoch fühlt es sich manchmal nicht wie der richtige Job für mich an."

Meine Stirn runzelte ich. "Wieso nicht?", fragte ich vorsichtig.

Ethan zuckte mit den Schultern und antwortete: "Ich sitze von morgens bis spät nachmittags in einem Büro - jedenfalls war es bis jetzt so. In meiner neuen Position werde ich hoffentlich mehr mit anderen Menschen zu tun haben. Du kennst mich, ich war schon immer gut mit anderen Menschen und habe jeglichen sozialen Kontakt sehr gemocht. Die letzten Jahre in San Francisco waren ein Wenig düster. An manchen Tagen waren meine zwei Kollegen, die in derselben Abteilung sind, und Tienna die einzigen Personen, mit denen ich den ganzen Tag sprach", lachte Ethan vor sich hin und schüttelte den Kopf.

Im nächsten Moment realisierte er, dass er den Namen seiner Frau aussprach - sein Lachen verschwand. Meinen Kopf senkte ich und sah die Schüssel vor mir an. Ich wollte nicht, dass er sich so in meiner Gegenwart fühlte. Es schien so, als müsste er einen Teil vor mir verstecken, weil er Angst hatte mich zu verletzten. "Wann hast du Tienna kennengelernt?", fragte ich schließlich vorsichtig.

"Gleich in meinem ersten Jahr an der Westküste", antworte er nach einigen Sekunden. "Ich habe sie und zwei weitere Personen am selben Abend kennengelernt. In den ersten zwei Jahren waren sie und ich bloß nur Freunde, weil ich noch nicht bereit war." Meinen Kopf hob ich und sah ihm direkt in seine eisblauen Augen. "Alles danach ging viel zu schnell und irgendwann war ich auf einmal verlobt und jetzt verheiratet", versuchte Ethan mir Etwas zu sagen.

Vielleicht lag es an dem Alkohol in meinem Blut und vielleicht auch an den Erinnerungen seiner Hochzeit, die in meinem Kopf schwirrten, doch plötzlich fühlte ich mich komisch. Was wollte mir Ethan mit "es ging viel zu schnell" sagen? Dass er all das nicht plante? Dass er mich damals noch immer liebte? "Ich bin ehrlich Katelyn, ich kann es nicht glauben, dass du hier gerade mit mir bist. Ich dachte, dass du mich hassen würdest." Meinen Kopf legte ich schief und schüttelte ihn leicht. Ich könnte ihn nie hassen - egal, welchen Schmerz er mir zufügte. "Nein - du hättest jeden Grund dazu. Ich bin aus deinem Leben und habe mich kaum gemeldet. Und dann von heute auf morgen erfährst du von mir, dass ich verlobt bin und heiraten werde. Ich wüsste nicht, wie ich gefühlt hätte, wäre die Situation umgekehrt gewesen."

Ich unterbrach den Augenkontakt und unterdrückte all meinen Schmerz und meine Emotionen zur selben Zeit. Nicht einmal annähernd könnte ich ihm beschreiben, wie ich mich fühlte. "Ich habe dich nie gehasst Ethan", schüttelte ich meinen Kopf und sprach leise vor mich hin. "Ich habe es bloß nur nie verstanden."

Vielleicht war es der Alkohol in ihm und vielleicht meinte er es auch ernst. Doch Ethan antwortete im nächsten Moment mit: "Ich verstehe es bis heute nicht."

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