11.

            "Wieso hast du nie angerufen?", fragte Ethan diese eine Frage. Wir saßen die letzten zehn Minuten am Strand stillschweigend. Aus irgendeinem Grund wusste Ethan, dass mich das Meerwasser und der Sand unter meinen Füßen beruhigen wird und aus diesem Grund brachte er mich hierher.

             Und dann fragte er mich diese eine Frage. Eine Frage zu der ich selber keine Antwort hatte. Ich tat damals so als hätte ich diese Frage nicht gehört und starrte weiterhin stillschweigend das Meer an.

             "Katelyn, wieso hast du mich nicht angerufen?", stellte erneut die Frage und starrte mich durchgehend von der Seite an.

            Ich schluckte stark und zuckte schließlich mit meinen Schultern. "Ich weiß es nicht Ethan", antwortete ich still. Danach sah ich ihm in die Augen und atmete erneut tief durch. "Ich weiß es echt nicht."

            "Kat, du hättest mich anrufen sollen. Ich wäre gekommen. Gleich am nächsten Tag, wäre ich hier gewesen. Wieso hast du mich nicht angerufen?" In seinen Augen sah ich, dass er sich große Vorwürfe machte. Und im nächsten Moment hasste ich mich dafür. Ethan wusste es doch gar nichts. Wieso war ich bloß nur so wütend auf ihn?

            Die Sache, die ich damals nie wirklich in Betracht zog, war, dass Ethan außerhalb dieser Insel ein Leben hatte, welches ich gar nicht kannte. Während das Leben hier mein einziges war. "Anfangs war ich sehr kurz davor dich anzurufen, doch ich tat es nie. Ich dachte, dass du vielleicht dein Angebot vergessen hast und ich wollte ...", atmete ich tief aus und fuhr fort: "Ich wollte nicht in dein normales Leben platzen."

            "Verdammt Katelyn", schüttelte er mit einer gerunzelten Stirn seinen Kopf. "Ich habe mein Angebot nicht vergessen. Zur Hölle Kat", strich er sich durch seine braunen Haare und atmete tief durch. "Ich habe auf einen Anruf gewartet - ich habe gewartet Kat. Ein ganzes Jahr lang, doch es kam Nichts." Ethan spannte seinen Kiefer an und unterbrach unseren Augenkontakt. Damals erkannte ich es nicht, doch ich erfuhr es so viel später, dass er mir noch so vieles sagen wollte, doch nicht wusste wie. "Ich bin letzten Sommer nicht gekommen, weil ich mit Ava war. Ihre Eltern luden uns in ihr Ferienhaus ein und dort verbrachte ich meinen Sommer", erklärte er mir als wäre er mir eine Entschuldigung fällig.

             "Du musst dich nicht entschuldigen Ethan", meinte nun ich. "Ich bin doch gar nicht mal sauer auf dich. Die ganzen Monate waren sehr hart für mich, weißt du? Alles hat sich in mir gestaut und dann als du sie angesprochen hast, musste es endlich 'raus. Es tut mir leid", entschuldigte nun ich mich bei ihm.

             Ethan legte seine Hand um meine Schulter und drückte mich nah zu sich. "Alles gut Kat - es musste 'raus und ich bin froh, dass du mich geschlagen hast und nicht jemand Anderen", hörte ich ihn leise lachen und danach drückte er mir einen Kuss auf meinen Haaransatz.

             In mir spürte ich Etwas. Eine Wärme die plötzlich das kalte Gefühl - die Einsamkeit für den Moment verschwinden ließ. In diesem Moment fühlte ich mich so gut wie schon lange nicht mehr. Mir fielen John und Ava ein. Keiner von Beiden würde diesen emotionalen Moment zwischen Ethan und mir mögen. Doch in dieser Sekunde konnte ich nicht anders, als in seinen Armen zu bleiben.

             "Er scheint ein sehr netter Junge zu sein", fing Ethan plötzlich an über John zu reden. "Seit wann seid ihr zusammen?" In diesem Moment ließ er los und starrte auf das Meer.

              "John ist echt ein toller Junge", dachte ich nun erneut über ihn nach. Der Kuss war erst wenige Stunden alt und doch fühlte es sich an als wäre er Wochen her gewesen. "Wir sind noch nicht offiziell zusammen", gab ich Ethan nun eine Antwort auf seine Frage. Als ich ihm diese gab, schenkte er mir plötzlich einen Blick - einen, den ich nicht interpretieren konnte.

              "Hast du ihn gern?", stellte er die nächste und starrte mich weiterhin von der Seite an. Es fühlte sich an, als würde er mein Gesichtsausdruck interpretieren und meine Gedanken lesen wollen.

               "Ich denke." Gern als Freund hatte ich ihn bestimmt, doch als Partner? Ich wusste es damals noch nicht. "Und du und Ava?", konnte ich mir die Frage nicht unterdrücken.

               "Sie ist echt ein tolles Mädchen", nickte er und schenkte mir ein Lächeln, als ich ihn ansah. Damals wusste ich nicht ganz wie ich diesen Satz interpretieren sollte. Ethan und Ava waren in dem Sommer schon mehr als ein Jahr zusammen, hatte er nicht mehr über sie zu sagen?

               "Liebst du sie?", stellte ich ihm schon die nächste Frage. Kannte man mit 19 Jahren schon die Liebe? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Natürlich gönnte ich es Ethan, doch auf der anderen Seite sah er nicht überzeugt von der Beziehung zu sein. Würde er ihre Gesellschaft und sie wertschätzen, wäre er doch jetzt bei ihr und nicht hier bei mir.

               "Ich denke", gab er mir dieselbe Antwort. Ich sah ihm diese an - er war sich selber nicht sicher, ob er sie liebte oder nicht. Ethan wusste nicht, was er für sie fühlte. Damals wussten wir auch noch gar nicht was uns alles erwarten wird. Was die nächsten Wochen mit sich brachten.

                Eines wusste ich jedoch - es wurde mir in dieser Nacht bewusster denn je. In Ethan Lewises Gegenwart fühlte ich mich am Wohlsten.

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