Kapitel 7: "Doch ich belog nicht nur ihn, sondern auch mich selbst."
"Bist du bereit?", flüsterte ich, während ich den schwarzen Löwen neben mir betrachtete, der von zwei Männern an einem Seil gehalten wurde. Ich konnte es nicht glauben, aber jetzt wo Daryan so kurz vor einem Kampf stand rutschte mir das Herz in die Hose. Egal wie gefährlich er für mich werden könnte, wollte ich einfach nicht, dass ihm etwas zustößt, auch wenn das irgendwann vielleicht meinen eigenen Tod bedeuten könnte. "Hast du etwa Angst, mir würde etwas passieren?", gab er mit einem verschmitzten Lächeln zurück, das selbst in dieser Gestalt deutlich zu erkennen war. "N-nein!", stieß ich empört hervor. Wie konnte er mir nur so etwas anmaßen? Doch ich belog nicht nur ihn, sondern auch mich selbst. Ich hatte tierische Angst, doch das wollte ich nicht zugeben. Ich spürte den feinen Sand auf meiner Haut, der von der leicht gewölbten Decke über uns niederrieselte, sobald jemand von uns auch nur den Fuß wechselte. Es war ein beklemmendes Gefühl hier mit Daryan und den beiden Wärtern zum ersten Mal in der Zelle auf der Ebene des Kampfplatzes zu stehen und nur durch die schmalen Schlitze zwischen den Gitterstäben der Tür einen Blick auf den zum Teil blutigen Boden erhaschen zu können. Jeder von uns wusste genau, dass auf der anderen Seite der Arena ein genauso gefährliches Raubtier in seiner Zelle mit seinen Wärtern wartete. Wartete bis die Käfigtür sich öffnete und der Kampf beginnen konnte.
Zögernd ging ich neben Daryan in die Hocke und konnte dabei nicht widerstehen ihm vorsichtig eine Hand auf das Fell zu legen, wie ich es bei den anderen Löwen immer tat, auch wenn mein Herz dabei vor Aufregung wild pochte. Doch sein Fell war ganz anders. Es war weich. Kein bisschen rau, geschweige denn struppig wie es bei Feriz oder Halĕs der Fall war. Einen Moment lang verlor ich mich in diesen Gedanken, wie schön es doch wäre sich an ihn zu kuscheln und die Finger in seinem Fell zu vergraben. Doch ich durfte nicht vergessen, was für ein gefährliches und mächtiges Tier er war. "Pharanee!" Ruckartig riss er mich aus meinem Tagtraum, wobei ich bemerkte, dass ich die Finger tatsächlich in sein Fell gekrallt hatte und sie deshalb hastig wieder aus diesem zog. Ich war gerade eben sehr unaufmerksam gewesen. "Verzeih..." Ein wenig beschämt blickte ich zu Boden, bevor ich mich zögerlich etwas zu ihm beugte. "Pass während des Kampfes auf. Ich habe die schlimme Ahnung, dass in der Arena Waffen versteckt wurden." Warnend schaute ich ihn an, nachdem ich ihm meine Befürchtung noch schnell zugeflüstert hatte und die beiden Männer schon das Seil um seinen Hals lösten, weshalb ich hastig aufstand und einen Schritt von ihm weg trat. "Also hast du tatsächlich Angst um mich." Ein leises Lachen drang aus seiner Kehle. "Nein, aber Vater und ich brauchen das Geld. Und wenn du verlierst oder getötet wirst bekommen wir keins." Leicht grimmig schaute ich zu ihm hinab und ärgerte mich dabei über mich selbst, da ich nur Vaters Worte ausgesprochen hatte und meine eigene Wahrheit ohne schlechtem Gewissen verschwieg.
Leise knarzend setzte sich die Tür in Bewegung und wurde von einem Mechanismus, den die Technikus in unserer Stadt entwickelt hatten nach oben gezogen, wobei wieder etwas im Sonnenlicht schwebender Dreck auf uns hinabrieselte. Der unheilbringende Gong ertönte und erklärte den Kampf für Eröffnet, woraufhin sich Daryan mit eleganten Bewegungen in Gang setzte und schon bald lossprintete, sodass der Sand unter seinen riesigen Pfoten aufgewirbelt wurde. Ich konnte entsetzte Laute von Seiten des Publikums aus hören, als sie das schwarze Ungetüm in die Arena stürmen sahen, doch mir wurde auch schon Sekunden später die Sicht durch das hinabfallende Gitter versperrt, weshalb ich an dieses herantrat und mein Gesicht dagegendrückte, um mitzubekommen was dort draußen vor sich ging. Daryan gab ein grollendes Knurren von sich und versuchte somit seinen Gegenüber einzuschüchtern, der aber sogleich mit einem Brüllen konterte, das so manchem einen Schock versetzt hätte. Sie umrundeten sich, einer vorsichtiger als der andere und erst jetzt fiel mir wieder ein, dass Daryan schon länger nicht gekämpft hatte. Seine Bewegungen waren elegant, aber trotzdem ein wenig ungelenk. Er beobachtete den anderen aufmerksam, doch nicht wachsam genug. Seine Schritte waren fest und doch zögernd. Er schien selbst nicht ganz zu wissen, wie dieser Kampf ausgehen würde. Verdammt, wieso musste Vater ihn auch jetzt schon antreten lassen? Warum hat er ihn nicht erst einmal in einen Übungkampf geschickt, um einschätzen zu können gegen wen er in Zukunft antreten kann? Wahrscheinlich saß Vater jetzt gerade auf der Tribüne und unterhielt sich mit dem anderen Anwärter, der seinen Löwen ebenfalls in die Arena geschickt hat. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie sie sich über belanglose Dinge wie das Wetter oder den Handel unterhielten, während ihre Tiere einen Kampf auf Gewinn oder Niederlage ausfochten.
Ein Brüllen riss mich aus meinen Gedanken und versetzte mir augenblicklich einen Stich, als ich sah wie Daryan am Boden lag und der andere ihm immer weitere Hiebe mit seinen riesigen Pranken verpasste. "Steh auf Daryan..." Meine Stimme war nicht mehr als ein Wispern. Vielleicht auch ein Stoßgebet an die Himmelsgötter, die ihre Hände behütend über unserem Krieger ausbreiten sollten. "Aufstehen..."
Doch meine Gebete schienen vergebens. Daryans Schrei, weder tierisch noch menschlich, ging markerschütternd durch die Arena, als sich die Zähne des braunen Löwen in seinen Brustkorb bohrten. Gespannt hielt ich die Luft an, als sich das Raubtier von ihm löste und siegessicher davonstolzierte, doch Daryan rührte sich gegen alle Erwartungen und erhob sich unter einem gequälten Wimmern. Ich wollte mir gar nicht ausmahlen, was für Schmerzen das wohl sein müssen unter denen er nun zu leiden hat. Doch ohne zu zögern stürzte sich Daryan auf den anderen, der nur wenige Momente unaufmerksam war, was ihm teuer zu stehen kommen wird. Mit weit geöffnetem Maul biss er ihm in den Nacken, woraufhin der Löwe unter ihm nachgab und mit kauernder Haltung liegen blieb. Warum kämpfte er eigentlich nicht wie der Weiße in Tier- und Menschengestalt? Das wäre doch sicherlich von Vorteil gewesen. Doch das spielte nun keine Rolle mehr, denn er hatte den Kampf gewonnen, indem er Dominanz und Stärke gezeigt und den anderen in diese Haltung bezwungen hat. Tausende Steine fielen von meinen Schultern, so erleichtert war ich. Doch bereits nach wenigen Augenblicken holte mich die Angst zurück in ihren Bann, als Daryan zitternd in sich zusammensackte und dumpf auf dem Boden aufschlug.
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