Kapitel 22: "Für heute bist du frei."

Ohne zu zögern legte ich die Hand in seine und wunderte mich über dieses blinde Vertrauen ihm gegenüber, als er mich durch die Gänge bis nach draußen auf die Straße zog. Doch die Verwunderung verschwand und mein Blick galt nur ihm, als er die Augen schloss und das Gesicht in die grelle Sonne reckte. Ich sah wie seine schwarzen Haare ähnlich dem Gefieder von Raben in der Sonne schimmerten und wie seine Lippen sich ein wenig öffneten um die Luft tief in seinen Brustkorb strömen zu lassen. Seine Finger schlangen sich enger um meine Hand, bevor er die Augen ruckartig öffnete und mich grob zur Seite in den Schatten unseres Hauses zerrte. Gehetzt blickte er um sich und zog mich weiter, als ich erkannte, was er wollte. Doch schon packte er mich fester und rannte los. Gezwungen ihm zu folgen versuchte ich mit ihm Schritt zu halten, doch mit einem gehetzten Schrei stolperte ich und fiel zu Boden. "Daryan!" Er hatte meine Hand losgelassen, als er mich am Boden hat liegen sehen und rannte weiter. "Daryan!", rief ich voller Panik erneut und rappelte mich auf, um ihm zu folgen. Doch egal wie schnell ich rannte, ich konnte ihn nicht einholen und er lief immer weiter. Ich wollte nicht, dass er ging. Dass er nun einfach so verschwand. Und als hätte er meine stummen Worte erhört wurde er langsamer und nach nur wenigen Momenten war ich bei ihm und packte ihn von hinten um seine Mitte. Meine Arme schlossen sich eng um seine Brust und ich drückte meinen gesamten Körper an seinen Rücken.
"Du kannst nicht gehen...", wisperte ich und lehnte die Stirn zwischen seine Schulterblätter, deren Muskeln sich unter seiner Haut anspannten. "Sie würden dir folgen, sobald du auch nur einen Fuß über die Grenzen dieser Stadt setzen würdest." Ich spürte das Beben seiner Schultern und das Knirschen seiner Zähne, als sich sein ganzer Körper anspannte.
"Wer?" Seine Stimme war hart und ich zuckte unwillkürlich zusammen.
"Die Wüstenschilde." Langsam hob ich meinen Kopf und zog dabei meine Hände von seiner Brust. "Sie würden dich überall hin verfolgen, wenn es sein muss." Mit wenigen Schritten war ich um ihn herum gegangen und stellte mich vor ihn. "Du bist kein unbedeutender Kämpfer mehr. Du besiegst so viele Gegner und gewinnst so viele Kämpfe." Ich hob den Blick und schaute ihm fest in die Augen. "Du bist kein freier Mann Daryan, deshalb kannst du nicht einfach gehen." Ein Seufzen kam über seine Lippen und alle Anspannung fiel von seinem Körper ab. Stattdessen wirkte er nun gebrochen und jedem Willen beraubt. Ich wollte ihm nicht seine Hoffnung nehmen. Ich wollte ihn nur beschützen. Doch ihn so zu sehen tat weh, weshalb ich die Hand ausstreckte, um ihm die schwarzen Strähnen aus dem Gesicht zu streichen.
"Komm, lass uns etwas durch die Stadt laufen." Ich ließ die Hand auf seiner Wange liegen und er nickte. "Für heute bist du frei."

Ohne ein Wort zu sagen liefen wir nebeneinander her durch sie Straßen der Stadt. Die Leute gingen an uns vorbei, wie sie es immer taten und keiner wusste welch eine Bestie sich unter ihnen befand. Doch es scherte auch niemanden und ein Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit, als mich das daran erinnerte, dass die Leute nur das sahen, was sie auch sehen wollten.
"Was ist Pharanee?" Daryan beugte den Kopf zu mir und riss mich aus meinen Träumereien.
"Was soll denn sein?" Ich sah lächelnd zu ihm und bog in eine schattige Gasse ein.
"Du siehst auf einmal so glücklich aus." Wir hielten an und ich lehnte mich an eine Hauswand, wobei ich Daryan mit einem leisen Kichern am Hemd packte und ein Stück weit zu mir herunter zog, sodass ich nur noch flüstern musste.
"Die Leute bemerken nicht einmal, dass du anders bist. Keiner interessiert sich für uns." Ich sah ihm in die Augen und hielt seinen Blick fest. "Scheinbar schenken dir die Götter tatsächlich einen Tag in Freiheit." Mit einem milden Lächeln ließ ich ihn los. Ich hatte tatsächlich gedacht, dass es viel mehr Aufsehen erwecken würde mit ihm durch die Stadt zu laufen, denn sein Gesicht war nicht mehr allzu unbekannt. Doch wie es aussah war ihm dieser Tag gewährt worden.
"Was möchtest du tun Daryan?" Voller Erwartung sah ich ihn an und ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.
"Zeig mir die schönsten Orte in dieser Stadt. Ich will etwas anderes als das Grauen der Arena in meinem Kopf behalten können." Und so liefen wir los, drängten uns an Menschen und Reittieren vorbei bis wir vor der großen Kathedrale standen. Ihre sandfarbenen Spitzen ragten in den Himmel empor und die bunten Steine in ihren Mauern glänzten im Sonnenlicht um die Wette. Die Präsenz der Götter war allgegenwärtig, als wir durch die großen Flügeltüren eintraten und die verlockende Kälte sanft unsere Körper umhüllte. Mein Blick huschte durch die große Halle, vorbei an den in Stein gemeißelten Gesichtern vieler Männer und Frauen. Vor einigen dieser Gesichter lagen Opfergaben, vor anderen knieten Leute, vertieft in ihr Gebet. Ich sah zu Daryan hinüber, dessen Augen durch den gesamten Raum glitten, nahm ihn sacht am Arm und zog ihn näher zu mir.
"Warst du hier schon einmal?", flüsterte ich und er schüttelte sogleich den Kopf.
"Ich habe noch nie so etwas gesehen." Seine raue Stimme vibrierte in der Stille und zog sich wie ein Schauer über meinen gesamten Körper. Sie umhüllte mich und erfüllte mich mit dem Wunsch ihm näher sein zu wollen, als ich es sollte.
"Dann wirst du von der Aussicht von den Spitzen begeis-" Abrupt brach ich ab und zog ihn in Richtung Ausgang, als ich Madaè Mireri - Kians Mutter - an einem der Gesichter stehen sah.
"Daryan schnell!", flüstere ich panisch und zerrte an seinem Arm. Verwirrt sah er mich an, folgte jedoch meinem Drängen und schlüpfte unauffällig durch die große Tür nach draußen. Hastig folgte ich ihm und spürte mein Herz dabei nervös klopfen.
"Was ist?", fragte er und hob dabei die Augenbrauen.
"Die Mutter meines Verlobten.", antwortete ich knapp und lief los, woraufhin er mir augenblicklich folgte. Ich wollte mir gar nicht ausmahlen, was passiert wäre, wenn sie mich mit einem fremden Mann zusammen gesehen hätte. Sie hätte ihn mir sicher als eine Liebelei angehangen, auch wenn dem nicht so war. Schnurstracks lief ich weiter, weg von der Kathedrale, wurde jedoch von einer Hand an meinem Arm ausgebremst.
"Du bist verlobt?" Daryan sah mich ungläubig an und ließ seine Hand von meinem Arm sinken.
"Ja." Mit gesenktem Blick drehte ich mich zu ihm um. "Und ich werde in zwei Monden heiraten." Unwohl strich ich mir einzelne Haarsträhnen hinter die Ohren, nur um meine Finger mit irgendetwas zu beschäftigen und sie vom Zittern abzuhalten. Ich hatte mich noch nie so dafür geschämt verlobt worden zu sein, denn Kian ist kein schlechter Mensch, aber jetzt fühlte ich mich schuldig, es Daryan nicht gesagt zu haben und ihm sein unanständiges Benehmen nicht verboten zu haben. Ich habe die ganze Zeit diese Blicke und Gesten zugelassen, obwohl ich das nicht hätte tun sollen. Doch einem Teil in mir war das völlig egal gewesen. Und genau dieser Teil in mir sehnte sich nach etwas, das mir Kian niemals würde geben können.
"Daryan?" Langsam hob ich den Blick. "Ja?", flüsterte er.
"Tu mir den Gefallen und vergiss das bitte." Ich sah ihm fest in die Augen, fixierte seinen Blick und wusste noch im gleichen Moment, dass das wilde Tier in ihm mich schon seit unserer ersten Begegnung begehrt hatte.
"Ja."

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Zuersteinmal möchte ich mich für das verspätete Kapitel entschuldigen. Ich hatte letzte Woche leider viel für die Schule zu tun und kam nicht zum Schreiben.
Dann möchte ich mich gerne bei euch für die unglaublich vielen Votes, Views und Kommentare bedanken! Ich hätte nie gedacht, dass dieses Buch so gut bei euch Lesern ankommt, auch wenn ich das natürlich gehofft hatte. Deshalb Dankeschön!
Liebe Grüße Blood-Dragon

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