Kapitel 21: "Lass uns gehen."
Der Weg bis nach Hause zog sich ewig lang und mir fielen die Augen vor Erschöpfung zu, als wir gerade das Tor in die Halle zu den Löwenkäfigen passierten. Ich hörte nur ein Klappern von Metall und das Quietschen des alten Scharniers, als ich sanft von Daryans Rücken auf den Boden glitt und mit dem Gesicht an seiner weichen Flanke liegen blieb. Vater mochte das Schrecklichste denken, doch ich war einfach nur so müde und die Wärme und Ruhe die Daryan ausstrahlten gaben mir inneren Frieden. Er hatte mich gerettet, alle in der Arena bezwungen um zu mir zu gelangen. Und mein Herz wurde beflügelt von diesem Gedanken, ließ es schnell und aufgeregt schlagen. Das tiefe Brummen an meiner Wange und die Stimme meines Vaters rückten in den Hintergrund. Ich wollte sie nicht hören, wollte nicht, dass sie das zerstörten, was mir diese wenigen Minuten zu so sorglosen Momenten machte. Doch die kühle Flüssigkeit, die meinen Arm hinablief und das Brennen zurückholte riss mich grob in die Realität zurück und ich öffnete mit einem zischenden Laut die Augen, nur um zu sehen, wie mein Vater mit dem Verbandsmaterial aus meiner Tasche neben mir kauerte und die Flasche übel reichenden Alkohols in der Hand hielt. Sofort klammerte ich eine Hand in Daryans Fell und hob die andere schützend vor mich.
"Pharanee, ich muss die Wunde versorgen.", war die mahnende und strenge Stimme meines Vaters zu hören, wobei er mich vorsichtig an der Schulter gepackt auf den Rücken drehte. Ich sah seinen ernsten Blick und gab meine abwehrende Haltung auf. Augenblicklich verwandelte sich Daryan neben mir und starrte mit leicht gehetzt wirkendem Blick auf mich hinab, bevor er seine Aufmerksamkeit auf die geöffnete Tür des Käfigs richtete, in dem wir uns befanden. Seine Muskeln spannten sich an und ich sah ihn schon aufspringen und davonrennen, nur weil mein Vater in seiner Sorge unvorsichtig war und alle Ketten gelöst und die Tür offen gelassen hatte. Doch er senkte die Lider und drehte den Kopf zurück zu mir, wobei sein Freiheitswille mit irgendetwas in seinem Inneren zu ringen schien und schließlich die Oberland gewann, denn er blieb und nahm ein Tuch in die Hand um mir das Blut eines Kratzers von der Wange zu tupfen. Seine Bewegungen waren vorsichtig, auch wenn sein Körper noch immer vor Anspannung bebte.
"Du hattest Glück Tochter.", meldete sich mein Vater wieder zu Wort und begann die tiefen Kratzer an meinem Oberarm zu nähen. Von Schmerzen erfüllt biss ich die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten.
"Glück hatte ich nur, dass Daryan da gewesen war.", presste ich hervor und klammerte eine Hand in mein Kleid. Doch Daryan löste sie und nahm sie zwischen seine. Verwirrt und von Schmerz geplagt sah ich ihn an, unschlüssig ob er es für sich mit dieser Geste leichter machen wollte zu bleiben oder ob diese Geste ganz allein mir galt. Jedoch war sie tröstend und half mir Stich um Stich zu ertragen, bis es vorbei war und er meine Hand aus seiner gleiten ließ, als Vater ein sauberes weißes Tuch um meinen Oberarm band.
"Ich bringe dich in dein Zimmer Pharanee." Vater sah mich kurz an bevor er all das Zeug, das auf dem Boden lag wieder in meine Tasche warf. "Das kleine Stück schaffen wir sicher auch allein." Der Seitenhieb galt Daryan, der so aussah als wolle er mich auch noch dorthin tragen, jedoch den Blick hastig senkte als Vater sich erhob und mir beide Hände entgegenstreckte. Ich ergriff sie und ließ mir auf die Beine helfen, woraufhin wir gemeinsam den Käfig verließen und er diesen abschloss. Mein Blick galt die ganze Zeit über Daryan, der nun langsam an die Gitterstäbe herantrat und die intensiv grünen Augen auf mich richtete. Seine Lippen verzogen sich zu einem zarten Lächeln und ich lächelte zurück, bevor mein Vater mich mit der Hand an meinem Ellbogen drängend wegzog und ich Daryan zurücklassen musste in der aufziehenden Dunkelheit.
Die Tage strichen an mir vorbei wie flüchtige Momente, bis schließlich zwei ganze Wochen seit dem Vorfall vergangen waren. Ich hatte Daryan nicht einmal gesehen und war deshalb aufgeregter als ich mir je selbst eingestehen würde, als ich mich nun auf den Weg zu den Käfigen machte. Alles war ruhig an diesem Nachmittag und selbst die Löwen dösten in der Hitze des Tages. Ich ging an Hăles und Feriz vorbei, weiter und weiter bis ich schließlich stehen blieb und vor mir das schwarze Raubtier unermüdlich seine Runden drehte. Eine Weile stand ich einfach nur stumm da und beobachtete seine anmutigen Bewegungen, das Spiel seiner Muskeln und hörte das gelegentliche Knurren, das aus seinem Maul kam. Die zwei Wochen sind so schnell an mir vorbeigezogen und doch kam es mir vor, als wäre mir dieser Anblick ewig verwehrt gewesen.
"Daryan?" Ich konnte nur flüstern, unfähig diesen Frieden zu zerstören, doch er hörte es sofort. Ruckartig hielt er inne und sein Kopf drehte sich zu mir, bevor er an die Käfigtür stürmte und die Schnauze dagegendrückte.
"Wo bist du gewesen?" Sein Blick glühte auf voller Hoffnung.
"Ich habe Zeit für mich gebraucht." Aufgeregt spielte ich mit dem Schlüssel zwischen meinen Fingern, während ich näher zu seinem Käfig trat. "Zeit zum Nachdenken." Ich steckte den Schlüssel in das Schloss und öffnete die Tür, woraufhin Daryan wie erstarrt stehen blieb.
"Und ich möchte mich revanchieren. Dafür, dass du mir das Leben gerettet hast." Vorsichtig ging ich vor ihm in die Hocke und sah ihm in die Augen.
"Ich möchte dir einen Tag in Freiheit schenken. Du sollst leben, wie du es zuvor noch nie getan hast." Meine Hand vergrub sich in seinem Fell und ich legte die Stirn gegen seine, wobei er die Augen schloss.
"Danke.", hauchte er und ich spürte seinen heißen Atem im Gesicht.
"Bedanke dich erst nach diesem Tag." Langsam löste ich die Finger wieder aus seinem samtigen Fell, welches sich mit einem Mal in glatte Haut wandelte, sodass nun meine Hand auf seiner Wange lag.
"In Orndung." Ein Grinsen umspielte seine Züge als er sich erhob und dabei meine Hand nahm und mich so ebenfalls auf die Beine zog. "Lass uns gehen." Hastig zog er mich aus dem Käfig, so als könne er gar nicht schnell genug hinauskommen. Ich musste lachen und bremste ihn etwas aus, sodass er gezwungen war stehen zu bleiben.
"Daryan halt. Du hast nichts an." Ein erneutes Lachen drang aus meinem Mund und ich genoss diese Unbeschwertheit zwischen uns, auch wenn es mich peinlich berührte so nah beim ihm zu stehen, wobei er doch nackt war. Ebenfalls lachend sah er an sich hinab und sank wieder zur Gestalt des schwarzen Löwens zusammen und trottete neben mir her, bis wir das Zimmer meines Vaters erreichten.
"Du musst leise sein." Ich legte mir einen Finger an die Lippen. "Vater könnte jeden Augenblick zurückkommen." Hastig suchte ich für Daryan eine Hose und ein Hemd aus, beides in beigen Farbtönen, bevor ich mich mit ihm wieder aus dem Zimmer schlich und unbemerkt in meines schlüpfte.
"Hier." Ich hielt ihm beide Kleidungsstücke entgegen und wartete darauf, dass er sich verwandelte und sie mir aus der Hand nahm. Sofort drehte ich mich um und starrte auf den Boden, als er begann sich anzuziehen. Mehrere Minuten schwiegen wir, bis ich seine Hand auf meiner Schulter spürte und ich mich wieder zu ihm wandt. Er sah verändert aus, auch wenn er nur Kleidung trug und ich schaffte es gar nicht den Blick von ihm abzuwenden.
Schließlich hielt er mir die Hand hin und lächelte sanft.
"Lass uns gehen."
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