Kapitel 19: "Traust du mir das wirklich noch immer zu?"
Ohne zu zögern kramte ich zwei kleine Münzen aus meiner Tasche und streckte meine Hand der Frau entgegen, die mich noch immer mit einem schrägen Lächeln bedachte. Die rauen Finger der tätowierten Händlerin strichen über meinen Handteller und nahmen die im Sonnenlicht silbern schimmernden Münzen daraus, woraufhin sich die Kette in meine ausgestreckte Hand legte.
"Danke." Wir nickten uns beide kurz gegenseitig zu, bevor ich mich wegdrehte und loslief, die Kette fest umschlossen in meiner Hand. Während ich durch die sich langsam mit Menschen füllenden Standreihen lief spürte ich mein Herz vor Aufregung fest gegen meine Rippen hämmern und konnte mein Lächeln nicht länger zurückhalten. An einer ruhigen Ecke blieb ich schließlich stehen und öffnete meine Hand, um das Schmuckstück zu betrachten, bevor ich den Verschluss öffnete und es mir umlegte. Sogleich erfüllte mich ein wohliges Gefühl als ich den Talisman der Göttin Arjųinna in den Ausschnitt meines Gewandes gleiten ließ und das kühle Metall nun auf meiner Haut spüren konnte. Mit einem leisen Seufzen schickte ich das erste Gebet zu ihr, bevor ich aus dem Schatten des Hauses trat und mich wieder in die Menschenmasse drängte. Vielleicht sollte ich dem alten Obsthändler, dem ich erst letztens bei den Badehäusern begegnet bin, noch einen Besuch abstatten.
Bei dem Platz angekommen, an dem sein Stand mit den prall gefüllten bunten Obstkörben stehen müsste, fand ich nur gähnende Leere. Nichts. Keine Spur von ihm. Wie konnte er gerade heute nicht hier sein? Sonst hat er an jedem Markttag diesen Platz besetzt und seine Ware angepriesen. Verwirrt sah ich mich um und ging kurzerhand zum nächsten Händler.
"Guten Tag. Könnt ihr mir sagen, wo der alte Siran ist?" Vorsichtig beugte sich der goldbehangene Mann über seinen Verkaufstisch und beäugte mich.
"Nicht hier." Murrend lehnte er sich wieder zurück.
"Ja, das sehe ich auch, aber wo ist er denn?" Ohne eine Antwort zu geben, wand sich der Mann einem seiner Kunden zu und ignorierte mich völlig. Die Frau am nächsten Stand konnte mir ebenfalls nichts sagen, vermutete er sei krank. Und so schloss ich mich diesem Glauben an und verließ etwas missmutig den Markt, um mich zurück auf den Weg nach Hause zu machen, wo mein Vater bereits vor meinem Zimmer stand.
"Wo warst du Kleine?" Er sah nicht wirklich besorgt, lediglich verwundert aus und so blieb ich vor ihm stehen und sah ihn an.
"Ich war auf dem Markt Vater. Weshalb hast du mich gesucht?" Fragend zog ich eine Augenbraue in die Höhe.
"Wegen des Kampfes. Du sollst den Hautwechsler in die Arena begleiten.", antwortete er.
Mit einem Nicken schob ich mich an ihm vorbei in mein Zimmer und warf meine Tasche auf den Boden, um mir die Haare zu einem Zopf binden zu können, sodass mir die Strähnen nicht mehr im Nacken klebten.
"Zwei der Wächter sind schon bei den Käfigen. Beeil dich bitte Pharanee." Und mit diesen Worten verschwand mein Vater und ich einige Momente nach ihm. Allerdings in die entgegengesetzte Richtung zu den Löwenkäfigen, wo ich die beiden hoch gewachsenen Wächter bereits vor Daryans Käfig warten sah, der in seiner Löwengestalt unruhig auf und ab lief.
"Pharanee. Da bist du ja.", meldete sich der schmalere von beiden zu Wort als ich vor sie trat und lächelte mich behutsam an. Ich erwiderte sein Lächeln kurz und griff nach dem Schlüssel in seiner Hand, um ihn in das Schloss des Käfigs zu schieben und dieses zu öffnen. Daryan drehte sofort den Kopf zu mir und seine Augen schienen erwartungsvoll zu leuchten. "Pharanee..." Mit wenigen riesigen Schritten war er auf der anderen Seite der Gitterstäbe und stieß mit der Schnauze gegen diese, sodass das Metall leise klapperte. Doch ich öffnete die Tür und drängte ihn somit wieder ins Innere zurück.
"Wir bringen dich zur Arena."
"Ach ehrlich?", antwortete er ohne den Sarkasmus in seiner Stimme auch nur ansatzweise verbergen zu können. Ich musste lachen und fühlte mich dabei so elend.
"Ja ehrlich." Ich schenkte ihm ein schwaches Lächeln und bat die beiden Wächter mit einer Geste mir in den Käfig zu folgen, woraufhin sich je einer an Daryans Seite positionierte und anfing ihm das lederne Halsband unzulegen. Unentwegt sah Daryan mich an und mir war es als ob er grinsen würde, als er, kurz bevor die beiden Männer das Halsband schließen konnten, mit einem kräftigen Ruck seines Kopfes dieses wieder löste und sie von vorne beginnen mussten Ketten und Verschlüsse zu positionieren. Der Triumph stand ihm ins Gesicht geschrieben und brachte mich zum schmunzeln, als ich mich mit dem Maulkorb, den mir der schmalere Mann reichte vor Daryan niederließ.
"Pscht jetzt." Mit geschickten Bewegungen brachte ich den metallenen Maulkorb bei ihm in Position und verschloss ihn an einer Öse an seinem Halsband, woraufhin er mich schweigend mit einem finsteren Blick bedachte. Ich wünschte er würde etwas sagen, doch das war ihm ja nun verwehrt. Doch selbst wenn nicht. Was würde er wohl sagen zu dieser Demütigung?
Sanft strich ich ihm mit den Fingern durch das Fell, doch erhob mich bevor er mir noch näher kommen konnte. Denn, dass er das wollte, sah man ihm deutlich an.
"Wir müssen los Daryan." Ohne auf eine Reaktion zu warten öffnete ich die Käfigtür für die beiden Männer, sodass sie Daryan an zwei Eisenketten herausführen konnten. Ich lief vorweg, den Blick stur auf den Weg gerichtet, der uns nach einigen Minuten zu den imposanten Toren der Kampfarena führte, durch die die Menschenmassen schon hineinströmten. Doch wir bogen davor ab und suchten den kleineren Eingang auf, der eigens für Leute wie uns war, die ihre Löwen zu den Käfigen im Inneren der Arena führten, wo auch wir hin gingen und Daryan durch eine Treppe nach unten brachten, wo die Zellen an den Kampfplatz angrenzten. Als wir die Ausrüstungsräume für die Kämpfer durchquerten saßen dort drei muskelbepackte Männer, die ihre Waffen schliffen und keinen blassen Schimmer hatten wie schnell sie ihrem Leben doch ein Ende bereiten wollten, indem sie freiwillig hier antraten.
"Oh, hast du dich verirrt Mädchen?", meldete sich einer der Männer auf der Bank zu Wort und hielt mit der langen Klinge in der Hand inne, die er zuvor noch mit einem Stück Wildleder poliert hatte. Sein Blick war herausfordernd, als er sich erhob und auf uns zukam. Er überragte mich um ganze zwei Köpfe, weshalb ich den Kopf hätte in den Nacken legen müssen, um ihn anzusehen. Doch diese Genugtuung gab ich ihm nicht, drehte stattdessen den Kopf zur Seite, sodass ich nicht mehr auf seine Brust starren musste und antwortete in kühlem Ton: "Nein, das habe ich nicht." Mit einer schnellen Bewegung schlug ich seine Hand zur Seite, die sich gefährlich nah meinem Hintern näherte und fügte grimmig hinzu: "Und nicht jede Frau, die hier herunter kommt ist eine Hure, die Männer wie euch vor eurem Tod glücklich machen will. Deshalb lass die Finger von mir." Zufrieden, dass er einen Schritt zurückmachte und die beiden Wächter sich schützend neben mich stellten begann nun ich meinerseits zu lächeln, bevor ich mich abwendete und zu einem der Käfige marschierte, die uns nur durch eine herabgelassene Gitterwand von dem staubigen Boden der Arena trennten. Die beiden Wächter führten Daryan, der unruhig mit den Ohren zuckte, zu mir und ich hob den Kopf um beiden ins Gesicht sehen zu können.
"Ihr könnt gehen." Ich sah wie sie protestieren wollten, doch hob hastig die Hand um sie am Sprechen zu hindern. "Bitte. Schaut lieber, dass die drei Männer nicht hier rein kommen." Ich sah sie kurz bedeutungsvoll an, bevor sie mir die Ketten des Halsbandes in die Hand drücken. "In Ordnung. Wir warten vor dem Käfig."
Und plötzlich war ich mit Daryan allein. Spürte mein Herz aufgeregt schlagen, als die beiden Wächter die hinteren Holztüren des Käfigs schlossen und mich in der Enge dieser Zelle zurückließen. Mein Blick wanderte auf die Eisenketten in meinen Händen und wieder zurück zu Daryan, der auf einmal in menschlicher Gestalt vor mir stand, die ledernen Bänder und Riemen noch immer um Hals und Brustkorb, genau wie der Maulkorb über seinem Kiefer. Überrascht starrte ich zu ihm hinauf, als er die Hände hinter den Kopf hob und den Verschluss des Maulkorbs löste.
"Eure Sicherheitsmaßnahmen bringen bei einem wie mir gar nichts. Ich hätte mich auf dem Weg hier her ganz leicht befreien können." Sein Lächeln war zurückhaltend, als er auch noch aus den Hals- und Brustbändern schlüpfte und alles mit einem Klirren der Ketten, die aus meinen Händen glitten auf den Boden fallen ließ. Die Luft sirrte zwischen uns und ich machte einen kleinen Schritt zurück. "Ich schreie, wenn du mir etwas tust." Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, jedoch war sie stark genug um das Lächeln aus Daryans Gesicht zu vertreiben.
"Traust du mir das wirklich noch immer zu?" Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, so deutlich wie Lettern auf weißem Pergament und ich fühlte wie mein Herz kurz vor dem Zerspringen mehrere Schläge aussetze. So weh tat es mir ihn so zu sehen und zu wissen, dass ich dafür verantwortlich war.
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