Kapitel 12: "Doch diese klare Nacht verhalf mir zu ebenso klaren Gedanken."

"Ihr werdet in zwei Monden heiraten.", verkündete Kains Mutter mit stolzer Stimme und ich konnte mich gerade noch davon abhalten ihr den Inhalt meines Bechers ins Gesicht zu spucken. Stattdessen verschluckte ich mich und musste laut husten, woraufhin mir Amerie mehrmals mit der Hand auf den Rücken schlug, bis ich aufhörte und nur mit weit aufgerissenen Augen nach unten schauen konnte. Kain tat sofort kund wie wunderbar er das alles fände und setzte sich auch sogleich neben mich um meine Hand zu sich zu ziehen und mit einer zärtlichen Geste über diese zu streichen. Gezwungen lächelnd hob ich den Kopf und sah wie breit und ehrlich sein Lächeln war. Wieso wollte er diese Hochzeit nur so sehr? Ich war keine wirklich gute Partie, also was hatte er von mir? Ich wusste es einfach nicht und dazu kam noch, dass ich mich wahnsinnig schlecht fühlte, weil ich mich alles andere als begeistert von unserer Beziehung zeigte. "....,nicht wahr?"
"Hm?" Hastig hob ich den Kopf, ich hatte nur die letzen beiden Worte von ihm verstanden so sehr war ich in meine Gedanken vertieft. Kain runzelte leicht die Stirn, bevor er überdeutlich wiederholte, was er anscheinend zuvor schon gesagt hatte: "Du freust dich doch auch, nicht wahr?" Worauf sollte ich mich freuen? Etwa auf die Hochzeit? Ich wollte meine Familie nicht verlassen müssen, doch mit dieser Hochzeit zwang er mich dazu. Dann würde ich meinen Vater alleine lassen müssen und er würde schufften bis er vor Erschöpfung umfallen würde. Die Löwen wären allein. Daryan, er wäre noch ärmer dran als zuvor. Doch stattdessen nickte ich, verbarg meine wahren Gefühle und gestand mir innerlich ein, dass ich diesen Mann, der mich bald von meiner Familie trennen würde niemals lieben würde können. In einem mich plötzlich übermannenden Gefühl von Traurigkeit presste ich die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Ich konnte spüren wie sich allein bei der Vorstellung, nie wieder die Finger in dem goldenen Fell eines Löwens vergraben zu können, Tränen den Weg in meine Augen bahnten, weshalb ich mich hastig erhob und die Hand aus Kians zog. "Entschuldigung..." Meine Stimme begann zu zittern, egal wie sehr ich versuchte meine Gefühle im Zaum zu halten. "I-ich möchte kurz nach draußen." Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich weg, ging durch die Räume bis zur Tür und stürmte nach draußen, wo ich sofort tief durchatmete. Der Abend hatte die Luft ausgekühlt und einen dunklen Vorhang über die Stadt gezogen, die friedlich unter dem klaren Sternenhimmel ruhte. Wahrscheinlich lagen jetzt die meisten Leute in ihrem Zuhause auf ihren Betten und dachten über ihren Tag nach. Darüber wie viel Ware verkauft wurde. Wie sie ihre Kinder großziehen sollten. Solche Dinge eben. Vielleicht wurde heute auch die ein oder andere Frau mit der Verkündung einer Heirat glücklich gemacht, doch nicht ich. Fröstelnd legte ich die Arme um mich und versuchte so meinen Körper vor der plötzlichen Kälte abzuschirmen. Doch diese klare Nacht verhalf mir zu ebenso klaren Gedanken und ich wusste, was ich wirklich wollte.

"Pharanee? Was machst du hier draußen?" Alle anderen hätte ich sofort hinfort scheuchen wollen, doch nicht meinen Vater. Leise seufzend ließ ich die Schultern hängen. "Nachdenken." Ich spürte seine Hand und wie sie sich sanft auf meiner Schulter niederlegte. "Du solltest dir nicht zu viele Gedanken machen." Nun kam das Seufzen von ihm. "Manche können auch mit Klugheit gestraft sein meine Kleine." Ich wusste genau, was er meinte und biss mir deshalb auf die Unterlippe. "Vater...ich..." Schweigen. Konnte ich ihm das wirklich sagen? Oder würde er mich für verrückt erklären? "...ich möchte ihn nicht heiraten." Verwundert blickte er mich an, als er sich neben mich stellte. "Ich glaube, du bist nur etwas verwirrt. Jeder hat in seinem Leben eine Phase, in der er nicht richtig weiß, was er will." Betrübt ließ ich den Kopf hängen. Er verstand nicht, doch ich konnte ihm nicht noch weitere Sorgen damit bescheren, dass ich meinen Versprochenen nicht wollte. "Ja...bestimmt ist es das." Kian würde uns zu mehr Ansehen und Wohlstand verhelfen. Früher war Vater einmal ein wohlhabender Mann gewesen, genauso wie man ihn damals den großen Löwenmann genannt hat, doch er verlor so vieles nachdem meine Mutter uns durch ihren Tod verlassen hatte. Heute war er nur noch einer der zahlreichen Löwenzähmer von Melrey, die ihr Geld durch die blutigen Kämpfe verdienten.

Nach der Verabschiedung von Kian und seiner Familie und dem darauf folgenden Weg durch die Stadt war ich froh endlich wieder in meinem Zimmer zu sein, auch wenn der Abend noch nicht sehr weit in die Nacht hineinreichte. Vater lag sicher schon schlafend in seinem Zimmer, während ich noch immer wach auf dem Hocker vor dem Tisch saß. In den Händen hielt ich das Bild, welches ich von Daryan angefertigt hatte, als er schlief und auf meinem Schoß lag die geöffnete Box. In ihr lagen auch die anderen Skizzen auf vergilbtem Pergament, sowie ein ziemlich wertloser Ring meiner Mutter. Ich konnte mich kaum an sie erinnern und das, was ich noch im Gedächtnis hatte verblasste immer schneller. Sie war keine Person mehr, sie war ein Gefühl. Das Gefühl von Geborgenheit. Von Wärme.
Sacht strich ich mit den Fingern über die schwarzen Linien von Daryans fein geschnittenem Gesicht und verwischte so die Kohle auf dem Papier ein wenig. Vielleicht sollte ich noch einmal nach ihm sehen, seine Wunde frisch verbinden. Behutsam verstaute ich das Bild und versteckte die Blechdose in einer Wandnische, bevor ich mir meinen Umhang überwarf und mir meine Tasche schnappte um mich auf den Weg durch die langen Flure nach draußen, um das Haus herum zu dem angrenzenden Gebäude zu machen, dessen helle Säulen in den Nachthimmel ragten. Lautlos passierte ich den großen Torbogen am Eingang und lief zwischen den Käfigen hindurch und an den schlafenden Löwen vorbei. Ohne groß darüber nachzudenken trat ich an den Käfig unseres schwarzen Löwen, der reglos in Menschengestalt auf dem Boden lag. "Daryan?" Meine Stimme war nicht viel mehr als ein Wispern in der Dunkelheit, als ich leise klimpernd den Schlüsselbund aus meiner Tasche zog, um ihn in das Käfigschloss zu stecken, das die Tür nach einer Drehung des rostigen Schlüssels knackend öffnete. "Daryan?" Noch immer nichts. Langsam öffnete ich die Tür und schob meinen Körper zwischen die schmale Öffnung, doch ehe ich reagieren konnte sprang Daryan auf, packte mich mit der Hand an der Kehle und versuchte mich aus der Käfigtür zu schieben. Japsend griff ich nach seiner Hand und zerrte mit beiden Händen an seinem Handgelenk. Das Atmen fiel mir immer schwerer und Panik ergriff mich, wie noch nie zuvor. Doch ich konnte sehen, dass auch er sich kaum aufrecht halten konnte, so schwer machte ihm seine Verletzung zu schaffen. Mit großen Augen schaute ich zu ihm hinauf. Waren diese gefährlich glitzernden Augen das letzte, was ich sehen würde? Tastend strich meine Hand über meinen Oberschenkel, bis ich es schließlich schaffte das Kleid hinaufzuraffen.
Meine Kehle brannte und meine Lungen schrien nach Luft.
Endlich griffen meine Finger das kleine Messer, das mit einem Band an meinem Oberschenkel befestigt war und zogen es heraus, wobei ich spüren konnte wie die Klinge meine Haut schnitt und die Wunde noch im gleichen Moment zu brennen begann. Doch das war mir egal, es rückte in den Hintergrund und meine gesamte Aufmerksamkeit galt dem Wunsch nicht das Bewusstsein zu verlieren. Mit einem letzten Kraftakt hob ich das Messer, welches fest umklammert in meiner Hand ruhte und drückte es an seine Kehle. Fast augenblicklich lockerte sich sein Griff um meinen Hals und ich öffnete gierig nach Luft schnappend die Lippen, bis sich seine Hand ganz zurückzog. Doch ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen, sondern drückte das Messer weiter an seine entblößte Kehle, in der Hoffnung es würde reichen um ihn abzuschrecken, denn im Fall der Fälle wäre ich sicherlich nicht bereit ihn zu töten.
"W-was.. sollte...das?", gab ich mit schwächlicher und leicht kratzig klingender Stimme zurück, obwohl ich eigentlich stark sein wollte. Verletzt schaute ich ihn an, ging hastig einen Schritt zurück und aus dem Käfig, um dessen Tür mit panischer Schnelligkeit zu schließen und verschließen. Wie konnte er das nur tun? Dabei hatte ich das Gefühl er wäre anders, als die Hautwechsler, die ich in der Arena hatte kämpfen sehen. Doch ich wurde eines besseren belehrt.
"Daryan! Warum?!" Meine Stimme brach mit einem kläglichen Schluchzen und ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen traten.
Tränen der Enttäuschung. Der Angst. Der Verletzlichkeit.

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