12 - auf ein neues - "der Schlüssel" 2.0
Nein, Du hast Dich nicht verlesen - das Fiasko mit dem selbst ernannten Lektor, der mich so unsinnig nach Strich und Faden auseinandergenommen hat und dabei mehr Unwissenheit bewiesen hat als ich, hat mich dennoch aufgerüttelt. Er war ja nicht nur unverschämt, und er hatte nicht mit allem Unrecht.
Also überarbeite ich das Buch jetzt. Als erstes habe ich beim Nochmallesen gemerkt, dass fast ausnahmslos immer zwei Kapitel miteinander eine Sinneinheit abgeben. Also ist mein erster Schritt grade, jeweils zwei, seltener mal drei Kapitel zu einem zu verschmelzen. Das beseitigt einige Brüche oder Lücken. Das mögen nicht alle Leser und Innen auf Wattpad, aber ich selbst bevorzuge auch die längeren Kapitel, weil ich dann so richtig abtauchen kann in der Geschichte.
Auch versuche ich zu kürzen. In jedem Schreibratgeber und -Video heißt es: kürzen, kürzen, kürzen, alles, was nicht unbedingt notwendig ist, muss rausfliegen. Nun - da habe ich ja meine eigene Auffassung dazu. Aber trotzdem liegt auch hier die Wahrheit in der Mitte. In der Mitte zwischen "Meine Seele diktiert, und ich weiß nicht immer, warum sie gebraucht hat, dass ich dieses oder jenes Detail da hinschreibe" und "Es ist ja schon ein bisssssschen langatmig ...".
Also versuche ich, beim Verschmelzen der Kapitel, nochmal genau hinzuspüren, warum und was da zu viel sein könnte. Manches fliegt raus, weil es am Übergang zwischen zwei Kapitel einfach doppelt war. Aber so richtig viel ist es nicht. Aus drei Kapiteln eins machen und dabei von 5000 auf 4800 Wörter schrumpfen - ist nicht wirklich gekürzt. Aber meine Seele gibt den Takt vor. Es wird straffer, aber nur ein bisschen.
Beim Kürzen werden natürlich ganz viele Kapitel-Überschriften überflüssig. Also muss ich entscheiden: nehme ich die erste? Oder die zweite? Oder finde ich eine ganz neue, die noch besser passt? Es bleibt spannend.
Ich kann gar nicht verhindern, dass mir nebenbei die eine oder andere Lücke oder Unlogik ins Auge springt. Ich nehme mir also in solchen Fällen nochmal die Zeit, ein bisschen vor und zurück zu hüpfen, Namen, Orte und Abfolgen zu kontrollieren und diese Fehler auszumärzen.
Und der allergrößte Frevel waren ja das Schloss und der Misthaufen im ersten Kapitel. Tja - den Misthaufen hatte ich halt geträumt. Aber es ist schon richtig - im Traum ist unendlich viel mehr möglich als in der Realität. Also fliegt der Misthaufen raus, Hannes wird im Schuppen versteckt und das Schloss und das ganze Türenschließen werden präziser formuliert, damit wirklich jeder weiß, dass es sich hier nicht um ein Burgtor handelt (*hust *).
Die eigentliche Länge kommt im zweiten Teil des Buches. Muss ich wirklich diese ganzen Krönungstage so ausführlich darstellen? Muss Anna sich wirklich fünfmal umentscheiden, bis sie ja sagen kann? Muss der Brief von Jakob, müssen die Träumereien von Susanna, muss der endlich laufende Peter, muss die Schwangerschaft von Britt wirklich da mit drin sein? Vielleicht liegt es ja an meinem ADS, dass mir alles gleich wichtig erscheint, dass ich mich so schwer trennen kann.
Aber ich schaffe es nicht, einfach nur hinzuschreiben:"In den nächsten zwei Monaten konnte sich Anna nicht entscheiden, ist dauernd hin und her geschwankt, hat viel geheult und bei den anderen Rat eingeholt und viel zu oft ihre Kinder angeschrieen." Das hätte Dir und mir bestimmt allein zehn Kapitel erspart. Aber auch die Gründe für ihr Wanken, die Überforderung durch den Brief ihrer Mutter, die willkommene Ablenkung dadurch, dass sie die Müllerfamilie mit versorgen muss, auch das wollte ich zeigen. Ich wollte Dich fühlen lassen, wie sich Leben anfühlt, wenn man sich völlig ratlos wochenlang nur im Kreis dreht. Denn das ist es, was bei dieser Rumeierei entsteht: ein Gefühl für Annas Ratlosigkeit und Überforderung und für die Ungeduld aller anderen, die nichts zu tun haben, als abzuwarten, bis Anna endlich geruht, sich zu entscheiden.
Anna ist eingebettet in den Tages- und Jahresablauf eines Dorfes. Und genau diese Atmosphäre wollte ich erzeugen. Klirrende Kälte und Bienensummen. Getuschel und Nachbarschaftszank. Waschtag und Backtag. Immer dieselben Probleme und immer der selbe Brei.
Aber genauso: Peter lernt laufen, Susanna lernt Nadelbinden, Jakob lernt schreiben und lesen. Anna lernt, die Fesseln ihrer Vergangenheit abzustreifen und sich in ein neues Leben zu wagen. Selbst, wenn Anna absolut still steht - die Kinder entwickeln sich weiter und treiben damit auch die Zeit voran. Lernen lässt sich nicht in einem Satz abtun - Lernen braucht Zeit.
Will heißen: es wird einen "sSchlüssel" 2.0 geben - auch als eigenständiges Buch. Aber ich verspreche: ich bleibe mir treu!
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11.6.2021
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