07 - Namen sind mehr als Schall und Rauch
Die Namen Anna und Hannes hab ich geträumt. Alle anderen nicht. Als ich mich drangesetzt hab, die Geschichte aufzuschreiben, habe ich mir erstmal eine Skizze vom Dorf gemacht. Und dann hab ich nach Listen von beliebten Vor- und Nachnamen zu der Zeit gegoogelt. Ich habe einiges gelernt über die Entstehung der Namen, die Handhabung in den verschiedenen Gesellschaftsschichten. Ich habe nach norddeutschen Namen gegoogelt. Nach der Bedeutung der Namen. Habe erfahren, dass biblische Namen sehr beliebt waren. U.S.W.
Und dann hab ich mich treiben lassen. Immer dann, wenn ich eine neue Persönlichkeit im Dorf eingeführt habe, habe ich den Namen aus den Listen zusammengebastelt und in eines der Häuser geschrieben, damit ich mich nicht irgendwann verheddere, wer neben wem wohnt und welchen Beruf hat und mit wem befreundet ist und ...
Und ziemlich bald hatte ich einen irren Spaß daran, Namen mit Bedeutung zu wählen. Bei den Bauern habe ich oft einfach Klangmalerei betrieben - Ferz, Krumm und Zuber. Der Sohn vom Vogt Drebber hat einen stolzen Namen – Siegfried. Der Pastor hat einen berühmten Namensgeber. Wer sein Gesangbuch gut kennt, erkennt vielleicht „Johann Crüger", den Komponisten einiger Gesangbuchlieder im 17. Jahrhundert. Ach, und der Müller und der Schmied heißen natürlich Müller und Schmied, denn so sind tatsächlich um etwa diese Zeit die deutschen Nachnamen entstanden – ganz häufig durch den Beruf.
Da sind Friedrich und Wilhelm Weise. Das konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Denn Friedrich III., Kurfürst von Sachsen, wurde auch Friedrich der Weise genannt, weil er sehr leise und weise Politik machte und dabei zum Beispiel zu einem wirksamen Beschützer Luthers und des Protestantismus wurde. Bei den Preussen wiederum waren die Namen Friedrich und Wilhelm jahrhundertelang ganz hoch im Kurs. Und irgendwie haben die beiden Lehrer für mich die Gesichter der Gebrüder Grimm. Die wiederum hießen Jacob und Wilhelm. Die Welt ist klein. Weiß auch nicht, wieso ...
Für die ganzen adligen Herrschaften habe ich nach alten niedersächsischen Adelsfamilien gegoogelt und fröhlich damit um mich gestreut. Mit einer Ausnahme: Karl und sein Vater Albrecht von Pagenstecher. Meine Vorfahren hießen so. Sie waren nicht adlig, wohl aber Osnabrücker Kaufleute und damit das, was man als „Hanse-Adel" bezeichnete. Und in diesem Zweig meiner Vorfahren hießen überdurchschnittlich viele Männer Karl oder Albrecht. Voilá!
Die Landsknechte aus Duderstadt kamen ja erst später dazu, als ich schon so richtig in Fahrt war. Als ich das schrieb, war es kurz vor Weihnachten. Und schwupps – sie bekamen die Namen Caspar, Melchior und Balthasar. Darum habe ich den drei Begleitern von Karl von Pagenstecher gleich auch solche Namen verpasst. Hier mussten drei Söhne Jakobs aus dem Alten Testament herhalten: Joseph, Benjamin und Ruven.
Einer hat von meiner Tochter den Namen erhalten. Denn wir haben über irgendwas gealbert, ich weiß nicht mehr, was. Und schließlich sagte sie:"Irgendeinen musst du Rudolph nennen. Da bestehe ich drauf!" Nur eine halbe Stunde später brauchte ich wieder einen Namen. Und darum heißt der neue „neue Knecht" Rudolph. Sie war sehr zufrieden.
Adelsfamilien. Noch und nöcher. Wie gesagt, einige waren ergoogelt. Und dann habe ich immer einfach einen aus der Liste gepickt. Agnes und Sophia von Bothmer zu Lauenbrück, Magdalena von Lenthe und Hertha von Brabeck wurden miteinander erzogen. Sophia heiratet den Herzog von Grubenhagen, Agnes den Herrn von Minnigerode. Tja, und Magdalena heiratet Caspar von Brabeck und wird gleich wieder von ihm geschieden.
Da ist das Ehepaar von Bottlenberg-Schirp, das Jakobs Brief zu Hannes bringt. Diesen furchtbare komplizierten Namen MUSSTE ich einfach benutzen. Da ist der Graf von der Katlenburg. Da ist die Familie von Thaden. Die geprellte Braut. Und, und, und ... Je länger und absurder der Name klang desto besser.
Und die Tiere! Hurtig, Lustig und Lieblich, Zick, Zack und Zuck haben einfach Spaß gemacht. Das Pferd vom Drebber, Elias. Der Esel vom Klaas hat irgendwie keinen Namen abgekriegt (oder?). Für die Schweine, Ferkel und Hühner habe ich mir die Namensgebung verkniffen. Auch der Friese bleibt „der Friese". Vor meinem inneren Auge ist das einfach ein Koloss von Pferd und stark genug für einfach alles. Ein Friese eben. Ein richtiger Name hätte dieses Bild verwischt. Und: man kanns auch übertreiben ...
Das „Große Butterloch" gibt es da in der Gegend übrigens wirklich. DAS hab ich mir nicht ausgedacht.
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6.7.2020
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