Kapitel 2
Der lange Schatten des Baumes verschmolz mit Runas Fell und so stand sie fast unsichtbar im Wald, als ich mich von ihrem Rücken schwang und mit meiner Ausrüstung in Richtung Stadt ging. Ich zog meine Maske übers Gesicht und bedeckte mit meiner Kapuze best möglich die noch freiliegenden Stellen, sodass ich kein Stück Haut mehr zeigte. Wie ein bewegter Schatten glitt ich auf die Stadt zu.
Als ich den Schutz der Bäume hinter mir ließ, beschleunigte ich meinen Schritt und bewegte mich auf die Mauern zu. Die riesigen Steine strahlten eine wohltuende Kälte aus, als mich langsam an ihnen entlang schob und nach dem Eingang Ausschau hielt. Nicht weit entfernt wuchsen einige Pflanzen wie ein grüner Wandteppich über die Steine. Vorsichtig tastete ich nach der Stelle, an der die Steine einen Spalt freigaben, durch welchen ich mich hindurch zwängen konnte. Ich schob meinen Bogen voraus und kletterte dann hinterher. Auch die andere Seite war nur so mit Grünzeug übersäht und erst als ich es wie einen Vorhang zur Seite schob, konnte ich einen Blick auf die Stadt werfen. In einiger Entfernung begannen die Häuser immer dichter zu werden und auf den gefüllten Gassen waren für meinen Geschmack zu viele Menschen unterwegs.
Ich hielt nach Wächtern Ausschau und als ich niemanden entdeckte huschte ich leichtfüßig zur nächst besten Hauswand und drückte mich gegen das verhärtete Gemisch aus Lehm. Von überall her drangen Stimmen und das geschäftige Treiben in der Stadt schlug mir übel auf. Die Stadt hatte mir noch nie gefallen, es waren zu viele Menschen auf zu wenig Platz und man konnte nie sicherstellen, ob an der nächsten Ecke jemand nur darauf wartete, dass man ihm in die Falle gehen würde. Eigentlich hielt ich mich eher von solchen Leuten fern, dabei war sich selbst so jemand.
Außerdem konnte ich den Namen dieser eingezäunten Häuser, die sich mehr oder weniger freiwillig verbündet hatten, nicht verstehen. Sie wurde Innocentia getauft, was so viel wie Unschuld bedeuten sollte. Dabei war diese Stadt das Gegenteil von Unschuld. Die Macht und Imperien der mächtigen Leute hier wurde auf Leichen errichtet und kaum einer wurde noch nie eines Verbrechens verdächtigt. Es war erbärmlich.
Ich konzentrierte mich wieder auf mein Ziel, sprang kurzerhand auf einige Kisten, die neben dem Haus gestapelt wurden und kletterte auf das Dach. Geduckt lief ich über die leichte Schräge, nahm auf den letzten Metern Anlauf und sprang auf das anliegende Dach. Das Geräusch, was ich dabei erzeugte war überraschend leise und ich ähnelte dabei wahrscheinlich einer Katze, als ich mich flink über die Dächer bewegte. Die jahrelange Ausbildung hatte sich gelohnt und trotz den Qualen war ich jetzt etwas froh darüber, sie bekommen zu haben.
Ich kletterte auf den Dächern der Häuser herum, hielt immer mal wieder an, um Ausschau zu halten und schwang mich dann auf die nächste Schräge. Mein Herz begann schneller zu schlagen und auch mein Atmen beschleunigte sich mit der Zeit. Es war genau so hilfreich, wie auch anstrengend sich auf so eine Weise fortzubewegen. Trotz dessen tat ich es lieber, als mich durch die Mengen zu drängen, die sich durch die Gassen bewegten. Zudem bemerkten mich so gut wie gar keine Leute, was auch ein Teil der Arbeit war. Nicht gesehen zu werden und möglichst unsichtbar zu sein.
Mein Ziel war klar. Der Markt. Fast jeder normale Mensch kam hier mindesten einmal am Tag vorbei, da es neben einem Platz zum Erwerb von Lebensmittel auch ein Ort des Zusammenkommens verschiedenster Menschen war. Hier trafen sich regelmäßig Freunde miteinander, auch Geschäfte wurden hier oftmals abgeschlossen. Somit war die Chance, dass ich die Zielperson hier finden würde etwas größer, als wenn ich die Gassen abklappern würde.
In sicherer Entfernung zu dem lauten Getöse auf dem Markt hockte ich mich in den Schatten einiger herumstehenden Fässern, die auf einem Haus standen, dessen abgeflachtes Dach irgendwie auch eine kleine Terrasse sein konnte. Ich schaute zwischen den Menschen umher und hoffte in dem Getümmel die Person, nach der ich suchte, zu erkennen. Die Beschreibung war sehr ungenau und half mir auch nicht besonders, da die Beine der Menschen kaum eindeutig zu erkennen waren und sich ein Holzbein zwischen mit Knochen und Fleisch gefüllten Häuten gut verstecken konnte.
Ich lehnte mich zurück und legte meinen Bogen neben mich auf den Boden. Das könnte einige Stunden dauern, bis ich ihn finden würde, vielleicht würde er auch nie hier auftauchen und ich würde den Auftrag versauen. Doch ich vertraute in den gesunden Menschenverstand normaler Stadtbewohner, die seltsamer Weise immer das Verlangen verspürten auf den Markt zu gehen, als würde es sonst nichts Besseres zutun geben.
Meine Augen wurden etwas müde, als ich nach einer halben Ewigkeit immer noch nichts entdeckt hatte. Zwar gingen immer wieder Leute vom Markt, doch es kamen auch ständig neue dazu, wodurch es nie wirklich ruhig hier war. Ich hatte in der Zeit meine Position geändert und wartete jetzt nicht weit vom einzigen Zu- und Ausgang vom Markt auf mein Ziel. Zwar war das Risiko hier besonders hoch, da es hier gerade nur so von Wächtern wimmelte, die dafür sorgten, dass der von einer niedrigen Mauer umgebene Markt nur durch das Tor verlassen wird.
Ich drehte mein Messer gerade etwas in der Hand herum und versuchte mir damit nebenbei neue Tricks auszudenken, als mir plötzlich eine Person ins Auge stach. Es war eigentlich Zufall, das ich den leicht hinkenden Gang des Mannes bemerkte, aber von dem Moment an hatte er meine volle Aufmerksamkeit. Ich steckte das Messer zurück in die Tasche an meiner Hose und betrachtete weiter den stattlichen, etwa dreißig Jahre alten Mann, der langsam in Richtung Ausgang hinkte. Er lief in einer Traube von Menschen und erst als die sich auflöste, konnte ich einen Blick auf seine Beine erhaschen. Ein Holzbein. Ruckartig kam Bewegung in meinen Körper und ich stand auf. Vorsichtig schlich ich auf dem Dach entlang, darauf bedacht, dass mich keiner der Wächter sah, ich aber trotzdem den Mann nicht aus den Augen verlor.
Jetzt spannte sich jeder Muskel in meinem Körper an und ich war so konzentriert, wie die letzten Stunden nicht mehr. Ich lebte für solche Aktionen. Es machte mir keine Freude, aber es löste in mir so ein anderes Gefühl aus, welches einfach unbeschreiblich war. Ich genoss es jedes Mal. Der Nervenkitzel und die Anspannung waren teil meines Auftrages und stellten für mich immer wieder eine neue Herausforderung dar, den eigenen Geist in Schach zu halten und unter Druck keine wahllosen Entscheidungen zu treffen. An diesen Erfahrungen konnte ich wachsen, daraus lernen und um noch besser zu werden. Andere Menschen würden mich als verrückt oder sogar geisteskrank beschreiben, doch nur so kannte ich es. So war ich aufgewachsen. Ich kannte nichts anderes. Mein Leben lang ging es immer nur darum den nächsten Tag zu überleben und sich zu verbessern, bis man endlich gut genug war. Doch ich war bis heute nicht gut genug. Bis heute trainierte ich täglich und musste weiterhin an meiner Technik und Körperbeherrschung arbeiten. Das war gerade aber nicht das, worüber ich im Moment nachdachte. Gerade musste ich mich darauf konzentrieren meiner Zielperson möglichst unauffällig zu folgen. Zu meinem Glück war er mit seinem Holzbein nicht sonderlich schnell unterwegs und ich musste mich nicht hetzen. Dadurch zog es sich aber auch etwas unnötig in die Länge. Es dauerte relativ lange, bis er endlich aus dem Treiben herauskam und es ruhiger wurde. Die Gassen wurden schmaler und wir näherten uns dem Stadtrand. Als ich einige Dächer voraus geklettert war, ergriff ich meine Chance und zog einen kleines Säckchen hervor. Mit einer Hand griff ich rein und zog mindestens zehn von den kleinen, goldenen Metallstücken hervor, die für die Menschen hier so viel wert war. Sie glänzten zwar ganz schön, doch sonst war daran doch auch nicht so viel besonders, weshalb man dagegen Lebensmittel, Kleidung und anderes eintauschen sollte. Daraus konnte man noch nicht mal ein so gutes Messer machen.
Ich nahm das Metall und schmiss einige davon auf den Weg, sodass sie in eine relativ dunkle Gasse führten. Dort legte ich auch den Beutel ab, als hätte ihn jemand verloren. Eigentlich war die Falle zu offensichtlich, doch ich hatte gerade einfach keine Lust mir etwas komplizierteres einfallen zu lassen. Und so kam es, dass ich mich im Schatten der Häuser an die Wand lehnte und darauf wartete, das mein Ziel um die Ecke kam und somit seinen Tod besiegeln würde.
Ich hörte, wie sich ein regelmäßiges Klacken näherte und ich presste mich noch dichter an die Wand. Ich spürte die Anspannung in meinem ganzen Körper und genau so die Erleichterung, dass es bald vorbei seinen würde.
Das Klacken des Holzbeines war nun so nah, dass es nur noch Sekunden dauern würde, bis er das Gold sehen würde. Während ich dem Geräusch folgte, zog ich leise einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an die Sehen. Der Mann trat um die Ecke und lief langsam auf den Goldsack zu. Ich merkte, dass er misstrauisch war, doch die Gier war größer als die Vorsicht. In dem Moment als er sich bückte, trat ich aus dem Schatten und als er sich wieder aufrichtete, ließ ich die gespannte Sehne meines Bogens los und schaute zufrieden zu, wie der Pfeil auf ihn zu schnellte und sich dann tief in seinen Brustkorb bohrte. Der erstickende Schrei signalisierte mir, dass ich es geschafft hatte. Sein Körper sank langsam zu Boden und er tätigte seine letzten Atemzüge. Ich schritt auf ihn zu und beugte mich über ihn. Ich spürte, wie das Leben aus seinem Körper wich, als ich den Pfeil aus seiner Brust zog und das Blut danach an seinem Mantel abstreifte. Der tote Körper lag vor mir und nachdem ich den Pfeil wieder verstaut hatte, griff ich die Arme des Mannes und zog ihn zu dem Abfall, der sich in der Gasse stapelte. Als würde ich ihn wegwerfen, ließ ich die Leiche auf die Essensreste und alten Bretter fallen. Emotionslos griff ich nach den Feuersteinen in meiner Tasche und begann kleine Funken auf die Kleidung des Mannes niederregnen zu lassen. Nach einigen Anläufen fing sein Mantel Feuer und die Flammen züngelten sich langsam an seinem Körper hoch. Ich sah meinen Auftrag als erledigt an, also ging ich wieder in den Schatten des Hauses zurück und begann an der Wand hochzuklettern, als ich hinter mir einen grellen Schrei hörte.
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