Kapitel 2

Roy Nicols, Polizeichef der örtlichen Polizei, trank genüsslich aus seiner dunkelblauen Bester-Chef-der-Welt-Tasse.
Heute war noch nichts los gewesen und da sein Arbeitstag nur noch zwei Stunden dauerte, gab er die Hoffnung nicht auf, mal ohne Probleme mit zynischen Bürgern davonzukommen. Gerade als er entspannt seufzte und zu einem weiteren Schluck Kaffee ansetzte, platzte seine Sekretärin Sue so plötzlich in sein Büro, dass sich Roy vor Schreck sein Hemd mit schwarzem Kaffee besuhlte.
Sie machte sich jedoch nicht die Mühe sich zu entschuldigen, stattdessen begann sie aufgeregt zu berichten.
"Zwei Tote. Nur vier Blocks von hier entfernt!", plapperte sie aufgeregt.  Sie holte tief Luft, als sie fortfuhr.
"Chef, das sollten sie sich ansehen!"
Seufzend wischte sich Nicols den Fleck weg, was zu seinem Bedauern nicht ganz funktionierte.
Sue schaute ihn aufmerksam an, als sich Roy schließlich, sichtlich genervt, von seinem Stuhl erhob und befragte sie nach weiteren Informationen.

Keine fünf Minuten später saß Nicols in seinem geliebten Polizeiwagen.
Schon vom Weiten sah Roy, dass etwas anders war. Forensische Wissenschaftler liefen aufgeregt hin und her, brabbelten und diskutierten miteinander.
Shanon Holland, Roys Kollegin, stritt heftig gestikulierend mit einem der Forensischen Wissenschaftlern. Erst als Roy geräuschvoll die Wagentür schloss und Shanon begrüßte, hörte sie auf zu streiten und der Wissenschaftler nutzte die Chance und machte, dass er davon kam.
"Chef, da sind Sie ja", sagte sie und winkte ihn zu sich. Roy bemerkte ihren stirnrunzelnden Blick auf den auffälligen schwarzen Kaffeefleck, der stolz auf seinem Hemd prangte. Zu seiner Erleichterung sagte sie nichts dazu.
"Sie werden nicht glauben, was hier passiert ist", fügte sie dramatisch hinzu. 
"Nun spannen Sie mich nicht auf die Folter und erzählen Sie schon!", forderte Roy sie auf. Shanon nickte und führte ihn in das Geschäft, das nun in der Abenddämmerung ziemlich unheimlich aussah.
Ab und an bemerkte Roy große graue Haarbüschel, die verteilt im Geschäft verstreut lagen.
Als er dann die erste Leiche sah, wich er entsetzt  einen Schritt zurück.
"Ach du  lieber Himmel!", stieß er erschrocken aus.
Auf dem Boden lag ein zusammen gekrümmtes Skelett. Die Knochen waren zum Teil zerkratzt und leicht angenagt. An einigen Stellen klebte Blut oder Hautfetzen.
"Was, um alles in der Welt, ist hier passiert?", rief er angeekelt. Schmunzelnd schaute ihn Shanon an. "Kommen Sie mit. Die zweite Leiche sieht noch viel besser aus!", sagte sie und genoss es, Roys angeekelte Miene zu betrachten. Zaghaft folgte er ihr. Vor einer Tür, die aus den Angeln war, blieb sie stehen. Aufmunternd schaute Shanon Roy an. Dieser trat ein und bemerkte zuerst die absolute Unordnung.
Bücher und Papier lagen überall verstreut, raus gerissen aus den Regalen, Stühle waren umgekippt und zerkratzt. Der Tisch war zerfetzt und die Tapete hing in Streifen von der Wand ab.
Und in dem ganzen Gewühl lag in der Ecke gekrümmt ein weiteres Skelett. Dieses war eindeutig schlimmer zugerichtet als das erste. Weder Hautfetzen, noch Blut war zu sehen, ja, sogar die Knochen schienen halb zermalmt worden zu sein.
"Wir haben schon vor einer halben Stunde DNA Proben ins Labor geschickt. Jedoch können wir davon ausgehen, dass es sich bei diesem Opfer um den Geschäftsführer... Moment!", sagte Shanon und schaute auf ein Formular, dass sie in ihrer Hand hielt.
"Da haben wir ihn ja. Ronald Faray handelt", beendete sie ihren Satz.
"Zwar ist es schwieriger bei Knochen einen DNA Test zu machen, aber es ist möglich." Roy nickte wissend. Er war jetzt schon seit etwa zwanzig Jahren in diesem Beruf, aber immer wieder lernte er was neues, oder vergaß ab und an etwas.

Eine Stunde lang hielten sie sich am Tatort auf. Mittlerweile waren viele Schaulustige gekommen und gegangen. Schließlich war es draußen dunkel geworden und auf Roy legte sich die Ungeduld.
Endlich platzte Shanon in das Büro, in dem das Skelett lag.
"Hier sind sie!", rief sie aufgeregt und winkte mit einem Blatt Papier. Sie schaute kurz noch drauf und berichtete Roy.
"Bei dem ersten Opfer handelt es sich um neunundneunzig Prozent um  Sally Portland. Die Assistentin von Ronald Faray. Dieser ist auch sehr wahrscheinlich das zweite Opfer."
Roy überlegte. Ihm fiel auf Anhieb nicht viel ein, wieso jemand so einen Mann töten würde. Auf den ersten Blick schien es, als wäre er ein normaler Mann mit einem hübschen Geschäft. Aber in all den Jahren seiner Arbeit hatte er eines gelernt: Der erste Blick täuschte. Nicht selten entpuppte sich aus einem 'normalen' friedlichen Mann ein Mörder, Dieb, oder schlimmeres.
"Angehörige?", fragte Nicols kühl. Shanon studierte erneut das Blatt und sagte dann: "Miss Portland hat einen Bruder etwa zehn Blocks von hier. Und Mister Faray besitzt eine Frau und zwei Kinder. Neun und elf. Er wohnt etwa zwei Blocks von hier."
Roy nickte und sagte, er wolle sich auf den Weg machen und die Angehörigen befragen.
Roy war fast an seinem Auto, da rannte Shanon auf ihn zu.
"Chef!", rief sie aufgeregt. Roy schaute sie erwartungsvoll an und sie begann zu sprechen:"Ob Sie es glauben oder nicht, bei den Haarbüscheln, worum handelt es sich?"
Roy zuckte mit Schultern und begeistert klärte Shanon ihn auf.
"Es sind Ratten Haare!" Dabei sprach sie das Wort Ratten wie etwas Abscheuliches aus. Nicols sah sie verwirrt an. "Ratten?", hakte er nach. Shanon nickte.
Roy gab ein trockenes Lachen von sich.
"Das müssen ja dann äußerst tollwütige Ratten gewesen sein. Welche Ratten fressen Menschen?", fragte er sich ironisch. Shanon stimmte ihm ernst zu.
"Sie kamen zu hunderten und haben Sally und Ronald getötet. So etwas ist mir tatsächlich noch nie unter gekommen", stellte Shanon fest. Nicols nickte und beschloss nun loszufahren. Als er langsam vom Platz fuhr, hörte er Shanon in Gedanken versunken murmeln: "Als hätte sie jemand kontrolliert..."

Sallys Bruder war zuerst außer sich vor Wut, als er hörte, dass seine Schwester getötet worden war. Schließlich übermannte ihn seine Trauer und er weinte bitterlich. Roy war es unangenehm jetzt Fragen zu stellen, doch er musste es.

Hatte Ihre Schwester irgendwelche Feinde?
Nein, sie war ein liebevoller Mensch.

Hatte sie mal Streit mit jemandem?
Ich weiß es nicht... Ich bin zwar ihr Bruder, aber wir haben uns nach dem Tod unserer Eltern nicht oft getroffen.

Wo waren Sie heute zwischen fünf und sieben Uhr abends?
Wie bitte? Sie glauben ich hätte was mit dem Tod meiner Schwester zu tun? Aber wenn Sie es genau wissen wollen, ich war mit meiner Freundin zusammen.

Damit verabschiedete sich Roy fürs erste und machte sich auf den Weg zu Farays Frau. Diese brach auf der Stelle in Tränen aus, doch Roy machte es kurz und beteuerte sein Beileid. Dann stellte er ihr die gleichen Fragen. Ihre Antworten entsprachen fast genau denen, die Sallys Bruder geäußert hatte.
Als Roy endlich wieder in seinem Auto saß, atmete er geräuschvoll aus. Er sah schon die Schlagzeilen vor sich: Mann und Assistentin von Ratten aufgefressen.
Es kam eine Menge Arbeit auf ihn zu.

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