Trugbilder

Hier sieht es nicht so aus, wie man sich das vorstellen würde.

Zumindest war es mir so gegangen. Nein, dass es auch hier Sonnenschein gab, hätte ich im Leben nicht gedacht! Aber so ist es.

Allerdings ist es falscher Sonnenschein. Genauso sieht man hier nachts nur falsche Sterne und einen falschen Mond. Es ist immer falsches Licht. Aber sie sehen es nicht. In Wahrheit ist es dunkel. Niemand merkt es. Noch nicht mal ich kann sehen, wie es wirklich ist. Ich weiß es nur.

Ich weiß, dass sie diesen Weg, den sie hier entlanglaufen, nicht mehr verlassen werden.

Ich weiß, dass es in Wahrheit nur Grautöne gibt in dieser Welt. Ich weiß, dass es kein Licht gibt, außer das, das zwischen den Spalten im Boden hervorkommt. Und dieses Licht ist äußerst spärlich. Aber ich sehe die Tristheit dieser Welt nicht, so, wie es niemand tut. Dennoch ist sie da.

Es gibt auch Wiesen und Flüsse. Aber die Flüsse sind salzig. Und sobald jemand von diesen Flüssen trinkt, bekommt er nur mehr Durst. Bis er schließlich beim Trinken verdurstet. Welche Ironie, nicht?

Die Wiesen sind auch nicht das, was sie vorgeben zu sein. Denn sie sorgen dafür, dass man nicht mehr weg möchte. Hier sieht es doch so schön aus, wie im Paradies. Wenn sie wüssten...
Wer einmal von dem Obst, das hier an manchen Bäumen zu wachsen scheint, kostet, kommt nicht mehr davon los, wird süchtig. Zumindest kenne ich kaum jemanden, der den Kampf gewonnen hat. Es sind Trugbilder, gegen die man nur schwer ankommen kann.

Im Gegensatz zu diesem Ort hier gab es in meinem Leben nur wenig Sonnenschein. Es war...schwierig. Denn ich habe schlechte Dinge getan und das mehr als einmal. Bereue ich es? Das vermag ich nicht zu sagen.

Ich weiß nur, dass ich mir das hier immer schlimmer vorgestellt habe, schrecklicher. Aber es ist schön. Obwohl ich weiß, dass, wenn ich es so sehen würde, wie es wirklich ist, ich es nicht mehr schön finden würde. Aber diesen Gedanken verdränge ich oft, denn das hier ist der schönste Ort, den ich je gesehen habe. Vor allem jetzt, da ich nicht mehr allein hier bin. Ich darf mir nur nicht darüber klar werden, dass alles nur ein Trugbild ist.

Es mag für die anderen schlimm sein, die hier sind. Wie die Schafe treibe ich sie vor mir her. Und wenn sie sich zu lange an einem Ort aufhalten, treibe ich sie weiter. Wenn sie sich zu viel unterhalten und damit anfangen, eine Beziehung zueinander aufzubauen, treibe ich sie auseinander. Denn all das ist verboten. Jeder soll für sich allein bleiben. Denn einer der stärksten Feinde der Menschen ist die Fantasie. Es ist besser, wenn sie sich vorstellen, was die anderen von ihnen denken, als wenn sie es wissen. Denn so können sie sich selbst noch mehr zerstören und sich in dieser Welt hier festigen. Sie wissen nie, ob der Blick von anderen nun wohlwollend oder abwertend gemeint ist. Aber wenn sie sich besser kennen, finden sie es heraus. Das geht nicht. Denn dann sind sie eines Tages weg. Und ich bin wieder allein hier.

Manche bleiben für immer hier. Manche verbringen nur eine kurze Zeit ihres Lebens hier. Andere sind immer hier, aber nur als Schatten. Denn sie haben noch genug von dem, was die an die andere Welt fesselt. An das Gute. An das richtige Leben. Die meisten werden ihre Fehler jedoch erst bemerken, wenn es zu spät ist.

Ich habe meine Hunde mit dabei. Immer. Sie sind mir treu, vermutlich gar bis in den Tod und darüber hinaus. Aber wer bin ich, um das anzunehmen? Ich hoffe es einfach und baue auf diese Hoffnung. Denn außer ihnen habe ich niemanden hier. So wie niemand hier jemanden hat, denn hier gibt es keine Freundschaften, keine Beziehungen.

Das Einzige was ich weiß, ist, dass es den anderen, die hier sind, viel schlechter geht als mir. Aber vielleicht weiß ich selbst das nicht. Wer sagt, dass das nicht auch ein Trugbild ist? Ein weiteres würde hier nicht auffallen.

Denn sie sind in der Hölle. Jeder in seiner eigenen, ganz persönlichen Hölle. Und ich passe auf sie auf. Aber tot sind sie nicht, sie alle leben. Sie leben ein Leben, das niemand leben will, dennoch machen sie genau das.

Haben sie schlimmere Dinge gemacht als ich? Teilweise sicherlich, teilweise nicht. Größtenteils haben sie es sich selbst zuzuschreiben, hier gelandet zu sein. Manche können nichts dafür. Aber ich vermag nicht, zu urteilen. Wer bin ich, um Vermutungen anzustellen?

Ich passe lediglich auf sie auf. Denn ich bin ihr Schäfer.

Der Schäfer der Verdammten.

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