𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏

𝑽𝒆𝒓𝒍𝒖𝒔𝒕 𝒅𝒆𝒓 𝑬𝒓𝒊𝒏𝒏𝒆𝒓𝒖𝒏𝒈


Die grellen Deckenlampen an der Oberseite des Fahrstuhls flackern wild, weshalb die Sicht für die nächsten auserwählten Insassen im nahezu dunklen Gang des Gebäudes durch die Helligkeit des Lichtes über meinem Haupt beeinflusst wird. Die innere Furcht vor der Dunkelheit wird einige Gäste zu mir locken, die eben eine Einladung von mir erhielten und sich nun zu den offenstehenden Türen meines treuen Freundes bewegen.
Ihre Silhouette, die sich durch das Portal kämpfen sind noch leicht verschwommen. Nicht nur die Angst wird ein Begleiter für sie sein, zu allem Übel kommt deren Verwirrung gepaart mit dem kalten Boden aus braunen Marmorfliesen hinzu, dessen Oberfläche die ihre nackten Fußsohlen berührt. Ein immer wiederkehrender Windstoß aus dem Portal im Flur, lässt ihre strahlend weißen und sauberen Nachthemden aufwirbeln, die bewusst noch einmal die Psyche beeinflussen sollen. Hilfeschreie aus anderen Gängen meiner Kollegen sorgt zusätzlich für eine angenehme Akustik. Man kann die Gänsehaut auf ihren Körpern sehen, je näher ihre Schritte sich in meine Richtung neigen.

Bisher ist den Herrschaften noch nicht bewusst, weshalb sie an diesen Ort gebracht wurden, aber die Türen meines Gefährtes sind weit geöffnet und bittet höflichst hereinzutreten, um diesem Unwissen auf die Spur zu gehen.
Das alte Papier des Schriftstücks in meinen Händen knistert hörbar als meine langen Finger es zaghaft öffnen.
Dabei werden die Namen dieser Geschöpfe darauf schonungslos aufnahmebereit dokumentiert und liegen soeben auf der Handfläche meiner schwarzen Lederhandschuhe. Die schicksalhafte Offenbarung mit ihrem offiziell selbst ausgesuchten Reiseziel verpufft in Kürze durch ein Feuer zwischen meinen Fingern zu gefährlicher Asche. Die Fetzen des Dokuments wandern in den Lüftungsschacht über mir hinauf und ihre Namen brennen sich auf die Innenfläche meines Handschuhs.

𝐽𝑎𝑚𝑒𝑠 𝑁𝑒𝑤𝑡𝑜𝑛
𝐷𝑎𝑛𝑖𝑒𝑙 𝑃𝑟𝑖𝑐𝑒
𝑃𝑎𝑏𝑙𝑜 𝐶𝑎𝑚𝑜𝑟𝑟𝑎
𝐹𝑖𝑛𝑛 𝐵𝑎𝑑𝑙𝑒𝑦
𝑆𝑐𝑎𝑟𝑙𝑒𝑡𝑡 𝐷𝑎𝑤𝑛
𝑃𝑎𝑡𝑟𝑖𝑐𝑘 𝐻𝑎𝑦𝑑𝑒𝑛
𝑃𝑖𝑎 𝐵𝑜𝑟𝑛𝑎𝑙𝑙𝑦

Plötzlich kann ich es vor meinen geistigen Augen sofort erkennen, um welche Menschen, es sich in meinem Auftrag handelt, dass der Grund für die Schnelligkeit meines Pulses. Diese erbärmlichen Geschöpfe sind nur an ihren eigenen Egoismus interessiert, weshalb ihr Schicksal ab sofort in meinen Händen liegt. Die Auserwählten erreichen nun alle den Fahrstuhl, stellen sich in einer Reihe vor mir auf. Einige nehmen die Sache nicht ernst, wiederum andere zittern die Knie vor Furcht. Die menschliche Psyche ist schon ein interessantes Gebiet der göttlichen Schöpfung. Ich lasse meinen Blick über diese ahnungslosen Kreaturen schweifen und atme kurz tief ein, um mich auf die unangenehme Reise vorzubereiten.

Sieben, wie es im alten Lehrbuch steht.

Ein älterer Herr fährt sich zuerst nervös über seinen fast kahlen Kopf, wirft einen letzten Blick zu den anderen Gästen, bevor er einen klaren Schritt näher in meine Richtung macht. Ehe der Amtsträger auch nur ein Wort sagen konnte, unter breche ich auf der Stelle sein redseliges Vorhaben, dass mir schon gleich überheblich vorkommt, indem ich ein klares Handzeichen in seine Richtung mache. Es dauert eine Weile, bis die Warnung auch in seinen Synapsen angekommen ist. »Ah. Mr, James Newton. Herzlich Willkommen«, grinse ich amüsiert und klatsche dabei freudig in die Hände. Als der Staatsdiener seinen Namen hört, reißt es ihm schon fast den Boden unter den Füßen weg. Seine Unterlippe zittert vor Angst und dieser Mann hat plötzlich das Sprechen verlernt. Vielleicht sind da auch gerade meine auf ihn visierten Finger mit im Spiel. In ungemütlichen Situationen ist schweigsam sein eine Eigenschaft, die wohl zu seinem besonderen Charakter dazu gehört. Er spaziert an mir vorbei mit dem Blick starr zur Wand gerichtet. Ich konnte die Schuld in seinen Augen erkennen. Völlig von Sinnen schlägt der ältere Herr seinen Kopf gegen die stahlharte Wand. »Genug!«, bettelt er mit schmerzverzerrter Stimme als sein Körper in die Knie zusammensackt.
Menschliche Gliedmaßen können gewissen Mächten einfach nicht standhalten.

Mit dem Finger deute ich auf einen anderen Mann in der Runde, der sich eher gleichgültig verhält, um der Gruppe erneut ein Zeichen zu setzen. Er richtet unschuldig seine schwarze Brille, streicht sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht und schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf. »Jo. Was für ein krasser Film! Wie bin ich hier gelandet?«, schießen Worte im Slang aus ihm heraus. Ich räuspere mich, richte dabei genauso lässig meinen beigen langen Mantel wie der Knecht seine Worte wählt. »Mr. Daniel Price! Ich bin heute ihr persönlicher Chauffeur, der sie lediglich nach oben begleitet«, antworte ich wieder einmal amüsiert. »Das interessiert mich kein Stück... Machen sie Platz, damit ich schnellstens von hier wegkomme...«, stupst der überhebliche Proll mich zur Seite, ohne zu wissen, dass er in diesem Moment mit dem Höllenfeuer spielt. Doch ist es mir nicht gestattet meinem Zorn feiern Lauf zu lassen, auch ich habe einen klaren Vertrag unterschrieben.

Wenn wir schon gerade von besonderen Arbeitsverträgen sprechen. Pablo Camorra ist der nächste Kandidat auf meiner Liste. Es kann sich hierbei nur um diesen stämmigen Burschen mit den vielen Tätowierungen handeln, der sich immer wieder nach einem Fluchtweg umdreht. Die Zeichen auf seiner Haut sehen klassischerweise nach den Initialen einer Gang aus, die ihrem Ruf wohl alle Ehre macht. Mit solchen Typen habe ich ständig dieses Vergnügen, wenn ich wieder einmal zur Arbeit muss. Ihre Einstellung gegenüber dem Leben hat man nach den Fahrten satt, aber jeder Mensch in meinem Aufzug hat eine zweite Chance verdient. Ein Blick in seine Richtung genügt, dass der knallharte Verbrecher schweigend seinen Weg antritt, und vorhat sich hinter mir in der verloren Reihe dazu zu gesellen. Mr. Camorra sieht mich amüsiert von der Seite an. »Ich habe keine Angst.«, murmelt er, dass ein lautes von mir übertriebenes Lachen hervorruft. Der nächste Kandidat, der unterbewusst meine innere Wut nur weiter anstachelt.

Mit dem Finger greife ich mir unter mein Kinn, wirke kurz nachdenklich, um einen weiteren Insassen zu entlarven.
»In dieser Reihe steht ein Verlierer. Sein Name steht schon beinahe für das Böse. Er könnte sich ein Beispiel an Mr. Camorra nehmen. Testen sie nur hervor, Mr. Finn Badley«, lehne ich mich an die Wand des großen Fahrstuhls als ein junger gereizter Bursche sich vor mir aufbaut. »Das nehmen sie zurück, Bastard«, sticht er mir mit seinem Finger in meine Brust und bemerkt, dass er dabei durch meinen Körper hindurch stößt. »Was zur Hölle...«, zieht er seine Hand eilig wieder aus meiner Erscheinung heraus.
»Einsteigen!«, befehle ich ihm als ein starker Stoß, aus dem Nichts den halbstarken Typen in die hintere Ecke katapultiert. Sein Rücken schlägt an dem Metall der Innenverkleidung an, dass ein lautes Geräusch in den Ohren der Insassen auslöst, die sie sich kurz zu halten. Auf der Erdoberfläche würde ein solcher Stoß einige Knochenbrüche darstellen. »Es wäre sehr freundlich, wenn alle ihre Hände bei sich behalten könnten. Danke sehr!«, teile ich noch einmal höflichst den Gästen mein Anliegen mit.

Dann fällt mir auf das eine Frau immer wieder nervös an ihren Fingernägeln knabbert, während sie mich anstarrt. Es ist deutlich zu erkennen, dass ihr eigener Körper sich gerade gegen sich selbst wehrt. Sie ist in einem schrecklichen instabilen Zustand. Es wird meine persönliche Favoritin auf dieser Reise sein. Sie hat das größte Potential unter den Insassen. »Scarlett Dawn«, schaue ich sie freundlich an, als sie zögert an meiner Silhouette vorbei huscht. Sie drängt sich ebenfalls in eine leere Ecke und senkt ihren Blick. In Ms. Dawn steckt einfach mein größter Hoffnungsschimmer dieser ganzen ekelhaften Sippschaft. Ich hoffe, dass Scarlett mich nicht enttäuschen wird. Ihr schönes Erscheinungsbild wäre eine göttliche Verschwendung.

Der letzte Mann auf meiner Liste ist Patrick Hayden ein typisch ausstehender Familienvater, der gerade aussieht als würde er die ganze Nacht an dem Bett eines kranken Kindes in seinem interessanten Familienleben stehen.
Mr. Hayden fährt sich nachdenklich an seinen Drei-Tage-Bart, tritt den Schritt nach vorne und wedelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. »Das ist doch nur ein schlechter Alptraum, oder?«, witzelt er als mein genervter Blick sich tief in seine Augen bohren, um ein wenig Dampf zu hinterlassen. Die Stelle auf dem seine nackten Füße den Boden erreichen wird schlagartig durch einen Kreis von Flammen eingezäunt und mit glühender Glut befüllt. »Verdammt ist dies heiß...«, flucht er und springt ohne ein weiteres Wort mit seinen nackten Beinen in den Fahrstuhl, der ihn in die Sicherheit rettet, aber seine Spuren auf der Haut hinterlässt. Man kann einige Brandwunden an seinen Waden erkennen. »Ich hasse Scherze.«, drehe ich mich nochmal deutlich zu den Insassen herum, untermale meine Worte mit einem ernsten Blick, weshalb alle nur ängstlich mit dem Kopf zustimmend nicken lassen.

In meinem Kopf leuchtet der Name Pia Bornly auf. Die letzte Frau in der einst großen Reihe, die gerade einen Fluchtversuch zu einem möglichen Ausgang in den Wänden sucht, dass einem beim Hinsehen fast schon leidtun könnte. Mit ihren kräftigen Händen schlägt die Frau immer wieder gegen das Mauerwerk. Ein kurzes, aber lautes Schnipsen meinerseits, löst ein unsichtbares Ziehen in ihre Richtung hervor und katapultiert ihren Körper in den Lift herein, dass im gleichen Atemzug die Türen hinter sich schließen lässt.

Endlich vollzählig!

Ich richte meinen beigen Mantel noch einmal in seine richtige Ordnung und streiche die Sorgenfalten heraus, positioniere mich für alle sichtbar, um den Fahrstuhl mit der Fingerspitze meines Zeigefingers in Betrieb zu nehmen. Ein paar der traurigen Seelen drängen sich in die letzte Ecke meines Lifts, um einem erneuten Gespräch aus dem Weg zu gehen, aber eine gewisse Konfrontation gehört nun mal zu meiner Berufswahl. Mit dem Einstieg beginnt der eigentliche Teil meines auferlegten Auftrages. Die große Kabine kommt nach dem Piepen der Tastatur in Bewegung, weshalb man ihre Gesichter auf Atmen sieht. Ich lasse die Herrschaften noch für ein paar wenige Sekunden im Glauben, dass jeder sich nun zu einem besseren Ort begeben wird. Für die Beteiligen, die sich nicht kennen ist die Fahrt äußerst unangenehm. »Ich verstehe nicht, weshalb man uns hier versammelt. Meine Termine...«, jammert der Amtsträger Mr. Newton in meine Richtung, um erneut vorlaut und ungefragt das Wort zu ergreifen.

Der Notfallknopf wird von einer einfachen Handbewegung meinerseits ausgelöst, bringt das metallische Gefährt nun abrupt zum Stehen, weshalb einige Insassen sofort nach unten reißt, weshalb ihre Körper knallhart auf dem Boden aufschlagen. Schmerzensschreie lösen sich, die sich wie selbst komponierte Musik in meinem Ohren anhören. Mehr haben diese Kreaturen ihrer armseligen Spezies nicht verdient.

»Ihr fragt euch sicher, weshalb ich euch hier versammelt habe«, amüsiere ich mich prächtig über die Worte von Mr. Newton, während ich an der Front auf und ab gehe. Es ist eine berichtigte Frage gewesen und die Antwort folgte darauf prompt. »Es gibt viele Worte, die mich beschreiben könnten. Sensenmann, Gevatter Tod oder Freund Hain. Am allerliebsten gefällt mir jedoch der Ausdruck Todesengel«, offenbare ich allen meine wahre Identität. Ein lautes Gemurmel der Menge unterbricht meinen Vortrag, dass mich rasend werden lässt und einen lauten quetschenden Schall als Echo im Fahrstuhl verbreitet, weshalb sich alle die Ohren zuhalten müssen.
»Ich weder nicht gerne unterbrochen! Ihr habt alle eine abartige Entscheidung getroffen, dass in der Verbindung mit Tod und enormen Schaden für einen anderen Menschen steht. Jeder Insasse in meinem Fahrstuhl
hat eine der Todsünden, der Bibel missachtet, bevor er zu mir in der Zwischenwelt gelandet ist«, beende ich meinen Vortrag.

Scarlett Dawn hebt fragend ihre Hand.
»Bitte, Miss.«, gestatte ich ihr das Sprechen, dabei heben sich freundlich meine Mundwinkel nach oben. »Ich bin nicht wirklich gläubig. Was sind Todsünden?«, fragt sie vorsichtig, zieht dabei ihren Kopf ein, aus Angst wie ihr Vorredner einen falschen Nerv zu treffen. Mit meinen Händen richte ich ihren Blick wieder zu mir. Die Berührung meiner Finger löst Gänsehaut auf ihren Körper aus, dass ich in diesem Moment nicht sexuell bewerten darf. Außerhalb meines Fahrstuhls hätte ich zu Lebzeiten mit einer Dame ihrer Statur ohne jegliche Diskussion das Bett geteilt.
Dieser Typ von Frau fällt in mein früheres Beuteschema. Mein Räuspern unterbricht nochmal die peinliche Stille dieses schönen Moments.

»Ihr seht die Knöpfe des Fahrstuhls. Jedes Stockwerk steht für eine bestimmte Todsünde. Insgesamt gibt es sieben Sünden, die einen von euch zum Ausstieg zwingen wird. Hier müsst ihr Entscheidungen treffen, die Einfluss auf die Zukunft haben. Kapiert? Es liegt nun an euch. Ich bin praktisch nur euer Paternoster Chauffeur, der euch auf die richtige Etage bringt und wieder abholen wird«, erkläre ich und klatsche erneut in die Hände und lecke mir mit der Zungenspitze über die Lippen.

Die andere etwas fülligere Frau tritt nun hervor und stellt sich mir in den Weg.
»Wie sind wir denn überhaupt in dieser Zwischenwelt gelandet?«, fragt sie mit einem skeptischen Runzeln auf der Stirn.
»Diese Antwort werdet ihr auf eurem Stockwerk erfahren. Ich möchte euch, doch nicht den ganzen Spaß verderben.«,
grinse ich schelmisch und widme mich wieder der Steuerung. »Wenn es nun keine Fragen mehr gibt, dann würde ich gerne meinen alten Freund anschalten«, sehe ich alle nacheinander an, denen die Angst nun bis ins Mark schießt. Um ehrlich zu sein, sollte es auch so sein.



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