Kapitel 74
Die gesamte Fahrt über war Hizashi unnatürlich still. Sein Blick hing an einem unbestimmten Fleck in weiter Ferne. Seine Gefährten waren ebenso stumm, nicht einmal das Radio machte Yagi an. Obwohl Eri so viele Fragen quälten, blieb sie ebenso ruhig, sah ab und an zwischen den Älteren hin und her, in der Hoffnung, jemand würde ihr erklären, was passiert war. Sie machte sich ebenso Sorgen, wie die Großen, hatte sie zumindest mitbekommen, dass Shota im Krankenhaus war. Allerdings verstand sie das Ausmaß der Verletzung nicht, doch da alle so eisern schwiegen und traurige Mienen aufsetzten, musste sie vom Schlimmsten ausgehen. Den Tränen nahe versuchte sie jedoch keinen Laut von sich zu geben. Alle waren still und sie wollte nicht stören oder auffallen.
Als sie alle das Krankenhaus betraten, wartete Sero längst am Eingang auf sie. „Sie untersuchen ihn noch", erklärte er ihnen und führte sie zu dem Warteraum, in dem die anderen saßen. Sofort sprangen Eijiro und Katsuki auf, als sie Yamada sahen, um sich bei ihm zu entschuldigen. Natürlich war es sinnlos, um Verzeihung zu bitten, da sie selbst wussten, dass sie Mist gebaut hatten.
Doch ehe sie etwas von sich geben konnten, hob Yamada eine Hand, was sie dazu brachte, still zu bleiben. Er wollte im Augenblick nichts hören, aber vor allem wollte er im Moment nicht sprechen. Er war sich nicht sicher, ob er seine Macke in dieser Verfassung unter Kontrolle hätte. Also schwieg er lieber. Ohne ein Wort zu sagen, ließ er sich auf einem der Stühle nieder und wartete.
Dabei hätte Kirishima nur zu gerne gesagt, wie sehr es ihm leidtat. Er hatte das Gefühl, bald zu platzen, wenn er es nicht aussprechen und alles rauslassen konnte. Sein Lehrer und mittlerweile guter Freund war verletzt worden und das nur wegen ihm! Dieses Gefühl der Schuld zerdrückte ihn. Allerdings wollte er auch nicht die Wünsche seines anderen Lehrers missachten. Aus diesem Grund ließ er die Schultern sinken und ließ sich, ein paar Plätze weiter weg, ebenso erneut nieder und stützte seine Arme auf seinen Oberschenkel ab, während er auf den Boden starrte.
Auch wenn Yagi das Verhalten seines Kollegen nicht sonderlich angemessen empfand, war er mehr damit beschäftigt Eri zu trösten. Erst als sie das Krankenhaus betreten hatten, war dem großgewachsenen Mann aufgefallen, dass dem Kind Tränen über die Wangen kullerten. Da ihm die aufkommende Atmosphäre im Wartezimmer nicht sonderlich ideal für ein verstörtes Kind vorkam, hob er sie kurzerhand hoch, um mit ihr die Kantine aufzusuchen. Ein bisschen Kuchen und heiße Schokolade hatte noch niemanden geschadet. Vermutlich hätte es auch den Jugendlichen gut getan, um sie ein wenig aus der Schockstarre zu holen, in der sie sich befanden, doch er wagte es nicht, zu sprechen und verschwand nur mit Eri allein.
Stille breitete sich in dem Warteraum aus, sodass niemand es wagte laut zu atmen. Erst als ein Arzt eintrat, schien wieder etwas Leben in den Raum zu kehren. Die Schüler sprangen auf, während sich Yamada nur aufrichtete und nach oben sah. „Sie sind alle wegen Eraserhead hier, nehme ich an?", fragte er nach und musterte die Schüler, ehe er Hizashi ansah, der nickte, „die Untersuchungen sind nun abgeschlossen. Wir konnten ein gebrochenes Bein feststellen, ebenso Prellungen. Innere Verletzungen liegen zum Glück keine vor, allerdings gehen wir davon aus, dass er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat. Aus diesem Grund sollte er auch ein paar Tage zur Beobachtung hier bleiben, damit wir das Ausmaß dieser feststellen können. Sie können nun zu ihm, aber überfordern Sie ihn nicht, sollte er aufwachen!"
Kaum hatte der Mann im weißen Kittel diese Worte ausgesprochen, sprang Hizashi auf und verließ den Raum, um das Zimmer gegenüber zu betreten. Auf dem Krankenbett fand er Aizawa, gehüllt in die übliche Krankenhauskluft. Sein Kopf war verbunden und sein Bein eingegipst. Tatsächlich hatte der Undergroundhero schon einmal schlimmer ausgesehen. Nun, da er ihn endlich sehen konnte, schnappte Yamada schluchzend nach Luft. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er den Atem zeitweise angehalten hatte. Seine Schritte führten ihn an das Bett heran, wo er sich sofort auf einem Stuhl, der daneben stand, niederließ. Langsam streckte er seine Hand aus, um vorsichtig nach Shotas Hand zu greifen.
Darauf bedacht, keinen Laut zu verursachen, folgten Eijiro, Hanta, Katsuki, Denki und Mina ihrem Englischlehrer in den Raum. Ein paar Minuten standen sie schweigend da, ehe Hizashi laut seufzte. „Es tut mir leid, dass ich euch die kalte Schulter gezeigt habe", erklärte er ihnen leise, wandte den Blick jedoch nicht von Aizawas blassem Gesicht ab. Er sah so friedlich aus, wenn er schlief. „Ich gebe euch nicht die Schuld an dem, was passiert ist!", wollte Yamada klarstellen, ehe er es doch wagte, sie anzusehen, „ich wusste nur nicht, wie ich mit all dem umgehen soll." Es war alles einfach zu viel gewesen. Die Nachricht, dass Shota verletzt worden war. Dass es genauso passiert war, wie damals bei Oboro. Die Aussicht, seine große Liebe genauso zu verlieren wie seinen allerbesten Freund. Allein der Gedanke daran ließ seinen Blick verschwommen werden, ehe sich erste Tränen aus seinen Augenwinkeln lösten. „Dabei ist es für euch genauso schwer", schluchzte er, „ich weiß schließlich, was ihr gerade durchmacht." Und dennoch hatte er es nicht geschafft, die Maske des Starken und gutgelaunten Helden aufrecht zu erhalten, um ihnen Hoffnung zu schenken. Dabei sollte er darin doch bereits nach all den Jahren so viel Übung haben.
Erleichtert darüber, dass der Voicehero scheinbar nicht böse auf sie war, atmete Eijiro erleichtert aus. Auch er begann zu weinen. „Es tut uns so leid. Wir wollten auf ihn aufpassen und ich habe stattdessen gesorgt, dass er hier landet!", murmelte der Junge vor sich hin, während er seine Arme enger um sich schlang.
Es war nicht zu übersehen, dass der Rotschopf sich schwere Vorwürfe machte. Hizashi ließ Shotas Hand los und ging auf den Jungen zu, um ihn in den Arm zu nehmen. Diese Geste schien einen Damm in Kirishima brechen zu lassen. Weitere Tränen rollten über seine Wangen, während er bitterlich schluchzte. „Lass es raus", gab Yamada, ebenso schniefend von sich, „gib dir nicht die Schuld. Wenn dir etwas passiert wäre und du nun hier liegen würdest, würde Shota sich fertig machen. So ist es eben, wenn man ein Held ist. Man bringt sich ständig in Gefahr um andere zu beschützen, aber dafür kann niemand etwas." Tröstend strich er ihm über den Rücken, ehe sein Blick zu Bakugo glitt, der auf seiner Unterlippe herumkaute. „Genauso wenig kannst du etwas dafür, dass der Schurke deine Macke absorbiert hat."
Sofort wandte der Aschblonde seinen Blick zu dem Erwachsenen. „Ich gebe mir bestimmt keine Schuld", meinte er böse grollend. Doch auch seine Augen schienen leicht gerötet zu sein.
Aus Erfahrung wusste Yamada, dass es eine Lüge war. Und da er Bakugo inzwischen besser kannte, wusste er ebenso, dass der Junge ständig seine wütende Art vorschob, um seine wahren Gefühle und Gedanken zu verbergen. Ehe Katsuki noch etwas erwidern konnte, streckte Hizashi einen Arm aus und zog den Jungen zu sich, um ihn ebenso an sich zu drücken. „Doch, das tust du, weil ich dieses Gefühl, das du hast kenne. Damals war es meine Macke, die dafür gesorgt hat, dass Oboro gestorben ist", offenbarte der Voicehero und unterdrückte ein Schluchzen.
Keine Sekunde später kamen auch die anderen drei dazu, breiteten ihre Arme aus, um ihre Freunde in eine große Gruppenumarmung zu ziehen. Vor allem Mina war froh, dass diese angespannte Stimmung, die sich zuvor geformt hatte, nun endlich gelöst hatte. So war es viel angenehmer. Niemand musste Angst haben, dass der andere auf ihn sauer war. Es war doch so viel einfacher, über alles zu reden, anstatt es auszusitzen und sich so abzuschotten, wie Hizashi und Shota es damals getan hatten.
Da es ihm am Ende doch ein wenig zu viel an Körperkontakt wurde, löste sich Bakugo von den anderen, und wischte sich über seine Augen, um die Spuren der Tränen zu entfernen. Auch wenn er es nicht zugeben würde, hatte er diese Worte gebraucht. Diese Wut, die sich in seinem Bauch geformt hatte, verflog etwas. Natürlich war er immer noch sauer darüber, dass Aizawa sich einfach unter die Brocken geworfen hatte, doch dieses eklige Gefühl, an allem Schuld zu sein, hatte sich verflüchtigt.
Auch Eijiro ließ langsam los und versuchte sich an einem Lächeln. „Es ist irgendwie schwer, sich nicht die Schuld zu geben", gab er leise zu, ehe er schniefte und versuchte sich etwas zu sammeln, „wie genau ist euer Freund eigentlich gestorben?" Ein bisschen Ablenkung würde ihm nicht schaden, auch wenn es ein eher unerfreuliches Thema war.
Zu erzählen gab es darüber tatsächlich nicht mehr so viel. Schließlich hätten die Kinder es vorhin selbst erlebt. „Damals während unseres Praktikums in der zweiten Klasse kämpfen, die Agenturen, in denen ich, Shota und Oboro waren, gegen einen ähnlichen großen Schurken. Meine Angriffe hatte er einfach geschluckt, und später den Boss der Agentur, bei der die beiden waren, ausgeknockt. Oboro wurde erschlagen von einem Geröllbrocken. Sho musste alleine gegen den Riesen kämpfen, auch wenn er bis heute behauptet, dass Shirakumo mit ihm über den kleinen Lautsprecher, den er immer dabei hatte, gesprochen hat. Erst später hat Shota bemerkt, dass Oboro getötet wurde. Den Rest der Geschichte kennt ihr ja bereits", seufzte Hizashi, „er hat es nie verkraftet."
„Du doch auch nicht", gab Mina von sich und stemmte die Hände in die Hüfte, „du hast nur so getan! Und bist letztendlich in der Klinik deswegen gelandet!" Streng musterte sie den Blondschopf, der bei der Erwähnung leicht zusammenzuckte. „Und ihr drei!" Die Pinkhaarige wandte sich an Bakugo, Sero und Kirishima und sah sie ebenso streng an. „Wehe euch, ihr werdet auch so! Shota hat überlebt und die Verletzungen werden heilen! Kein Grund sich weiter Vorwürfe zu machen! Und wenn doch, dann reden wir verdammt nochmal darüber!", fuhr sie die drei Jungen an, die sofort nickten, ehe ihr Blick zu Denki und Hizashi weiterwanderte „dasselbe gilt auch für euch!" Auch Aizawa würde sie es sagen, sobald er wach war. Es war genug. Vor allem Katsuki und Eijiro sollten es durch das Verhalten von Shota und Hizashi doch wissen, wie sie es besser machen sollten.
„Ja, Mama", murmelte Kaminari und verdrehte die Augen, was Yamada ein kurzes Lachen entlockte. Mittlerweile klang Ashido bereits wie Kayama. Irgendwie war es gruselig, aber ebenso amüsant. Als die beiden Blondschöpfe jedoch merkten, dass Minas Blick böse wurde, winkten sie sofort ab, ehe das Mädchen die beiden in eine Umarmung zog. „Versprecht mir einfach, dass ihr auf euch selbst aufpasst. Es ist zwar eine gute Sache, wenn wir aufeinander aufpassen, aber wir sollten vor allem auch auf uns selbst achten!", fügte sie an und drückte die beiden fest.
„Ich arbeite daran", murmelte Hizashi leise und erwiderte die Umarmung. Auch wenn es ihm anfangs mehr als nur seltsam vorkam, eine Freundschaft zu seinen Schülern aufzubauen, wusste er im Augenblick nicht, was er ohne sie täte. Tatsächlich hatte der chaotische Haufen vor ihm in den letzten Tagen und Wochen geholfen und war ihm unglaublich ans Herz gewachsen. Sobald es ihm und Shota endlich besser ging, würden sie sich etwas einfallen lassen, um sich erkenntlich zu zeigen.
„Brav", antwortete die Pinkhaarige grinsend.
Eigentlich hatte sie vor mehr zu sagen, doch ein leises Grummeln und Stöhnen lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sofort ließ Yamada die Jugendlichen los, um auf das Bett zuzueilen. Wie üblich versuchte Shota sich aufzurappeln, um sofort aufzustehen, doch mit einer Kopfverletzung war es besser, wenn er liegen blieb. Also schnellte sein Arm nach vorne, um seine Hand sachte auf Aizawas Brustkorb zu legen und ihn daran zu hindern, aufzustehen. „Sho, du musst liegen bleiben. Du hast eine Gehirnerschütterung und dein Bein ist gebrochen", versuchte Hizashi ihn zur Vernunft zu bringen. Bei solchen Verletzungen musste sogar Aizawas Kopf die Logik darin sehen, einfach mal still liegen zu bleiben.
Verwirrt und benommen sah Shota zu ihm hoch, als ob er erst einmal darüber nachdenken musste, wer ihn da gerade am Aufstehen hindern wollte. „Nich' witzig", gab er grummelnd von sich, sichtlich ein wenig damit überfordert zu denken und zu sprechen. Er war eindeutig noch immer zu müde, um einen klaren Gedanken zu fassen. „Was is' passiert? Wo's Oboro?", wollte er verwirrt wissen, „er war da ... wo ...?" Verwundert sah er zu Hizashi auf, nicht realisierend, dass er im Krankenhaus lag und verletzt war. In seinem Kopf war er noch immer ein Jugendlicher, der gerade eben erst bei seinem Praktikum gewesen ist, und nun eigentlich zu der geplanten Verabredung gehen wollte. „Is' der Film schon aus? Bin ich ... eingeschlaf'n?"
Yamada musste ein Lachen unterdrücken. Stattdessen schmunzelte er nur leicht, als er das leichte Entsetzen in Shotas Gesicht sah. Anscheinend dachte er noch immer über damals nach, wie das Doppeldate wohl verlaufen wäre, wenn es stattgefunden hätte. Vielleicht war es besser, solange bis Aizawa wieder einen klaren Kopf hatte. Also wollte der Blonde ein wenig mitspielen. „Nein, alles gut, Sho. Der Film war amüsant, du hast ihn gut ausgesucht! Es ist nur danach etwas passiert, und jetzt solltest du dich ausruhen! Aber keine Sorge", versicherte er ihm sofort, als er den leichten Anflug von Panik sah, „es ist alles gut, du wirst bald wieder gesund!" Erleichterung breitete sich auf Aizawas Gesicht aus, während Hizashi sanft lächelte. „Schlaf ein wenig und ruh dich aus."
Das musste man Shota nicht zweimal sagen. Benommen nickte er. Eigentlich gab er ein ganz süßes Bild ab, fand Yamada. Wäre da nur nicht die Tatsache, dass er sterben hätte können. Doch darüber wollte der Voicehero nicht nachdenken. Er griff erneut nach der Hand des Dunkelhaarigen. Als dieser diese Geste bemerkte, ließen seine blassen Wangen wenig rosarot an, ehe er die Augen schloss und einschlief.
Erleichtert atmete der Blondschopf aus, ehe er eine Strähne, die Shota ins Gesicht hing, vorsichtig hinter dessen Ohr wischte. „Hoffentlich legt sich diese Verwirrung wieder", murmelte er leise vor sich hin, ehe er zu den Schülern umwandte, die allesamt ziemlich besorgt dreinsahen. „Er wird schon wieder", versicherte er ihnen. Nun, da er neuen Mut gefasst hatte, war es einfacher für ihn, ebenso hoffnungsvoll zu sein. „Sho hat schon Schlimmeres überstanden!" Und selbst wenn diese Verwirrtheit bleiben würde, würden die beiden es schon hinbekommen.
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