Die Zunge zwischen die Lippen geklemmt, sah Eri konzentriert auf ihr Blatt Papier. Die Buntstifte lagen wild auf dem Couchtisch verteilt, vor dem sie kniete. Das war ihre Lieblingszeit des Tages. Ruhig und entspannt im Gemeinschaftsraum des Lehrerwohnheims zu sitzen und zu malen. Nicht, dass sie die Unterrichtsstunden bei den verschiedenen Lehrern und Nedzu nicht genoss, aber sie mochte es, wenn sie sich frei beschäftigen konnte. Ihr Kopf schwirrte noch immer, von all den Dingen, die man ihr heute beigebracht hatte. Ein neues Schriftzeichen, und der Mann, der so viele Doppelgänger hatte, hatte ihr beigebracht mit Zahlen zu jonglieren. Zumindest hatte Hizashi es so genannt.
Kurz hob das Mädchen den Kopf, während ihre roten Augen den Raum absuchten und auf einem der Sofas hängen blieb. Der Blondschopf hatte darauf platzgenommen und die Beine hochgelegt. Zuvor waren seine Augen noch gespannt über die Seiten einer Zeitschrift geflitzt, doch nun lag er regungslos da, das Magazin auf dem Gesicht, als ob er sich dahinter verstecken wollte. Es sah ganz danach aus, als ob Yamada eingeschlafen wäre. Als Eri das bewusst wurde, stemmte sie sich hoch und schlich sich davon, in ihr Zimmer, um dort eine kuschelige Decke zu holen, mit der die beiden Erwachsenen sie immer zudeckten, wenn sie kuschelten oder Eri ein Mittagsschläfchen hielt. Sie war sich sicher, dass Hizashi die Decke im Augenblick auch gut gebrauchen könnte.
Einen Teil des großen Stoffstücks hinter sich her schleifend, weil es viel zu groß war, trat sie zurück in die den Raum und gab sich Mühe dabei, Hizashi zuzudecken, ohne ihn aufzuwecken. Sie schaffte es tatsächlich, obwohl sie einmal kurz das Gefühl hatte, dass er gleich aufwachen würde. Glücklich darüber, die Decke über den Mann gebreitet zu haben, sah sie ihn kurz an. Dabei fiel ihr auf, dass er noch immer die Zeitschrift im Gesicht liegen hatte. Ob sie diese vielleicht entfernen sollte?
Noch während sie darüber nachdachte, erklangen Schritte. „Yo! Wir sinds nur!", rief jemand schon von weitem. Da das Kind allerdings noch nicht sonderlich groß gewachsen war, konnte sie nicht über die Sofalehne sehen, um die Ankömmlinge erblicken zu können. Zu deren Glück. Denn sonst hätten sie den giftigsten Blick der Welt entdeckt.
Eri kannte den Besitzer der Stimme mittlerweile ziemlich gut. Schnell, aber darauf bedacht, leise zu sein, umrundete sie die Couch und legte einen Finger an die Lippen, während sie zu Denki und Mina hochsah. „Psst, Zashi schläft!", flüsterte die Grauhaarige. Wie konnten die beiden nur so rücksichtslos sein und laut herumbrüllen.
„Oh, sorry, Eri!", entschuldigte sich Mina sofort und legte ebenso einen Finger an ihre Lippen, „wir wollen ihn nicht wecken!" Immerhin hatte der Blondschopf etwas Ruhe verdient. Vorsichtig lugte sie über die Sofalehne, um nach zusehen. Tatsächlich lag Yamada auf einem der Sofas ausgestreckt und schlief. „Sollten wir nicht das Ding aus seinem Gesicht nehmen? Nicht, dass er sich noch am Papier schneidet, während er schläft!" Als Ashido diese Worte laut aussprach, die sie eigentlich im Scherz gemeint hatte, wurden die Augen des kleineren Mädchens groß. Ups, vielleicht hätte sie solche Dinge lieber nicht sagen sollen.
„Er soll sich nicht wehtun!", sprach Eri entsetzt, „wir müssen ihn retten!" Sofort sah sie zu den beiden Schülern hoch. Sie wusste, dass sie gemeinsam mit Deku in der Heldenklasse waren. Es war also eindeutig ein Job für die beiden, ihren Zashi zu beschützen und ihn zu retten.
Darum ließen die beiden sich nicht zweimal bitten. Kurz tauschten sie einen Blick aus, ehe sie ihre Fäuste gegeneinander schlugen und zur Tat schritten. Auf leisen Sohlen näherten sie sich. Für so eine Aufgabe wäre eigentlich Uraraka vermutlich am besten geeignet, doch auch so musste es wohl oder übel funktioniert. Langsam näherte sich Mina dem Kopf des Voiceheros von links, während Denki von der anderen Seite kam. Gemeinsam wollten sie das Magazin an seinen Ecken fassen und vorsichtig hochheben, um den armen Mann zu befreien.
Wie in Zeitlupe streckten sie ihre Arme aus, immer kurz den Blickkontakt des anderen Suchend, damit sich alles parallel koordinieren ließ. Hier war schließlich Teamwork gefragt. Doch kaum hatten ihre Finger die Seiten der Zeitschrift fast berührt, schnellten Yamadas Arme hoch, um nach den Händen der beiden zu greifen und sie fest zu packen. Keine Sekunde später zog er sich an den beiden hoch, was die beiden Erschrockenen nach vorne kippen ließ. „Was zum Teufel ...", fluchte Hizashi leise vor sich hin, als die beiden plötzlich halb auf ihm lagen.
„Wir wollten doch nur das Magazin von deinem Gesicht nehmen!", jammerte Denki drauf los.
„Du hast echt krasse Reflexe!", stellte Mina erstaunt fest.
Die beiden loslassend und sich streckend, gähnte Yamada langgedehnt, ehe er sich über die Augen rieb. Seine Brille hing ihm von einem Ohr, da sie ebenso wie das Magazin runter gerutscht war, als er sich aufgerichtet hatte. „Ihr habt mich erschreckt", erklärte er verschlafen klingend, „was macht ihr überhaupt hier? Sho ist nicht da ... und wo ist der Rest von eurer Truppe?" Irgendwie kam es ihm doch etwas seltsam vor, dass nur ein kleiner Teil des Bakusquad hier war.
„Ach, das wissen wir", winkte Mina ab, nachdem sie es geschafft hatte, sich aufzusetzen, „die andren begleiten ihn. Sicherheitsmaßnahme, wie Kiri es nennt. Wir hatten bei Momo Nachhilfe und dachten, dass wir nun dir Gesellschaft leisten könnten." Breit grinsend sah sie ihrem Englischlehrer entgegen, der noch immer recht verschlafen wirkte.
„Und das hat er zugelassen?", fragte Hizashi belustigt und schüttelte den Kopf, „aber klar. Er braucht drei Babysitter und ich nur zwei. Heißt also, dass ihr mir mehr vertraut." Sein Grinsen wurde breiter, als er die Mienen der beiden Jugendlichen bemerkte. „Nein, keine Sorge. Ich weiß schon, dass ihr nur helfen wollt." Im Gegensatz zu Shota wusste er es schließlich zu schätzen, auch wenn er vermutete, dass Aizawa auch nur seine übliche Show abzog und froh darüber war, nicht allein zu sein. Schließlich wusste Hizashi, dass der Undergroundhero heute einen ziemlich langen Arbeitstag haben würde. Vermutlich war er ebenso ereignislos und langweilig, sodass er am Ende ein bisschen Gesellschaft gut gebrauchen könnte.
„Irgendwie ist das doof, dass Sho wieder gesund ist und so spät arbeiten muss", schmollte Eri plötzlich. Als sie merkte, dass die drei Älteren sie alle ansahen, errötete sie leicht und senkte ihren Blick auf ihre Schuhspitzen. „Ich meine, es ist toll, wenn es ihm besser geht, aber ..." Sie wurde immer leiser, ehe sie schließlich verstummte. Der Satz kam ihr plötzlich doof vor und auch das zuvor Gesagte hätte sie lieber für sich behalten sollen. Immerhin war es unhöflich so etwas von sich zu geben.
Yamada jedoch legte einen sanften Blick auf, ehe er vom Sofa rutschte, um auf Augenhöhe mit dem Kind zu sein. „Ich weiß, was du meinst. Für mich ist es auch doof, dass er weg ist", erklärte er mitfühlend und zog sie in eine Umarmung. Die letzten Abende und Tage waren so schön gewesen. Hizashi vermisste die Zeit, die er mit dem Dunkelhaarigen verbringen konnte. Außerdem war Aizawa für ihn wie ein Fels in der Brandung gewesen. Mit ihm hatte er sich sicher gefühlt. Nun allerdings fühlte sich der Blondschopf unglaublich unruhig. Am liebsten hätte er seinen Unterricht vorbereitet, arbeiten korrigiert und die Playlist für seine Show ausgearbeitet. Doch das hatte er bereits. Tatsächlich war er bereits soweit gekommen, dass er die nächsten Wochen keine Vorarbeit mehr leisten musste. Im Augenblick gab es also nichts für ihn zu tun und das war ungewohnt. Für gewöhnlich war Hizashi immer irgendwie beschäftigt. Mit so viel Freizeit konnte er gar nicht umgehen.
Mina, die bemerkte, wie bedrückt die Stimmung plötzlich zu werden drohte, sah kurz zu Denki, der sich jedoch lieber mit dem Magazin beschäftigte, das er aufgehoben hatte. Es würde also wieder an ihr hängen bleiben, die Situation zu retten. „Wir könnten ja was spielen, bis Shota und die anderen zurückkommen. Oder was malen", fügte sie an, als sie die Buntstifte auf dem Tisch entdeckte. Anscheinend war Eri gerade dabei gewesen, ein Bild zu zeichnen. Es waren einige Figuren darauf zu entdecken. Zwei davon interpretierte sie als die beiden Männer, zwischen denen ein kleines Kind stand, das Eri sein musste. Daneben befand sich eine ganze Gruppe an verschiedenen Personen, die bestimmt der Bakusquad sein sollte. „Woah Eri, das sieht echt toll aus!", lobte die Pinkhaarige das Kind, das verlegen lächelte.
„Tatsächlich hätte ich da eine andere Idee", gestand Yamada, während er Eri losließ und zu den beiden Jugendlichen hochsah. Das Magazin, das nun Kaminari in seinen Händen hielt, enthielt ganz viele Ideen für kleine Wohnungen, um sie so einladend und so heimisch wie möglich zu gestalten. Eigentlich hatte Hizashi vor, sich ein Konzept für die beiden verbundenen Zimmer zu überlegen. Schließlich sollten sie sich Gedanken über ihre Zukunft machen. „Ihr könntet mir sogar dabei helfen. Ich würde gerne Shota damit zum Valentinstag überraschen", verriet er ihnen und lächelte verlegen, „ich möchte ein Konzept ausarbeiten und dann gemeinsam mit Cementoss unsere Zimmer zu einer kleinen Wohnung umfunktionieren. Natürlich auch mit einem Raum für Eri, damit sie direkt bei uns ist. Ihr beiden seid sehr kreativ, da könnt ihr mir bestimmt helfen!" Wer seine Kreativität für Unfug und Chaos einsetzen konnte, der konnte sie auch nützlich verwenden. Zumindest war es bei dem Voicehero ähnlich, daher hatte er Hoffnung. Und er brauchte obendrein eine Beschäftigung.
Breit grinsend nickte Mina sofort. Ihr gefiel diese Idee sehr gut, aber vor allem amüsierte sie der Gedanke nun zu wissen, was die beiden Lehrer für den jeweils anderen planten. Irgendwie war es schon süß, wie viel Mühe sie sich doch gaben. „Kannst auf uns zählen!" Wenn sie schon nicht hilfreich dabei sein konnten, Aizawa das Kochen zu lehren, dann konnten sie wenigstens hier unter die Arme greifen!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top