Kapitel 11

Es verging mehr als eine Woche, bis Recovery Girl beschloss, dass Shota nicht mehr das Bett hüten musste. Das hörte der Dunkelhaarige natürlich nur zu gerne, da er sich die letzten Tage nur mehr gelangweilt hatte, und am liebsten schon früher abgehauen wäre, um Arbeiten zu gehen. Die Alte ließ das jedoch nicht zu und versicherte ihm, dass er damit nur für eine erneute Grippewelle sorgen würde, weil er jemanden anstecken könnte. Also blieb ihm nichts anderes über, als so lange von allen fernzubleiben, bis er niemanden mehr gefährden konnte. Schließlich leuchtete ihm die Bitte der heilenden Heldin ein. Er wollte endlich wieder normalen Unterricht halten, und es wäre hinderlich, wenn alles wieder von vorne losgehen würde.

Obwohl er in letzter Zeit sehr viel geschlafen hatte, war er dennoch vollkommen erschöpft, und froh darüber, dass er erst einmal noch ein Wochenende Zeit hatte, sich auszuruhen, bevor der Unterricht und all das Chaos wieder voll los ging. Daher hatte er den Plan, sobald er im Wohnheim war, in sein Zimmer zu verschwinden und sich erst am nächsten Morgen wieder blicken zu lassen. Doch dabei hatte er die Rechnung ohne Eri gemacht, die ihm freudig in die Arme sprang, als er das Gebäude betrat und ihn fest drückte. „Fühlst du dich besser?", fragte sie sofort, als er sie ebenso umarmte, und hochhob, um nicht im Weg herum zu stehen und seinen Plan weiterzuverfolgen.

„Viel besser", meinte er und lächelte leicht, um ihr breites Grinsen zu erwidern. Anscheinend hatten die anderen die letzte Woche über hervorragend auf sie aufgepasst, schließlich stand das Wohnheim noch, und er hatte nichts davon gehört, dass es irgendwo Probleme gegeben hatte. „Habe ich denn etwas verpasst, während ich im Krankenzimmer war?", fragte er neugierig. Natürlich interessierte es ihn nicht wirklich, was die anderen so trieben, solange niemand irgendeinen Mist baute. Doch er hatte gelernt, dass es nicht verkehrt war, das Mädchen dazu zu animieren, ein bisschen zu plaudern. Das half immerhin dagegen, dass sie am Ende als Erwachsene so verschlossen wurde, wie er selbst. Dadurch würde sie schließlich keine Freunde oder Anschluss finden, wenn sie endlich zur Schule gehen durfte. Das Kind sollte immerhin eine möglichst normale Kindheit haben von nun an.

Kurz kräuselte sich ihre Nase, während sie nachdachte und sich mit der Handfläche über die Wange fuhr. Sie schien angestrengt nachzudenken, weswegen Shota nicht davon ausging, dass es irgendetwas Berichtenswertes gab. Was sollte auch passieren? Nachdem ohnehin so gut wie jeder eine Auszeit genossen hatte, war bestimmt niemand auf Trubel aus. „Hm ... Tante Nemuri hat mit mir Bilder gemalt und Onkel Hizashi hat mit mir getanzt und gesungen und Onkel Toshinori hat mir ein paar englische Worte gelernt", erzählte sie nach einer Weile und grinste, „und bei Deku und seinen Freunden hab ich in einem alten Buch geblättert und dich und Onkel Hizashi in eurer Schulzeit gesehen!"

Immer wieder nickend hatte er ihren Worten gelauscht, während er sich vorstellte, wie sie ihr verschiedene Dinge beibrachten. Als sie jedoch von einem alten Buch sprach, hielt er inne und zog eine Augenbraue argwöhnisch nach oben. „Wieso hatte Deku so ein Buch?", hakte er nach. Ihrer Erzählung nach musste es wohl ein Jahrbuch sein, aber was machte es im Wohnheim seiner Klasse?

„Sie haben es aus der Bibliothek ausgeliehen, weil sie etwas nachgucken wollten, glaub ich. Onkel Hizashi hat das nicht so gefallen", erzählte das Kind unschuldig weiter und kuschelte sich ein wenig in Aizawas Nacken, „er ist einfach davon gelaufen, als er es gesehen hat." Die letzten Tage hatte sie ihn schrecklich vermisst. Vor allem seitdem Yamada plötzlich aus dem Wohnheim gestürmt war, verhielten sich alle seltsam, da war sie froh, wenn sie endlich wieder ihre gewohnte Normalität zurückhaben konnte. Natürlich war es schön gewesen, von den anderen viel zu lernen, aber bei Aizawa fühlte sie sich so richtig wohl und geborgen. Vor allem verhielt er sich nie so seltsam wie die anderen.

Verwundert über das, was sie gesagt hatte, hielt er auf seinem Weg zu seinem Zimmer inne. Hizashi hatte es nicht gefallen, sodass er davon gelaufen war. Wieso sollte der Blondschopf vor einem Buch flüchten? Irgendwie konnte Shota schon verstehen, dass er gewisse Dinge, die sich in diesem Jahrbuch befanden, nicht sehen mochte – ihm ging es ja nicht anders – aber gleich davon laufen, war selbst für Hizashi sehr überdramatisch. Schließlich kam der Voicehero doch besser mit gewissen Dingen klar, als Shota. „Hat er denn gesagt, was ihm nicht gefällt?" Auch wenn er wirklich nur ungern zu neugierig war, was das Verhalten seiner Kollegen betraf, doch wenn es seinen besten Freund betraf, wollte er gern im Bilde sein, was ihn bedrückte, obwohl er selten wusste, wie er an diese Information kommen sollte, ohne einen Damm an unwichtigen Gesprächen zu öffnen. Immerhin war Yamada oft sehr mitteilungsbedürftig.

Erneut dachte Eri scharf nach und presste dabei sogar die Lippen aufeinander. Dabei gab sie ein wirklich niedliches Bild aber, aber er musste sich aufs Wesentliche konzentrieren. „Ich hab nicht so doll aufgepasst", gab sie schließlich zu und sah beschämt drein. Nun war Aizawa bestimmt enttäuscht von ihr. „Sie haben über irgendwas geredet ... das knallt? Beknallt? Verballt? ..."

„Verknallt?", versuchte er ihr auf die Sprünge zu helfen. „Ja genau!", meinte sie sofort und fuhr aufgeregt fort, „und irgendwas mit einem Pakt und ... Doppeldate ... was sind das überhaupt für Sachen?" Neugierig fragte sie nach und sah ihn an.

Natürlich war er ihr nicht böse, dass sie nicht gelauscht hatte. Immerhin war es ohnehin unhöflich, wenn sie sich angewöhnen würde, die Gespräche anderer Menschen zu belauschen. Vor allem wenn sie über solche Dinge gesprochen hatten. In Shotas Kopf ergab das alles keinen Sinn. Was hatte das alles mit ihrem alten Jahrbuch zu tun? Vielleicht schlief er ja noch, und träumte dieses Chaos nur. Das würde immerhin einiges erklären. Aber irgendwie löste das nun auch nicht das Problem, dass Eri immer noch neugierig und abwartend zu ihm sah. „Ein Pakt ist ein Versprechen, und ein Doppeldate ist ein Treffen von mehr als einem Paar ...", erklärte er ihr, ehe er verstummte und nachdachte. Machten diese Worte doch irgendwie Sinn und standen im Zusammenhang?

„Und verknallt? Hat das etwas mit einem Knall zu tun?", wollte Eri wissen, und riss ihn somit aus seinen Gedanken, bevor er zu einem Ergebnis kommen konnte. Es schien sie wirklich zu interessieren. Manchmal vergaß er, dass sie sehr lange fern von anderen Menschen eingesperrt war, und deswegen so neugierig war, und ständig neue Sachen lernen wollte.

„Nein. Verknallt sein ist eine andere Möglichkeit auszudrücken, dass jemand verliebt ist", beruhigte er ihre Neugierde. Tatsächlich half es ihm auch ein wenig, der Sache auf die Spur zu kommen, auch wenn es immer noch keinen richtigen Sinn ergab in seinem Kopf. Im Moment war er einfach zu müde, um logische Schlüsse zu ziehen, ebenso hatte er Kopfschmerzen.

„Hm ... also haben sie darüber gesprochen, dass irgendjemand in irgendwen verliebt war, aber niemand weiß, wer das war", fügte sie alles aus ihrer Erinnerung zusammen und versuchte das neugelernte zu kombinieren, „ergibt das Sinn?" Inzwischen hatte sie genug von Shota gelernt, um immer zu versuchen logisch zu denken, auch wenn manchmal recht lustige Gedankenkonstrukte daraus hervorgingen, weil sie noch nicht die richtigen Dinge miteinander kombinieren konnte.

„Leider weiß ich zu wenig über das Gespräch, um dir darauf eine Antwort geben zu können", meinte er ehrlich und musterte sie. Sollte er gegen seine eigenen Pläne verstoßen und nach Hizashi suchen, anstatt in seinem Zimmer zu verschwinden, um mehr über die Sache zu erfahren? Als sein Freund sollte er sich immerhin erkundigen, ob es ihm gut ging. Ganz nebenbei könnte er dann auch erfahren, was passiert war. Damit würde auch Eri besser verstehen können, worüber die anderen gesprochen hatten. Er entschied sich jedoch fürs erste dagegen, und setzte seinen Weg in sein Zimmer fort. Ein wenig Schlaf wäre wohl im Moment besser, als sich weiter über solche verwirrenden Dinge den Kopf zu zerbrechen, der ohnehin noch schmerzte.

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