Kapitel 46

POV JOSH

,,Siehst du sie?" fragte ich Evelin. Sie saß mittlerweile wieder in Wolfgestalt auf dem weichen Moos wie ein Wachhund. Als Antwort schüttelte sie den Kopf und ich seufzte. Ich hatte leider das Zeitgefühl verloren und wusste daher nicht, wie lange wir hier bereits saßen oder wieviel Uhr es war. Moritz kam zu mir herüber, ließ sich neben mir nieder und legte den Kopf auf meine Knie.
,,Vielleicht hat Klara uns einfach verarscht." murmelte ich und Moritz knurrte. ,,Ich meine ja nur. Vielleicht sitzt Kait Zuhause und ist verwirrt, weil wir nicht da sind. Vielleicht hat er sie nach Hause gebracht, weil ich nicht ans Telefon gegangen war." ich seufzte.
Es verging eine lange Zeit ohne ein weiteres Wort oder ein Geräusch.
,,Wir sollten vielleicht gehen, bevor es ganz dunkel wird." ich wollte mich schon erheben, aber Moritz war schneller und sprang auf. Er drückte mich mit seiner schweren Pfote wieder zu Boden und knurrte verächtlich.
,,Ist gut." ich schob seine Pfote von meiner Brust und setzte mich wieder auf. Ich schaute zu Evelin herüber, die ihre Ohren immer noch gespitzt hatte und ganz gespannt lauschte.
Auf einmal schaute auch Moritz von mir auf und in die Richtung, in die Evelin schaute. Er spitze sofort seine Ohren und ließ von mir ab. Fast lautlos trottete er zu seiner Frau herüber und stellte sich neben sie.
Ich stand langsam auf und versuchte, so leise es ging, zu ihnen zu gelangen. Als ich neben ihnen stand, hörte ich es selber.
Unsere Gehören waren in Menschengestalt auch gut ausgeprägt, aber, wenn wir ein Wolf waren, waren sie einfach noch hunderte Male besser.
Zwei Gestalten, die ich als männlich identifizierte, traten auf die Lichtung. Sie redeten über und lachten, aber was mir direkt auffiel, war die eine Gestalt, die jemanden trug.
Oh Gott. Mir sackte das Herz in die Hose und mich überkam eine Gänsehaut.  Ich konnte Noahs Geruch über die komplette Lichtung riechen. Sein Geruch mit Kaihtlyns vermischt. Ich bemerkte, dass sie, obwohl sie so oft etwas mit ihm machte, immer noch stark nach mir roch.
Evelin drehte den Kopf zu mir und schaute mich mit riesigen Augen an. Mein Herz krampfte sich bei ihrem besorgten Blick zusammen.
Wir drei standen nun einfach da und starrten Noah, Kait und die dritte Person an. Sie gingen mit großen Schritten über die Lichtung und blieben in der Mitte stehen. Noah ließ Kait aus einer niedrigen, aber immer noch zu hohen, Höhe auf den Boden fallen. Ihr zarter Körper wurde sofort von dem hohen Gras und den Blumen eingehüllt. Ich stieß mich von dem Bau ab, an dem ich gelehnt hatte, und machte einen Satz nach vorn. Am liebsten wäre ich diesem Typen an die Gurgel gegangen. Was war mit Kaithlyn los? Ging es ihr gut? Was hatten sie ihr angetan?
Moritz bleckte seine Zähne, um mir zu zeigen, dass ich dort bleiben sollte, wo ich war.
,,Ist ja gut." flüsterte ich und ließ mich wieder an den Baum fallen. Noahs lautes Lachen erfüllte die warme Abendluft und ließ mich zusammenzucken. Verdammte Scheiße. Wie konnte er nur so hinterhältig sein? Hatte er ihr das angetan? Wenn ja, dann würde ich ihn schlimm zurichten. Heute noch. Ich hatte nie viel vom töten gehalten. Ich hatte großen Respekt vor Leuten, die es über sich brachten.. Kaithlyn zum Beispiel. Ich wusste, dass sie den Mumm hatte jemanden zu töten und dafür bewunderte ich sie. Ich wusste auch, dass sie mich umbringen würde, weil es schon einmal fast geschehen war. Ich war schon länger ein Wolf als Kaithlyn und trotzdem kam sie viel taffer rüber. Sie hatte am Anfang ihre Probleme mit dieser Sache, aber mittlerweile stand ihr das Wolfsein besser als jedem anderem Mädchen. Das weiße Fell passte perfekt zu ihr und ich verliebte mich immer wieder aufs Neue in ihre Schönheit. In Menschengestalt wie in Wolfsgestalt.
Ich liebte ihre langen, braunen Engelslocken und ihre dunkeln Augen, die immer alles genau verfolgten. Ihre kleine süße Nase und die Sommersprossen, die ihr Gesicht zierten. Ich  verlor mich jedes Mal wieder in ihrem Lächeln und ihrer Stimme. Wie sie meinen Namen sagte und verärgert über ein beschissenes Kommentar von mir lachte. Wie sie damals verliebt zu mir aufgesehen hatte und ihre weichen, vollen Lippen auf meine getroffen sind.
Damals... Würde es je wieder so sein, wie es vorher war? Würde sie sich wieder für mich entscheiden? Würde ich sie je wieder in meinen Armen halten können?
,,Lasst es uns hinter uns bringen." sagte Veronika und riss mich somit zurück in die Gegenwart. Kaits wunderschönes Gesicht verschwand vor meinen Augen und ich sah zu Veronika herüber. Evelin sprang auf und machte sich zum Angriff bereit.
,,Sie ist wieder zu sich gekommen, aber noch sehr schwach." berichtete Noah und stupste Kait mit dem Fuß an. Sie gab ein ersticktes Stöhnen von sich. Das hohe Gras ermöglichte es leider nicht, sie sehen zu können.
,,Das macht es natürlich noch einfacher für mich." ich konnte Veronikas höhnisches Grinsen  selbst in der Dunkelheit, die sich langsam über uns legte, erkennen. Ich stieß mich wieder vom Baum ab und jeder Muskel in meinem Körper spannte sich an. Die Haltung von Evelin und Moritz veränderte sich ebenfalls und sie starrten Veronika an.
,,Sag ihr, was ihr blüht." Veronika zeigte mit dem Finger auf Kait herunter und schaute Noah abwartend an. Er kniete sich neben sie nieder und rüttelte sie, damit sie wach wurde.
,,Nein!" bellte ich, bevor ich nachgedacht hatte. Moritz und Evelin schauten mich beide sofort an und knurrten gefährlich.
Ich trat zwischen den Bäumen hervor und alle drei starrten mich an.
,,Natürlich!" rief Veronika entzückt. ,,Der Retter muss natürlich dabei sein." Noah lachte bitter auf. Erst jetzt erkannte ich, dass die Person neben Noah Mills war. Er war ein Freund gewesen! Wie konnte er nur!
,,Lasst sie in Frieden." sagte ich laut und trat näher an sie heran. Ich ließ zwischen uns einen sicheren Abstand.
,,Ich bitte dich! Sie hat einen Sohn, mein eigenes Fleisch und Blut umgebracht!" rief Veronika und ich konnte erkennen, wie das Gras um Kait herum zuckte. Mein Magen zog sich noch mehr zusammen und ich musste meine Furcht herunter schlucken.
,,Das können wir bestimmt anders klären." ich hob meine Hände in die Luft und versuchte alle zu beruhigen.
,,Wir müssen sie nicht töten, wenn ihr das so ungern wollt." sie verzog das Gesicht und in mir wallte eine Welle von Hoffnung auf.
,,Was wollt ihr dafür?" ich schaute alle an und Veronika lächelte breit.
,,Dich oder einen anderen aus eurem Rudel. Natürlich wird Kaithlyn dafür auch leiden. Was hat sie dich nur dabei gedacht meinen Sohn zu töten! Sie soll genauso elende Schmerzen haben, wie ihre Eltern, die auch Verräter waren. Ihre ganze Blutlinie besteht aus dreckigen Verrätern!" schrie sie. ,,Ich kann nicht nachvollziehen, warum ihr sie unbedingt retten wollt. Sie hat es verdient! Sie hat es verdammt nochmal verdient zu sterben! Mark rächen."
Noah grollte und ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, aber er ignorierte mich.
,,Gut." ich atmete einmal tief ein. ,,Nimm mich."
Kaithlyn stöhnte auf dem Boden auf und Veronika schnappte hörbar nach Luft.
,,Du opferst dich für sie?" fragte sie erstaunt, aber sie nahm sofort wieder ihr Pokerface ein.
,,Ich liebe sie. Ich werde alles für sie tun." ich nickte und mein Herz krampfte sich zusammen.
,,Nein, das wirst du nicht!" schrie Evelin und stürmte zu mir, gefolgt von Moritz.
,,Er hat sich entscheiden!" rief Veronika und hob die Hand, um meine Eltern zum stehen zu bringen. Kait stöhnte erneut und wälzte sich umher.
,,Oh Gott, Josh, was tust du nur." flüsterte Evelin und schluchzte heftig. Ich war neben Moritz der wichtigste Mensch in ihrem Leben und sie würde ohne mich nicht leben können. Sie hatte zu viele Verluste in den Jahren gemacht, um es zu verkraften, mich auch noch zu verlieren. Mir tat mein Herz und mein Kopf weh.
,,Es tut mir alles so leid." flüsterte ich und drehte mich wieder Veronika zu.
,,Ich werde meinen Sohn rächen. Wenn nicht sie, dann einer von euch. Irgendjemand soll dafür bezahlen." sie schaute zu mir herüber und wartete.
Ich ließ mir Zeit mir der Antwort. Ich würde sterben. Mich packte die Panik und ich musste Tränen, die in meinen Augen brannten, zurück halten. Selbst, wenn Kait mich nicht haben wollte, ich würde sie immer begehren und ihr immer verfallen bleiben. Ich hatte mich auf sie geprägt. Das Schicksal hatte es so bestimmt und jetzt bestimmte es, dass ich sterben würde. Ich würde mich für sie opfern, damit sie leben könnte. Ich würde alles für diese Frau tun. Sie bedeutete mir einfach die ganze Welt und ich würde sie für immer mit jeder Faser meines beschissenen Herzen lieben. Selbst, wenn sie sich für einen anderen Jungen entscheiden würde. Ich würde sie immer lieben. Sie würde immer die einzige in meinem Herzen sein. Aber es könnte sein, dass sie jemand anderen finden würde. Sie würde glücklich mit ihm werden und Kinder bekommen. Sie würde all das bekommen können, was ich mit ihr wollte. Sie könnte ihr Leben leben. Ich wäre immer im Schatten und würde sie trotzdem lieben.
Mein Herz verkrampfte sich und ich musste schlucken. Die Hoffnung, dass sie sich doch für mich entscheiden würde, war so klein, dass ich mich für den Tod entscheid.
,,Du kannst mich haben." sagte ich mit fester Stimme. Ich hörte Evelin und Moritz laut nach Luft schnappen. Evelin brach in Tränen aus und selbst Kaithlyn, der es mittlerweile anscheinend besser ging, schluchzte.
Veronika grinste zufrieden und auch Noah schien überrascht.

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