Kapitel 27
Es war Montagabend und ich saß mit angezogenen Knien auf meinem Balkon. Ich starrte auf die vielen Bäume, die das Haus umgaben. Es dämmerte und der Himmel hatte eine rosa Färbung.
Josh saß auf den Stuhl neben mir und schaute ebenfalls gerade aus.
,,Zeigen wir ihn noch an?" fragte ich ihn.
,,Ja." sagte er sofort und hielt mir seine Hand hin. ,,Versprochen."
Ich schaute zu ihm auf und sah, dass er lächelte. Ich lächelte schwach zurück und kam mir plötzlich so schwach vor.
,,Ich habe eben mit Evelin geredet." begann er und wendete meinen Blick ab. ,,Sie meinte, sie und Moritz hätten eine Spur für dein Rudel." ich hörte die Enttäuschung in seiner stimme heraus, aber nickte einfach stumm.
,,Wir können zu ihnen die Tage." sagte er und nahm meine Hand. Ich zuckte zusammen und hörte, wie er seufzte.
,,Tut mir leid." murmelte ich und zog meine Hand zurück. ,,Was heißt ,Die Tage'?" eine frische Briese wehte durch mein welliges Haar und ich strich es mir hinters Ohr.
,,Wenn du dich bereit fühlst."
,,Tue ich!" protestierte ich. ,,Wie hat Evelin sie überhaupt gefunden?" ich stand auf und betrat mein Zimmer. Josh folgte mir und schloss die Balkontür hinter sich.
,,Sie ist gestern Abend und heute Morgen etwas durch die Gegend, wo sich andere Rudel aufhalten, gestreunert. Hat überall etwas rumgefragt und schlussendlich gute Informationen bekommen. Ein Rudel, das etwas außerhalb der Stadt wohnt, hat gesagt, dass sie Veronika gesehen haben." antwortete er mir ,,Veronika ist das derzeitige Oberhaupt." ergänzte er, als er meinen fragenden Blick auffing.
,,Ahh" gab ich von mir und musste lächeln. ,,Werden hier nicht irgendwie die Männer immer das Oberhaupt?" fragte ich und schloss meine offenstehende Schranktür.
,,Nein, das Rudel kann sich aussuchen, wer das Oberhaupt wird. Naja, nicht aussuchen. Eher, wer halt am besten passt." er ließ sich auf meinen Schreibtischstuhl fallen.
,,Passt?" ich setzte mich auf mein Bett und musterte ihn. Er schaute sehr fertig und mitgenommen aus.
,,Bei dir ist es vererbt, dass du das neue Oberhaupt werden müsstest. Bei anderen nicht. In den Geschichten steht, dass sie so etwas in sich spüren und dann zum Oberhaupt werden." er zuckte mit den Achseln. ,,Keine Ahnung."
,,Okay. Wir können von mir aus schon bald dort hin." versicherte ich ihm.
,,Nein, du musst richtig fit sein." Josh stand auf und kam zu mir herüber.
,,Bin ich!" ich stand auf und stellte mich vor ihm.
,,Nein, Kait, du-"
,,Ich möchte da morgen hin! Ich sage das jetzt Evelin." unterbrach ich ihn und ging aus meinem Zimmer.
Evelin hatte tatsächlich zugestimmt. Josh und ich waren so schnell es ging von der Schule nach Hause gefahren, um rechtzeitig Moritz und Evelin anzutreten.
,,Wir werden uns im Hintergrund halten. Josh und du werdet das alleine tun." sagte Moritz zu mir und schloss die Haustür ab. ,,Josh habe ich gestern noch gezeigt, was er sagen muss und tun muss. Ihr werdet das schaffen."
,,Ich denke auch." sagte Josh und legte mir ein Hand auf die Schulter.
,,Dann los." rief Evelin und verwandelte sich. Ihr beiges Fell glänzte in der Sonne und sie jaulte laut auf. Moritz verwandelte sich auch sofort und lief los auf die vielen Bäume zu. Evelin lief ihm hinterher und sie verschwanden in dem Wald.
,,Komm." sagte Josh leise und verwandelte sich ebenfalls. Ich zuckte zusammen, als er vor mir stand. Sein Karamell farbiges Fell war heller geworden und ich wich aus Reflex vor ihm zurück. Er stupste meine Schulter mit seiner Schnauze an und trabte in Richtung Wald.
Die Verwandlung erfolgte schon, wie von selbst. Ohne groß darüber nachzudenken war ich bereits ein Wolf und stand in voller Größe dort. Josh jaulte auf, als er mich bemerkte und lief los.
Ich lief ihm hinterher. Der warme Wind wehte durch mein Fell und zerzauste es. Ich hatte nach nur wenigen Sprüngen Josh eingeholt und lief neben ihm her. Es war ungewohnt wieder auf vier Beinen zu laufen, aber ich genoss es.
Evelin und Moritz blieben vor uns stehen, aber Josh gab mir zu verstehen, dass wir weiter mussten. Wir waren eine gute halbe Stunde gelaufen, jedoch hatte es sich länger angefühlt.
Als der Wald sich lichtete, verwandelte sich Josh zurück und lief locker weiter. Als ich mich aber verwandelte, war ich ganz wackelig auf den Beinen.
,,Man gewöhnt sich irgendwann daran." flüsterte Josh und hielt mich fest. Wie sollte man sich an so etwas bitte jemals gewöhnen?
,,Siehst du sie? Sie stehen da bei diesem Felsen." Josh zeigte auf einen riesigen Felsen, der nah an einem Fluss stand. Mein Blick schweifte zu ihnen und es waren mindestens zwanzig Leute. Eine Frau mit langem, blondem Haar stand an dem Felsen gelehnt und redete. Ich verstand es nicht.
,,Wieso kann ich sie nicht hören?" fragte ich und ich hörte den Zweifel in meiner Stimme.
,,Ist so ein Werwolfsding. Es ist ein Ritual, das man durchführen muss, damit andere Wölfe einen nicht verstehen können. Extreeeem aufwendig." er musste schmunzeln und nahm meine Hand. ,,Na komm." er trat hinter den Bäumen hervor und zog mich hinter sich her. Ich seufzte und folgte ihm. Ich hatte Angst davor, was der Wolf in mir sagen würde. Was, wenn ich in das andere Rudel gehörte? Wenn ich Josh verlassen müsste?
Wir beschleunigten unsere Schritte und kamen den anderen immer näher. Plötzlich fühlte es sich so an, als würden wir durch eine Wand gehen. Ein Windstoß fegte um mich und Josh und uns wurde die Luft abgeschnürt. Meine Luftröhre war zugeschnürt und meine Lunge war außer Betrieb.
,,Was wollt ihr?" schrie die Frau mit den blonden Haaren.
,,Wir wollen nur reden." krächzte Josh. ,,Gewährt uns dies."
Sie machte eine Handbewegung und meine Lunge füllte sich mit Sauerstoff und ich keuchte auf.
,,Ihr seid?" sie trat näher heran und sog scharf die Luft ein, als sie Josh erkannte. ,,Was macht ihr hier?" brüllte sie und sprang einen Schritt zurück.
,,Beruhig dich, Veronika." ein breiter Mann mit Bart trat hervor und schaute uns an.
,,Josh Jaronas und Kaithlyn Piers Jaronas." stellte Josh uns vor und schwenkte, bei meinem Namen mit seinen Händen zu mir.
,,Kaithlyn?" fragte Veronika und die anderen fingen an zu tuscheln. ,,Bist du es wirklich?"
Mein Mund war staubtrocken und mir war flau im Magen. Als Josh mich anstupste, räusperte ich mich.
,,Ja, ich bins." sagte ich leise und trat näher zu Josh.
,,Wir haben so lange gewartet." der Mann mit Bart kam auch mich zu, aber ich wich zurück.
,,Schatz! Komm her! Sie ist endlich eine von uns!" rief Veronika in Richtung Fluss, wo noch vereinzelte Jungs standen. Als sich ein Junge mit braunen Haaren auf den weg machte, blieb mir der Atem weg. Josh neben mir knurrte bedrohlich und mich überzog eine Gänsehaut.
,,Na na na." machte Veronika. ,,Wir wollen doch nicht unseren Vertrag brechen oder?" sie machte einen gespielten Schmollmund. Sie nahm ihren Sohn in den Arm, als dieser da war.
,,So, Mark, sie ist endlich eine von uns." ein grollen ging durch die Runde. Josh knurrte erneut und ich konnte Mark nicht ins Gesicht schauen.
,,Kaithlyn, ja? So musste es also kommen." Mark lachte bitter auf und ich merkte, wie sein kalter Blick auf mir lag.
,,Lass sie! Oder ich reiße dich in Stücke." presste Josh hervor. Mark lachte erneut.
,,Ich wusste schon immer, dass du einer bist, Jaronas. Kamst mir immer so suspekt vor. Aber Kaithlyn? Von ihr hätte ich es am wenigsten erwartet. Und dann noch Oberhaupt!" den letzten Satz rief er.
,,Rede nicht so, als wäre sie nicht anwesend!" ich schaute zu Josh. Er schien es ernst gemeint zu haben.
,,JUNGS!" rief der Mann mit Bart. ,,Wir sind hier, um Kaithlyn endlich in unser Rudel aufzunehmen."
,,Nein, sind wir nicht." sagte Josh sofort. ,,Sag auch mal was, Kait." er schaute geschockt zu mir und mich überkam Panik.
,,Eh-Genau." brachte ich nur hervor.
,,Du willst nicht in unser Rudel?" fragte Mark kalt.
,,Nein, will ich nicht!"
,,Na na na." machte Veronika erneut. ,,Diese Entscheidung liegt nicht bei dir, das weißt du hoffentlich."
,,Ja, das tue ich. Aber nichts in mir sagt, dass ich hier hingehöre. Ich gehöre in das Rudel von Evelin und Moritz! Sie lieben mich!" stellte ich klar. ,,Josh liebt mich." ich schaute zu Josh auf und er lächelte mir zu.
,,Du könntest auch Mark haben." ein Junge neben Mark zuckte mit den Schultern.
,,Wag es ja nicht!" brüllte Josh. ,,Ich bin auf sie geprägt! Verdammt nochmal! Sie gehört zu mir! Würden wir in getrennten Rudeln sein, dann würden wir niemals ein Happyend haben. Vor allem nicht, wenn es dieses Rudel ist."
,,Will da jemand was beweisen? Du bist auf sie geprägt, sie noch lange nicht auf dich. Sie könnte Gefühle für mich entwickeln" schmollte Mark gespielt.
Ich wollte gerade etwas erwidern, aber es war zu spät . Josh hatte sich im Sprung verwandelt und sich auf Mark gestürzt. Mark hatte schnell reagiert und sich ebenfalls verwandelt. Er hatte pechschwarzes Fell und war ein riesiger Wolf. Ich schrie auf und stolperte rückwärts. Ich konnte mich gerade noch auffangen.
,,Der Vertrag, Mark!" schrie Veronika, aber er ignorierte sie. Ich bekam Panik und drehte mich nach Evelin und Moritz um. Sie standen am Waldrand und schauten geschockt auf Josh.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top