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"Wo ist sie hin?" , fragt Alana ihren Freund angespannt. Die Frau hatte sich einfach ins nichts aufgelöst.

"Vielleicht ist sie auch ein Geist", scherzt er.

"Vielleicht ist sie das." , überlegt Alana laut. "Aber wieso kann ich dann mit ihr sprechen, wenn du bisher der einzige Geist bist?" , fragt sie.

"Hast du etwa schon wieder vergessen, was wir vorhin herausgefunden haben?" , fragt er sie empört.

"Warum habe ich sie nicht darauf angesprochen?" , fragt Alana enttäuscht.

"Weil du es nicht wusstest, bevor sie sich in Luft ausfeglöst hast. Außerdem ist es nur eine Vermutung. Du kannst nicht wissen, ob sie wirklich ein Geist ist. Vielleicht hätte sie dich auch für verrückt gehalten, wenn du sie explizit gefragt hättest, ob sie ein verdammter Geist ist. Sie sah meiner Meinung nach nämlich eigentlich nicht danach aus" , erklärt ihr Freund ihr. Alana nimmt den ganzen Stapel voller Bücher und bringt sie zu dem Ausleihtisch. Sie hat keinen Beutel oder sonst eine Tasche dabei, denn eigentlich wollten die beiden nur spazieren gehen. Sie leiht die Bücher auf ihrer Karte aus und versucht sie, übereinander zu stapeln, um sie nach Hause zu transportieren. Mandrik kann ihr nicht helfen. Die beiden beeilen sich den Rückweg über, damit Alana die vielen Bücher nicht allzu lange balancieren muss. Als sie endlich bei Alana angekommen sind, lässt sie die schweren Bücher auf ihr Bett fallen. Der Stapel fällt auseinander und die Bücher fliegen durch den Schwung in alle Richtungen.

"Welches sehen wir uns zu erst an?" , fragt sie.

"Die Geschichtsbücher" , antwortet Mandrik.

"Geister und wie sie leben?" , fragt Alana. Davon erhofft sie sich, noch mehr über Mandrik und seine Spazies herauszufinden.

"Hier stehen verschiedene Geisterarten drin" , berichtet Alana aufgeregt, nachdem sie ein paar Seiten gelesen hat. Nun kommt Mandrik wieder dazu, er hatte noch einmal seine Notizen durchgeblättert, die er gemacht hat. Er setzt sich neben Alana und sie schlägt die richtige Seite auf, damit er lesen kann.

"Es gibt Elemtargeister, Poltergeister, Todesgeister, historische Geister, Boten und sogenannte Restspuckgeister " , liest er.

"Und was für ein Geist bist du nun?" , fragt sie ihn, während er die Seite weiterliest.

"Das werden wir wohl gleich herausfinden, schätze ich" , antwortet er.

"Die Elementargeister werden als primitivste Form der Geister angesehen. Sie bewegen sich wenig, wenn überhaupt. Ihr geht oft nur von einem Ort aus mit dem sie verbunden sind, meistens von alten Gräbern oder Friedhöfen. Von diesem Ort aus erschrecken sie die vorbeigehenden Menschen. Diese Art von Geistern ist sehr alt und sind normalerweise schwache Reflexionen aus den mythologischen Geschichten der Menschen vergangener Zeiten. Manchmal kann man nicht sicher sagen, ob es sich wirklich um Elementargeister oder um Dämonen handelt, da es kaum nachvollziehbar ist, ob diese Entitäten überhaupt jemals menschlich waren." , liest Alana vor und schließt dies sofort aus. Solch ein Geist wird Mandrik nicht sein.

"Poltergeister. Poltergeister sind personenbezogen, dass heißt, sobald sie sich an eine Person gebunden haben, wird es schwierig, sie wieder loszuwerden. Wenn die Person umzieht, zieht der Geist mit um" , liest Mandrik.

"Wie gruselig" , antwortet Alana. "Aber du verschwindest. Dann bist du wahrscheinlich kein Poltergeist. Ihr seit ja an keine Personen gebunden, oder?" , fragt sie.

"Soweit ich weiß, nein. Wir wechseln ja sogar die Stadt und da habe ich niemals die gleiche Person zwei mal gesehen. Außer dich" , erklärt er. Alana liest den nächsten Absatz weiter vor.

"Sie besitzen keinen festen Körper und sind für das Opfer selbst nicht sichtbar. Sie nehmen nur die Aktivitäten des Geistes da, denn der Geist kann nicht gefilmt oder fotografiert werden" , beendet sie den Satz und bekommt eine Gänsehaut. Diese Art von Geist macht ihr ein wenig Angst. "Du hast einen festen Körper. Ein weiteres Indiz dafür, dass du kein Poltergeist bist, denn ich kann dich sehen und all die anderen Menschen auch. Zumindest um Mitteracht im Zirkus"

"Kannst du weiterlesen?" , fragt sie. Ihre Haut ist immer noch mit Gändehaut überzogen und ihr ist unwohl dabei. Irgendwie hat sie das Gefühl, durch das Lesen einer dieser Geister auf sie Aufmerksam zu machen. Mandrik ist selbst ein Geist, die werden sich wohl nicht in die Quere kommen.

"Den Forschungen zufolge, sind Poltergeister Seelen von verstorbenen Menschen, die einen plötzlichen, oft gewaltsamen Tod starben oder getötet wurden." , liest Mandrik vor und überlegt laut.

"Wieso sind dann Zazie und Rüya keine Poltergeister?", fragt er. Alana zuckt die Schultern. Die beiden lesen erst einmal weiter. Vielleicht gibt der weitere Text noch mehr Informationen her.

"Poltergeister machen sich zu Beginn ihrer Tätigkeit, meistens mit einem Klopfen bemerkbar. Im weiteren Verlauf, wird das Klopfen immer lauter und Intensiver. Ist sein Opfer erstmal eingeschüchtert und verängstigt, folgen weitere Aktivitäten wie beispielsweise Knallgeräusche, Kältestellen, Stimmenwahrnehmung sowie das An und Ausgehen elektronischer Haushaltsgeräte wie zum Beispiel Fernseher, Radios, Glühbirnen und Computer ohne erkennbare Ursache.

Das Verschwinden und wieder Auftauchen von Objekten sowie Lichterscheinungen wie z. B. Kugelblitze oder die Zerstörung von Möbel, Geschirr oder Fensterscheiben sind ebenfalls möglich. Allerdings gibt es noch keine Berichte darüber, dass Menschen von Poltergeistern ernsthaft verletzt wurden. Aber harmlos sind sie dennoch nicht. Im Gegensatz zu den meisten Geistern haben sie die Fähigkeit Dinge zu werfen und Objekte in der physischen Welt zu bewegen. Die destruktiven Aktivitäten eines Poltergeistes treten gewöhnlich nur in Anwesenheit einer bestimmten lebenden Person auf – häufig einer Teenagerin -, die dann verdächtigt wird, die Schäden selbst verursacht zu haben. Die Leute wissen viel mehr über Poltergeister als über die anderen Geisterarten, da sie oft die Stars der berühmten Hollywood-Horrorfilme sind." , liest Mandrik vor.

"Die sind fucking gruselig. Ich wette, jetzt bilde ich mir sowas ein" , erklärt Alana. Sie hat wirklich Angst bekommen und weil sie weiß, dass es Geister gibt macht es das ganze noch realer, als wenn es nur Vermutungen von irgendwelchen Forschern wären. Immerhin hat man noch nicht herausgefunden, ob es Geister wirklich gibt.

"Poltergeister hat es wahrscheinlich schon vor der Mittelalterlichen Zeit gegeben. Bereits im 6. Jahrhundert im Umkreis von Italien, wurde von derartigen Vorfällen berichtet, wobei man nicht sicher weiß, ob es sich um Poltergeistaktivitäten handelt. Schriftliche Aufzeichnungen gibt es seit dem 12. Jahrhundert und im Jahr 1599 wurden die ersten Forschungen zu Poltergeister betrieben.

Der Hexentheoretiker Martin del Rio ( 17.5.1551 – 19.10.1608 ) hat damals 18 Arten von Dämonen beschrieben, von denen die 16. Art Gespenster waren, die darauf spezialisiert waren, ein ungeheures Durcheinander zu schaffen." , beendet Mandrik den Absatz.

"Geister gibt es schon ziemlich lange"

"Ich frage mich, weshalb ich keine anderen Geisterarten kenne. Ihr lebt doch auch alle zusammen. Mehr oder weniger. Also, eure ganzen kulturen und verschiedenen Länder. Ich weiß nicht, ob man das miteinander vergleichen kann, aber ich habe noch nie andere Geister gesehen, als die aus dem Zirkus"

"Vielleicht ist das unter euch Geistern einfach anders" , sagt sie und zuckt die Schultern. Die nächste Geisterart sind die Todesgeister, die Alana nicht ganz so gruselig findet. Sie liest Mandrik den Abschnitt vor.

"Todesgeister sehen Menschen nur, wenn sie im sterben liegen, schwer verletzt sind oder sich in Lebensgefahr befinden. Diese Geister waren Freunde, Bekannte oder Angehörige von dem Menschen. Besonders Menschen, die klinisch tot waren, sind von ihnen besucht worden. Aber auch Menschen die im sterben liegen, berichten immer wieder von solchen Erscheinungen.

Es ist die alte Frau im Hospiz, der in ihren letzten Minuten, ihr toter Ehemann vor dem Sterbebett erscheint und sagt: " Gleich sind wir wieder zusammen". Oder der Mann, der einen Herzinfarkt hatte, wieder erfolgreich reanimiert wurde und später sagt, dass er während der Reanimation die Stimme seiner schon längst verstorbenen Mutter gehört hat, wie sie gesagt hat: " Noch ist es nicht soweit"., liest Alana vor. Von dieser Art hatte sie schon oft gehört. An diesen Geistern ist nichts gruselig. Es ist sogar eine schöne Vorstellung, dass es sie gibt. In gewisser Hinsicht zumindest. Menschen haben von Nahtoderfahrungen berichtet. Bei diesen Geistern ist sich Alana sicher, dass es sie auf jeden Fall gibt, aber das sie noch nie einem begegnet ist, denn immerhin liegt sie nicht im Sterben und sie kannte die Personen auch vorher nicht. Die beiden machen sofort mit dem nächsten Absatz weiter.

"Die historischen Geister sind erdgebundene Geister der Toten. Sie sind für den Spuk in alten Häusern, Burgen, Schlössern und anderen Orten verantwortlich, die zu Lebzeiten wichtig für sie waren. Sie interagieren auch sehr oft mit den Lebenden." , liest Alana vor.

"Könnte die Frau in der Bibliothek solch ein Geist gewesen sein?" , fragt sie ihren Freund.

"Vielleicht war die Bibliothek zu ihren Lebzeiten ein wichtiger Ort für sie. Und sie hat mit uns interagiert. Es würde Sinn machen. Sie wäre ein historischer Geist und die können mit uns reden!" , ruft sie aufgeregt. Sie muss die Dame unbedingt noch einmal wiedersehen und fragen, auch wenn sie schließlich für die letzte irre gehalten wird. Es ist es ihr wert. Sie muss es einfach versuchen. Nach der anfänglichen Euphorie lesen die beiden noch die letzten Seiten des Kapitels.

"Hast du schon einmal was von mentaler Abdruckmanifestation gehört?" , fragt Alana, die schneller liest, als ihr Freund.

"Nein, was ist das?" , fragt er.

"Mentale-Abdruckmanifestationen sind Bilder oder Energien, die von einem bestimmten Ereignis übrig geblieben sind, meist von einer Tragödie, wie einem Mord oder einer Hinrichtung. Diese Geister wiederholen die gleiche Aktion immer wieder. Also sie gehen zum Beispiel immer wieder durch den selben Raum oder öffnen immer wieder eine Tür. Sie scheinen auch immer an einem bestimmten Datum oder zu einer bestimmten Zeit in der Nacht zu erscheinen. Aber sie sollen kein Bewusstsein haben" , erklärt sie.


Es würde ein bisschen auf euch zutreffen. Bis auf das mit dem Bewusstsein" , versucht Alana ihren Gedankengang in Worte zu fassen. "Also, ihr seit, so wie ich das jetzt verstanden habe, alle bei einer Tragödie ums Leben gekommen. Die einen bei einem Mord. Die anderen bei einem Brand, einem Unfall. All sowas" , überlegt sie und kommt nun von dem eigentlichen Gedanken ab.

"Warte Mal. Habe ich das nicht am Anfang schon gegoogelt?" , fragt sie sich.

"Mandrik, ihr seit alle bei Tragödien ums Leben gekommen. Selbstmord, Ertrinken und so weiter" , sagt sie. Vielleicht haben sie die Verbindung zwischen den Geistern gefunden.

Sie gibt schnell etwas in die Suchleiste ihres Computers ein.

"Hier. Ich habe Tod gegoogelt. Zu den natürlichen Todesursachen zählen und das Versagen von Körperfunktionen.

Zu den nicht natürlichen Todesursachen rechnet man (, , ), und . Bei beispielsweise versterben viele der Unfallopfer an den Folgen eines ." , liest sie den Wikipediaeintrag vor, den sie am schnellsten zu dem Thema gefunden hat.

Nun fällt es ihr das erste Mal bewusst auf, dass all die Artisten, von denen sie bisher die Todesart kennen, keine natürliche Todesursache haben.

"Ihr habt alle keine natürlichen Todesursachen gehabt. Tierangriffe, Mord, Selbstmord,Unfälle. Das sind alles unnatürliche Todesarten!" , schreit sie freudig auf. "Ich glaube, wir haben die Verbindung zwischen euch gefunden" , freut sie sich.

"Das könnte wirklich sein. Aber jetzt noch einmal auf den Abschnitt zu den mentalen Abdruckmanifestationen."

"Ihr wiederholt den gleichen Ablauf, jeden Abend. Jede Nacht, um Mitternacht. Sie scheinen immer zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Nacht zu erscheinen" , wiederholt Alana noch einmal den Satz.

"Aber wir haben alle ein Bewusstsein. Es passt nur halb zusammen. Wir haben jetzt zwei Geisterarten, die ich sein könnte" , überlegt er, ein wenig enttäuscht. Sie würde ihn gerne in den Arm nehmen und trösten.

"Wir schaffen das" , versucht sie ihn ein wenig aufzumuntern. "Wir haben ja noch einige Geisterarten. Vielleicht bist du auch was ganz anderes"

"Ich wünschte, ich wäre ein historsicher Geist" , gibt er zu.

"Wieso?" , fragt sie.

"Weil die Frau mit dir reden konnte. Ich glaube, ihr habt euch sogar berührt" , gibt er zu.

"Wir werden eine Lösung finden, ich verspreche es dir" , erwidert Alana.

"Das kannst du mir nicht versprechen. Du weißt nicht, ob es wirklich geht"

"Komm, lass uns erst einmal weiterlesen. Vielleicht finden wir ja noch mehr heraus, was uns weiterhelfen kann"

Die beiden liegen inzwischen in dem Bett und Alana hält das Buch in der einen Hand. Die andere hat sie neben Mandriks Kopf abgelegt. Sie würde ihm zur Beruhigung gerne durch die Haare streichen, doch es ist unmöglich. Wenn sie ihn nun versuchen würde, anzufassen, würde er ausrasten. Er ist sowieso schon schlecht drauf. Sie will es nicht noch schlimmer machen, weshalb sie das Buch nun mit beiden Händen festhält und weiter vorliest. Mandrik hat die Augen geschlossen und lauscht ihrer Stimme.

"Boten. Diese Arten von Geistern kommen möglicherweise am häufigsten vor. Diese Geister tauchen normalerweise kurz nach ihrem Tod bei Menschen in ihrer Nähe auf. Sie sind sich ihres Todes bewusst und können mit den Lebenden interagieren. Am häufigsten bringen sie ihren Angehörigen Botschaften des Trostes, um ihnen zu sagen, dass sie gesund und glücklich sind und sie nicht um sie trauern müssen.

Diese Geister erscheinen kurz und meist nur einmal. Es scheint so, als würden sie absichtlich in die Welt der Lebenden zurückkehren, um ihnen zu helfen, mit ihrem Verlust fertig zu werden." , liest Alana vor.

"Das ist doch gemein. Warum können die mit den Lebenden interagieren und tauchen nur einmal auf?" , fragt er. "Sowas bin ich wohl nicht" , sagt er enttäuscht.

"Restspuckgeister" , liest Alana den nächsten und letzten Absatz vor. Mandrik hat wohl auch die Schnauze voll. Dies scheint ihn mehr mitzunehmen, als er zugeben will. Es ist aber auch im Leben schon nicht einfach herauszufinden, wer man ist. Als Geist ist es wahrscheinlich noch viel komplizierter.

"Einige Geister sind wahrscheinlich nur Aufzeichnungen aus der Umgebung, in der sie einst lebten. Ein Bürgerkriegssoldat wird wiederholt gesehen, wie er in einem Haus steht und aus dem Fenster starrt, in dem er zu Lebzeiten Wache stand. In einem Flur, in dem das Mädchen, als sie noch gelebt hatte oft spielte, ist jetzt das Lachen eines toten Mädchen zu hören.

Es gibt sogar Fälle von Geisterautos und Zügen, die immer noch gehört und manchmal gesehen werden können, obwohl sie schon lange nicht mehr existieren. Diese Arten von Geistern interagieren nicht mit den Lebenden und scheinen sich ihrer bewusst zu sein. Ihr Aussehen und ihre Handlungen sind immer gleich. Sie sind wie Aufnahmen aus einem Film, der immer wieder abgespielt werden."

"Das bin ich nicht, oder?" , fragt er zögerlich.

"Ich könnte mir vorstellen, dass Vick so jemand ist" , gibt Alana zu. "Er war Magier und ist nun wieder Magier in einem Zirkus. Er führt die gleichen Tricks auf, jeden Abend. Er interagiert auch nicht mit den Lebenden. Ein wenig, aber redet nicht mit ihnen. Er ist sich bewusst. Aber er ist nicht wie eine Aufnahme, die immer wieder abgespielt wird. Er macht jeden Tag, zumindest tagsüber was anderes" , fässt Alana zusammen.

"Was ist, wenn Geister einfach noch nicht genug erforscht wurden sind?" , fragt er. "Immerhin wisst ihr noch nicht einmal, ob wir wirklich existieren. Es sind alles nur Vermutungen, die im Internet stehen. Ihr wisst es nicht. Menschen kennen sich nicht damit aus" , erklärt er nachdenklich.

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