14
In den nächsten Tagen besucht Alana Mandrik jeden Tag, nachdem sie Feierabend hat. Die beiden unternehmen viel gemeinsam, aber Alana hat es immer noch nicht über sich gebracht, die Artisten auf den neusten Stand ihrer Ergebnisse der Recherche zu bringen. Heute müsste sie dies tun. Heute wollte sie es tun. Sie hatte all ihren Mut zusammen genommen. Sie begrüßt erst Mandrik und bittet schließlich die Betroffenen zu sich. Sie hat beschlossen, vor allem Zazie und Rüya allein von ihren Todesursachen zu erzählen. Sie weiß, wie es letztes Mal ausgegangen ist, als sie sofort allen im Kreis davon erzählt hat, wie Gree umgekommen ist.
"Ich muss euch beiden etwas sagen. Und es ist nicht gerade erfreulich" , beginnt sie und versucht so, die beiden vorzuwarnen. Sie kann immer noch nicht vergessen, dass Zazie sieben Jahre alt ist und sie ihr nun sagen müsste, dass sie ermordet wurden ist. Rüya und Zazie schauen sie mit großen Augen an und Zazies Mund bewegt dich, doch Alana kann sie nicht verstehen. Mandrik ist gerade irgendwo verschwunden, weshalb er das Gesprochene nicht übersetzen kann, deshalb redet Alana einfach weiter.
"Es hat mit eurem Tod zutun. Wollt ihr wirklich wissen, wie ihr gestorben seit? Es ist nämlich kein schöner Tod. Wenn nicht sogar einer der schlimmsten" , gibt Alana zu, aber die beiden nicken.
"Okay. Ihr seit beide ermordet wurden" , bringt sie nun endlich die Worte über die Lippen, die sie seit fast einem Jahr in ihrem Kopf eingeschlossen hatte. Die beiden sehen überhaupt nicht geschockt aus. Sie reagieren ganz anders als Gree. Vielleicht ist es aber auch, weil sie nicht selbst daran Schuld sind, dass sie tot sind. Und tot sind sie so oder so. Die beiden schauen sie erwartungsvoll an, als wollten sie noch mehr erfahren.
"Okay, Rüya. Du wurdest von einem Mann ermordet, der nie gefasst wurden ist. Er hat deine Leiche zerstückelt und die Einzelteile im Land verteilt" , erklärt Alana und muss schlucken. Sie schaut Rüya ganz genau an, doch in ihrem Gesicht regt sich nichts. Sie nimmt es einfach hin.
"Zazie, du wurdest von einem Serienmörder getötet. Und zwei andere Mädchen ebenfalls. Die beiden Mädchen, ich habe Bilder von ihnen gefunden, sie sehen aus, wie die, in die du dich teilst, wenn du deine Nummer aufführst" , erklärt sie. Immer noch verziehen die beiden keine Miene. Irgendwie hat sie mit mehr Emotionen gerechnet. Die beiden schauen sie jedoch nur an und verschwinden schließlich wieder in der Manege, ohne ihr noch etwas sagen zu wollen, denn ihre Münder bewegen sich nicht. Mandrik läuft immer noch in der Gegend herum und Alana sucht ihn, denn sie findet es seltsam, wie die beiden reagiert haben. Als sie ihn endlich findet beauftragt sie ihn, noch einmal nach den beiden zu sehen, doch er erklärt, dass die beiden einfach so sind. Sie sind ziemlich abgehärtet und zeigen kaum Emotionen. Gree ist das komplette Gegenteil dieser beiden Mädchen. Nun würde sie auch noch den anderen beiden erzählen, wie sie ums Leben gekommen sind, damit auch diese Last von ihren Schultern fällt. Immerhin hatte sie Hazelles und Archs Tod ebenfalls herausgefunden. Sie hatte nicht vor, auch diese Information über ein Jahr mit sich herumzuschleppen. Man weiß nie, wann der Zirkus wieder verschwindet. Er ist unberechenbar. Sie ruft die beiden ebenfalls einzeln zu sich und dieses Mal ist auch Mandrik dabei. Er weiß es sowieso schon und kann den dreien beim Kommunizieren helfen.
"Ich habe herausgefunden, wie ihr gestorben seit" , beginnt sie das Gespräch. Die beiden sehen sie erwartungsvoll an. "Ihr wurdet beide von Tieren angegriffen und seit daran gestorben" , erklärt sie ihnen. Die beiden reagieren auch ziemlich ruhig und nehmen ihren Tod einfach so hin. Alana hätte sich die ganzen zehn Monate überhaupt nicht so den Kopf zerreißen müssen. Doch wenn man einmal eine schlimme Erfahrung macht, hat man Angst, diese noch einmal erleben zu müssen. Man malt sich in seinem Kopf die schlimmsten Dinge aus und Alana hatte nun wirklich mehr Zeit, als genug, sich all die schrecklichen Dinge auszumalen, die hätten passieren können.
Den restlichen Abend verbringt sie mit Mandrik, bis die Vorstellung um Mitternacht beginnt und wieder alle Bewohner aus Rumor in den Zirkus kommen. Alana hat Angst, die Gefühle, die sie für Mandrik hat, in Worte zu fassen, denn das letzte Mal, als sie ihm dies gestehen wollte, war er zehn Monate einfach verschwunden. Daran kann es aber eigentlich nicht liegen, denn die Gefühle sind immer noch da. Während Mandrik und die anderen ihre Vorstellung im Zirkuszelt geben, wartet Alana im Artisteneingang und versucht in einem Brief an ihn ihre Gefühle in Worte zu fassen, was mehr schlecht, als recht funktioniert.
"Lieber Mandrik,
Du bist ein Geist und
Das heißt,
Wir können niemals zusammen sein.
Trotzdem liebe ich dich." , versucht sie den erste Satz zu schreiben, verwirft dies aber wieder und zerknüllt den Zettel, um ihn auf den Boden zu werfen. Zum Glück kann Mandrik ihn nicht aufheben und lesen. Sie könnte ihm doch niemals die drei Worte sagen, oder? Es gibt sowieso keine Chance für die beiden. Sie überlegt noch eine Weile. Wenn sie tot wäre, dann hätten die beiden eine Chance. Könnte sie Selbstmord begehen, so wie Gree, um bei Mandrik zu sein und ihn endlich berühren zu können? Können Geister sich gegenseitig berühren, spüren sie sich? Auf der Erde würde sie sowieso niemand vermissen. Ihre Eltern interessieren sich nicht für sie und Emma ist ihre einzige Freundin, die sie hintergangen hat. Sie fühlt sich immer noch schuldig, sie so angelogen zu haben. Aber was garantiert ihr, dass sie in diesem Zirkus bei Mandrik landen würde? Wieso sind genau diese Menschen hier gelandet? Welche Verbindung gibt es zwischen ihnen? Bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen könnte, müsste sie noch einige Informationen herausfinden und sie weiß nicht, ob es bis dahin schon zu spät ist. Der alte Herr hat immerhin nur diese Sachen herausgefunden, die er Alana gegeben hat. Weshalb sollte ausgerechnet sie mehr herausfinden? Sie beschließt, sich die nächste Woche beim FSJ krank zu melden und ihre komplette Zeit in die Recherche zu stecken. Sie muss einfach mehr herausfinden, bevor sie alt und schrumpelig ist.
Sie muss herausfinden, was es mit dem plötzlichen Verschwinden auf sich hat und macht eine Liste mit all den Dingen, die sie schon weiß und all den Dingen, die sie noch herausfinden muss. Sie schreibt diese Liste wieder in ihr Tagebuch, weil man dieses verschließen kann und es so doppelt gesichert ist. Sie nimmt ihr Tagebuch so gut wie immer mit, weil sie am liebsten alles sofort hineinschreibt, wenn sie es erlebt hat. Sie hat immer noch keine Lust, dass ihre Eltern ihre Gedanken lesen und schon gar nicht all diese Fragen. Sie würden sie wahrscheinlich einweisen.
20. Juli 2008:
Alles, was ich schon über den Zirkus weiß:
• Der Zirkus besteht aus Geistern
• Es sind insgesamt 10 Stück
• Zazie und Rüya wurden ermordet
• Die beiden Mörder sind nie gefasst wurden
• Hazelle und Archibald sind bei einem Tierangriff gestorben
• Gree hat sich umgebracht
• Skylar ist bei einem Brand ums Leben gekommen
• Vick war Magier und ist bei einem Trick gestorben
• Geister haben kein Zeitgefühl
• Man findet nichts über den Zirkus im Internet, er scheint nicht zu existieren
• Es gibt einen Mann, der die gleiche Gabe hat wie ich
• Die Geister können sich durch das nicht vorhandene Zeitgefühl an kaum etwas erinnern, außer ein Mensch hat eine Verbindung zu einem Geist, wie bei mir oder bei Gree und dem alten Mann
Als sie all diese Dinge aufgelistet hat, bemerkt sie Ähnlichkeiten zwischen den Todesarten, denn diese sind alle unnatürlich. Sie googelt noch einmal den Tod. Alana weiß, dass zu den natürlichen Ursachen Krankheiten und das Versagen von Körperfunktionen zählen. All dies hier sind keine natürlichen Todesursachen. Das heißt, alle haben schon einmal gemeinsam, dass sie keinen natürlichen Tod gestorben sind. Alana freut sich, denn sie ist einen Schritt weiter. Nun muss das nur noch auch auf Enytha, Mandrik und Catos Tod zutreffen, denn bei diesen drei ist sie noch nicht weiter gekommen. Sie ist aber fest entschlossen, dass sie alles noch herausfinden wird. Sie versucht sich all die Tode noch einmal vor Augen zu führen. Alana nimmt dafür ihren Zeichenblock, den sie auch immer dabei hat und malt jeweils den Moment des Todes. Dabei kann sie einfach am Besten ihre Gedanken schweifen lassen, kommt auf die besten Ideen und konzentriert sich besser als sonst. Sie malt Gree mit all ihren Facetten auf ein leeres Blatt Papier und zeichnet ein Seil um ihren Hals. Man sieht die Narbe, die sie davongetragen hat, auch auf dem Bild. Anschließend malt sie ein weiteres Bild, in dem Gree in ihrem Element zu sein scheint. Dabei tanzt sie auf einem Seil und befindet sich in der Zirkusmanege. Alana bemerkt, während sie das Bild zeichnet, dass sie das gleiche Seil malt. Einmal, wie Gree sich damit erhängt und einmal, wie sie darauf tanzt. Anschließend zeichnet sie auch die anderen Artisten im Moment ihres Todes und im Moment der Magie des Zirkus. Skylar malt sie in einem brennenden Haus, wie sie schreiend nach draußen rennen will, doch dabei in Flammen aufgeht. Anschließend malt sie sie als Feuerspuckerin in der Zirkusmanege. Archibald malt sie als einen Wolf und wie er von einem angegriffen wird. Ebenso bei Hazelle. Sie malt sie einmal in der Zirkusmanege, sprechend mit einem Tier und einmal, wie sie von einem Tier angegriffen wird und dabei ums Leben kommt. Sie bemerkt nach einer Weile, die sie den Stift einfach über das Blatt hat ziehen lassen, dass die Todesursachen immer etwas mit dem zutun haben, was die Artisten auf der Bühne aufführen. Sie fügt diese neue Information zu dem Zettel hinzu, auf den sie all die Dinge geschrieben hat, die sie inzwischen schon über den geheimnisvollen Zirkus herausgefunden hat. Anschließend legt sie noch eine neue Liste auf einem anderen Zettel an, auf den sie all die Dinge schreibt, die sich als Fragen in ihrem Kopf zusammengestellt haben. Sie möchte diese Fragen auf jeden Fall in den nächsten Wochen klären, bevor der Zirkus ein weiteres Mal für zehn Monate verschwindet und sie immer älter wird. Ohne Mandrik. Er würde für immer in diesem Zirkus gefangen sein. Nun zeichnet sie auch noch Zazie, wie sie von dem Mann, der in Alanas Träumen aufgetaucht ist, getötet wird. Auch die anderen beiden Mädchen zeichnet sie auf das Bild des Todes. Sie kommen ebenso auf dem anderen Bild vor, welches Zazie in der Manege zeigt. Als sie das Bild beendet hat, ist sie ziemlich zufrieden damit und widmet sich dem nächsten. Das Bild legt sie neben das andere Bild von Zazie vor sich. Inzwischen liegen all die fertigen Bilder schon um sie herum in dem kleinen Artisteneingang. Sie ist sowieso eine unordentliche Person, aber es wird immer noch schlimmer, wenn sie kreativ ist. Überall liegen ihre Zeichnungen herum. Der ganze Boden ist inzwischen damit bedeckt und nirgendwo schaut noch Gras heraus. Zazie kann sich scheinbar in die Opfer verwandeln, die bei diesem Serienmord umgekommen sind, was ziemlich gruselig ist, wenn man darüber nachdenkt. Als nächstes widmet sie sich Rüyas Tod. Sie zeichnet Rüya, wie sie schon tot dort liegt und von einem Mann mit einem Messer, der ebenfalls in ihren Alpträumen aufgetaucht ist, zerteilt wird. Neben den beiden liegt ein Koffer, in dem schon die beiden Arme von Rüya gepackt wurden. Das zweite Bild von Rüya zeigt sie als Brezelmensch im Zirkus, da sie im Tod keine Knochen mehr besitzt. Als letztes zeichnet sie Vick. Seine Bilder sehen eins zu eins fast gleich aus. Auf dem Bild seines Todes sieht man ihn bei einem Trick, doch seine Menschengestalt hat die Augen aufgerissen. Er kämpft um sein Leben und sie schafft es, dass die Augen leer aussehen. Auf dem zweiten Bild sieht man den gleichen Trick, doch in diesem wirken seine Augen lebendig und hat die Augen nicht aufgerissen. Es sind sehr feine Unterschiede, auf die Alana sehr stolz blickt, nachdem sie beschlossen hat, dass das Bild nun so fertig ist. Er führt diesen Trick immer noch auf, bei dem er ums Leben gekommen ist. Aber was soll man als Geist schon noch zu fürchten haben. Er kann sich wahrscheinlich sowieso, genau wie alle anderen nicht mehr an seinen Tod erinnern. Sie hat ihr Tagebuch noch nicht wieder zugeklappt und schreibt auf die Seite daneben.
20. Juli. 2008:
Alle Dinge, die ich noch nicht weiß und herausfinden will:
• Warum taucht der Zirkus plötzlich auf und verschwindet, wann er will? Was steckt dahinter?
• Wie sind Cato, Mandrik und Enytha gestorben?
• Wieso sind genau diese Menschen im Zirkus zusammen? Wo sind all die anderen Toten von der Welt?
• Welche Verbindung haben die Geister zueinander?
• Kann ich mich umbringen, um bei Mandrik zu sein, als Geist, um ihn berühren zu können?
• Können Geister sich berühren und den anderen spüren, wenn sie sich berühren?
• Was würde mir garantieren, dass ich bei ihm bin?
Sie wird mit dem Zeichnen und Nachdenken unterbrochen, als Mandrik aus der Manege kommt. Er hat seine Handstandnummer gerade beendet und ist völlig verschwitzt. Sie wusste nicht, dass Geister dies können und muss schmunzeln. Sie fragt sich, ob in den Wohnwagen duschen sind und ob diese von den Geistern benutzt werden. Nachdem Mandrik näher kommt und sie verdutzt ansieht, bemerkt sie, dass er trotzdem gut riecht. Er setzt sich zu ihr und sie klappt schnell das Tagebuch zu, damit er nicht lesen kann, was darauf geschrieben steht.
"Was machst du da?" , fragt er und zeigt auf all die Bilder, die vor ihr liegen. Vick und Hazelle kommen nun von hinten, denn sie sind als nächstes dran und müssen in die Manege. Alana hat alles völlig mit ihren Zeichnungen blockiert und sammelt diese nun schnell auf. Mandrik will ihr am liebsten helfen, aber sie würden doch nur durch seine Finger fallen. Sie sammelt sie auf, doch er konnte einige Blicke darauf erhaschen.
"Du malst die anderen, wie sie gestorben sind?" , fragt er mit verschränkten Armen und schaut auf die herab, wie sie die Zeichnungen vom Boden sammelt.
"Ich konnte so am besten meine Gedanken ordnen. Das sollte nie jemand sehen" , versucht sie sich zu verteidigen. Danach geht er aus dem Zelt, ohne sie noch einiges Blickes zu würdigen. Sie atmet erleichtert aus. Er soll nichts von ihrem heimlichen Plan erfahren, denn sie ist sich sicher, dass er es ihr ausreden würde, auch wenn die beiden danach tottraurig wären und sich nie wiedersehen würden. Alana glaubt, dass sie bei ihm sowieso schon bald in Vergessenheit geraten würde, aber sie könnte ihn niemals vergessen. Ihr ganzes verdammtes langes Leben lang. Gree hatte sich zwar an ihren Liebhaber erinnert, weil Alana sie auf ihn angesprochen hat. Sie hatte erst ein Strahlen im Gesicht gehabt, als Alana ihn erwähnt hat. Davor hatte sie ihn vergessen. Alana sammelt noch die restlichen Zeichnungen auf und steckt sie in ihren Rucksack mit dem Tagebuch, bevor sie sich auf den Weg nach Hause macht. Sie spricht nicht noch einmal mit Mandrik, denn er ist nicht mehr aufzufinden.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top