Kapitel 3
Ich stehe angeschlagen auf. Oh Mann, konnte es nicht nur beim Schnupfen bleiben? Gestern ging es ja noch mit dem Schnupfen. Isabel und Emma haben mir Nasenspray und andere Medikamente gezeigt, während sie mich zu Diyar ausgefragt haben. Beide befinden sich gerade an ihrer Hochschule. Für mich geht es erst um 10:00 Uhr los und ich bin eine gute Stunde früher wach. Ich bleibe noch etwas liegen, berichte Diyar von meiner aktuellen gesundheitlichen Lage und beschließe zehn Minuten später, etwas zu essen. Dadurch, dass meine Nase zu ist, schmecke ich die Mandarinen nur halb so stark. Soll ich heute wieder Kniestrümpfe anziehen? Heute scheint sogar die Sonne. Doch, ich zieh sie an. Ich liebe Kniestrümpfe zu sehr, um sie nicht an einem sonnigen - wenn auch kalten - Tag anzuziehen. Nach der dritten Mandarine fühle ich mich schon viel besser. Ich bin oft so eingestellt, dass ich lieber auf Alternativen statt auf Pharmaprodukte zugreife, wenn es möglich ist. Ein bisschen mehr Obst und langsam geht es wieder. Meiner Mutter berichte ich von meiner Erkältung und antworte dann Diyar, der fragt, ob er zu mir kommen soll. Ich weiß nicht wieso, aber ich muss deshalb lächeln. Ich mag es, Diyar bei mir zu haben. Deshalb schreibe ich ihm, dass er sich auf den Weg machen soll. In der Zwischenzeit ziehe ich mich um, mache ich im Badezimmer frisch und lasse ihn dann herein.
"Das ist also die WG, von der du mir erzählt hast. Gibt es auch ein Zimmer für mich?" Schelmisch wackelt er mit seinen Augenbrauen. "Ja, das letzte Zimmer." Ich schubse ihn schmunzelnd durch den Flur. "Willst du etwas essen?" "Würdest du extra für mich kochen?", stellt er mir amüsiert die Gegenfrage. "Du fährst mich, ich koche für dich." Um zu zeigen, wie nahe es ihn geht, legt er seine Hand auf seine Brust. "Ich fühle mich geehrt, aber danke, gefrühstückt habe ich schon." Er lässt sich auf mein Bett nieder, schaut nach links, wo er meinen Taschentuchberg sieht. "Hattest du eine einsame Nacht?", grinst er. Ich lege den Kopf schief. "Ich hab doch Schnupfen." Und schon bemerke ich, dass meine Nase wieder läuft. "Ach, schon gut. Hier, ein Taschentuch für dich." Er reicht mir eins aus der Taschentuchbox, welches ich schmunzelnd annehme. "Danke, was wäre ich nur ohne dich?" "Ein Popelmonster." Ich setze mich zu ihm aufs Bett, als er sich dann klatschend die Hände reibt. "Was ziehst du heute an?" Ich zeige verwirrt auf meinen langen, weinroten Pullover und die schwarzen Kniestrümpfe. Ich habe vorsichtshalber doch eine Strumpfhose drunter angezogen, auch wenn es heute 10 Grad sind. "Und vielleicht noch dunkelroten Lippenstift." "Das kommt gut auf Partys." Warte, wie? Ich lege fragend den Kopf schief. "Was für eine Party? Den Lippenstift trage ich für die Uni." Jetzt heben sich seine Augenbrauen.
"Ach so, ups. Ja, bei den Professoren kommt das auch gut an." Er räuspert sich, weil er an etwas anderes als ich gedacht hat. Ich muss bei seinem unterdrückten, dümmlichen Lächeln lachen. "Diese Uniparty ist heute?" "Ja, du wolltest es dir doch überlegen." "Ich bin dann alleine dort", murre ich, woraufhin Diyar empört auf sich zeigt. "Dein Bodyguard und Begleiter steht hier. Wenn es dir nicht gefällt, fahre ich dich nach Hause. Komm schon, was hältst du davon?" Ich weiß nicht so recht. "Vielleicht. Wenn ich nicht mehr so angeschlagen bin, dann komme ich hoffentlich mit." "Und kommst du dann auch so oder willst du dir was anderes anziehen?" Ich schaue zu mir runter, richte meinen Gürtel, ehe ich ihn gespielt beleidigt ansehe. "Sieht das etwa komisch aus oder wie?" Plötzlich nimmt Diyar meine Hand. "Du siehst wunderbar aus, mi amor", gibt er mit einem spanischen Akzent von sich. Zufrieden lächele ich. "Übrigens bist du wirklich gefährlich. Ich habe mitbekommen, dass du Arian in der Garage geschubst hast." Ach ja. Ich pruste gleichzeitig mit ihm. "Ich hatte totale Panik. Ich habe den Lichtschalter nicht gefunden, dann höre ich Geräusche, spüre eine Hand und als das Licht dann anging, steht er plötzlich vor mir. Chillt er immer im Dunkeln in der Garage oder wie soll ich das verstehen?" "Nein", lacht Diyar. Kopfschüttelnd lächelt er mich an. "Der Arme kam von seinem Physiologie Praktikum wieder." "Oh." Das erklärt so einiges. Oh. Verlegen kratze ich mir den Kopf.
"Er hätte trotzdem nicht so nahkommen müssen." "Ich kann mir schon vorstellen, wie du mit aufgerissenen Augen geguckt hast und ihn dann geschubst hast. Oh Gott, hätte ich das doch nur gesehen." Das Geschehene scheint ihn wohl sehr zu amüsieren, dass er wieder zu lachen beginnt. "Du Kante, du." Ich spanne meine Oberarme an, was ihn nur dazu veranlasst, noch stärker zu lachen. "Hör auf zu lachen!" Ich schlage ihn lachend mit meinem Kissen. "Oh Gott, Zahnstocher!", lacht er. Dass ich ihn mit meinem Kissen schlagen will, bringt nichts. Er lässt es an sich abprallen. Nach einigen Neckereien und weiteren Unterhaltungen sitzen wir in der Vorlesung zu Forschungsmethoden. Man unterscheidet also Alltagspsychologie von der wissenschaftlichen Psychologie. Die Alltagspsychologie impliziert Wahres und Falsches, widersprüchliche Aussagen, Vorurteile und teils veraltete und längst überholte Theorien mittels Berufungen auf Autoritäten, subjektive Überzeugungen und Anführungen aneinandergereihter Beispiele. Die - wissenschaftliche - Psychologie jedoch ist eine empirische Wissenschaft, welche permanent bemüht ist, Wahrheit und Falschheit ihrer Behauptungen zu überprüfen. Das lässt sich auch sicherlich auf andere Gebiete beziehen - die Medizin zum Beispiel. Man könnte dort doch sicherlich auch zwischen empirischer Medizin und sogenannter Alltagsmedizin - vielleicht auch Amateurmedizin - unterscheiden. Dabei ist die Alltagsmedizin einfach nur das Einnehmen von Dinge und Ablehnen dieser, die auf subjektiver Überzeugung ruhen oder sich auf Autoritäten - der Mutter zum Beispiel - berufen.
"Ich kannte nur Hypothese, das Verifizieren und Falsifizieren. Wer hätte Gedacht, dass es universelle, existentielle Hypothesen, Hypothesen über Anteile, Zusammenhangs- und ... was waren die anderen noch mal?", fragt mich Diyar nach unserer Statistikvorlesung. "Du meinst Unterschiedshypothesen, die mit den Zusammenhangshypothesen als gerichtete oder ungerichtete Hypothese gelten kann?" Das ist noch alles aus der Vorlesung für Forschungsmethoden. "Das sind mir zu viele Hypothesen. Vielleicht ist das Ganze ja auch nur eine Hypothese und es kann als unlogische Hypothese gelten. Wer weiß? Na ja, das spielt keine Rolle, da wir frei haben, es dir besser geht und du auf jeden Fall auf die Party kommen wirst." Ach ja. "Aber zuerst schaue ich mir das Statistikskript an. Ich glaube, die Statistikvorlesungen werden meine Hassvorlesungen." Diyar stimmt mir zu. "Nominalskala, Ordinalskala, Intervallskala, was auch immer. Genug davon! Schau dir das in Ruhe an, ich gebe dir Bescheid, wann ich dich abhole. Die Party beginnt um 22:00 Uhr. Ich hoffe, da schlummerst du nicht schon." "Wer weiß, heute ist Freitag." "Steig ins Auto, bevor ich ins Auto steige, sonst steige ich ins Auto und du nicht." Ich ziehe verwirrt die Augenbrauen zusammen, lache aber über seine Dusseligkeit. Kaum sitze ich im Auto, fährt er sehr schnell im Rückwärtsgang raus und düst schon fast los. "Es wäre schön, wenn du auch mal nach hinten gucken würdest", gebe ich belustigt von mir. "Dieses Auto gibt mir eine Extraportion Männlichkeit."
"Nimmst du Testosteron zu dir, weil dir die Hormone fehlen? Willst du mir vielleicht beichten, dass du früher eine Frau warst?" "Willst du vielleicht mit Arian Medizin studieren, du Allwissende?", spottet er. "Vielleicht studiere ich das nach meinem Bachelor oder Master?" "Dann darfst du an mir herumschnippeln. Das verspreche ich dir." In welche Richtung Arian wohl gehen will? Will er eine zweite Fortbildung machen? Es wäre lustig, wenn er Augenarzt werden will. Bei seinem Gesicht würde es ihm auch stehen, Schönheitschirurg zu werden. Hach, hat er ein hübsches Gesicht. Wie groß ist er eigentlich? Diyar ist ja schon groß, aber Arian wirkt eine Schippe größer. "Wie groß bist du?" "1.89 Meter, wieso?" Wow, dann ist Arian über 1.90 Meter. "Nur so. Hast eine gute Größe", murmele ich. "Und du bist wie klein?" "1.64 Meter." "Trinkst du?" Ich verneine es. "Du?" "Gelegentlich. Aber Arian weiß nichts davon. Er hasst es, wenn ich trinke." "Da hast du einen strengen Bruder. Aber an sich finde ich das gut." "Ja, er würde mich am liebsten knechten. Wie oft er mich schon angemeckert hat deshalb. Er hasst betrunkene und seitdem ich einmal getrunken und dann im Wohnzimmer gekotzt habe, habe ich meine Lektion erhalten." "Hat er dich angeschrien?" Diyar lacht auf. "Ich wünschte, es wäre nur das Anschreien gewesen. Ich war so betrunken, dass es mir nicht aufgefallen ist. Er hat mich zwar angeschrien, aber er hat mich eiskalt in meiner Kotze schlafen lassen." Ich keuche auf, kann aber nicht anders als zu lachen.
"Lach nicht. Ich werde das niemals vergessen. Er schüchtert mich schon so ein, aber im betrunkenen Zustand habe ich laut ihm sogar ein wenig geweint. Er hat mir befohlen, meinen Kopf in die Kotze zu legen. Ich war zu benebelt und traurig, dass ich vergessen habe, dass es Kotze war. Am nächsten Tag wache ich mit Schmerzen am ganzen Körper und diesem ekelhaften Gestank auf. Ich habe noch einmal gekotzt und am Ende musste ich alles aufwischen, aber davor durfte ich nicht duschen. Der Boden hatte laut Arian Prioritäten." Wow, er sieht nicht nur streng aus, sondern ist es auch. "Interessante Konditionierung", schmunzele ich. "Einmal und nie wieder." Er schüttelt sich. "Jedes Mal, wenn ich Barcadi Himbeere trinke, drehe ich mich vorsichtshalber um, weil er wirklich überall sein kann." Da sind wir einer Meinung, mein Lieber. "Am Ende betäubt er mich absichtlich, um mich in mein Bett zu legen." Er hält vor der Wohnung an. "Da wären wir." Ich schnalle mich ab. "Danke, Diyar. Wir sehen uns später." "Pack zwei Taschentuchpackungen in dein Täschschen , ja?" "Ich verspreche es", schmunzele ich. In meinem Zimmer lese ich mir meine Notizen durch, schaue im Onlineskript noch einmal nach, schweife aber immer wieder mit den Gedanken ab. Wie die Party wohl wird? Wird es sehr wild? Irgendwie stelle ich mir vor, wie ich auf seine Augen dort treffe, aber durch Diyars Erzählungen wirkt er recht konservativ. Durch sein Studium hat er auch sicherlich andere Beschäftigungen als Partys.
Als dann Isabell und Emma zu Hause sind, kochen wir und unterhalten uns in der Küche. "Du wirkst immer noch ein wenig angeschlagen. Hast du keine Medikamente genommen?" "Nein", murmele ich. Meine Schlaffheit ist zurück. "Setz dich. Ich hole dir was aus dem Kühlschrank. Ruh dich nach dem Essen aus. Emma und ich gehen heute auf eine Party. Wenn du kannst, kannst du ja mitkommen." "Auf die Uniparty?" Beide nicken. "Diyar und ich gehen ... hört auf so zu schmunzeln!" Wie zwei Hühner gackern die beiden los. "Dann brauchen wir dich gar nicht anzusprechen. Ihr braucht Zweisamkeit", grinst Isabel. "Quatsch, nein! Ich brauche so viele soziale Interaktionen wie es nur geht." Emma beginnt zu summen. "Ich glaube, ihr beide werdet genügend soziale Interaktionen haben." Ihr dreckiges Grinsen verrät die Doppeldeutigkeit. "Emma!", murre ich. Mein Schmunzeln verstecke ich hinter meinen Händen, doch die beiden haben es schon gesehen und lachen. "Hier, das mildert auch deine Kopfschmerzen." Sie reicht mir den Nurofen-Saft, den ich zu mir nehme. "Das Essen ist gleich fertig." Ich decke den Tisch schon mal. Allzu viel Hunger habe ich nicht, fällt mir dann beim Essen auf. "Iss doch noch etwas. Du hast fast nichts zu dir genommen." Ich verneine und auch als Isabel mir noch ein wenig in den Teller tun will, lehne ich dankend ab, spüle mein Geschirr und lege mich wieder mit meinen Notizen hin.
Als Diyar dann vor der Tür steht, gebe ich den Mädels Bescheid. "Wir hätten dich ja auch mitnehmen können, aber wenn ihr Zweisamkeit wollt ...", höre ich Isabel doppeldeutig sagen. Ich schmunzele nur kopfschüttelnd und verabschiede mich. Mir geht's zwar besser, aber meine Nase ist immer noch zu. Ich schmecke nicht einmal meine Mandarinen. Und man hört, dass meine Nase verstopft ist. Den Lippenstift habe ich abgemacht, dennoch sind rote Rückstände zu sehen. Egal, das sieht auch gut aus. "Hallo", begrüße ich ihn nasal im Auto. Diyar hält sich die Nase zu, ehe er mich zurückgrüßt. "Du Witzbold." Ich verdrehe belustigt meine Augen. "Du riechst voll nach Mandarinen." "Ich wünschte, ich könnte es riechen. Nicht einmal schmecken kann ich sie. So verstopft ist meine Nase!" "Könnte dir auf einer stickigen Party zum Vorteil werden." Wir fahren durch die dunklen Straßen Frankfurts, sehen die einen oder anderen hohen Gebäude, ehe wir an der Uni ankommen und über den Campus laufen. "Hier, vielleicht hilft ja Kaugummi gegen die verstopfte Nase." Ich nehme direkt drei von den scharfen Airwaves zu mir. "Hoffentlich. Vielleicht sehen wir später meine Mitbewohnerinnen. Wenn sie sich irgendwie komisch benehmen und irgendwie zweideutig wirken, ignoriere es einfach", bitte ich ihn. Isabels und Emmas Gesichter kann ich mir schon vorstellen und ihre Piksereien erst. "Okay, aber wieso?" Ich will ihm echt nicht erzählen, dass sie beiden mich und ihn als Paar im Kopf haben. Deshalb zucke ich nur mit meinen Schultern. "Sie können etwas verrückt sein."
Diyar nimmt es gelassen und führt mich weiterhin zum Eingang. Den Typen an der Tür scheint er wohl zu kennen, wenn die beiden sich so freundlich an nicken. Kaum sind wir drin, spüre ich eine Welle an Wärme, die sich um meine kalten Glieder schließt. Meine Nase ist immer noch zu, aber wenigstens läuft sie nicht. Da so viele hier sind, halte ich mich an Diyars Arm fest. Sicher ist sicher. Diyar wird von dem einen oder anderen begrüßt, dessen Blick immer zu mir schielt. Bestimmt denken sie, dass wir ein Paar sind und deshalb schauen sie so. Die Neugierde halt. Als ich nach links schaue, sehe ich zwei Gruppen, die Beerpong spielen. Rechts sitzen einige auf dem Sofa und machen rum. Andere stehen oder sitzen und unterhalten sich nur. Wer weiß, ob es nur Freunde sind oder sie sich erst jetzt kennengelernt haben. "Willst du Cola?", fragt Diyar dicht an meinem Ohr. "Gibt es nur normale Cola?", frage ich. Diyar bringt mich zur Theke, wo die ganzen Getränke stehen. Mehr Alkohol, als Softdrinks. Für mich schaut er sich alle Getränke an. Es sind nur normale Colas. Na ja, das geht auch. Ein Mädchen kommt uns entgegen, die für uns einschenken will. Diyar sagt ihr ins Ohr, was wir haben wollen und wendet sich an mich. "Fühlst du dich wohl?", fragt er mich dicht an meinem Ohr. Ich zucke mit meinen Schultern. "Bis jetzt ist es ganz okay. Vielleicht passiert ja etwas Lustiges." Das Mädchen gibt uns die roten Plastikbecher. Anscheinend ist sie für die Getränke zuständig.
Als ich meine Cola trinke, verziehe ich mein Gesicht. Durch das Kaugummi fühlt es sich so eiskalt an. Diyar schüttelt fragend den Kopf. Ich hebe mein Getränk an. "Das Kaugummi. Kennst du das, wenn du ein scharfes Kaugummi kaust und danach etwas trinkst?" Sofort versteht er und verzieht das Gesicht. "Ich hasse es. Vor allem, wenn man noch am Verdursten ist und gezwungen ist, langsam zu trinken." "Ja! Oh Gott, das ist so schlimm!" Trotzdem will ich die Cola so schnell wie möglich austrinken, damit ich mich daran gewöhne. Bevor Diyar einen Schluck zu sich nimmt, dreht er sich wirklich vorsichtshalber um. Der Arme muss wirklich traumatisiert sein. "Hast du dich eigentlich ausgeruht, dass es dir besser geht?" Ich verneine es. "Also doch, auch. Aber mir ging es nach den Vorlesungen wieder schlechter, weshalb ich etwas eingenommen habe. Jetzt stört nur noch die Nase. Ich schmecke die Cola nicht einmal so wirklich." Diyar legt seinen Arm um meine Schulter, um den anderen Platz zu machen, die ebenfalls trinken wollen. "Komm, lass uns zu den Sitzplätzen." Zum Glück sind gerade welche freigeworden. Ich habe sowieso langsam das Gefühl, dass ich mich wieder etwas schlechter fühle. Ich sehe Emma und Isabel, die grinsend auf uns zukommen. "Mach dich auf etwas gefasst", grinse ich Diyar an. "Hi, ich bin Emma." Kaum will sie Diyar die Hand reichen, kommt Isabel ihr dazwischen. "Ich bin Isabel. Nett, dich kennenzulernen." Etwas überschwänglich schüttelt sie Diyars Hand, ehe sie ihren blonden Pony richtet. Durch ihre Dimple-Piercings und das gedämmte Licht stechen ihre Grübchen extrem hervor. "Hi, coole Piercings. Das eine ist doch ein Medusa-Piercing, oder?" Isabel bestätigt es ihm.
"Magst du Piercings? Wie steht es mit Tattoos?", fragt Emma, die ihm auch noch erzählt, dass sie Tätowiererin auf Teilzeitbasis ist. "Ich find sie cool. Bis jetzt habe ich aber noch keins." "Wenn du eins willst, melde dich bei mir." Dass die beiden so glücklich sind, ihn zu sehen, macht mich auch glücklich. Etwas angeschlagen lehne ich mich an Diyars Schulter, trinke weiter meine Cola und sehe den beiden zu, wie sie ihre Tattoos an ihren Oberarmen zeigen. Davon sind viele Frauen in verschiedenen Posen, mit Blumen bedeckt oder auf andere Art und Weise. Sie haben noch an anderen Stellen Tattoos, zum Beispiel hat Emma an ihrem Oberschenkel eine Vulva, deren Schamlippen von zwei Fingern gespreizt werden. In der Vagina sieht man dann Sterne, die unter Schwarzlicht leuchten. Emma hat auch noch ein Sternum-Tattoo, wo zwei Hände eine Rose halten und an beiden Handgelenken jeweils ein Armband mit funkelnden Sternen hängt. Das Schöne ist auch, dass die beiden in wirklich ein Armband mit Sternchen dran tragen. Als Isabel ihr Oberarmtattoo zeigt, wo in einem Herz die Flagge der Homosexuellen ist, wo vor sich zwei Frauen küssen, verspüre ich leichte Übelkeit und ein Druckgefühl im Brustbeinbereich. Mir wird gerade auch echt warm, um ehrlich zu sein. Ich trinke den Rest meiner Cola aus und kneife die Augen einmal zusammen, in der Hoffnung, dann klarer zu sehen. "Ayla?" Diyar dreht mich zu sich. "Alles okay?" Seine Fürsorge rührt mich. Ich schmeiße mich auf ihn und drücke ganz stark zu. "Hab dich lieb. Du bist echt süß", schmolle ich.
Ich verspüre immer noch Durst, weshalb ich ohne zu fragen Diyars Becher nehme. Da ist eh Wasser drin. "Nein, nicht trinken!" Ich trinke den letzten Schluck, noch bevor Diyar mir den Becher aus der Hand nehmen will. "Was denn?" Ich fühle mich echt komisch. Zu locker. Viel zu locker. Diyar schaut mich geschockt an. "Ayla, das war Barcadi Himbeere! Du bist rot im Gesicht." Wie? Meine Augen weiten sich. Ich ... ich habe noch nie Alkohol getrunken! So schlimm ich diese Situation finde, ich muss lachen. "Ich geh Luft schnappen", kichere ich. "Ich komme mit." Diyar will aufstehen, doch ich drücke ihn zurück. Zwar bringt das nicht viel, weil er stärker ist und mich trotzdem begleitet. "Amüsiert euch. Ich kümmere mich um sie." Emma und Isabel protestieren, weshalb ich mich an Diyar schmiege. Das signalisiert ihnen, dass ich alleine mit ihm sein will. Trotzdem bleiben sie skeptisch und behalten mich im Auge. Immer wieder versuche ich klar zu denken. Es kann doch nicht sein, dass ich so schnell von dem Barcadi betrunken werde. Ach, das ist doch egal. Ich fühle mich so ... luftig. "Luft." Ich schnappe laut nach ihr und lehne mich an die Wand. Diyar schaut mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. "Was?", nuschele ich. "Ich versuche, mir zu erklären, wie es dazu kommen konnte. Das hat vor dem Barcadi eingesetzt, aber ich dachte, du wärst immer so." Ich höre ihm gar nicht mehr zu, weil ich die Jungs begrüße, die eintreten wollen. "Tut mir leid, aber ich muss sie durchsuchen." "Ayla, lass die Jungs", warnt Diyar mich.
Ich schaue ihn nur wütend an und bitte die Männer, ihre Glieder zu strecken. Dass ich die Brüste der Jungs anfasse, macht ihnen wohl nichts. "Gut, du darfst durch. Der Nächste!" Spätestens nach dem Dritten zieht Diyar mich weg, weshalb ich mich wehre. "Lass mich! Ich sorge für die Sicherheit des Landes!" Er soll mich in Ruhe lassen. "Ayla", seufzt er. Ich stelle mich mit einem strengen Blick wieder vor den nächsten, bei dem ich weiter nach oben schauen muss, um ihn in die Augen zu schauen. Zwei wunderschöne Augen. In welches soll ich schauen? In das linke oder rechte? "Hallo, Ausweis bitte." Auch vor dieser majestätischen Schönheit mache ich keinen Halt. Er zieht seine Augenbrauen zusammen und schaut zu Diyar, weshalb ich aggressiv vor seinen Augen schnipse. "Hier spielt die Musik!", zische ich. Danach trete ich seine Füße auseinander und will nach seinen Oberarmen greifen, weshalb er mich instinktiv hochhebt, mich an seinen Platz stellt und reingeht. Was fällt ihm ein? Diyar tut nichts, als mich schmunzelnd anzusehen und sich die Stirn zu reiben. "Komm, ich bringe dich nach Hause." Und damit hat er mir das Signal gegeben, wegzurennen. "Ayla!", schreit er mir hinterher, doch ich renne durch die Menschenmenge, woraufhin ich Durst kriege und wieder zu dem Barmädchen gehe. "Noch mal die Cola", sage ich ihr. Ich bin etwas nervös, weil ich nicht von Diyar geschnappt werden will und deshalb hin und her tippele. Ich ducke mich sogar ein wenig.
Kaum habe ich die Cola in der Hand, trinke ich einen kräftigen Schluck, sodass ich sicher sein kann, dass sie nicht überschwappt, wenn ich etwas schneller laufe. Ich sehe Diyars Rücken, kreische hysterisch und renne in die andere Richtung. Gott, wieso ist es so groß hier? Ich laufe an einigen Jungs vorbei, die ich aus Versehen anrempele und mich dafür entschuldige. "Ist hier ein guter Ort zum Verstecken?", frage ich sie. "Keine Ahnung. Brauchst du Hilfe? Tut dir jemand was?" Ich verneine es und laufe weiter. Oh Gott, oh Gott, wohin? Ich schaue mich um, ehe ich eine Terrasse finde und dorthin trampele. Hier sind gar nicht so viele, aber das liegt vielleicht daran, dass es kalt ist. Also mir ist nicht kalt, mir ist echt heiß, aber für andere ist es bestimmt kalt oder so. Seufzend lasse ich mich auf der Bank nieder. Ich zische, weil es so kalt auf meinen Schenkeln ist, es aber irgendwie guttut, weil mir so warm ist. Oh Mann, mir ist irgendwie schlecht. Ich halte meine Cola an mich, während ich leicht hin und her schaukele. Ich glaube, ich sollte doch nach Hause. Dieser Barcadi sitzt mir im Magen. Ich schaue zum Himmel, der Mond lenkt mich ein wenig von meiner ungewohnten Lage ab, bis dann eine erneute Hitzewelle eintritt und ich deshalb wieder einen Schluck trinken will. Die Betonung liegt auf will, denn mir wird der Becher aus der Hand gerissen. "Was wird das?", fauche ich in die Richtung der Person, erstarre aber, als ich sehe, wer es ist.
Dieser Mann ist wirklich wie ein Schatten!
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