2. Juni, 09:33 Uhr: Iris

Ich hatte eine juckende Stelle, die ich nicht kratzen konnte.

Aarrgh! Meine Finger sehnten sich so sehr danach, unter dieses Wonder Woman Kunsthaar zu tauchen, aber sie konnten nicht!

Es hatte Stunden gedauert, meine echte Mähne unter der Perücke zu verstecken, und ich wollte diese ganze Arbeit nicht wieder rückgängig machen. Aber die doppelte Haarschicht ließ mich schwitzen wie ein Schwein.

Mir kam Mamas Spruch in den Sinn. „Damen schwitzen nicht, Iris, sie glänzen."

Na gut, Mama, dann glänzte ich eben wie ein Schwein!

All das Leder und der Kunststoff in dem Wonder Woman-Kleid, das ich trug, trugen zum Glitzern bei.

Wir hatten heute eine ganztägige Veranstaltung zum Thema Wonder Woman, denn heute Abend wurde der Film WW 1984 vorgestellt!

Reihenweise warteten die Filmfans vor dem Million Year Picnic, noch bevor der Laden öffnete, und stellten sich für einen Fototermin mit mir an. Ein paar Glückliche würden Karten für die WW-Premiere heute Abend gewinnen.

Ich streckte mich in meinem Sitz und stützte meine Hände auf mein mächtiges Breitschwert. Es war nichts weiter als eine falsche Schaumstoffwaffe, aber ich war stolz darauf.

Für meine Mitreisenden musste es ein großartiges Gefühl sein, eine Wonder Woman auf ihrem Weg zu haben. Sie wussten, dass sie, egal was passierte, da sein würde, um der Menschheit zu dienen und sie zu beschützen.

Warum nimmst du nicht den Chauffeur meines Vaters? Jaydens irritierte Stimme hallte in meinem Kopf wider.

Seine Beharrlichkeit hatte mich verärgert, aber ich fühlte mich auch schuldig, nicht auf seine Stimme der Vernunft gehört zu haben.

Ich liebte meine morgendlichen Zugfahrten so sehr.

Trotzdem war mir unter dem verdammten Kostüm so heiß, dass sogar mein Schweiß schwitzte! Oder vielleicht war das nur mein Fett, das weinte.

Meine Brüste machten wahrscheinlich gerade sichelförmige Schweißflecken in mein handgefertigtes Wonder-Woman-Kostüm. Und das fühlte sich ganz und gar nicht sexy an!

Ich hatte noch nie ein Wonder-Woman-Kostüm genäht, und niemand hatte mir gesagt, dass es so schwer werden würde!

Das Korsett war der kniffligste Teil — Plastik, Schaumstoff, ein Löffel und Unmengen von Klebstoff waren nötig, um es herzustellen, und alles war mit einer Schicht aus roter und goldener Farbe überzogen. Der Gürtel, die Metallmanschetten, das Stirnband, das Seil und der Lederrock erfüllten mich jedoch mit Stolz.

Warum kaufst du nicht ein fertiges Kostüm im Internet? hatte Jayden vorgeschlagen.

Aber er hatte sich nicht beschwert, als er mir half, die Schaumstoffteile auf das Korsett zu kleben!

Ich rollte mit den Augen.

Das war einfach nicht dasselbe. Es selbst zu machen, machte es zu etwas Besonderem.

Es fühlte sich an, als würde ich selbst die Figur zum Leben erwecken.

Du solltest nur für mich cosplayen... hatte Jayden mit einem schnellen Lecken über seine Lippen vorgeschlagen.

Eine seiner vielen Bitten.

Das Zusammenleben mit ihm in den letzten Monaten hatte eine neue Seite an ihm zum Vorschein gebracht.

Der Mann ließ Lebensmittel, Teller und Tassen überall in der Küche herumstehen, anstatt Ordnung zu halten; er verteilte stinkende Tropfen auf der Toilette, anstatt sich beim Pinkeln hinzusetzen; er nörgelte und zankte darüber, wer mit dem Abwasch dran war, anstatt ihn einfach zu erledigen.

Was mich am meisten beunruhigte, war, dass Jayden keine Träume oder Ambitionen hatte.

Er hatte keinen Funken, kein Feuer, das in ihm brannte, kein Motiv, das sein Leben vorantrieb.

Früher hatte er mir leid getan, weil ich glaubte, dass er im Schatten seines Vaters stand, aber jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher.

Was war, wenn Rena recht gehabt hatte und Jay-Jay einfach nur die Annehmlichkeit genossen hatte, der Sohn eines reichen Mannes zu sein?

Was, wenn das Gerede von Unabhängigkeit nichts als leere Worte waren?

Bei Charles/MGH kam der Zug plötzlich zum Stehen und mein Kostüm schnitt mir ins Fleisch.

Ich ignorierte den Schmerz jedoch, denn ein Taifun von Gänsehaut machte sich für einen Moment in meinem Bauch breit.

Herr Wuschelhase! Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit ich mit Jayden zusammengezogen war. Ich wohnte jetzt in der Back Bay und nahm normalerweise einen früheren Zug in Forest Hills, um in Downtown Crossing in die Red Line umzusteigen. Heute hatte ich mich durch mein Wonder-Womanizing verspätet.

Mein Zuggenosse hatte mich noch nicht gesehen.

Das gab mir etwas Zeit, ihn in Ruhe zu beobachten.

Um seine Puzzleteile zu einem Ganzen zusammenzufügen.

Er trug immer noch eine Krawatte, aber sie hing locker von seinem Hals, ihr Knoten war mindestens einen Zentimeter zu niedrig.

Ein freundliches Lächeln blitzte über sein Gesicht, aber es verschwand schnell und hinterließ seine Wangen schlaff - leicht blass, mit Tränensäcken unter den Augen.

Hatte er nicht gut geschlafen?

War es das fünfte Mal, dass ich ihn sah?

Das sechste?

Ich konnte nicht sicher sein.

Seltsamerweise war es das erste Mal, dass ich ihn als Erste zu Gesicht bekam.

Er lehnte sich vor und sagte etwas zu dem Mann, der ihm gegenüber saß.

Dieser Mann - mit schwarzem Haar - sah noch blasser aus als Herr Wuschelhase. Er breitete die Hände aus und bewegte die Lippen.

Wuschel nahm seine Brille ab und wischte sich das Gesicht ab.

Ich fragte mich, wie er wohl reagieren würde, wenn er mich in meiner Wundervollen weiblichen Verkleidung sehen würde.

Falls er mich überhaupt sehen würde.

Ich hob das einzige, was ich zur Hand hatte: mein Schwert.

Es erregte sofort seine Aufmerksamkeit.

Er rückte seine Brille zurecht und blinzelte.

Dann weiteten sich seine Augen so sehr, dass ich mir vorstellte, wie seine eckigen Brillengläser von imaginärem Dampf beschlugen.

Schließlich erholte sich Wuschel, warf mir einen anerkennenden Blick zu und hob beide Daumen mit einem süßen, bodenständigen Lächeln.

Danke, murmelte ich zurück und fühlte mich wie ein Fisch im Meer.

Ich fragte mich wieder einmal, wie seine Stimme wohl klingen würde.

Nun, man konnte nur vermuten, dass uns beiden die Stimme von einer Meerjungfrau gestohlen worden war und wir deshalb dazu verdammt waren, uns durch Gesten, das Heben von Gegenständen und Augen zu verständigen.

Der Kopf seines Freundes drehte sich in meine Richtung.

Der Mund des Mannes klappte auf, dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen nach oben. Er gestikulierte zu mir.

Er muss etwas über mich gesagt haben.

Ich wollte so gerne wissen, was es war.

Argh! Ich schätzte, Herr Wuschel musste sich letzten Monat genau so gefühlt haben, als ich mit Rena über ihn getratscht hatte.

Der Karma-kuchen, den ich selbst gebacken hatte, schmeckte nicht so gut, wie ich erwartet hatte.

Herr Wuschels Wangen röteten sich, und er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Dadurch verwandelte es sich kurzzeitig in das zerzauste Haarporno-Durcheinander, das ich kannte und liebte.

Ich konnte nicht anders, als es einen Moment lang zu genießen. Und dann wurde es mir klar.

Das. Die Haare!

Der Ursprung der Macht meines Elfen-Protagonisten könnte in seinen Haaren liegen!

Und immer, wenn er seine lockigen Strähnen zerzauste, zauberte er magische Feenstaub-Wolken! Der Staub würde jeden um ihn herum zum Lächeln bringen und ihn auf die Sonnenseite des Lebens blicken lassen!

Das Trippeln winziger Füße ließ mich aus meinen Grübeleien aufblicken.

Ein kleines Mädchen in einem Kostüm, das mit meinem fast identisch war, zerrte an meinem Wonder Woman-Armband, ihre Mutter stand hinter ihr.

Sie mussten an diesem Bahnhof in den Zug eingestiegen sein.

Ich beugte mich zu ihr hinüber, und sie flüsterte mir ins Ohr. „Darf ich ein Foto mit dir machen?"

„Natürlich, Süße", flüsterte ich zurück und wollte schon aufstehen, um ihr diesen Wunsch zu erfüllen, als der Zug ruckartig einen Satz nach vorne machte und mich und das Schwert auf den Boden des Zuges schleuderte.

Als ich mich nach Schäden umsah, erhaschte ich einen Blick auf den Rock meines Kostüms. Er lag neben mir auf dem Boden, anstatt mein Gesäß zu schützen.

Nähen wäre vielleicht besser gewesen als der Kleber, den Jayden auf den Saum geklebt hatte.

Ich schnitt eine Grimasse.

Das kleine Mädchen kümmerte sich um mich und bot mir ihre Hand an. „Ich helfe dir beim Aufstehen!"

Mein Schwert war in einen anderen Teil des Zuges geflogen.

Wenn ich es erreichen wollte, musste ich aufstehen!

Zwischen dem Teufel und dem Belzebub, oder sollte ich sagen, zwischen der Arschritze und dem Schwert.

Wonder Woman, am allerwertesten.

Im wahrsten Sinne des Wortes.

Wenn ich jetzt aufstand, würden Herr Wuschel und sein Freund einen Blick auf mein rockloses Ich und meine freizügige „Ja, Daddy"-Unterhose werfen - ein Geschenk von Jayden.

Ich sollte stattdessen meinen Kopf und meinen Hintern tief halten und mich außer Sichtweite schleichen.

Bitte fahr, fahr, fahr doch, Zug!

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