10. März, 09:33 Uhr: Iris
Donut worry. Mach dir keine Sorgen. Sei glücklich.
Und ich war glücklich über die sechs leckeren, frittierten Ringe in meiner Dunkin' Donuts Tragetasche. Und einem großen Dunkin' Donuts Kaffee, der zu den Kohlenhydraten passte.
Heute würde Rena schon sehnsüchtig auf mich und meinen Stapel ringförmiges Gebäck warten. Sie sollte aber lieber etwas für unseren geladenen Autor übrig lassen.
Die Zugtüren öffneten sich an der South Station. Eine Mutter mit zwei kleinen Jungen stieg ein, alle drei zogen ihre Füße über den Boden. Sie trennten sich, gingen auf die Fahrgäste zu und bettelten um Kleingeld.
Eine ausgehungerte Löwin und ihre zwei hungrigen Jungen.
Die meisten Fahrgäste wandten ihre Augen von den stummen Blicken und den ausgestreckten rußigen Handflächen ab und taten so, als sei das Trio gar nicht da.
Ich konnte meinen Blick nicht von dem jüngsten, kohleäugigen Jungen losreißen. Er trug einen grünen Mantel: zerfleddert, abgenutzt und fadenscheinig; an den Manschetten ausgefranst, schäbig und geflickt. Er war ein paar Nummern zu groß und sah aus, als hätte ihn ein älterer Bruder weitergegeben.
Der Zwerg witterte eine Gelegenheit zur Kontaktaufnahme, kam auf mich zu, lächelte mich schüchtern an und streckte mir die Hand entgegen. „Bitte, Fräulein", war alles, was er sagte.
Jayden missbilligte es, dass ich Bettlern Geld oder Essen gab.
Die Donuts klapperten in der Schachtel in meiner Tasche und flüsterten untereinander. Ich öffnete sie ohne nachzudenken, und mein Blick fiel auf Herr Happy.
Glück verbreiten war mein Lebensmotto.
Ich arbeitete zwar hin und wieder an meinem neuen Illustrationsprojekt über Feen, aber ich tat auch gern so, als wäre ich eine.
Eine Fee, die ein bisschen Magie in diese Welt bringt!
„Du brauchst dieses Lächeln mehr als ich." Ich drückte Herrn Happy in die verrußte Hand des Kleinen.
Das war es, worum es im Leben ging. Man verlässt seine Komfortzone des „Ichs" und verbindet sich mit der Nicht-Komfortzone des „Anderen".
Die Löwin gesellte sich zu ihrem Jungen. Sie nickte mir mit einem kleinen Lächeln zu und zog das Kind weg.
Ich hatte noch fünf Donuts übrig, die ich mit Rena und der Berühmtheit teilen musste.
Donuts waren unser morgendliches Ritual. Etwas, von dem Jay-Jay nichts wusste.
Er mochte es nicht gutheißen. Aber ich war auch nicht damit einverstanden, dass er mich jedes Mal hinhielt, wenn ich nach der Veröffentlichung meiner Feenzeichnungen fragte. Als wir das letzte Mal über sie gesprochen hatten, hatte er sich über ihren Titel beschwert.
„Fairy Tails?" hatte Jayden lachend gesagt. „Soll das ein Wortspiel sein? Iris, du kannst nicht aus allem einen Witz machen."
Machte ich aus allem einen Witz?
Während ich darüber nachdachte, nahm der Zug seinen täglichen Kurs auf. U-Bahn-Stationen kamen und gingen wie im Fluge. Leute hockten auf dem Sitz gegenüber von mir und gingen wieder.
Ich zuckte zusammen, als wir die Tunnel verließen und ins Tageslicht fuhren, und die helle Sonne blendete meine Augen.
Ein „Charles/MGH"-Schild zog am Fenster vorbei, als der Zug langsamer wurde.
Mein Magen knurrte fordernd, ich nahm einen Schluck Kaffee und griff geistesabwesend in die Tragetasche.
Ein Donut mit Puderzuckerhaube kam heraus, um mich zu begrüßen.
Ja, es war falsch, den Donut zu essen, aber ich war am Verhungern! Und es würden noch vier übrig sein, wenn ich mit diesem fertig war.
Ich stürzte mich eifrig auf mein puderzuckerbeschichtetes Opfer und versuchte gleichzeitig, die dunkle Koffeingöttin in meinem Becher nicht zu verschütten.
Wie der Name schon sagt, warf der puderzuckerhauben-Donut eine Puderzuckerwolke über mein Gesicht. Als ich mein Spiegelbild im Fenster betrachtete, um den Schaden zu begutachten, den er angerichtet hatte, sah ich ihn.
Ich hatte meinem eifersüchtigen Jay-Jay vor ein paar Tagen scherzhaft erzählt, dass ich eine Zugaffäre, nur um ihn zu ärgern. Ich hatte seine Reaktion sehr genossen — ein kleiner Anfall von Neugierde und Territorialität.
Herr Wuschel saß genau auf demselben Platz, auf dem er vor zwei Wochen gesessen hatte!
Zwei Männer in Schwarz drängten sich in seinem Abteil. Wollten sie ihn als ihren Agenten anwerben?
Diesmal sah er viel besser aus. Sein hagerer Gesichtsausdruck war verschwunden und wurde durch eine neugierige Miene ersetzt, während er meinem Blick standhielt.
Ich erstickte fast, als ich den riesigen Bissen hinunter schluckte, der in meinem Mund herum rollte, und merkte, dass ich ihn anstarrte, während mein Donut in der Luft pausierte.
Ein Grinsen umspielte den Rand seiner Lippen.
Wollte er mich verhöhnen?
Ich blieb standhaft und starrte zurück, fest entschlossen, ihn noch mehr aus der Fassung zu bringen als er es ohnehin schon war.
Ich bin ein Donut-Monster! Fürchte dich vor mir! Denn du bist meine nächste Mahlzeit! Ich leckte mir mehrmals über die Lippen, um zu zeigen, dass ich immer noch hungrig war.
Unser Blickkampf am Charles/MGH Bahnhof verschärfte sich, als er sich auf die Unterlippe biss, um ein Grinsen zu unterdrücken.
Er bückte sich und griff nach etwas.
Ich nahm einen langen, wohldosierten Schluck Dunkin Donut Kaffee, genau in dem Moment, als er sie herauszog.
Die. Karotte.
Er winkte leicht schelmisch mit dem Gemüse.
Das Winken sagte: „Meine Karotte, dein Donut, zu dir oder zu mir?"
Oder hatte ich ihn falsch verstanden?
Ich nahm einen weiteren großen Schluck Kaffee, während ich darauf wartete, dass er das orangefarbene Mitglied der Gemüsefamilie in seine Verpackung zurück steckte, aber er tat genau das Gegenteil!
Herr Wuschel knabberte an der Karotte wie ein kleiner Hase!
Wollte er mir die Vorzüge einer gesunden Ernährung näher bringen?
Die Men in Black neben ihm hatten aufgehört zu reden, ihre Münder waren offen.
Diese Szene hatte etwas so Surreales an sich, dass ich mich nicht beherrschen konnte und in Gelächter ausbrach, wobei ich den Beifahrer auf dem nächsten Sitz mit Kaffee bespritzte.
„Scheiße, Scheiße, Scheiße!" Ich schrie auf und bot dem Mann instinktiv meine Dunkin-Donut-Serviette an. Alle starrten mich an.
Der Zug bewegte sich vorwärts, und ich warf einen letzten Blick auf Herr Wuschel.
Mit geschlossenen Augen lachte er.
Ich überlegte, welche Farbe sie wohl hatten.
Waren sie marshmallowblau, krokodilgrün oder walnussbraun?
Vielleicht wechselten sie jeden Monat ihre Farbe, so wie meine Haare.
Ich schüttelte den Kopf und richtete meine Aufmerksamkeit auf den armen, kaffee-bespritzten Beifahrer.
„Mein Gott, es tut mir so leid!" stammelte ich und schirmte mit der Hand meine Augen vor dem Heiligenschein ab, den die Lampen um sein gewelltes, schulterlanges kastanienbraunes Haar gebildet hatten.
Er trug einen Ohrring, an dem eine seltsame stählerne Taube baumelte.
Er hatte einen dichten Bart und hellblaue, klare Augen, die Ruhe ausstrahlten.
Jesus.
Buchstäblich.
„Das ist schon in Ordnung. Du hast es nicht mit Absicht getan. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Freu dich und sei froh, denn du hast mir keinen Schaden zugefügt. Es ist schließlich nur ein Hemd. Eine leicht austauschbare, materialistische Kleinigkeit dieser Welt." Seine sanften, seltsam altmodischen Worte beruhigten mich, als er behutsam seine Hand auf meine legte. „Das könnte jedem passieren. Immerhin war der Mann, in den du verliebt bist, Ablenkung genug, dass ein solcher Unfall passieren konnte."
„Was? Ich war nicht ... Na ja, das-das-das ... das ist doch völliger Unsinn", stotterte ich und wusste nicht, wo ich hinschauen sollte.
Vielleicht hatte mich Herr Wuschel nur ein klein wenig abgelenkt, aber das hieß nicht...
Hmpf!
Der Mann lächelte freundlich. „Das ist meine Station", fügte er hinzu und stand auf, als die Lautsprecher den nächsten Halt ankündigten. Bevor sich die Türen öffneten, drehte er sich zu mir um, das Lampenlicht umspielte noch immer seinen Kopf. „Dies ist meine Botschaft. - beherzige sie wohl. Hab keine Angst, deinem Herzen zu folgen."
Mit diesen seltsamen Worten ging er.
Was war gerade passiert? Wer, der bei klarem Verstand war, redete so?
Nur Verrückte. Oder Heilige.
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