XXXVI

Einen Moment lang stand eine Mischung aus Überraschung und Entsetzen in den Gesichtern der drei Istari, eine halbe Sekunde später wurden sie in hohem Bogen von Túranto weggeschleudert. Ihre Stäbe waren Kleinholz, die Barriere, die Radagast erschaffen hatte, war wie weggeblasen. Dennoch rührte sich keiner der Orks, alle standen wie erstarrt da.
"Zweifelt ihr immer noch an der Macht Morgoths?", sagte die Stimme des Valar und lachte. Langsam erhoben sich die drei Istari mühevoll und keuchend. Alle drei wussten, dass dieses Gefecht verloren war, noch bevor es überhaupt richtig angefangen hatte.
"Wir werden nicht zu euren Sklaven werden", keuchte Alatar geschwächt.
"Seid unbesorgt, ihr müsst mir nicht gezwungen dienen", antwortete Morgoth. "Unterwerft euch mir und ich schenke euch das Leben. Ihr würdet Hauptmänner in meiner Armee werden und eine reiche Belohnung wäre euch sicher."
"Nur ein Narr folgt dem Vorschlag des Dunklen Herrschers", entgegnete Radagast mit zusammengebissenen Zähnen.
"Keiner von uns wird sich euch unterwerfen", meinte Pallando und richtete sich mit schmerzverzerrtem Rücken auf.
"Dann wählt ihr den Weg des Leidens", sagte Morgoth, "einen Weg der unsäglichen Schmerzen."
"Was gibt es, was wir euch geben könnten?", fragte Alatar verächtlich.
Einen Moment lang breitete sich Stille im Raum aus und die Frage schwebte ohne Antwort in der Luft. Dann begann sich Morgoth langsam auf die drei Istari zuzubewegen.
"Nun, wie wäre es, wenn ihr mir verratet, wo eure Freude hinwollen, wie sie mich bezwingen wollen?" Ein spöttisches Grinsen legte sich auf das Gesicht Túrantos, das Morgoths Augen entstellten. "Ich weiß von der Gemeinschaft der Sieben und ich kenne ihr Ziel. Sie laufen geradewegs in eine tödliche Falle, die am Ende ihres Weges auf sie lauert."
Morgoth sah in die entsetzten Gesichter der Istari und lachte schallend. "Dachtet ihr wirklich, eure kleine Mission entgeht mir? Dachtet ihr wirklich, ihr könntet mich, Morgoth, den Meister der List, überlisten?"
Morgoth wandte sich ab und sah auf die Orks, die dort immer noch stocksteif standen.
"Legt sie in Ketten", forderte er sie auf, dann wandte er sich dem Thron zu.

Eldarions Blick ging starr geradeaus, seit Minuten hatte er sich nicht gerührt. Sein Fokus lag in seinem Innern, in den letzten Minuten hatte er nichts von dem mitbekommen, was im Thronsaal geschehen war. Doch nun, da Morgoths Blick ihn fokussierte, spürte er, dass seine Zeit gekommen war. Langsam hob er seinen müden Kopf. Das erste, was er bemerkte, als er aus seiner Starre erwachte, war die Wärme, die an seinem rechten Handgelenk anlag. Melda, seine Frau, wärmte seine Hand mit der ihren und er brauchte sie nicht anzusehen, um zu wissen, wo ihr Blick gerade lag. Zu fesselnd war die Gestalt, die etwa zehn Meter vor ihm in der Mitte des Raumes stand. Es war ein schwarzer Koloss, von oben bis unten in dunkelste Rüstung gehüllt. Von seinem Gesicht stachen nur die Augen hervor, doch diese waren faszinierend und furchteinflößend zugleich. Rote Flammen erhellten den tiefschwarzen Augapfel, in der Mitte saß eine helle, glänzende Pupille. Trotz der Erkenntnis, die Eldarion nun traf, war er kaum schockiert. Er wusste nicht wieso, doch er hatte die Ankunft Morgoths erwartet, auch wenn er nur im Geist seines Dieners hier anwesend war.
Eldarion sah sich weiter um. Orks säumten den hinteren Teil des Thronsaals, sechs von ihnen schleiften soeben drei mit schweren Ketten gefesselte ältliche Männer, die drei Istari aus dem Raum. Nun war Gondor wohl endgültig gefallen. Sein Blick wanderte ins Gesicht seiner Frau, als ihn eine unheimliche dunkle, tiefe Stimme aus seinen Gedanken riss.
"Eure Regentschaft ist zu Ende, König Eldarion", drang Morgoths Stimme durch Túrantos Mund. "Das Reich der Menschen ist gefallen."
"Und dennoch sitze ich immer noch auf seinem Thron", entgegnete Eldarion mit fester Stimme. In diesem Moment verspürte er Kraft, die ihm den letzten Wochen den Lebenswillen genommen hatten. Er würde nicht zulassen, dass Morgoth diesen Thron durch eine schwarze Klinge mit seinem Blut befleckte.
Ein schwaches Lachen kam über Túrantos Lippen und Morgoth fuhr fort: “ Wisset, König Gondors, dass ich euch keine Gnade erlassen kann. Euer Blut wird über diesen Stein fließen und mein Schwert wird es sein, dass euer Leben beendet.“ Ein spöttisches Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Maiar. “Dies ist eure Bestimmung, wieso wollt ihr sie nicht annehmen?“
Einen Moment lang zweifelte Eldarion. Was würde es ändern, wenn er seinem Leben hier und jetzt selbst ein Ende bereitete? Sein Arm fuhr vorsichtig in den schwarzen Königsmantel, der vom Weißen Baum Gondors geziert wurde und tastete nach dem kleinen, scharfen Stück Metall in der verborgenen Tasche. Die Worte, die Morgoth sprach, während er langsam auf den Thron zukam, vernahm der König nur nebenher.
“Es ist vorbei, König Eldarion, euer Königreich ist am Ende. Euer Vater konnte die Macht meines Dieners Sauron auslöschen, doch die Macht, die eure Lande bedroht und die an diesem Tag die Herrschaft über ganz Mittelerde erlangt, ist weitaus größer. Ihr könnt euch nicht mit ihr messen, eure Existenz ist in meinen Gedanken nur ein Windhauch, der vergeht, bevor er Schaden angerichtet hat. Dieser Thron ist mein.“
Inzwischen stand Morgoth nur noch knapp zwei Meter vor Eldarion und überragte ihn wie ein gewaltiger schwarzer Schatten. Seine Hand fuhr an seine Scheide und er zog das dunkle, zweischneidige Schwert hervor. Drohend stand er vor Eldarion und spätestens jetzt war klar, welches Ende der König Gondors nehmen würde. Wehrlos saß er dort auf seinem Thron, seine Frau an seiner Seite, nur auf den Tod wartend. Dann hob Morgoth das Schwert. Die Zeit schien stehenzubleiben. Aufrecht saß Eldarion auf seinem Thron, inzwischen hatte Morgoth schon fast alle Stufen der Treppe vor dem Thron erklommen. Dann wich er plötzlich zurück und seine Augen verwandelten sich wieder in ihr altes Gelb. Ein Sonnenstrahl fiel von links durch eines der hohen Fenster genau auf Eldarions Gesicht. Langsam erhob sich der alte Mensch mit einer Kraft und Sicherheit, die er seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Es war, als wollte ihm dieser erste Strahl der Sonne an diesem Morgen und der zugleich letzte, der für lange Zeit durch die Wolkendecke über ihnen dringen würde, eine Weisung geben, als wäre es ein Wink der Valar. Er war sich nicht sicher, was zu tun war.
“Euer Schwert wird kein Blut auf diesem Thron vergießen“, sagte der König und zog gemeinsam mit seiner Frau Melda einen Dolch. “Unser Leben wird uns nicht von dir genommen, Morgoth Bauglir, denn nur wir entscheiden darüber, wann wir sterben. Niemals wird das Dunkel über das Licht triumphieren.“
Beide sahen sich noch einmal in die Augen, voller Liebe und Dankbarkeit für die gemeinsamen Stunden. Ihre Hände trafen sich, die kleinen Klingen wurden angesetzt. Es war, als würde der ganze Raum für einen Moment den Atem anhalten. Dann durchtrennten die Messerchen beide Kehlen.

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