XVIII

"Wie lange sind Iodaìn und Wethrìna nun fort?", fragte Thranduil und runzelte besorgt die Stirn.
"Seit ihrem Aufbruch sind nun etwa zwei Stunden vergangen", antwortete Henthôr, der neben dem König auf seinem Pferd saß und die Umgebung überblickte.
"Viel zu lange", murmelte Thranduil und stütze sein Kinn in die Handfläche. Sein Blick schweifte umher.
"Stimmt - stimmt etwas nicht, mein König?", fragte Henthôr zögerlich, aber mit Besorgnis in der Stimme.
"Ich mache mir nur Sorgen um die beiden", antwortete der König ohne aufzusehen. "Was, wenn ihnen etwas zugestoßen ist?"
Erstaunt sah Henthôr seinen König an. In diesen letzten Wochen, seit der Hochzeit in Minas Tirith, hatte sich Thranduil mehr verändert als in den ganzen Jahren, in denen Henthôr ihn nun kannte, und das waren einige. Nie zuvor hatte der junge Elb erlebt, dass sich der König Sorgen um seine Untertanen (abgesehen von seinem Sohn Legolas) machte. Die Mission hatte stets über dem Wohl der Beteiligten gestanden, nun hatte sich das geändert.
"Ich bin sicher, sie sind wohlauf."
Als Henthôr dies sagte, ritt soeben Adrëa auf die kleine Anhöhe. Wie immer, wenn Henthôr ihr golden glänzendes Haar oder ihre braunen Augen in diesem feinen Gesicht mit den hohen Wangenknochen sah, setzte sein Herz für einen Schlag aus. Schon seit er sie vor Jahren das erste Mal getroffen hatte, reagierte sein Körper so seltsam auf ihren Anblick. Sie schenkte ihm ein warmes, sanftes Lächeln, das Henthôr ungeschickt erwiderte. Wahrscheinlich sah er eher so aus, als hätte er sich an einem Tee aus Simbelmyne versucht, also in etwa so, als würde sein Magen gleich seinen Inhalt preisgeben. Dann wandte sich Adrëa König Thranduil zu.
"Mein König", grüßte sie und verbeugte sich.
"Adrëa", antwortete dieser mit warmer Stimme. "Was kann ich für dich tun?"
"Unsere Späher haben Iodaìn und Wethrìna ausfindig gemacht", begann sie. "Sie werden von Radagast dem Braunen begleitet und halten direkt auf unser Lager zu."
"Das ist eine erfreuliche Nachricht", meinte Thranduil und atmete erleichtert auf.
"Nun, ich fürchte, der zweite Teil dieser Nachricht ist nicht ganz so erfreulich", fuhr Adrëa fort. Fragend zog Thranduil eine Augenbraue nach oben, was fast etwas lächerlich aussah. "Es ist nämlich so, dass die beiden von einer Meute Wargreiter verfolgt werden."
Der König holte tief Luft und atmete langsam aus. "Wieso wusste ich, dass das so endet..."
"Wann sind sie hier?", fragte Henthôr.
"Lange kann es eigentlich nicht mehr dauern", antwortete die Elbin schulterzuckend. Just in diesem Moment erklang das leise Klappern von Hufen im Wald hinter ihnen.
"Das wird es auch nicht", meinte der König. "Wir müssen zurück zu den anderen! Rasch!"
Alle drei galoppierten sie zurück zum Rest des Heeres.
"Verteilt euch!", rief der König, als sie das provisorische Lager erreicht hatten. "Brecht das Lager ab! Verteilt euch im Dickicht links und rechts des Weges."
Hektisch begannen die Elben, nachdem sie die erste Überraschung überwunden hatten, den Anweisungen ihres Königs Folge zu leisten.
"Versteckt euch abseits des Weges! Haltet eure Bögen bereit!"
Nach und nach waren alle Elben im Unterholz des Düsterwaldes verschwunden, bereit, die Wargreiter aus dem Hinterhalt anzugreifen. Henthôr spürte, wie der Boden immer stärker vibrierte. Sein Pferd tänzelte nervös auf der Stelle und schnaubte, seine Anspannung war auf sein Reittier übergegangen. Er murmelte ein paar beruhigende Worte, bis ihn der König unterbrach.
"Sie kommen", sagte Thranduil, den Blick starr auf den Weg gerichtet. Er winkte Henthôr und Adrëa zu und ritt zwischen zwei Bäumen hindurch, wo er sein Pferd hinter einem hohen Busch zum Stehen brachte. Henthôr und Adrëa folgten seinem Beispiel.
"Haltet euch bereit, es kann jeden Moment beginnen", flüsterte der König, dann herrschte angespannte Stille. Das Klappern der Hufe wurde langsam lauter, ansonsten war es vollkommen still im Wald. Henthôrs Hände zitterten vor Anspannung, König Thranduil hätte nur mit einer Augenbraue zucken müssen und sein Pfeil hätte die Sehne verlassen. Doch des Königs Gesicht war, genau wie sein ganzer Körper, im absolute Gelassenheit gehüllt. Das Klappern wurde lauter und plötzlich schossen wie aus dem Nichts drei Gestalten vorbei, tief über ihre Pferde gebeugt. Der Boden dröhnte nun und kurz darauf hatten die ersten Warge die Stelle, an der die warteten, passiert. Immer mehr kamen vorüber und Henthôrs Hände wurden schwitzig. Der Pfeil zitterte und wartete darauf, loszufliegen. Da ertönte das Kommando, kurz und knapp, aber laut und durchdringend.
"Pfeile los."
Dann wurde die Luft erfüllt vom Pfeifen der etwa dreihundert Pfeile.

Aradreth, die Stadthalterin von Bruchtal stand an ihrem niedrigen Tisch in ihrem Arbeitszimmer. Das Rauschen des Flusses drang von fraß draußen herein, Vögel zwitscherten und alles schien so friedlich wie seit jeher im verborgenen Tal von Imladris. Doch ein Blick auf die Karte, die Aradreth vor sich ausgebreitet hatte, belehrte sie eines Besseren. In Gedanken zeichnete sie die Gebiete ein, die bereits unter die Herrschaft der Dunklen Hand, unter die Herrschaft des gefallenen Valar Melkor Morgoth, erobert von seinen scheinbar unendlichen Orkscharen, gefallen waren. Sie zog die gedanklichen Linien der Front und die Wege, die die Orks nahmen. Wege, die der einst so sicheren Festung Bruchtal immer näher kamen. König Thranduil wollte nun bereits seit drei Tagen wieder in Bruchtal angekommen sein, doch es hatte sie nicht einmal eine Nachricht erreicht. Sorgenvoll strich sie sich durch das pechschwarze Haar, dass ihr wieder einmal ins Gesicht fiel und strich es zur Seite. Sie war mit ihren Kräften langsam aber sicher am Ende. Gerade rollte sie die Karte wieder ein, als es laut und hart an der Tür klopfte.
"Herein", sagte sie und sah gespannt zur Tür. Die blonden Locken Pilires fielen ihr in die Augen und sofort stieg die Spannung in ihr noch weiter. So aufgeregt hatte Aradreth die junge Elbin noch nie gesehen.
"Was gibt es, Pilire?", fragte sie.
"Herrin, wir haben Besuch", meinte die Elbin mit den strahlend blauen Augen. "Celeborn, der Herr der Wälder von Lothlórien ist soeben eingetroffen."
"Celeborn?", fragte Aradreth überrascht. "Haben wir solch hohen Besuch erwartet?"
Verwundert rieb sie sich die Augen.
"Ich denke nicht, Herrin", erwiderte die Botin. "Er erwartet euch im Hof."
Nach diesen Worten verbeugte sich Pilire und ging davon. Schnell machte sich Aradreth auf den Weg in Richtung Innenhof. Was wollte Fürst Celeborn hier? Früher hatte er viel Zeit hier verbracht, doch seit etwa vier Jahren verließ er die ehemals goldenen Wälder Lothlóriens nur äußerst selten. Wenn Aradreth jedoch den Berichten Glauben schenken wollte, würden auch die Wälder der Elben bald kein sicherer Ort mehr sein. Sie wusste, es brachte nichts, darüber nachzudenken. Sie sah gleich ihren alten Freund Celeborn wieder, sie konnte ihn einfach fragen. Dort vorne stand er bereits und offenbar war er nicht alleine gekommen.
“Aradreth!“, rief der Elbenfürst, als er sie von weitem kommen sah.
“Mein Herr Celeborn“, sagte sie und verneigte sich förmlich.
“Ich dachte, darüber wären wir hinaus?“, fragte er lächelnd, dann schloss er sie in die Arme. “Ich bin froh, wieder hier zu sein und ich freue mich sehr, euch zu sehen.“
“Geht mir genauso“, antwortete Aradreth und warf einen Blick über Celeborns Schulter. “Pilire hat mir von deiner Ankunft berichtet, jedoch nicht, dass du noch Gefolgschaft mitbringst.“
“Nun, dass ist die erste von drei Gruppen, insgesamt etwa dreihundert Elben“, meinte Celeborn. “Ich weiß, das muss eine große Herausforderung für dich sein, doch ich wusste keinen anderen Platz, an den ich die bringen konnte.“
Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: “Ist Thranduil da? Ich muss mit ihm sprechen.“
“Wir erwarten ihn seit Tagen, er ist noch nicht eingetroffen“, meinte Aradreth.
“Dann werden wir viel zu bereden haben“, meinte Celeborn mit düsterer Miene. “Die Dunkelheit hat vor Lothlórien nicht halt gemacht und auch Imladris schwebt in Gefahr, in einer Gefahr, die größer ist, als du es dir vorstellen kannst.“

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