IV
Es war der Tag der großen Hochzeit. Minas Tirith sollte erneut zum Mittelpunkt Mittelerdes werden, entsprechend waren auch weitreichende Vorbereitungen getroffen worden. Doch nun war der Tag gekommen, an dem die Vermählung Alassens, des zukünftigen Hochkönigs von Gondor und Arnor mit Tingilya, einer Elbin aus Bruchtal stattfinden sollte. Die höchsten Fürsten aus ganz Mittelerde waren hierzu in die Hauptstadt des Wiedervereinigten Königreiches eingeladen worden. Viele von ihnen waren erschienen: Thranduil von Rhovanion, Herr der Elben aus Bruchtal und dem Düsterwald, Celeborn von Lothlórien sowie der König der Mark Rohan: Théoden II. Auch die Statthalter der südlichen und östlichen Gebiete des Wiedervereinigten Königreiches waren geladen worden, zu nennen sind der Herr von Rhûn, Merac III., Arnasûl von Khand, der Fürst der Haradrim, Nirành und Ar-Pharazôn II., eigentlich Engnarn aus Umbar. Diese waren nicht zum Fest erschienen, sie hatten die Einladung dankend abgelehnt, mit der Begründung, dass die Unruhen in ihren Ländereien eine solche Reise nicht zuließen. In Wahrheit hatten sie ebenfalls eine dunkle Präsenz gespürt und wollten mit ihr zusammenarbeiten, um sich vom Königreich loszulösen. Zu dessen Planung hielten sie geheime Treffen ab, von denen Eldarion im fernen Minas Tirith nichts ahnte geschweige denn wusste. Ein anderer, ebenfalls hochgestellter Gast war allerdings bereits eingetroffen: Edmar Tuk, der Thain des Auenlandes. Aragorn II. Elessar hatte dem Auenland seine Unabhängigkeit zugesichert, sein Sohn Eldarion verfolgte dieses Ziel auch. So war alles bereitet für das große Fest, eines der prächtigsten, das Mittelerde jemals gesehen hatte.
"Sind alle Gäste eingetroffen?", fragte Eldarion.
"Ja Herr, alle Gäste sind eingetroffen, mit Ausnahme der Menschenfürsten aus dem Osten und Süden und Durin VII., dem Herrn der Zwerge."
Diese Worte kamen aus dem Munde Mistihls, des Beraters Eldarions, ein kräftiger Mann im mittleren Alter, der sich in einem Scharmützel mit Orks fast zwanzig Jahre zuvor eine schwere Verletzung im rechten Bein zugezogen hatte und seitdem humpelte. Auch wenn sein Körper dadurch geschwächt war, war sein Verstand immer noch hell und klar.
"Es ist ungewöhnlich für Durin, zu einem solchen Anlass zu spät zu erscheinen", grübelte Eldarion.
"Wahrscheinlich hatte er einen Zwischenfall mit einer Erzlieferung oder Ähnlichem. Ich bin mir sicher, er wird noch aufkreuzen", meinte Mistihl. "Wir sollten abwarten und uns nicht zu viele Sorgen machen."
"Wahrscheinlich hast du recht, Mistihl", seufzte der König und fügte hinzu: "Doch das ist es auch nicht, was mir Sorgen bereitet. Der Traum meiner Tochter geht mir nicht mehr aus dem Kopf."
"Lange ist es her, dass Ulmo sich zeigte", sagte Mistihl. "Wir könnten auf gewaltige Schwierigkeiten zusteuern."
"Das fürchte ich ebenso."
"Doch wir sollten uns diesen Tag nicht durch die Vorstellung von schweren Zeiten verderben lassen", beruhigte Mistihl seinen Herrn. "Die Zukunft ist wandelbar, es ist die Gegenwart, auf die wir uns konzentrieren sollten."
"Weise Worte, mein Freund."
Eldarion holte tief Luft.
"Nun denn, ich denke, es wäre an der Zeit, sich in den Festsaal zu begeben und die letzten Vorbereitungen zu treffen."
"Ja Herr, wir sollten uns auf den Weg machen."
"Also los, genießen wir diesen Freudentag, wie es scheint, einen der letzten für eine lange Zeit."
Zusammen verließen die beiden Männer den Saal, langsam und gebeugt, doch voller Freude. Der große Tag war gekommen.
Es war ein prächtiges Fest, schöner und prunkvoller als alles bisher Gewesene. Die Vermählung selbst wurde kurz gehalten, das anschließende Fest sollte umso länger dauern: Drei Tage lang sollten die Feiern stattfinden, sowohl für die geladenen Fürsten und Edelleute als auch für das einfache Volk in den Straßen Minas Tiriths. Prächtige Festmähler gab es auf den Plätzen der Stadt, Paraden zu Ehren des Prinzenpaares. Alassen und Tingilya fuhren auf blumenbehangenen Wägen durch prächtig geschmückte Straßen. Soldaten standen Spalier und Könige, Fürsten und andere Leute hohen Ranges brachten dem Hochzeitspaar wertvolle Geschenke dar. So erhielt die Braut ein silbernes Geschmeide, welches mit weißen Edelsteinen besetzt war von Celeborn. Alassen erhielt von diesem ein kurzes Elbenmesser. Théoden II. schenkte ihm ein Pferd, schnell wie der Wind und pechschwarz, dass in der Wildnis Rohans aufgewachsen und schließlich gefangen und gezähmt worden war. Es hörte auf den Namen Erid. Tingilya erhielt von ihm eine goldene Brosche, ein Erbstück seines Hauses. Eldarion, Alassens Vater, schenkte ihr einen Anhänger, den bereits Aragorn und seine Frau Arwen getragen hatten. Der Bräutigam erhielt von seinem Vater wie versprochen das schwarze Schwert Anglachel. Groß war das Staunen der versammelten Gäste, als Eldarion enthüllte, welchen Ursprungs dieses Schwert war. Großer Jubel brandete auf, nur einer war wenig begeistert. Celeborn aus Lothlórien meinte:
"Hüte dich vor diesem Schwert! Schwarz ist es, schwarz wie seine Seele und seine Taten. Sei wachsam, es ist gut möglich, dass es sich gegen dich wenden wird."
Diese Warnung trübte die Stimmung nur kurz, denn Thranduil aus dem Düsterwald trat hervor, um dem Brautpaar seine Geschenke zu überreichen. Tingilya schenkte er einen schlichten, eleganten Kamm aus Elchgeweih. Dann wandte er sich an Alassen und holte einen langen, geschwungenen Bogen hervor mit einem dazugehörigen Köcher voll Pfeilen.
"Wie ich hörte, bist du ein guter Bogenschütze, Alassen, Eldarions Sohn. Bald einhundert Jahre ist es nun her, dass mein Sohn Legolas sich auf einem Schiff in Richtung Valinor aufmachte. Dabei hinterließ er mir seinen Bogen und seine Pfeile und sagte, ich solle sie an einen weitergeben, der würdig sei, ihn zu tragen. Wen, wenn nicht dich hätte er damit meinen sollen!"
Mit diesen Worten legte er Bogen und Köcher Alassen zu Füßen. Erneut brandete Jubel auf, der noch weithin zu hören war.
Die Sonne ging gerade unter, als Durin durch das große Tor Minas Tiriths ritt. Sein Reittier war ein großer brauner Widder, den er von den Elben in Lothlórien erhalten hatte. So hatte er es geschafft, innerhalb von einer Woche von Moria hierher zu kommen. Es war ein mühsamer und beschwerlicher Weg gewesen. Tag und Nacht waren sie durchgeritten, entsprechend müde war Durin auch, was er sich allerdings nicht anmerken ließ. Er sah hinauf auf die Brüstung und erblickte einen Soldaten der Wache, der auf ihn zukam.
"Willkommen, Herr Zwerg in Minas Tirith, der Hauptstadt des Wiedervereingten Königreiches. Wer seid ihr und was wünscht ihr hier?"
"Wenn ihr irgendeinen Zwerg kennen solltet, dann diesen", meinte Durin mürrisch. "Ich bin Durin VII., der König der Zwerge, wie ihr vielleicht an meiner Krone erkennen könnt."
"Mein Herr Durin", sagte die Wache überrascht und verbeugte sich. "Wir warten bereits seit Tagen auf euch. Das Fest ist bereits in vollem Gange."
"Ist auch nicht zu überhören", ergänzte Durin, denn in ebendiesem Moment ertönte aus den oberen Bereichen der Stadt lauter Jubel.
"Die Feierlichkeiten finden im Festsaal statt", meinte der Wachmann.
"Danke, ich brauche keine Wegbeschreibung", antwortete Durin. "Ich war schon des Öfteren hier, wie ihr euch vielleicht denken könnt."
"Dann wünsche ich euch viel Spaß", sagte die Wache.
"Den werde ich haben", entgegnete der Zwergenkönig.
Bevor er ging, drehte er sich nochmal um. "Was habt ihr verbrochen, um an einem solchen Tag Wache halten zu müssen?"
Der Wächter lachte traurig auf.
"Ich hatte einfach Pech beim Würfeln."
"Nun, das Glück ist einem nicht immer hold."
"Wie recht ihr doch habt."
"Dann wünsche ich euch eine erträgliche Wache."
Nach diesen Worten drehte sich Durin um und stapfte davon.
Währenddessen war die Feier in vollem Gange. Es herrschte überall ausgelassene Stimmung, als vom Eingang her ein lautes Quietschen erklang. Das Tor öffnete sich. Herein kam ein Zwerg mit langen schwarzen Haaren und noch längerem Bart. Er trug eine Krone auf dem Kopf und wirkte sehr erschöpft und außer Atem. Er stürzte auf Eldarion zu und verneigte sich vor ihm.
"Durin VII., Herr und König der Zwerge, seid gegrüßt. Willkommen zur Hochzeitsfeier", sprach Eldarion feierlich und erhob sich von seinem Thron, um dem Zwerg seinerseits eine tiefe Verbeugung zu schenken.
"Danke Herr, doch deshalb bin ich nicht hier", antwortete Durin. "Ich muss euch eine Nachricht überbringen."
"Und zwar?", fragte Eldarion erstaunt.
"Morgoth ist zurück."
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