XXVII
Der Balrog bemerkte Durin sofort, als dieser um die Ecke trat, und er schien sich über das Erscheinen des Zwerges nicht übermäßig zu freuen. Fauchend sah er dem kleinen, stämmigen Wesen entgegen, das dort langsam und mit stoischer Gelassenheit die Axt vom Rücken schnallte. Durin wusste, dass er sich konzentrieren musste, sonst würde er in weniger als einer Minute tot sein. Vorsichtig sah er sich um. Hinter dem Balrog gingen zwei Gänge weg, der linke Gang musste der Weg der Gefährten sein. Er musste den Balrog nach rechts locken. Dazu erkannte er, als er genauer hinsah, einen riesigen, gähnenden Abgrund, zwischen den beiden Gängen, der so dunkel war, dass Durin ihn nicht erkannt hatte, sondern für einen weiten Raum gehalten hatte. Ein Zischen holte ihn aus seiner Inspektion heraus und Durin sah auf. Der Balrog hatte sich inzwischen aufgerichtet und eine flammende Peitsche gezückt. Durin wusste um die Reichweite und Gefährlichkeit dieser Waffe, er musste diesem Biest jede Möglichkeit nehmen, diese Vorteile gewinnbringend einzusetzen. Es galt, dieses Ungetüm wütend zu machen und es irgendwie in den Abgrund zu treiben.
“Also dann“, brummte er in seinen Bart, dann nahm er Kampfhaltung ein. Breitbeinig stand er da, die Axt auf Kopfhöhe, die Augen fixierten die seines Gegenübers. Dann war der Moment gekommen, in dem der Balrog die Geduld verlor. Durin hörte den Schlag, bevor er ihn sah und sprang geistesgegenwärtig auf den Balrog zu. Die Peitsche wischte Zentimeter über ihn hinweg, doch der Weg war nun frei. Mit großen Schritten sprang der Zwerg auf den Balrog zu, bis er ihn fast erreicht hatte. Ein kräftiger Schlenzer mit seiner Axt hieb dem Balrog tief ins Bein und dieser heulte auf. Ein wichtiger Schlag traf Durin an der Brust und warf ihn mehrere Meter zurück, der Aufprall presste ihm sämtliche Luft aus den Lungen. Mit dem Willen eines Zwerges stand Durin nach kurzer Benommenheit wieder auf und sah sich um. Sein Plan hatte funktioniert, der Kampf hatte sich nach rechts verlagert und der Balrog war nun sichtlich wütend. Den Zwergenfürsten hatte er mit seinen kleinen Augen bereits wieder in den Blick genommen und der nächste Peitschenschlag ging bereits auf ihn nieder. Mit einem beherzten Schritt zur Seite konnte Durin sich in Sicherheit bringen, doch der Balrog hatte offenbar aus seinen Fehlern gelernt und riss die Peitsche wuchtig zurück. Wieder konnte der Zwerg nur knapp ausweichen, allerdings entdeckte er aus dem Augenwinkel, dass mit Thranduil soeben der Letzte der Gefährten in den linken Gang eingetreten war. Sofort zog jedoch der Balrog seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Erneut glaubte er dem Schlag mit einem tollkühnen Sprung zu entkommen, doch diesmal hatte er sich verschätzt. Die Spitze der heißen Peitsche traf ihn am Oberschenkel und riss ihn zu Boden und Durin wusste spätestens jetzt, dass dieser Kampf ihm alles abverlangen würde. Hastig rappelte er sich auf und konnte nur mit Mühe einem weiteren Schlag entgehen. Durin war klar, dass er aus diesem Muster des ständigen Ausweichens entkommen musste, sonst würde dieses Duell deutlich kürzer werden als gedacht. Gekonnt begann er, mit großen Schritten auf den Balrog zuzurennen, ohne währenddessen die Peitsche aus dem Augenwinkel zu verlieren. Zwei, drei weitere Schläge gingen auf ihn nieder, bis er das Ungetüm erreicht hatte, und allen konnte er nur mit größter Mühe ausweichen, den letzten Schlag musste er sogar mit seiner Axt abwehren, doch dann hatte er den Balrog erreicht. Diesmal warf ihn die Hitze fast um. Der Dämon schien sich in ein Meer aus Flammen zu hüllen und auch wenn Durin als Zwerg an hohe Temperaturen gewöhnt war, hätte ihn die Hitze fast ohnmächtig gemacht. Trotzdem nahm er seine letzte Kraft zusammen, drückte sich vom Boden ab und stieß seine Axt tief in den Rumpf des Balrog. Ein markerschütternder Schrei brach aus der Kehle des Ungetüms hervor und Durin wurde mit viel Wucht erneut zu Boden geschleudert. Er hörte seine Knochen brechen und jeder Atemzug schmerzte ihn, doch er wusste, dass er den Balrog lebensgefährlich verletzt hatte. Dass er selbst davon auch nicht mehr allzu weit entfernt war, störte ihn im Moment nicht. Er hatte durchgehalten, er hatte einen Balrog bekämpft. Mühsam öffnete er die Augen. Vor seinen Lidern schien alles zu flackern und weder der Stein noch das Licht oder der Balrog wollten klare Gestalt annehmen. Sein Bart war in großen Teilen verkohlt und als er sich aufrichtete, wusste er, dass er sich mindestens drei Rippen gebrochen hatte. Seine Augen irrten umher und suchten verzweifelt nach seiner Axt, die drei Meter rechts von ihm lag. Auch sie sah bereits etwas mitgenommen aus, doch ihre Schneiden waren immer noch messerscharf. Ein weiterer Schrei, in dem neben der Wut auch ein wenig Schmerz herauszuhören war, erinnerte ihn daran, dass dieser Kampf noch nicht vorbei war. Der nächste Schlag ließ nicht lange auf sich warten, doch mit viel Mühe konnte Durin erneut ausweichen. Auch die Bewegungen des Balrogs wurden nun zunehmend aggressiver, fahriger und unsauberer, sodass sich Durin nun etwas leichter damit tat, den Peitschenhieben aufzuweichen, doch er wusste, dass sein Gegner immer noch absolut gefährlich war. Er selbst würde nur noch einen Schlag überleben, dessen war er sich sicher, deshalb galt es nun, absolute Vorsicht zu bewahren. Er duckte sich unter einem weiteren Schlag hinweg, dann stand er vor dem Balrog und sah seine Chance gekommen. Gekonnt rannte er weiter auf das Scheusal zu, dann duckte er sich durch die Hitze und die Beine des Balrogs hindurch und holte mit seiner Axt aus. Ein Röcheln verließ die Kehle des Ungetüms, als Durins Axt seine Beine außer Gefecht setzte und Durin sah seinen Sieg schon gekommen, als ihn die Peitsche von rechts traf. Weniger kräftig als vorhin, aber immer noch wuchtig wurde er nach hinten geschleudert und schlitterte über den Boden. Verzweifelt suchten seine Hände nach Halt und fanden schließlich einen hervorstehenden Stein. Abrupt wurde seine Rutschpartie beendet und Durin sah sich um. Er hing, wie ihm jetzt auffiel, ausschließlich an seinen Händen, der Rest seines Körpers baumelte in der Leere. Ein Blick nach unten verriet ihm, warum: Er hing buchstäblich am Rande des Abgrundes, unter seinen Füßen war nur gähnende, schwarze Leere. Vorsichtig sah er wieder nach vorne. Der Balrog taumelte fünf Meter vor ihm durch die Gegend und versuchte, irgendwie einen festen Stand zu finden. Aus den Wunden an den Beinen und am Rumpf, die Durin ihm zugefügt hatte, quoll dickes, schwarzes Blut und er schien vollkommen entkräftet zu sein. Ohne jede Koordination machte er ein, zwei Schritte nach hinten, dann blieb er einen guten Meter vor Durin stehen. Der Zwerg wusste genau, dass es mit diesem Scheusal nun jeden Moment zu Ende gehen würde und er begriff, dass sein Los nichts anders aussehen würde. Wie in Zeitlupe sah er, wie der gewaltige Körper des Dämons nach hinten kippte, hinein in den Abgrund. Durin spürte das unglaubliche Gewicht des Balrogs auf sich, das seine Hände vom Stein losriss und dann fiel er. Er fiel, hinein in die Schwärze und kurz bevor er in dreißig Metern Tiefe auf hartem Stein aufschlug, wusste er, dass sich nun für ihn alles erfüllt hatte, was er hatte tun müssen. Nun war es vorbei, endgültig und für immer.
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